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Als Kriegsgefangener in Sibirien
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Als Kriegsgefangener in Sibirien
Ebook87 pages1 hour

Als Kriegsgefangener in Sibirien

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About this ebook

Ein Tatsachenbericht über die Kriegsgefangenschaft in Sibirien eines deutschen Soldaten nach dem 2. Weltkrieg. Überleben unter Extrembedingungen im äußersten Osten Russlands.

LanguageDeutsch
PublisherRalf Becker
Release dateJan 5, 2011
ISBN9781458089670
Als Kriegsgefangener in Sibirien
Author

Ralf Becker

Born at 20.May 1956 at Frankfurt a.M. Germany.

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    Als Kriegsgefangener in Sibirien - Ralf Becker

    Ralf Becker

    Als

    Kriegsgefangener

    In

    Sibirien

    - Nur der Wille zum Überleben zählt...-

    Copyright 2011 Ralf Becker

    Published by smashwords.com

    * * * * *

    „Es ist also soweit, dachte ich, als der alte, bärtige Russe auf der Holzpritsche, direkt neben der Zellentür, nach dem „Njemez rief. Ich hatte mit offenen Augen geträumt. Ein kleines Stückchen des blauen Himmels, das an diesem Vorfrühlingstag des Jahres 1947 durch unser vergittertes Zellenfenster leuchtete, war mir wie eine Brücke erschienen. Ganz vergessen hatte ich die zerlumpten, verlausten Gestalten, deren Sprache ich nicht verstand und die mit mir in der überfüllten stickigen Zelle des Minsker NKWD-Gefängnisses hockten.(NKWD = sowjetische Geheimpolizei, heute MVD). Die Brücke ging zur fernen Heimat, die ich 1944 auf Heimaturlaub als deutscher Landser zum letzten Male gesehen hatte.

    Ein Dolmetscher stand an der Zellentür: „In den nächsten Tagen werden Sie vor das sowjetische Kriegsgericht gestellt. Haben Sie einen Wunsch? – „Kann ich einen Verteidiger haben? wagte ich zu fragen. „Ja, bekommen Sie," antwortete er ohne zu Zögern. Schloss die Zellentür.

    Ich überlegte: Was konnte man mir schon vorwerfen? Ich hatte nichts verbrochen, keine Häuser angezündet, niemanden umgebracht. Dass ich zum zweiten Male aus dem Kriegsgefangenenlager geflohen war? Weil ich Sehnsucht hatte nach Deutschland?

    Ich gab nie ein Ehrenwort, nicht zu fliehen. Oder nahm man mir übel, dass ich auf der Flucht einige Kartoffelmieten aufgebrochen und mir ein paar Erdäpfel genommen hatte? Allenfalls Mundraub! Ich mußte ja schließlich etwas essen!

    Die Russen in der Zelle schienen meine Gedanken zu erraten. „Wenn du kommen nur vor Kriegsgericht – gutt! Gibt nur soo vill Jarre!" Sie zeigten mir fünf Finger.

    Ich wollte wissen, was „fünf Jahre auf russisch heiße. „Biät lät, antworteten sie und grinsten.Drei Tage später wurde ich aus der Zelle geholt. Kam in einen mittelgroßen Raum. Vor mir am Tisch zwei Offiziere in der Uniform der NKWD. Rechts am Tisch ein Dolmetscher in Zivil: „Setzen Sie sich!" Es folgte die übliche kurze Personalaufnahme.

    Ich brauchte nur immer „ja" zu sagen.

    „Was waren Sie im Kriege? übersetzte der Dolmetscher. Ich sagte ihm, dass ich MG-Schütze gewesen sei. „Wie viel Russen haben Sie erschossen? wollte der Offizier wissen. Ich antwortete, ich hätte sie nicht gezählt. Der Dolmetscher übersetzte. Darauf der NKWD-Offizier: „Faschist!"

    Ich sah mich kurz um, konnte aber nirgendwo einen Verteidiger entdecken. „Wo ist denn mein Verteidiger?" fragte ich den Dolmetscher. Die drei Russen kauderwelschen miteinander. Dann der Dolmetscher:

    „Verteidiger wurde nicht für nötig befunden."

    Trotz des Ernstes meiner Lage entfuhr mir ein spöttisches Lachen. Da wurde der Russenoffizier in der Mitte böse. Er erteilte mir eine Rüge.

    Wovon ich mich auf meiner Flucht ernährte, wollten die Russen wissen. Ich sagte ihnen, ich hätte aus dem Lager aufgespartes Brot mitgenommen. „Und als das verzehrt war. Wer gab Ihnen da zu essen? Nennen Sie uns alle Leute, die Ihnen Essen oder Unterkunft gegeben haben!" Ich merkte bald, dass die Russen sich mehr für die Leute interessierten, die mir geholfen hatten, als für mich. Ich wusste, dass ich durch ein einziges unbedachtes Wort viele Menschen in große Not gebracht hätte. So stritt ich ab, irgendwelche Hilfe erhalten zu haben. Ich blieb dabei, auch als die Russen drohten, sie würden mit mir den gesamten Fluchtweg abfahren und mich allen Leuten gegenüberstellen, die an ihm wohnten.

    Da kamen die NKWD -Leute auf eine andere Tour: „Wenn Sie nichts bekommen haben, dann mußten Sie sich Ihre Nahrung stehlen.

    Haben Sie das getan?" Was blieb mir anderes übrig, als wahrheitsgemäß zuzugeben, dass ich ab und zu eine Kartoffelmiete geöffnet und mir Kartoffeln herausgeholt hatte. Ich gab sogar zu, einmal vor Hunger einen Hund geschlachtet und verzehrt zu haben. Mir war alles gleichgültig, wusste ich doch, dass mir die für Diebstahl in der Sowjetunion höchstzulässige Strafe von fünf Jahren Zwangsarbeit sicher war.

    Nach wenigen Minuten war das Verhör beendet. Die Russen sprachen miteinander. Kaum eine Minute lang. Dann mußte ich aufstehen. Der Offizier mit den vielen Orden an der Brust nahm einen Zettel und las etwas Russisches vor. Ich verstand ihn nicht. Nur einmal horchte ich auf: „...biät lät..." Fünf Jahre Zwangsarbeit!

    Der Dolmetscher übersetzte. Dann wollte er wissen, ob ich das Urteil annehme.

    „Nein, erwiderte ich bloß.

    „Bitte, Sie haben das Recht, innerhalb von drei Tagen ein Gnadengesuch nach Moskau zu richten", sagte der Zivilist. Dann wurde ich abgeführt.

    Wir gingen nicht in die alte Zelle zurück, sondern auf den anderen Flügel des geräumigen Gefängnisses. Dort saßen die bereits Abgeurteilten. Als der Posten den Riegel hinter mir zugeschoben hatte, blieb ich an der Zellentür stehen. Mein erster Eindruck. „Mief – dicke verbrauchte Luft in der großen Zelle mit drei übereinanderliegenden Holzpritschen. Ein kleines, vergittertes Fenster. In der Ecke ein Kübel. Und überall, wohin ich blickte, völlig kahlgeschorene, zerlumpte Männer. Einige von ihnen grinsten mich an: „Woina Plenni? (Kriegsgefangener?) – „da! (ja) – „Wieviel du bekommen? – Da packte ich meine neuesten Russischkenntnisse aus und verkündete: „bjät lät! Allgemeines Gelächter: „Oh, malo! (wenig). Später erst wurde mir klar, dass fünf Jahre Zwangsarbeit in der Sowjetunion eine „leichtere Strafe" ist.

    Ich sah mir meine Zellengenossen der Reihe nach an.

    Lauter Russen. „Wirst Russisch lernen müssen! sagte ich mir selbst. Bald hatte ich einen Zellengenossen gefunden, mit dem ich mich ganz gut verständigen konnte. Er sprach Deutsch, weil er während der deutschen Besatzung in der Ukraine als Polizist diente. Dafür hatte er zehn Jahre Zwangsarbeit bekommen. Er war künftig mein Dolmetscher. Von ihm stammen auch meine ersten Kenntnisse der russischen „Gefangenen-Soziologie.

    Es ist nicht ein Zwangsarbeiter wie der andere!

    Da gibt es die Normalen. Ruhige Menschen, die sich stumm in ihr Schicksal ergeben, niemandem Freud und niemandem absichtlich Leid zufügen. Kameradschaftlich und hilfsbereit in kleinen Dingen. Typische „Nitschewo-Russen". Die Normalen sind ungefährlich.

    Dann gibt es die „Platnojs". Zumeist große, kräftige Gestalten, roh und streitsüchtig. Von allen Zellengenossen gefürchtet. Fast in jeder Zelle traf ich einen oder mehrere Platnojs.

    Sie sind die Zellenfürsten.

    Ihr Wort ist Befehl. Wer nicht gehorcht, wird erbarmungslos geschlagen.

    Außerdem findet man in allen Zellen mehr oder weniger „Schalmans". Sie sind die Hyänen unter den Zwangsarbeitern. Meist jüngere, freche und feige Bürschlein. Sie würden es nie

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