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Ins Dunkel I: Weggefährten
Ins Dunkel I: Weggefährten
Ins Dunkel I: Weggefährten
Ebook316 pages4 hours

Ins Dunkel I: Weggefährten

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About this ebook

Er hätte nicht gewöhnlicher sein können, der letzte gewöhnliche Tag in Duncans Leben. Aber nach einem seltsamen Traum erwacht er in einer völlig fremden Welt.
Nur langsam realisiert er, dass die Fremde kein Traum ist. Und dass man in ihm eine Art Erlöser sieht, der die Welt vom Bösen befreit. Er selber will nur nach Hause...

LanguageDeutsch
PublisherStefan Lange
Release dateOct 3, 2010
ISBN9781301418091
Ins Dunkel I: Weggefährten
Author

Stefan Lange

Telling stories, or writing them down, is something I always did as far as my memory reaches back. In fact, I started telling made up stories to my younger sister before I even learned how to write :D. It's been a weird journey from their until now, but my love for writing and for stories (fantasy and science fiction mostly) in general did not change at all. But I found it much harder to find a way to publish books than to write them....

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    Ins Dunkel I - Stefan Lange

    Prolog: Eine neue Welt

    Duncan

    Es war ein ganz normaler Tag gewesen, und was sich daran anschloss, war ein ebenso normaler Abend, so normal, wie Abende unter der Woche nun einmal sind. Gegen neun war ich mit dem Abendessen und dem etwas verspäteten Lesen der morgendlichen Zeitung fertig, dann hatte ich es mir für einige Zeit vor dem Fernseher bequem gemacht. Nicht ganz allein, mein Kater hatte es sich nicht nehmen lassen, sich direkt neben mich zu legen, versuchsweise auf die Fernbedienung, wovon ich ihn dann allerdings doch abbringen konnte. Gegen elf hatte mich das Programm dann so weit ermüdet, dass ich den Fernseher abschaltete, in dem trotz dutzender Programme immer nur dasselbe lief. Tiger, mein Kater, hätte mich am liebsten gleich mit ins Bad begleitet und war kaum von meinen Füßen los zu bekommen, aber das war mir dann doch zu viel. Unerklärlicherweise war es dann doch wieder fast zwölf, als ich, schon fast im stehen schlafend, ins Bett fiel, wobei mich das grausame Quietschen der Matratze, die wahrscheinlich fast so alt wie ich selbst war, fast wieder aus dieser großartigen Müdigkeit riss. Tiger dagegen machte überhaupt kein Geräusch, als er unten am Fußende landete, ich spürte lediglich sein Gewicht neben meinen Füßen, als er sich zusammenrollte.

    Der Traum, den ich danach hatte, war wohl einer der seltsamsten, die ich je gehabt habe, und ich hatte schon eine ganze Menge seltsamer Träume. Ein kleiner, seltsamer blauer Kerl mit riesengroßen Augen und viel zu vielen Fingern stand mir auf einer Wiese gegenüber. So, dachte ich mir noch, müsse man sich auf einem LSD-Trip fühlen, erstaunlicherweise war ich mir nämlich absolut sicher, zu träumen. So achtete ich auch kaum auf das, was der Kleine zu mir sagte, diese scheinbare Wahnvorstellung aus einem abgedrehten Traum. Und wie das so oft ist, wenn man nicht zuhört, man antwortet auf etwas, und ehe man sich versieht hat man sich um Kopf und Kragen geredet. Aber es war ja nur ein Traum. Wenn ich „Nein" gesagt hätte, dachte ich bei mir, hätte das auch nicht viel geändert. Aber vielleicht hätte der Kleine seine Frage wiederholt. Und ich hätte mich an sie erinnern können.

    Das nächste Mal, dass ich wieder irgend etwas wahrnahm übertraf das den vorherigen Traum dann doch noch bei weitem. Ich hatte es nicht für möglich gehalten, aber was sich vor meinen Augen auftat war noch weit unglaublicher als die verrückte Vision des ersten Traumes.

    Wieder erwarten hatte ich die Augen nicht in meinem Bett aufgeschlagen. Und was sich da so weich anfühlte unter meinem Rücken war auch nicht meine Matratze. Das zumindest, schoss es mir durch den Kopf, hätte ich mir denken können. Die war nämlich nicht so weich. Ich lag auf dem Erdboden, in einer Wiese. Irgend etwas stimmte nicht mit dem blauen Himmel über mir, und einige Zeit später verstand ich dann auch, was mich gestört hatte: Der Himmel war zu farbig. Selbst auf einem großartigen Foto hätte man es wohl kaum gesehen, aber der Himmel war eben nicht nur blau. Er war bunt. Die Wolken schimmerten in Farben, die ich noch nie gesehen hatte und auch in solchen, die ich zur Genüge kannte. Und als ich meinen Kopf zur Seite wandte sah ich dann auch, dass nicht nur mit dem Himmel etwas nicht stimmte. Neben mir verlief ein Weg aus Steinplatten, die längst von den Pflanzen, die um sie herum wuchsen zerrissen worden waren. In Bruchstücken lagen sie da, und zwischen ihnen wucherte das Gras empor, auf dem ich noch immer lag. Ich sprang dann aber doch sehr ruckartig auf, als ich erst die Füße und dann den ganzen Körper des blauen Kerls sah, den ich aus meinem ersten Traum zu kennen glaubte.

    Der Kopf des Kleinen, er war wohl kaum mehr als einen Meter groß, schien größer noch als meiner, riesig für den winzigen, knochigen Körper und vor allem den strichartigen Hals, aber die Augen waren noch viel größer. Und offensichtlich lidlos, denn nie sah ich, wie einer von ihnen die Augen schloss Der Mund wirkte dagegen fast schon normal, ähnlich wie der restliche Körper, knochig, aber nicht besonders seltsam. Von den Händen einmal abgesehen. Denn was ich in meinem ersten Traum noch als eine verwirrende Vielzahl von Fingern gesehen hatte stellte sich jetzt als durchaus zählbare Menge heraus. Fünf Finger hatte der Kerl. Und links und rechts noch je einen Daumen. Sieben Finger also insgesamt an jeder Hand, alle unglaublich lang, dünn und scheinbar mit vier Gelenken.

    Der Kerl starrte mich mit seinen lidlosen Augen an, Augen, die keinen Zweifel daran ließen, dass der Kleine intelligent war. Augen, die am ehesten von dem ganzen Körper ein Alter abschätzen ließen. Ein sehr, sehr hohes Alter.

    „Sie kommen immer weiter oben an." glaubte ich den Kerl murmeln zu hören, und dass hätte mich fast in Panik versetzt.

    Wo zur Hölle war ich? Und was war in dem Bier gewesen, dass ich solche Träume hatte? Denn es kam noch schlimmer. Ich war vor Schreck ein paar Schritte zurückgetaumelt und merkte dann, dass ich riesiges Glück gehabt hatte nicht dem ersten Impuls zu folgen, mich herumzuwerfen und davonzurennen.

    Ich war nämlich auf einer Insel. Nicht, das ich nicht hätte schwimmen können, das konnte ich sehr wohl, aber da war kein Wasser um die Insel. Da war einfach nur… nichts. In der Ferne schienen weitere Inseln zu schweben, und dazwischen einfach nur Luft.

    Ein paar Mal drehte ich mich einfach sinnlos um Kreis, dann blieb ich stehen, dem kleinen Kerl zugewandt und starrte zurück.

    „Willkommen. Ich bin ein Freund. Hab keine Angst."

    Ich wollte aufwachen. Das war das Einzige, das ich in diesem Moment wollte. Statt dessen redete ich mit dem seltsamen Wesen.

    „Wer bist du?"

    Etwas Besseres kam mir nicht in den Sinn. Aber in Träumen konnte man sich ja selten aussuchen was passierte. Und das hier konnte gar nichts anderes sein.

    „Nischir. Und im Übrigen bin ich kein blauer Kerl. Sondern… Der blaue Kerl machte eine kurze Pause „Ach, das könnt ihr ja gar nicht aussprechen. meinte er dann. „Dann bezeichne mich wenigstens als Zwerg. Aber nicht als Kerl. So, wie du es denkst, klingt es sehr abwertend."

    Ich musste ihn wohl recht lange mit offenem Mund angestarrt haben. Jedenfalls war es ihm irgendwann aufgefallen.

    „Oh. Das ist unhöflich bei euch, oder? Ich vergaß. Bei uns ist es wie zuhören, musst du wissen. Ich werde versuchen es besser zu machen."

    „Was… Ich fuchtelte mit meinem Arm unsicher in der Luft herum, „…ist das hier?

    „Nicht das, wofür du es hältst. Du wirst es eines Tages verstehen… vielleicht."

    „Das ist kein Traum?"

    Eigentlich hätte mir diese Aussage sämtliche Sicherheit nehmen sollen. Es geschah genau das Gegenteil. Im Unterbewusstsein schien sich mein Glaube, das alles sei nicht real, zu festigen. Und das brachte meine schwer erschütterte Selbstsicherheit langsam wieder zurück.

    „Weißt du um deine Aufgabe?"

    „Nein. Welche Aufgabe?"

    Der blaue Kerl… der Zwerg ließ den Kopf einmal kurz zu beiden Seiten kippen, was bei dem dünnen Hals gleich die unangenehme Vorahnung eines unansehnlichen Abbrechens hervorrief. Dann breitete er die Arme aus, ließ sich nach vorne fallen und segelte davon. Und wieder war alle Sicherheit dahin, ich musste mich setzen. Mir war schwindelig und zum heulen zu Mute. Aber irgendwann siegte meine Neugier. Das tat sie fast immer. Nun, eigentlich hatte sie das bisher immer getan. Wahrscheinlich hätte ich auch ausprobiert ob wirklich alles in die Luft fliegt, wenn man den roten Knopf drückt. Durchaus möglich, das meine Freunde da Recht hatten.

    Es ging. Es funktionierte tatsächlich, auch wenn der erste Versuch zu einem recht hässlichen Kotzfleck im Gras führte und dazu, dass ich beim Abbruch auch noch schmerzhaft in selbigem landete und gleich den nächsten dazusetzte. Diese Art des Fliegens schien nicht besonders geeignet für meinen Magen. Die nächsten Versuche klappten dann aber doch erstaunlich schnell besser. Jetzt war ich also allein auf diesem Stück… Stück Fels. Und alles, was sonst noch da war war eine Grasfläche und ein uralter Weg, der am Rand des Nichts begann und auf der anderen Seite der Insel am Rand des Nichts endete. Zu allen Seiten nur endloser Abgrund, dunkelblauer Himmel unten, hellerer und irgendwie auch bunterer oben. Unten schienen die Farben, die oben zu viel waren, zu fehlen. Mehr als einmal hatte ich es jedoch noch nicht gewagt, über den Rand hinaus zu blicken. Auch nach über einer Stunde, zumindest nach meinem Zeitgefühl, hatte ich noch immer keinen weiteren Versuch gewagt. Der Zwerg, Nischir, war einfach über den Abgrund hinweg geflogen und nach unten verschwunden. Aber mir steckte noch immer der Schreck in den Knochen. Ich fühlte mich nicht bereit, noch einmal in diese Endlosigkeit zu blicken. Höhenangst hatte ich eigentlich kaum, aber das hier war zu viel. Auch wenn ich wusste, dass ich wahrscheinlich wie Nischir einfach durch die endlosen Lüfte segeln konnte, brauchte ich doch nur die Arme ausbreiten und mich kippen lassen. So saß ich also da, unfähig etwas zu tun. Und das für längere Zeit.

    Es war die leise Ahnung von Durst und Hunger, die mich dann dazu trieb, doch aufzubrechen. Eine kleine Runde zuerst über der Insel, nur wenige Meter über den Rand hinweg, dann immer weiter, bis ich sicherer wurde. Ich suchte den unendlichen Himmel ab nach möglichen Zielen und fand etwas, dass verlockend aussah. Eine Insel, in etwa in der Form eines Knochens, deutlich unterhalb derer, auf der ich jetzt war, aber offensichtlich bewaldet… wo ein Wald war, da war ich mir sicher, musste es mindestens Wasser geben. Und hoffentlich auch etwas zu essen. Denn eines war sicher, was noch nur ein schwaches Gefühl war würde irgendwann stärker werden. Es würde sehr bald schon stärker werden.

    Mit traumwandlerischer Sicherheit gelang es mir tatsächlich, zwischen den Baumwipfeln der Insel niederzugehen. Die Bäume schienen unendlich hoch zu sein, nie in meinem Leben hatte ich ähnliches gesehen. Minutenlang dauerte es, bis ich mich durch die Kronen gewunden hatte, und dann kreiste ich tiefer, entlang gewaltiger Stämme, einem Boden entgegen, der anfangs kaum mehr als eine grün-braune Ahnung war, ein Abgrund, bei weitem nicht so unendlich tief wie die endlosen Abgründe zwischen den Inseln, tief dennoch, aber in all seiner Dunkelheit doch irgendwie einladend. Bald ließ ich mich von dem Geräusch eines Baches leiten, und dann, als ich das Wasser sah, wurde der Durst stärker. Bis ich schließlich den Boden unter meinen Füßen spürte war er kaum noch zu ertragen, und so kniete ich mich auf den weichen, moosbedeckten Boden zwischen den Farnfeldern, die sich auf dem überraschend weitläufigen Land zwischen den hausdicken Baumstämmen erstreckten, und trank, bis mein Durst gestillt war. Kurz nur wollte ich mich an einen Baumstamm setzen, mich zurücklehnen und entspannen, aber mehr als ich gedacht hatte musste mich das erlebte erschöpft haben, denn eh ich erst bemerkte, wie müde ich wirklich war schlief ich bereits tief und fest.

    1. 6 Beine

    Ich hatte gehofft in meinem eigenen Bett aufzuwachen, eingehüllt in meine Decke, Tiger am Fußende meines Bettes und den Geruch eines schlecht durchlüfteten, frisch benutzten Schlafzimmers in der Nase, aber es kam ganz anders. Der Geruch war durchaus angenehmer, ein frischer, erdiger Geruch, der aus den Moosteppichen aufstieg und aus der Rinde der Bäume drang. Dann realisierte ich, dass ich nicht lag, sondern mehr oder weniger saß, und dass sich in meinem Rücken keine Matratze befand, auch wenn die Rinde des Baumgiganten erstaunlich bequem war. Als ich die Augen aufschlug wünschte ich mir, es nicht getan zu haben. Drei Gestalten standen um mich herum, gegen die die Zwerge noch harmlos erschienen, mehr eine Mischung aus den Schlümpfen und einem recht angenehmen, wenn auch völlig abgedrehten LSD-Trip, aber diese Wesen entsprangen eindeutig einem Albtraum. Gut nur, dass ich keine Insekten-Phobie hatte, dann wäre alles wohl noch schlimmer gewesen. Mit ständig hin und her wackelnden Köpfen und abgehakt zuckenden Greifarmen standen auf ihren vier restlichen Beinen drei Gottesanbeterinnen um mich herum. Das war jedenfalls meine erste Assoziation. Sechs Beine, Insektenköpfe, Facettenaugen, nur die Greifarme teilten sich in ihrem letzten Glied in vier Teile auf, statt in zackenbesetzen Tötungsinstrumenten zu enden. Das Schlimme an diesen Wesen war weniger ihr Aussehen, sondern viel mehr die Tatsache, dass sie mich selbst stehend, denn aufgesprungen war ich bei ihrem Anblick, um mehr als einen Kopf überragten. Nun fixierten sie mich mit ihren ausdruckslosen Augen, während ich mich in aufkeimender Panik an den Baum presste.

    Eines der drei Wesen gab ein Zirpen von sich, nicht mit Stimmorganen am Kopf, sondern eindeutig sichtbar mit den Hinterbeinen, die es am Hinterleib rieb. Ich befürchtete schon, dass sei das Signal zum Töten der Beute gewesen, aber die Wesen blickten sich nur kurz gegenseitig an, dann blickten sie wieder zu mir. Und dann sprach das eine Insekt. Formte mit seinen Hinterbeinen, formte zirpend Worte, hell und schrill, mit völlig überzogenen I-Lauten, aber doch deutlich Worte, und das auch noch in meiner Sprache.

    „Willkommen. Folge uns."

    Die Wesen wandten sich zum Gehen, ihr Sprecher drehte sich noch einmal um, als ich keine Anstalten machte mich zu bewegen.

    „Keine Angst. Die Königin wird dir alles erklären."

    Sie formten all diese Worte durch ihr Zirpen. Worte wie „Königin" klangen sehr seltsam, so lang wie sie die I’s zogen, aber sie sprachen. Nicht nur in ihrer Sprache untereinander, sondern fließendes Englisch. Oder wie immer man diese Sprache hier auch immer nannte.

    Die „Königin" sah fast ebenso aus wie die Wesen, die mich beim erwachen so erschreckt hatten, nur war sie noch wesentlich größer. Schon die Kleinen hatten Schwierigkeiten gehabt, in den hohlen Baumstamm zu kommen, in dem die Königin lebte, sie hatte wohl keine Möglichkeit, ihn zu verlassen. Nun stand ich da, allein, unbewaffnet, in verdreckter, kurzer Kleidung vor einem hausgroßen Insekt. Und es war eindeutig längst kein schöner Traum mehr, auch wenn die Wesen mir offensichtlich nichts Böses wollten.

    Die Königin brauchte ihren Kopf nicht bewegen, um mich zu sehen, die leicht gewölbten Facettenaugen mussten mich auch so wahrnehmen können. Ich befürchtete bereits, ihre „Stimme sei noch lauter und schriller als die der anderen Insekten, aber es kam sogar noch schlimmer. Sie war nicht nur wesentlich lauter, sondern auch deutlich tiefer. Klarer zu verstehen und in der „Aussprache der meinen wesentlich ähnlicher, aber so tief, dass manche Töne sich anfühlten, als wollten einem gerade die dünneren Knochen im Leib unter den dumpfen Schlägen der Schwingungen zerspringen.

    „Einer mehr also. Willkommen."

    Ich war mir nicht sicher, was ich sagen sollte, außerdem hatte ich das Gefühl, ich müsste erstmal das Dröhnen aus meinen Ohren bekommen. Ein zweckloses Vorhaben, denn die Königin dachte gar nicht daran, ihre Hinterbeine längere Zeit stillzuhalten.

    „Ich hoffe du weißt, weshalb du hier bist."

    „Nein. antwortete ich und spürte eine gewisse Wut in mir aufkeimen. „Ich weiß nichteinmal wo ich bin.

    Das Zirpen war diesmal nicht zu Worten artikuliert, es fing hoch an und verschwand dann irgendwo in Tiefen, die ich nicht mehr hören, aber noch gut genug fühlen konnte. Vielleicht eine Art enttäuschter Seufzer.

    „Das war zu erwarten. Deine Art wurde schon lange immer gleichgültiger."

    „Meine Art?"

    „Es wurden schon viele auserwählt. Manche wie du, andere, für die es in deiner Sprache nichtmal Worte gibt. Aber dass du hier bist zeigt, dass sie alle gescheitert sind."

    „Gescheitert wobei?"

    „Bei ihrem Auftrag."

    „Ich weiß von keinem Auftrag."

    „Das liegt an eurer Gleichgültigkeit. Du hast einfach zugesagt, ohne zuzuhören."

    Langsam dämmerte mir, dass dieses seltsame Wesen auf meinen ersten Traum zu sprechen kam. Bei genauerer Überlegung erschien es gar nicht mal unlogisch, dass die beiden Träume nicht nur durch das Auftauchen eines dieser blauen Zwerge verbunden waren.

    „Der Ray. Seit Ewigkeiten bekämpfen wir ihn, doch die, die über uns sind, wollen von je her eine Entscheidung erzwingen. Unsereins ist dazu nicht fähig. Die Zwerge auch nicht. Du vielleicht."

    Der Traum gefiel mir nicht mehr. Er gefiel mir ganz und gar nicht mehr.

    „Aber ich kann dir nicht helfen. Nicht mit Taten."

    „Aufwachen würde mir schon reichen."

    „Du bist wach."

    „Das ist kein Traum?"

    Sie schien einen Moment nachzudenken, bevor sie antwortete.

    „Das Inselschiff soll der Schlüssel sein. Du wirst es suchen müssen, denn ich weiß nicht, wo es ist. Gefährten wirst du brauchen, alleine wirst du es nicht schaffen."

    „Ich denke nicht dass ich lange genug schlafen werde, um das alles zu erledigen."

    Es hätte mir auffallen sollen, dass man nur höchst selten im Traum sich selbst der Tatsache des Träumens bewusst ist.

    „Ich sagte bereits, du wirst nicht aufwachen."

    „Dann ist das kein Traum?"

    „So einfach ist die Antwort nicht. Würde ich sagen: ‚Ja, es ist kein Traum.’ Dann würde ich dich belügen. Aber jede andere Antwort wäre ebenso falsch. Du bist hier. Und das wird so bleiben."

    Alles begann sich um mich zu drehen, Angst und Verzweiflung schlugen wie gewaltige Wellen über mir zusammen, rissen mich von den Beinen und verschluckten alles. Als ich erwachte lag ich im Wald, ohne zu wissen, wo genau ich war. Keine Spuren waren zu sehen, nur der Rucksack auf meinem Rücken belegte, dass irgend etwas passiert war. Denn vorher war er nicht da gewesen.

    Zu meinem Erstaunen fand ich in dem Rucksack einen Laib Brot, ein gutes Stück Wurst und einen gefüllten Wasserschlauch, dazu etwas, dass fast aussah wie Kartoffeln und genauso roch. Um Hunger und Durst brauchte ich mir für eine Weile zumindest keine Gedanken mehr zu machen. Ich beschloss, weiter zu ziehen. Ich hatte viel zu viel Angst, um einfach liegen zu bleiben.

    2. Der See

    Ich hatte die dritte Insel erreicht, und sie war völlig anders als die beiden davor. Sie schien über ein fragiles Band, das sich aus geringerer Entfernung als filigrane Brücke herausgestellt hatte, mit einer Insel fern von hier verbunden zu sein, aber die andere Insel war so weit weg, dass sie kaum zu erahnen war. In der Mitte der Insel ragte ein Monolith empor, der von Ferne und vor allem von oben mit seinen geschwungenen und teils von mir unerklärlichen Naturgewalten durchhöhlten Ausläufern an eine vielarmige Spinne erinnerte. Der Hauptteil des Felsens mochte zwanzig Meter hoch sein, vielleicht sogar höher, und die Ausläufer, die sich in das fast fußballfeldgroße Grasland um den Felsen herum erstreckten waren drei, vielleicht vier Mal so hoch wie ich groß war. Und auf der dritten Insel wartete das dritte intelligente Lebewesen, dem ich hier begegnete. Jedenfalls erwartete ich das. Einem Schatten gleich saß es am der Sonne abgewandten Fuß das Monolithen, dort, wo eine Höhle in den Fels führte. Vielleicht führte diese Höhle zu der Brücke… Einen Augenblick wunderte ich mich über die Selbstverständlichkeit, mit der ich meine „Aufgabe" anging, die ich von der Insektenkönigin erfahren hatte. Aber dann vergaß ich die Zweifel. Ob es ein Traum war oder nicht, mir blieb kaum eine Wahl. Ich konnte nicht hier bleiben. Wenigstens musste ich einen Ort finden, wo ich wohnen, essen und trinken konnte. Bis dahin war es gleichgültig, mit welchen Hintergedanken ich diese fremdartige, verrückte Region erkundete.

    Der Schatten gewann, je näher ich kam, an Konturen, aber er blieb erschreckend körperlos. Wie ein kleiner Mensch, gehüllt in einen pechschwarzen, viel zu weiten Kapuzenmantel saß das Wesen da, und wenn unter der Kapuze Augen waren, dann mussten sie in meine Richtung starren, schließlich fühlte ich mich nicht bloß angestarrt, sondern bis ins Innerste durchleuchtet. Ich trat näher an das Wesen heran, das sich, als ich selber in den Schatten des Felsens hineintrat, majestätisch langsam erhob. Arme schien es zu haben, denn jetzt hoben sich die Ärmel ein wenig, doch zu sehen war nur flatternder, pechschwarzer Stoff. Ein unangenehmer Geruch wehte aus der Höhle heraus und riss die Falten des viel zu weiten Mantel hierhin und dorthin, doch weder enthüllte der Wind einen Teil des Gesichts noch Hände oder Füße. Es schien nichts aus dem Mantel hervorzuschauen, und hatte ich anfangs noch gehofft, in dem schwarzen Schatten unter der Kapuze möge sich ein Gesicht abzeichnen, wenn ich nur nah genug dran wäre, so begann ich nun zu hoffen, es möge nicht so sein. Jede Begegnung hier schien furchterregender zu sein als die vorherige, ich fragte mich nur kurz, wie das wohl weitergehen sollte. War der Zwerg noch seltsam, aber nicht besonders angsteinflößend gewesen, so war die Insektenkönigin schon von ihrer Gestalt her erschreckend gewesen, noch viel mehr aber hatten ihre Aussagen mich fast verrückt werden lassen. Was kam nun? Noch mehr Rätsel, noch mehr unklare Worte? Ankündigungen, Aufgaben, Andeutungen? Ich wusste immer noch nicht, wo ich war. Schlief ich? War ich wach? Hatte irgendein vergangenes Drogenexperiment zurückgeschlagen und ich saß in Wirklichkeit in einer Zwangsjacke in einer Gummizelle und sabberte zuckend vor mich hin? Fast war ich eher bereit, dies als Realität und meine Wahrnehmung als Wahn abzutun als dies alles hier als Realität anzusehen.

    Die Stimme des Kapuzenträgers klang, als käme sie aus weiter Ferne, und mit jedem Wort, mit jedem Atemzug des Dings kam ein Hauch des Gestankes aus der Höhle hervor.

    „Willkommen."

    Diese Worte hatte ich jetzt eigentlich schon oft genug gehört.

    „Weswegen bist du hier?"

    Entgegen jeder Vernunft versuchte ich noch immer angestrengt, etwas in der Schwärze unter der Kapuze auszumachen. Aber da war nichts. Und wenn dort etwas war, dann wollte ich es eigentlich gar nicht mehr sehen. Ich wollte nur noch weg. Aber der Schatten schien Gedanken lesen zu können, denn jetzt hob er die Arme ganz (noch immer gab der Stoff keinen Flecken Körper frei).

    „Es gibt nur einen Weg fort von hier."

    Ich blickte mich um und nach einem ersten Zittern spürte ich Panik aufkommen. Die Ausläufer des Monolithen standen nicht mehr so wirr in der Gegend herum wie vorher. Sie hatten sich geschlossen, keine zehn Meter hinter mir, und ohne dass ich etwas davon gemerkt hätte. Tonnenschwere, scheinbar massive Felsen hatten ihre Position geändert, als wären sie aus formbarer Masse.

    „Weswegen bist du hier?"

    „Neugier?" versuchte ich es.

    Die Kapuze drehte sich leicht hin und her.

    „Nein. hauchte der Schatten. „Falsche Antwort.

    „Meine Aufgabe?"

    „Ja. Gib sie auf. Wenn dir an deinem Leben liegt."

    „Wache ich dann wieder auf?"

    „Du bist wach."

    „Das kann nicht sein." wehrte ich mich, fast verzweifelt.

    „Doch. Versuch nicht zu kämpfen. Andere haben es vor dir versucht. Welche, die stärker waren, und solche, die klüger waren. Manche waren beides. Sie alle sind gescheitert. Sie hatten sogar eine Motivation. Du bist nur aus Dummheit hier. Sie wollten für das Gute kämpfen. Für Ehre. Narren."

    „Und ich will das nicht?"

    „Spürst du ein Bedürfnis dazu?"

    Ich überlegte nicht lange. Nein, eigentlich verspürte ich kein Bedürfnis dazu, für irgend etwas zu kämpfen. Außer vielleicht fürs Aufwachen. Aber andererseits, ich war ja wach. Mein Leben, das meiner Familie… nun gut, eigentlich hatte ich außer meinen Eltern, die ich seit Jahren nicht gesehen hatte, keine Familie.

    „Nein."

    „Geh ruhig. Aber denk an meine Worte. Wenn du gegen den Ray kämpfst wirst du sterben. Aber das ist für euch ja ohnehin nur eine Frage der Zeit…"

    Dann fiel der Mantel einfach zu Boden, als sei nie etwas darin gewesen. Und ich merkte, dass ich einfach nur im Schatten des Monolithen stand und zitterte vor Angst. Für einen Traum dauerte es beim besten Willen schon zu lange, und ich dachte viel zu bewusst über diese Möglichkeit nach. Ich hatte mich auch schon mehrfach gekniffen, es half nichts. Unsicheren Schrittes ging ich am Mantel vorbei in die Höhle, blieb stehen und drehte mich zur Seite, um den Mantel zu sehen. Und das, was daneben lag. Ich ging hin und stieß, ängstlich, aber letztendlich entschlossen, den Mantel mit dem Fuß zur Seite. Ein Schwertgurt mit Schwert lag da auf dem Boden, wenn mich nicht alles täuschte, und es war tatsächlich so. Ich

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