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Und, wie fandse selba?: Spritzig-anregendes Kopfkino zweier Frauen
Und, wie fandse selba?: Spritzig-anregendes Kopfkino zweier Frauen
Und, wie fandse selba?: Spritzig-anregendes Kopfkino zweier Frauen
Ebook310 pages4 hours

Und, wie fandse selba?: Spritzig-anregendes Kopfkino zweier Frauen

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About this ebook

Fünf Frauen sind regelrecht „reingerutscht“ in ein total verrücktes Bandprojekt, das deutschlandweit wohl seinesgleichen sucht: Falten/Rock.
Im Alter „um die 40“ fällen zwei der Frauen einen Entschluss:
Schlagzeugunterricht zwecks Trauerbewältigung und Gitarrenunterricht, um einmal im Leben einen Song der Hardrockband AC/DC spielen zu können.
Beide Frauen lernen sich kennen. Und im Status „absolute Anfänger“ entsteht zwischen Job und Babybrei eine Rockband.
Humorvoll, spritzig und anregend berichten die Schlagzeugerin und Leadgitarristin über die Band, über Erlebtes, über Gelebtes, über Schicksalsschläge, Ängste, Träume, weibliches „Kopfkino“, „Erfreument“, Männer, Sex – und natürlich Schuhe.
Ein Musikerbuch? Auf gar keinen Fall!
Ein Musikerinnenbuch? Das trifft es schon eher.
Aber eigentlich ist mehr als das. Sehr viel mehr.
LanguageDeutsch
Release dateSep 5, 2014
ISBN9783735749383
Und, wie fandse selba?: Spritzig-anregendes Kopfkino zweier Frauen
Author

Gabi Frentzen

Geboren 1965, Verlagskauffrau. Nach mehreren Fernstudien (Journalismus, Marketing, Eventmanagement) entschied sie sich doch primär für die „schreibende Zunft“. Als Redakteurin ist sie für eine Lokalzeitung tätig. Als Journalistin, Ehefrau und Hunde-Frauchen nimmt sie zugleich eine „führende“ Position in eben diesem Frauen-Bandprojekt ein, ist Leadgitarristin, schreibt Songtexte, komponiert summend neue Riffs und „zieht die Gigs an Land“.

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    Book preview

    Und, wie fandse selba? - Gabi Frentzen

    Nachwort

    KAPITEL 1

    An trockenem Brot erstickt man nicht

    „Du, das war super… tut mir leid, ich hatte so viel um die Ohren – können wir das mit dem Abrechnen verschieben?"

    Ich winke ab und nicke. „Ruf’ einfach an, wie wir’s machen", antworte ich. Eigentlich weiß ich ja genau, was passieren wird. Nichts!

    Mein Blick wandert noch einmal über das Gelände. 130…, ja, vielleicht 140 Gäste. Zahlende Gäste? Na, vielleicht 80 oder 90. Und das Bier? Das dümpelt in der Zapfanlage gelangweilt vor sich hin. Seit Tagen regnet es. Heute auch. Der Wind ist kalt. Da hat man auch mal weniger Lust auf Bier. Will heißen: Wenig Gäste. Wenig Umsatz. Veranstalterfrust.

    Mit einer Gemütsruhe lege ich meine Gitarre in den Koffer, verschließe ihn gut. Stell‘ all meine Sachen zusammen, die ich qualvoll angeschleppt habe und die jetzt wieder im Auto verstaut werden müssen. Verstärker, Lautsprecherbox, Gitarre, High Heels… Ein letztes Mal schaue ich mich in der Backstage-Area um – einem Pavillon, durch den ein eisiges Lüftchen fegt –, werfe einen Blick in die chromblitzenden Töpfe, die der Catering-Service – wie könnte es anders sein? - während unseres Auftritts geliefert hat. Behälter Eins trug wohl mal Kartoffelsalat mit sich rum, Behälter Zwei, ja, darin wird mal eine wärmende Gulaschsuppe gewesen sein. Aber – oha – Brot ist noch da. Trockenes Brot? Nein, lieber nicht. Nicht, dass sich das trockene Etwas am Ende noch im Hals verdreht und ich an diesem trübseligen Ort elendig verrecke. Schon habe ich die Schlagzeile vor Augen:

    Gitarristin auf Open Air erstickt

    Nein, wenn man bedenkt, dass ein Rocksänger wie Bon Scott seinerzeit immerhin noch so richtig fett Spaß hatte, bevor er an seiner eigenen Kotze erstickte… nee, so hatte ich mir mein Ende nicht vorgestellt. Auch nicht in der Amateur-Klasse.

    Als ich endlich im Auto sitze, der Regen auf die Frontscheibe prasselt, höre ich meinen eigenen Atem. War mal wieder anstrengend. Weniger das Spielen. Eher das Schleppen. Und irgendwie hat es mir trotzdem Spaß gemacht. Weniger das Schleppen. Eher das Spielen.

    Aber das eine Bier… dieses eine Bier… es hat auch heute wieder nicht so geschmeckt wie damals.

    DAMALS.

    Wann war damals eigentlich? Ich sehe, wie die Scheinwerfer über die nasse Landstraße fliegen. Damals. Mein linkes Knie schmerzt. Und ich muss grinsen. Eigentlich war der Gig doch gar nicht so schlecht. In dem Moment ertönt eine Ladung Dynamit aus dem Radio. TNT von AC/DC. Ich drehe automatisch lauter und brülle mit: See me ride out of the sunset… Ain’t got no gun, ain’t got no knife…. Oi Oi…

    Und ich erinnere mich. Damals. Fünf, knapp sechs Jahre her. Wir standen zum ersten Mal als Band auf einer kleinen Bühne. Präsentierten einem kleinen Zuhörerkreis das erste Stück, an dem wir wohl fast ein Jahr in einem so genannten Bandcoaching gearbeitet hatten.

    TNT. Als ich kurz einen Blick in den Rückspiegel wage, nehme ich die kleinen Lachfältchen wahr. Nein, ich bin nicht sauer, weil sie da sind. Klar, könnte ich sie einfach aus der Haut schlagen, so wie Frau Holle die Federn aus dem Kissen, würde ich das tun. Aber insgesamt sind sie doch Zeugnis vieler schöner Stunden.

    Schöner Stunden wie damals. Schon wieder driften meine Gedanken ab in die Vergangenheit, zu jenem Abend. Wir haben den Song auch gleich noch einmal gespielt. Wir hatten ja nur einen. Mehr konnten wir dem Publikum nicht bieten. Wir. Eine tolle und verrückte Truppe. Am Bass meine langjährige Freundin Astrid. Am Schlagzeug Modepüppchen und Ständig-und-immer-Esser Edda. An der Rhythmusgitarre das junge Studentenküken Katharina. Und am Mikrofon ein Neuerwerb, den uns der Kleinanzeigenteil einer Zeitung beschert hat: Anni. Und ich. Damals 42. Erste Zehner-Karte Rockgitarre für Anfänger durchgeballert ohne Empfehlung für den Fortgeschrittenkurs.

    Fünf Frauen. Eine Leidenschaft. Für Rockmusik, für AC/DC. Und ein Song. Ohne instrumentale Vorkenntnisse „zusammengeschustert". Mal so nebenbei. Neben Job, Familie und all die täglichen schönen oder auch unschönen sonstigen Ereignisse, die gelebt werden wollen. Und müssen.

    T.N.T. Oi, oi, oi

    I’m dynamite…

    Angus Young hätte jämmerlich die Augen verdreht, das Gitarrensolo war ein einziger aus einzelnen Tönen schräg zusammen gehackter Saitenbrei. „Kollege Bending war zu dieser Zeit noch ein böser, böser „Onkel. Und ein „Pull off" war mir zumindest ein Begriff. Aber ohne Hornhaut an den Fingerkuppen und noch immer zu langen Fingernägeln… – lassen wir das.

    Und der Gesang – oh, Brian, vergib uns – schrill und quirlig. Und doch war klar: Hier spielt eine Anfängerband den alten Rockklassiker TNT auf ihre Art, nach den zu der Zeit gegebenen Fähigkeiten. Schweißnass, aber voller Stolz gingen wir von der Bühne. Es sollte eigentlich der einzige Song bleiben. Doch als das Publikum aus Spaß nach einer Zugabe rief, wusste instinktiv jeder von uns, dass da noch was geht. Dass die Band weitermachen würde. Das Gefühl, einmal AC/DC – okay, auch wenn’s freestyle war – gerockt zu haben… – unbeschreiblich!

    Wenn wir bis dato eines gelernt hatten, dann war es, sich im Anschluss an den sogenannten Gig ein Bier in den Hals zu schrauben. Plöpp. Hoch das Kinn. Rein mit dem leckeren Gebräu. Unser erstes Mini-Konzert? Das TNT-Ereignis überhaupt! Ganz ehrlich, ich weiß heute nicht mehr, was der Inhalt der Flasche war. Veltins, Bit, König… egal, selbst ein Grafensteiner oder eine Karlskrone hätte an besagtem Abend genauso gut geschmeckt wie jedes Edelpils. Nur eine Lektion konnten wir damals noch nicht umsetzen: Eier zeigen. Aber, hey, die wachsen ja auch nicht einfach von heute auf morgen. Eier brauchen Zeit. Je größer die Erfolge, je dicker werden sie. Und klemmen einem vor lauter Pracht irgendwann das Blut in der Hose ab. Alle Musiker haben Eier in der Hose. Musikerinnen müssen sie sich einfach denken. Ist klar. Breit mit leicht angewinkelten Kniegelenken stehen, Bass und Gitarre so weit unten wie möglich „bespielen". Dann sieht man die fehlenden Eier nicht. Hat aber das Gefühl, da wären welche. Die Explosion kommt sozusagen aus dem Genitalbereich. Samt Profilneurose.

    Mann! Mann! Mann!

    Endlich. Noch wenige Kilometer, dann bin ich zuhause. Dann heißt es wieder auspacken, wieder schleppen… duschen… wieder schleppen… nämlich den eigenen alten Körper ins Bett. Es folgt ein bleierner Schlaf. Und im Traum höre ich eine Stimme, die zu mir sagt:

    UND, WIE FANDSE SELBA?

    KAPITEL 2

    Ein Kind stirbt

    Ein Kind stirbt! Das ist leider nicht so selten, und für die Mutter bedeutet das „Highway to hell mit einem One-Way-Ticket". Der Supergau trifft mich völlig unvorbereitet und ich weiß nicht, wie und ob ich überhaupt weitermachen soll. Aber da sind ja noch zwei Mittelgroße zu Hause, die ein Recht aufs Weitermachen haben. Die ein Recht auf ihre Mutter haben.

    Noch vor den großen Ferien hatten wir alles klar gemacht mit dem Musikunterricht. Gitarre für die Kleine, Piano für die Große. Also aufraffen und jeden Tag mechanisch durchstehen. Es geht nach den Herbstferien los, einmal die Woche eine Dreiviertelstunde zum Unterricht. Während die Saiten gezupft und die Tasten angeschlagen werden, sitze ich wie betäubt in der Ecke, starre Löcher in die Luft, heule leise in mich rein oder versuche, zwischendurch einen Einkauf zu erledigen. Dann werden die Kinder wieder eingepackt und nach Hause gefahren.

    Es geht auf Weihnachten zu und während der Schnee leise vom Himmel rieselt und ich in der Musikschule mal wieder Löcher in die Luft starre, kommt der junge Mann aus der oberen Etage herunterspaziert: schlank, groß blond, eine zerrissene Jeans mit weißem T-Shirt und grauer Beanie. Cool, denke ich.

    „Wer ist der Mützenmann?" frage ich Thomas, den Gitarrenlehrer.

    „Ach, das ist doch der Julian, der macht hier den Schlagzeugunterricht."

    Der Geistesblitz trifft mich: Am Schlagzeug könnte ich meine ganze Wut und Trauer raushauen und die aufgestauten Aggressionen los werden. Dazu sind Drummer eh die Coolsten unter Gottes Sonne, das Herz einer jeden Band. Ich kann ganz gut tanzen, habe also ein Mindestmaß an Rhythmusgefühl und kann auf der Blockflöte „Alle meine Entchen" spielen. Noten lesen ist was für Weicheier, hab’ ich nie gelernt, aber Krach machen… Krach machen kann ich.

    „Watt meinste?", frage ich abends meinen Mann.

    „Mach’ doch, tut dir bestimmt gut!"

    Er ahnte zu diesem Zeitpunkt nicht, dass sich auch für ihn daraus eine Menge Schlepperei und Nervenkrieg ergeben würde. Und für mich erst!

    Der Plan war, nach Rücksprache mit der Musikschule, erst mal Unterricht zur selben Zeit zu nehmen wie auch meine Mädchen, dann brauchte ich nicht mehr stumpf in der Ecke zu sitzen. Zu warten. Vor mir her zu starren. Zu weinen. Zu Hause üben fiel bis auf Weiteres flach. War ja kein Schlaginstrument vorhanden. Skepsis auf allen Seiten. Was sollte das nur werden mit einer End-Dreißigerin, die keine Noten kannte, kein eigenes Drumset besaß und auch sonst eher „tussimäßig rüberkam. „Watt hörste denn gerne für Mucke? fragt mich der Herr Lehrer, der fast mein Sohn hätte sein können. Ich erkläre ihm, dass ich Hardrock mag, besonders AC/DC. Allgemeiner Unglaube machte sich breit, ob das mit dem Erlernen des Schlagzeugs und dem Spielen dieser Musik auch irgendwie zu mir passen könnte.

    Aber ich bin heiß und bereit alles zu geben.

    Und dann hat das Christkind mit mir ein Einsehen und schenkt mir ein kleines Schlagzeug. Und mit den Pads kann ich sogar im Wohnzimmer üben. Als der Tannenbaum am 6. Januar entsorgt wird, kommt an seiner Stelle mein Schlagzeug zum Aufbau. Das Schicksal nimmt seinen Lauf. Nach einigen Unterrichtsstunden gibt’s eine Besprechung mit dem Lehrer, der sich überrascht zeigt und meint, dass ich nicht ganz talentfrei sei. Allerdings müssten wir an die Noten ran, sonst würde ich auf einem miesen Level irgendwann stehen bleiben. Auch hier wird mein Ehrgeiz anfänglich unterschätzt und mein Umfeld schaut noch recht skeptisch drein, wenn ich von meinen bisher erlernten Drum-Künsten erzähle oder sogar das ein oder andere Stückchen zum Besten gebe.

    Als der Sommer vor der Türe steht, entscheide ich mich, dabei zu bleiben. Nach den Ferien dann kommt eine überraschende Nachricht: Es gebe da eine Gitarristin, Anfängerin und ungefähr mein Alter - keiner kannte unser Alter, gut geschätzt, die Herrschaften! Sie liebe AC/DC und da sie genauso wenig könne wie ich, wäre es doch mal wert, sich kennen zu lernen, um zu schauen, ob sich daraus was entwickeln könnte.

    Ups, damit hatte ich jetzt nicht gerechnet und schon kommt wieder meine Nervosität durch. Vielleicht ist sie ja eine Zicke oder doof und asozial - oder kann schon viel besser spielen als ich. Und wie groß muss denn bitte schön der Zufall sein, dass es noch so jemanden gibt wie mich? In dem Alter anfangen, ein Instrument zu erlernen, nicht durchgeknallter, ständig betrunkener Vollprolet zu sein und Spaß an Rockmusik zu haben?

    Ich bin skeptisch und nervös, als wir uns am 13. Oktober das erste Mal treffen, auch deswegen weil ich bereits etwas weiß, was ich erst viel später kundtun werde: ich bin schwanger.

    „Hi, ich bin die Gabi. Mit einem breiten Grinsen begrüßt mich ein gutgelaunter, gar nicht asozialer, sympathischer Blondschopf. Okay, sie hat drei Falten mehr als ich, also entscheide ich mich dafür, sie drei Jahre älter als mich einzuschätzen. Sie schaut zwar etwas irritiert, als ich mir innerhalb der ersten Viertelstunde zehnmal den Lippenstift nachziehe, aber ansonsten merken wir von Anfang an, dass da was geht. Wir „zocken ein paar Ründchen, so gut es eben als blutige Anfänger geht und entscheiden, dass wir uns unbedingt wiedertreffen müssen.

    Als wir Monate später gemeinsam die Bühne verlassen, sind wir Helden. Und da begegnet sie mir zum ersten Mal, die Frage aller Fragen:

    UND, WIE FANDSE SELBA?

    Wir hatten von Mitte Oktober bis kurz vor Weihnachten eine fast vollständige AC/DC-Ladies-Coverband auf die Beine gestellt und uns dann den Rockklassiker TNT draufgezogen. Kurz vor unserem ersten Auftritt schlotterten allen die Knie, die Schweißränder auf den T-Shirts wurden tellergroß, ich hatte Durchfall und mir war schlecht, fast so schlimm wie vor meiner mündlichen Diplom-Prüfung.

    Und dann: one-two-three-four…bambambambambamparam – see me ride out oft he sunset on your color TV screen…..TNT, I’m dynamite…..oi, oi, oi. Ohne größere Fehler durchgespielt, überlebt und das kleine Publikum klatschte Beifall.

    „Watt willste mehr", sagt unsere Bassistin, deren jüngste Tochter noch kurz vor dem Auftritt kotzen geht. Nicht, weil sie uns so schlecht findet, sondern weil sie ein Malzbier auf Ex leergetrunken hat. Ja, genau, das war’s dann jetzt! Wir hatten unseren Spaß und damit Schluss, Aus und Ende. Zu dem Zeitpunkt war ich ja schon im dritten Monat. Und keiner hatte eine Ahnung.

    Aber ich hatte Blut geleckt, und so einfach sollte ich aus der Nummer nicht mehr rauskommen.

    KAPITEL 3

    Auf Wunschkonzert folgt Arschloch-Gitarre

    Ich hatte keine Lust, ins Ruhrgebiet zu fahren, nach Bremen, nach Wien, nach Weiß-der-Henker-wo, nur um mal mit einer AC/DC-Coverband feiern zu können. Da, wo ich zu Hause bin, war AC/DC-Tribute bis dahin nämlich noch nicht Programm gewesen.

    Ich hatte eine Coverband engagiert. Weil ich eine Kneipe gefunden hatte, die Bock drauf hatte. Wie ich. So ist Frau. Ja, ich bin eben nicht die, die an Schmuckgeschäften vorbeiläuft in der Hoffnung, dass der Göttergatte sieht, wie SIE danach lechzt, dass ER ihr den Christ Diamonds Damenring schenkt und am besten noch dazu den Zalando-Mann ordert, damit der lauthals durch den Hausflur brüllt: Aaaauaaaaaaaa… hier sind sie, die neuen Schuhe!

    Nein, nicht dass ich nun ein falsches Bild von mir erwecken möchte. Ich liebe Schuhe. Das fing mit 40 an. Bis dahin lebten meine Füße in vier Paar Schuhen. Zwei Paar für den Herbst/Winter, zwei für den Frühling/Sommer. Das reichte voll und ganz. Aber mit dem 40. Geburtstag wurde alles anders. Schlimm genug, hätte ich damals gewusst, dass mich im zarten Alter von 42 auch noch ein Gitarrentick samt Rattenschwanz einholt… puh, …dann hätte ich um jedes Schuhgeschäft einen Bogen gemacht. Mittlerweile habe ich mich mit Schuhtick und Bandequipment arrangiert. Ich kaufe hin und wieder einfach nicht Getragene… sozusagen gebraucht, aber noch nicht bestiegen. Weil Fehlkauf. Oder weil plötzlich Wasser in den Füßen. Oder Zehnägel zu lang. Oder die Farbe nicht zum Nagellack passt. Was weiß denn ich, warum Frauen Schuhe kaufen und gleich wieder verkaufen? Nein! Ich bin mir nicht zu schade, neues, gebrauchtes Schuhwerk zu kaufen. Ich halte meine Nase in den Schaft und die Riechwurzel sagt mir: 1..2..3… nehmen oder stehen lassen.

    Anders verhält sich das mit meinem Instrumental-Equipment, dass ich inzwischen lieber als „Erfreument bezeichne. Ja, lassen wir es doch so nennen. Obwohl - bis eine Anschaffung, die ja nun mal unerlässlich ist, wenn der Drang da ist – nicht nachvollziehbar und vollkommen unerklärlich für Familie und Freunde, von Arbeitskollegen mal ganz zu schweigen -, in einer Band spielen zu wollen, getätigt ist… - au weia, der Satz wird nun wirklich zu lang. Länger aber noch ist das ganze Drumherum in Sachen „Erfreument. Bis es einen erfreut. Mein Gott, da vergehen gefühlte Jahrzehnte. Schlecht, wenn man so viel Zeit nicht mehr hat. Ja, hallo, mit über Vierzig?! Ob ich mir jemals Gedanken zu meinem Alter gemacht habe? Nein! Eine Frage, die doch eigentlich gar nicht zur Debatte steht. Oder doch?

    Zurück zu meinem Wunschkonzert. Ich wollte mal einmal einen Abend erleben mit ACDC-Songs und Headbanging. Nun, Angus Young wohnt geradezu um die Ecke. In Aalten. Holland. 10 Kilometer entfernt…

    Meine Pulsfrequenz aktuell bei diesem Gedanken:

    147 Mal in der Minute!

    AC/DC original – natürlich unbezahlbar.

    Meine Pulsfrequenz sackt aktuell akut ab!

    Also suchte ich mir einen Gastronomie-Betrieb, dessen Chef auch mal 147 Mal in der Minute erleben wollte. Und eine AC/DC-Coverband. Aber welche? Gibt ja genug! Nach mehreren Telefonaten war der Würfel gefallen. Und gut gefallen. So gut, dass ich nach dem Konzert nur noch eines im Sinn hatte: E-Gitarre zu spielen! Lieber Gott, im Nachhinein betrachtet: Hätte es nicht auch Bass getan?! Blockflöte? Triangel?

    Nein! Hätte es nicht!

    Mit 42, Vollzeitjob, sonstigen Hobbies - aber immerhin rockmusiktauglichem Partner und Hund - musste das sein. Ich verschlang den Leadgitarristen – genannt „Klito von den „Hells Balls - an diesem Abend geradezu mit meinen Augen. Nein, nicht weil er mich – wie sagt man so schön? – antörnte. Weil er Angus Young lebte. Wie auch der Rest der Band. Unser Gastro-Betrieb war eigentlich ein Spielparadies für Kinder. Und genauso fühlte sich die Nacht auch an. Rund 600 Besucher. Allesamt AC/ DC-Fans, allesamt Partybegeisterte, die sich mit diesem Konzert wohl auch schon vor Weihnachten beschenken wollten. Allesamt durstig. Sehr durstig.

    Wie auch die Band.

    Wie bereits erwähnt, ich hatte die „Hells Balls" ausgewählt. Nicht, weil ich die Band schon mal gesehen und nicht, weil sie mir ein Demo geschickt hatte, nein, aus dem Bauch heraus. So, wie Frauen das gerne schon mal tun. Ich hatte mit dem Sänger und Bandcoach telefoniert. Die Stimme: dreckig. Das Gespräch: dreckig. Der Eindruck: dreckig. Fazit: Gebucht!

    Das Bällchenbad rückte nach hinten, für die Bühne wurde Platz benötigt. Die Band rollte an. Und schon bei der Begrüßung wusste ich: Alles richtig gemacht! Warum? Wie gesagt: Bauchraum samt Schleimhäute hatten entschieden. Sänger Fred und seine Band starteten den Soundcheck. Verdammt laut. So laut, dass die Fitness-Bude nebenan so vibrierte, dass die Geschäftsleitung schon den Gesamtstrom abkappen wollte.

    Heult doch, ihr Memmen, dachte ich nur.

    Es war der 23. Dezember.

    Hallo?! Da ich selbst auch in eben jene „Mucki-Bude" ging, war mir klar: So ein Sound stählt die Muskeln, raffen die das da nicht? Da läuft man schneller auf dem Laufband, da wird man zum Giganten an der Beinpresse und beim Bankdrücken haut man sich die Hantel so voller Gewichte, dass man glaubt, die Brust explodiert gleich.

    Ja, heult doch, ihr Memmen!!!!!

    Kurzum: der Soundcheck wurde verkürzt, die Nacht dafür umso lauter. Es war mega. Und das war auch die Nacht, in der ich Coach kennenlernen sollte. Nein, wir hatten vorab schon telefoniert. Ob er nicht Werbung für seine Musikschule machen wollte. Wollte er. So stand er da. Mit seinem Werbestand. Auf dem Konzert. Und mit seiner Freundin, die später unsere Rhythmusgitarristin werden soll. Ja, und so kam ein Deal zustande: Wetten, dass auch Gäyb in zehn Unterrichtsstunden Rockgitarre spielen kann?

    Gnadenlose zwei Stunden ging die Post ab. Mit einer Pause. Die ich als „Zeitungsfritze und Organisator nutzte, um ein Spiel zu spielen. Gesucht war der Luftgitarren-Heroe! Leider war ich außer Wertung. Aber nicht mal die hätte ich so gut spielen können, wie der Eine. Der junge Mann, der auf die Bühne kam, die Luftgitarre spielte, bis sie „qualmte, sich spontan die Hose runter zog, im neongrünen Slip da stand, diesen hinten hochzog, so dass vorne… hier sei die Fantasie des Lesers gefordert… und hinten beide Arschbacken blank lagen. Ich bin selten wortkarg. Aber in dieser Situation war ich ebenso wie mein Moderationskollege dermaßen überrascht, dass wir nichts – aber auch absolut nichts mehr sagen konnten. Abbrechen? Nein! AC/DC ist AC/DC, ist dirty, ist Rock’n Roll, Herr, so lasset ihn.

    Es sollten ja nicht die einzigen blanken Arschbacken bleiben an diesem Abend.

    „Klito, der Angus Young der „Hells Balls, zog natürlich à la Angus blank. Angus zeigt mittlerweile im reiferen Alter nur noch geflaggte Boxershorts. Nicht so „Klito". Der zog die Hose runter. Und das Publikum gröhlte. Ich auch. Unsere zukünftige Bassistin Higbert auch.

    Was hatte ich mir da nur für ein Weihnachtsgeschenk beschert? Was für eine rattengeile Nacht! Die am frühen Morgen ihr Ende fand… im Bällchenbad. Sänger Fred - Mütze, schwarzes, kurzärmliges Hemd, schwarze Jeans, ganz Brian Johnson-like – saß irgendwann zusammengekauert auf einem Stuhl. Die Halle leer. Der Boden versifft. Die Stimme weg. Mit einem letzten Hauch, den seine Stimmbänder noch zuließen, gab er von sich: „Gibt’s noch ’nen Jack?"

    Er meinte eine Flasche Jack Daniels.

    Das ging den ganzen Abend schon so. Mir war klar: die Band will Whisky. Nur Jack… Jack war mir nicht so präsent. Ich war so stolz. „Tänzelte" mit der ersten Flasche Whisky backstage.

    Hielt die Pulle hin und meinte nur: „Jungs… hier…"

    Weiter kam ich nicht.

    Ich wurde angebölkt. Ein scharfer Wind kam mir entgegengefegt mit einer gefühlten Stärke 10.

    „Hallo?! Komm’ wieder, wenn du’n Jack dabei hast! Pussy-Whisky trinken wir nicht."

    Blick aufs Etikett: Southern Comfort.

    Ich holte Jack.

    Die Jungs sollten ihn sich auch verdienen.

    Ich kann nicht anders: Ich habe „Klito" auf einem anderen, eigens organisierten Konzert erlebt, wie er ebenfalls – wie auch die Band – schon früh dem Jack zugetan war und dann mit der Gitarre in den Toilettenwagen reinschoss wie ein frisch abgeschossener Pfeil und weiterspielte.

    Leute.

    Das war… das war wie… diese Nummer steht bis heute ganz oben auf meinem Trainingsprogramm. Da mir aber das entscheidende Teil fehlt, um im Stehen pinkeln zu können, gehe ich mal ganz vorsichtig davon aus, dass ich einen wesentlichen Punkt gefunden habe, der Frauenbands von Männerbands eindeutig – und zum Nachteil – unterscheidet.

    Wir fassen zusammen: Samstag das Konzert. Im Advent. Einen Abend vor Heiligabend. Ich erinnere mich genau. Gut einen gedröhnt – oder

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