Die Märchen des Steinklopferhanns
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Ludwig Anzengruber
Ludwig Anzengruber, Pseudonym Ludwig Gruber (* 29. November 1839 in der Alservorstadt von Wien; † 10. Dezember 1889 in Wien) war ein österreichischer Schriftsteller. Er gilt als bedeutender Dramatiker des österreichischen Volksstücks in der Tradition Johann Nestroys und Ferdinand Raimunds. (Wikipedia)
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Book preview
Die Märchen des Steinklopferhanns - Ludwig Anzengruber
Inhaltsverzeichnis
Die Märchen des Steinklopferhanns
I.
II.
III.
IV.
Impressum
Die Märchen des Steinklopferhanns
Erstmals erschienen im Jahr 1880 im
Illustrierten österreichischen Volkskalender
Umschlaggestaltung, Überarbeitung:
Daniel Neuner
1. Auflage 2015
I.
Die breite Straße lief eine geraume Weile neben gelben Kornfeldern hin, bis ihr die Augen weh taten, da war sie recht froh, dass der Tannenwald bis zu ihr hinrückte und sie eine andere Weile im Grünen und im Schatten laufen konnte. Die Felder bogen aber da von der Straße ab und zogen weithin an dem grünen Walde, und das Korn sagte zu den Tannen: »Was so ein Wald für ein unnütz Ding ist, höchstens umgehauen mag er das zu Ende führen, was wir begonnen, mag backen helfen und die Leute wärmen, denen wir Leib und Seel zusammenhalten.« Die hohen Tannen schüttelten die Köpfe und sagten: »Muss sich einer nie einbilden, er richt's allein auf der Welt; wir stehen hier auf der Wacht, dass nicht der kalte Wind über die Niederung weht und euch verbläst, dass ihr die grünen Halme verfroren auf den Boden sinken lasst, und wir ziehen den Regen herbei, der euch tränkt, und lasst uns einmal ausgehauen sein, dann wächst die weite Niederung hinab nicht halb so viel, und der Kies und das Geröll und die nackte Erde rücken gegen das Dorf, um dem Bauer gute Nacht zu sagen.«
Ob die Bauersleut manchmal so dachten vom Walde wie das Korn? Heute taten sie es nicht, sie hatten bis an den Mittag geschnitten, jetzt war's heiß geworden, kaum zu ertragen, nun sollte Rast gehalten werden, und da lobten sie sich den Wald, setzten sich in seinen Schatten nieder, aßen und ließen sich's die kleine Weile der Ruhe wohl sein.
Zuweilen saßen auch ein Bursch und eine Dirn abseits von den andern allein, es ist sonderbar, dass sich das oft trifft und dass alle Bursche und alle Dirndln sich fast immer das nämliche Zeug vorreden, eines wie das andere, seit unvordenklichen Zeiten, und will das Ding nicht anders werden bis heut.
Gegen die Straße zu saßen auch ein Paar so Verliebte, beide nicht mehr gar zu jung, aber recht saubere, stramme Leute.
»Mein Gott«, sagte die Dirn – wie denn die Weibsleute immer die Sache von der praktischen Seit anfassen –, »mein Gott«, sagte sie, »jetzt gehn wir schon als Knecht und Dirn sieben Jahr miteinander, wenn's nur zu was führen möcht, so wär ja alles gut.«
Drauf sagte der Bursch mit einem schweren Seufzer: »Freilich wär dann alles gut, aber dass wir halt so viel arm sein müssen.«
»Mein alte Bas nähm uns probweis als Pfleger auf ihr klein Anwesen«, sagte die Dirn.
»Probweis«, sagte der Bursch und strich sich die Haare aus der Stirn, »probweis freilich wohl«, dabei fischte er mit dem Löffel einen Brocken aus der Schüssel, die er auf seinen Knien hatte, »glaub's schon, gibst du den Spatzen in der Hand für die Taubn am Dach? Wenn die Prob übel ausfallt, so ist alles verfahren. Es hat der Bauer dieweil schon andere Leut – wir möchten uns nit ein Dienst auffinden, du möchst da, weiß der liebe Gott wo, dann ein Unterkunft finden ...«
Die Dirne langte zitternd den Löffel aus der Schüssel.
»Hast halt recht; dass grad wir so viel arm sein müssen.«
Mittlerweile schallten von der Straße herauf von Zeit zu Zeit einige Hammerschläge.
»Sie schlagn wieder Steine für die Straß«, sagte die Dirne leise und sah zur Seite, sie wollte gerne von etwas anderem reden als von ihrer gemeinsamen Not.
»Da ist gewiss auch der Steinklopferhanns nit weit«, meinte der Bursch.
Da sang es unten auf der Straße:
»'s Salz tut ma zbröseln
Und gibt's in ein Fass,
Und die Berg tut ma zbröckeln
Und streut s' auf die Straß,
So müssen sö alle,
Auch d' vurnehmsten Herrn,
Ob s' wölln oder nit wölln,
Doch Bergkraxler werdn;
Dem ein verreißt's die Stiefeln und
Den andern schupft's in Wagn,
Das schaut sich so viel lustig an
Beim Steinerschlagn! – Juhe!«
Der Knecht und die Dirne oben im Walde waren aufgestanden.
»Dös is er selber«, lachte der Bursch.
Die Dirne kicherte.
Beide traten in die Lichtung, an der ein schmaler Weg in Mannshöh über der Straße führte, und sahen hinab. Unten stand der Steinklopferhanns, das war ein lediger Mensch, schon nah an die Sechzig, er trug einen Filzhut, weiß Gott, wo er den einmal gefunden hatte, für den Regen mochte er gut sein, denn in der Krempe waren viele Löcher, durch die das Wasser sogleich ablaufen konnte, unter dem Hut fiel langes, schon etwas grau gemischtes Haar bis auf die Schultern herab, das hätte ihn, den Hanns nämlich, nicht den Hut, recht ehrwürdig erscheinen lassen können, hätte nicht ein wahres Spitzbubengesicht daraus hervorgeschaut; einen Bart trug er, der war vor nicht gar kurzer Zeit einmal rasiert gewesen und sah sich an wie ein Stoppelfeld; einen gewaltigen Brustfleck hatte er um – eine Weste mochte ihn zu sehr spannen bei der Arbeit –, und geflickte Hosen hatte er und Schuhe nicht von den feinsten. Jetzt fuhr er sich mit dem Hemdärmel übers Gesicht wegen der Hitze, damit machte er's aber nicht besser, denn den Schweiß wischte er wohl weg, den Staub aber strich er sich vom Ärmel ins feuchte Gesicht.
»Steinklopfer!« riefen die von oben.
Er sah nach den beiden hinauf.
»Haha«, lachte er, »die ewig Liebsleut, grüß enk Gott!«
»Musst heut nit destwegn spotten, Steinklopfer«, sagte oben der Bursch, »'s liegt uns grad schwer aufm Herzen, dass's so is und wir, wer weiß wie lang, 'd' ewig Liebsleut' sollen heißen müssen, 's is halt nit anderscht, wenn man so viel arm is!«
»No, no«, sagte der Steinklopfer unten auf der Straße und legte den schweren Hammer zur Seite, »tut enk