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Die Kaliberkipper
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Die Kaliberkipper

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About this ebook

Was sind Kaliberkipper? Das würden Kiki, Simona und Dirk auch gerne wissen. Schließlich sind sie in den Wald der einsamen Stimmen gerufen worden, um ihn vor diesen Monstern mit überdimensionalen Kräften zu retten. Sie erfahren nicht einmal wer der Chef im Wald ist: Fusulus, das Fuchsmännchen oder NockNock, der Buntspecht mit den Morsezeichen oder wer? Der Wald der einsamen Stimmen ist für die Kinder verwirrend, paradiesisch und gefährlich – alles in einem. Und genau deswegen reizt sie die Aufgabe.
Doch die drei verstoßen gegen eine wichtige Regel: Sie bleiben nicht einsam sondern schließen Freundschaften. Das Fuchsmännchen Fusulus versucht die Kinder deswegen zu verdrängen. Als Kaliberkipper auch Menschenkinder verwandeln wollen, hilft anscheinend nur noch Kikis Selbstversuch ...

LanguageDeutsch
PublisherTine Sprandel
Release dateApr 15, 2011
ISBN9781458081575
Die Kaliberkipper
Author

Tine Sprandel

Tine Sprandel lebt in der Nähe von München. Jahrgang 1964. Nach Jahren als Gartenbauingenieurin ist sie nun als Autorin und Schriftstellerin selbstständig. Geblieben ist ihr aus der Zeit des Gärtnerns die Begeisterung für Wachsen und Gedeihen. Große und kleine Kinder. Draußen sein. Pflanzen hegen und pflegen. Eine kleine Welt auf die Bühne bringen. Mit Geschichten andere Welten erschließen. Schreiben.

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    Die Kaliberkipper - Tine Sprandel

    Fusulus

    Das Fuchsmännchen Fusulus verließ nie sein Revier. Warum auch. Um ihn herum herrschte grüne Wildnis. Wässrig grün, moosgrün, dunkelgrün und überall lindgrün. An manchen Ästen schimmerten Nadeln, an anderen große, gezackte oder glatte Blätter. Lianen gleich hingen Waldreben von den Wipfeln. Der Boden verschwand unter Beerensträuchern, riesigen Blättern des Bärenklaus, lila Blütenrispen vom Fingerhut, weißen Sternchen des Waldmeisters. Es duftete nach Wiese und morschem Holz.

    Fusulus lebte fernab der lärmenden Welt. So fern, dass normale Menschen seinen Wald gar nicht betreten konnten. Für sie war vor einer haushohen, umgedrehten Wurzel Halt. Wer versuchte, die Wurzel zu durchqueren, wurde durch zahlreiche Windungen wieder zurück an seinen Ausgangspunkt gebracht – normalerweise.

    Das Fuchsmännchen gehörte zu den Waldteufeln und war wie sie kaum größer als ein Meter. Er trug einen Fellmantel und statt Vorderpfoten kleine Hände. Sein silbrig grauer Fuchsschwanz leuchtete als Haarschopf. Am liebsten lebte er für sich allein – tagsüber in einem ehemaligen Dachsbau, der Fellmantel hing an einer Wurzelspitze. Nur das Rauschen des Windes, das Zirpen einiger Insekten und das Piepsen von Rotkehlchen war zu hören.

    Wenn es dämmerte, schwärmten die Waldteufel aus. Fuchsmännchen, Waldkäuze, Wildkatzen, Siebenschläfer und die anderen zogen fröhlich plappernd durch den Wald, ohne sich gegenseitig zuzuhören oder gar miteinander zu plaudern. Sie schwangen an Lianen, höher und immer weiter, wenn einer runter fiel, hatte er Pech gehabt. Sie sangen wilde Lieder, die Töne passten nur zufällig zusammen. Der Wald und alle Bäume und Äste und Blätter und Nadeln schwangen mit den Geräuschen.

    Doch dieser Abend gestaltete sich anders. Fusulus setzte gerade zum Sprung an, um einen Marder einzufangen, als ein Baum haarscharf neben ihm nieder krachte. Der Stamm zerbarst nicht, sondern der Baum steckte verkehrt herum im Boden. Seine Wurzeln wedelten wie wild durch die Luft. Kein Sturm hatte solche Kräfte.

    Dem ersten Stamm folgten weitere, immer schnurgerade einer Linie nach. Fusulus verbarg sich hinter Gebüsch. Ein Schnaufen, Prusten und Rülpsen näherte sich, das er noch nie gehört hatte. Gleichzeitig drangen empörte Rufe der anderen Waldteufel an sein Ohr: Das fordernden „Juik" der Waldkäuze, das wütenden Bellen der Füchse, das Fauchen der Wildkatzen.

    Dann sah Fusulus die Eindringlinge.

    Durch das verwüstete Unterholz staksten Wesen auf zwei Beinen, sie trugen lange Mäntel aus Schweineborsten und einen Schweinenasenstempel mitten im Gesicht. Über und über mit verkrustetem Schlamm bedeckt, beugten sie sich ab und zu vor, um auf allen Vieren weiterzulaufen, dann richteten sie sich auf und stolzierten wie dicke mächtige Könige.

    „Die Kaliberkipper sind schon wieder da", dachte Fusulus und ärgerte sich erst nur.

    Der Dickste unter ihnen schnaufte tief durch. „Ist das ein Spaß! Folgt mir, wir richten den säuselnden Sonnenscheinchen im Wald der einsamen Stimmen eine richtige Sause aus!"

    Fusulus verzog sich noch tiefer ins Gebüsch, aber nur so weit, dass er die Stimmen noch verstehen konnte.

    „Was für eine uneingeschränkte, unglaubliche, unermessliche Dummheit. Wo uns der Nachwuchs fehlt, will der große Anführer toben gehen, nuschelte ein schmächtiger Schweineborstenmantelträger ganz in Fusulus’ Nähe. „Wo wir uns auf die Suche nach Opfern machen sollten, will der starke Napoleon nur Bäume ausreißen.

    Fusulus Ohren stellten sich spitz auf. Opfer hier in diesem Wald? Das gab es noch nie. Normalerweise verwandelten Kaliberkipper nur im Menschenwald die Wildschweine.

    Einerseits wünschte er, unsichtbar zu sein, um noch mehr zu erfahren. Andererseits musste die Verwüstung gestoppt werden. Wenn ihm doch nur Donner, Blitz und Prassereien zu Hilfe kämen! Aber nichts geschah.

    Fusulus sah, wie ein völlig mit Schlamm bedeckter Schweineborstenmantelträger dem Schmächtigen eine Wildschweinpfote auf die Schulter legte.

    „Still, Verwandlungsmeister. Wachturm sieht und hört alles. Aber du hast Recht, also will ich dich nicht verraten. Napoleon vergisst, für Nachwuchs zu sorgen, sonst werden wir bald alle jämmerlich zu Grunde gehen!"

    Fusulus kratzte sich am Ohr. Verwandlungsmeister, Wachturm und der Chef heißt Napoleon. So viel hatte er noch nie erfahren.

    „Die Kaliberkipper sterben aus, weil der Chef nicht für Nachwuchs sorgt. Er wird alt! Aber ich, der Verwandlungsmeister, habe ein neues Mittel gefunden ..." nickte der Schmächtige und versenkte seine Schnauze in den Eingang zu Fusulus Dachsbau, wühlte so kräftig, dass Erdklumpen durch die Gegend flogen.

    Nun war der Bau zerstört und Fusulus’ Revier verwüstet.

    Der Kaliberkipper tauchte wieder auf und strahlte Napoleon, der auf ihn zu galoppierte, aus seinen Wildschweinäugelein an.

    „Hin und her, her und hin, immer kommt mir etwas in den Sinn, sang der Verwandlungsmeister. „Geliebter Großmeister Napoleon, gütige Kaliberkipperseele, ich habe eine Überraschung für dich, für uns.

    Bei dem Wort „Überraschung stoppte Napoleon, drehte ab und hob einen riesigen Haselnussstrauch direkt neben Fusulus in die Höhe. „Überraschung?, nuschelte er während er den Strauch mit der Pfote schüttelte.

    „Überraschung."

    „Was für eine Überraschung", knurrte Napoleon.

    Fusulus reckte sich, um besser sehen zu können. Dabei rutschte er in das tiefe Loch, in dem gerade eben noch der Haselnussstrauch wurzelte. Sofort beugten sich drei schlammige Schnauzen mit mächtigen Hauern über den Rand.

    „Oh, was für ein selten süffiges Sauseemplar eines Waldteufels. Zu schade, dass wir die nicht verwandeln können." Die Schweinsaugen grinsten höhnisch über Fusulus.

    „Still, das ist es ja gerade. Wir können, aber dazu müssen wir erst in unser Reich zurückkehren, flüsterte die eine Schnauze. „Den hier heben wir uns für später auf.

    Eine andere wandte sich ab. „Wir kehren in den Schattenwald um. Für heute ist es genug. Hören wir, was unser Verwandlungsmeister zu sagen hat. Dann werden unsere Sonnenscheinchen hier etwas erleben."

    Fusulus hörte Trampeln und Poltern. Während ihres Rückzuges schienen die Kaliberkipper weitere Bäume zur Seite zu drücken. Sie durchwühlten das Unterholz und schmatzten und grunzten zufrieden.

    Endlich wurde es still. Nur das Jammern und Klagen der Waldteufel war zu hören. Fusulus kroch aus dem Erdloch.

    „Kaliberkipper sind bei uns eingefallen. Warum hört das nie auf?" rief Wildcat, die Wildkatze.

    „Alles hin, stöhnte GlisGlis, der Siebenschläfer, „und geweckt haben mich diese Monster auch noch.

    „Haps, Haps, wir sind verloren, sie werden wiederkommen", klang es vierfach aus den Mündern einer Eichhörnchen Familie.

    „Neuste Nachrichten, quiekte ein Waldkauz mit gelber Rabenschnauze. „Der Wald der einsamen Stimmen ist verloren!

    Fusulus rieb sich an den Wurzeln eines umgestürzten Baumes. Ein Schauer glitt über seinen Körper. Nach und nach verwandelte sich der kurze Hals in einen majestätischen Fuchsnacken, der silbrig glänzende Zopf blieb ihm als Schwanz, aus den Armen wurden Vorderläufe mit Pfoten. Die behaarte Brust veränderte sich in ein dichtes rotbraunes Fell.

    „Dies ist der Wald der einsamen Stimmen. Hier ist jeder allein. So ist es und so soll es bleiben. Niemand darf uns stören!", bellte er, bevor er ganz in einen Fuchs verwandelt war. Das klang sicher und stolz, doch im Grunde wusste Fusulus nicht weiter. Er preschte los. Über querliegende Stämme, an Dornensträuchern entlang und mitten durch Wurzelreste durch. Von den Feldern im Norden, zum Fluss im Westen, von der Wurzel im Südosten zum Schattenwald im Osten. Der Gestank der Kaliberkipper lag noch in der Luft. Stunden jagte Fusulus so durch den Wald, nur um den Geruch der Verwüstung loszuwerden. Dabei merkte er nicht, dass er längst die Grenze zum normalen Wald überschritten hatte.

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    Kiki Grashüpfer

    Kiki schnappte ihr Fahrrad. Zum Glück Wochenende. Auch noch ein langes. Sie radelte aus der Stadt heraus, auf dem Fahrradweg an der großen Straße entlang. Sie trat heftig in die Pedale. Es reichte ihr. Drei große Schwestern, die sie kritisierten waren drei große Schwestern zu viel.

    An der Abzweigung zu Omis Haus schaltete die Ampel rechtzeitig auf grün. Kiki legte sich in die Kurve, schoss an den Fußgängern vorbei, jetzt noch den kleinen Berg hoch, dann war sie da. Auf dem Nachbargrundstück winkte ein Gartenzwerg. Aus den Zaunlatten von Omis Garten quollen Pfingstrosen hervor. Am Haus rankte Spalierobst. Überhaupt sah es bei Omi anders aus als auf den anderen Grundstücken. Das Haus selbst war klein, der Garten dahinter riesig, nebenan war es andersrum.

    Bevor Kiki ihr Mountainbike abstellte, schallte Omis Stimme aus dem Küchenfenster: „Mein kleiner Grashüpfer ist da! Haben dich deine Schwestern wieder geärgert?"

    Ärgern war kein Ausdruck. Sie waren unerträglich.

    „Ich verschwinde in mein Schloss!" Kiki sauste zum hinteren Ende des Gartens. Dort thronte ihr Baumhaus in der Astgabel einer Buche mit direktem Blick zum Wald. Sie kletterte die vierzehn Sprossen der Leiter hoch und schmiss den Rucksack mit Trinkflasche und den Wechselkleidern für das Wochenende zur Seite. Sie legte sich auf den Bauch. Große Zwischenräume gaben den Blick ins dunkelgrüne Blättermeer frei. Haus und Dorf lagen hinter ihr, weit weg. Kiki lauschte. Sie hörte Tapsen, Rascheln und Piepsen. Und stellte sich vor, dass sie die Sprache der Waldwesen verstehen könne. Sie wollte so etwas wie Tierarzt für den Wald werden. Aber Papa sagte, dass man entweder Tierarzt oder Förster werden könne. Man müsse sich schon entscheiden. Mama hatte ihr mal vom Pferdeflüsterer erzählt. Seit dem hatte sich Kiki vorgenommen, einen neuen Beruf zu erfinden: Waldflüsterer. Oder so.

    Plötzlich traf sie ein Tannenzapfen auf dem Rücken.

    „Grashüpfer, darf ich raufkommen?" rief Angeber - Dirk.

    „Ich will allein sein", rief Kiki. Sie mochte den dicken Jungen aus der Siedlung zwei Straßen weiter nicht besonders. Aber jedes Mal, wenn sie bei Omi war, schaute er vorbei. Als ob er auf sie wartete.

    „Deine Lattenbude ist wohl zu wackelig für zwei?"

    Dirk war so dick, dass er Recht haben könnte.

    „Du bist ja nur neidisch!", röhrte Kiki.

    Ihr Vater hatte ihr geholfen, das Baumhaus zu bauen. „Für unseren Grashüpfer, der eigentlich ein Waldteufel ist", verkündete er, als es fertig war.

    Mama murmelte verärgert: „Jetzt hockt sie nur da oben, anstatt etwas für die Schule zu tun oder mit Freundinnen auszugehen."

    „Waldteufel? Das passt, höhnte ihre Schwester Amelie. „Unsere Kleine mit den langen Beinen ist eh nicht normal!

    „Feuerrote Haare wie ein kleines Teufelchen." Die anderen Schwestern hatten sich schlapp gelacht.

    Dirk prustete auch los. „Ich und neidisch? Nee, Grashüpfer, so einen Verschlag habe ich schon tausendmal gebaut."

    „Angeber", brummte Kiki.

    „Ich könnte dir einen zeigen, hinter der Faistnerwiese."

    „Ich glaub dir kein Wort. Und jetzt will ich allein sein."

    „Ich glaub dir auch kein Wort. In Wirklichkeit darfst du nicht in den Wald, weil du zu klein bist."

    „Ich horche!"

    „Mein Gehör ist

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