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Ahnensog 2: 200 Jahre nach Georg Kerner
Ahnensog 2: 200 Jahre nach Georg Kerner
Ahnensog 2: 200 Jahre nach Georg Kerner
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Ahnensog 2: 200 Jahre nach Georg Kerner

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About this ebook

Fatale Herzlosigkeit im Ahnensog.
Reaktive, attackierende
Gegenbewegungen als Motiv.
Leid bringende Verhaftung.
Schlund der Verzweiflung.
Beflügelnder Trieb nach innerer Freiheit
jenseits der eigenen Geschichte.
Schamlose Wahrhaftigkeit.
Freiheitsrebell Georg Kerner als Sprungbrett.
In der Tiefe verwandte Streiflichter
umkreisen, beleuchten und hinterfragen
unterschiedlichste Facetten unseres Lebens.
Dem hochgespülten Schlamm ins Auge schauen,
solange, bis er verbrannt ist.
Kontemplatives Niederschreiben.
Prozesshaftes Verstehen.
Stilles Schauen.
Feuer der Erkenntnis. Heilige Asche.
Volle Gegenwart jenseits von Geburt und Tod.
Radikale Absage an blinde Verpflichtung.
Freiheit im gelenkten Schutz des Kosmos.
Inspiration und Bedrängnis in Form von
Poems als verdichteter Schlussakkord.
LanguageDeutsch
Release dateJan 8, 2015
ISBN9783738686937
Ahnensog 2: 200 Jahre nach Georg Kerner
Author

Sigrid Crasemann

Zur Autorin Sigrid Crasemann: 1943 geboren in Hamburg 1964-1969 Studium der Bildenden Künste an der HBK Berlin und HfBK Hamburg 1970-1990 Ostasiatische Bewegungskünste 1972-1985 Kunsterzieherin am Gymnasium Allee/Hamburg 1985-2004 Kunsterzieherin am Gymnasium Blankenese/Hamburg seit 1985 freie Künstlerin in Bild und Wort

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    Book preview

    Ahnensog 2 - Sigrid Crasemann

    Georg Kerner (1770 – 1812)

    Asche III, 2009, [70 x 120],

    Holzkohle, Bronze, Lappen, Dammar, Gouache auf Leinwand

    Inhalt

    Vorwort

    Beflügelt

    Ich weiß warum

    Ostern

    Frühlingsgruß

    Gemütlich

    Lachen in Schwarz-Rot-Gold

    Fähnchen

    Bitte!

    Die Narbe

    Ausblick

    Einsamkeit

    Morgenandacht

    still june

    Vorsicht Workshop!

    Goldene Sehnsucht

    Die Schlucht

    Alles gut

    Unter der Platane

    Warmes Herz

    Wer bin ich?

    Hingabe

    Es weihnachtet

    Elegisch

    In die Farben geboren

    Shoah 1

    Neujahrsgruß

    Shoah 2

    Thermopen

    Antisemitisch

    Weiße Berge

    Da sitzt sie wieder

    So einfach

    Das Versprechen

    Asche

    Anstelle eines Nachworts

    emotions

    Anhang

    Vorwort

    Diesem Buch AHNENSOG 2, 200 Jahre nach Georg Kerner, ging mein Buch AHNENSOG voran. In autobiografischen Reflexionen umkreiste ich darin mein Dasein als Frau. Es entstand ein Bericht, der das eigene Leben zum Anlass nahm, um immer wieder auf den Ahnensog zu verweisen, dem wir alle unterliegen. Dieser erfühlte Begriff steht für die Tatsache der christlich abendländischen Prägung, in der ich wesentlich das mächtige Hindernis für unsere innere Ungebundenheit sehe. Ausgangsmotiv für diese Niederschrift war Schmerz, mein Schmerz, der mein Leben begleitete, stetig unterwanderte und mich schließlich derart peinigte, dass ich hinsehen musste auf den Moloch, welcher diesem Schmerz zugrunde liegt. Es war mein Anliegen, mich als Frau ganz zu zeigen, in voller Verantwortlichkeit über das eigene Leben zu sprechen, mich in dem Wunsch nach Freiheit und Liebe ernst zu nehmen und die eigene Verleugnung endlich zu beenden.

    Ich sprach zu Themen des Lebens, wie Arbeit, Religion, Wohnen, Künste, Geburt, Tod, Sexualität und Familie. Bei aller Deutlichkeit und Schwere des Textes war die Entstehung des Buches ein eher positiver Akt, da sich während des Schreibens immer wieder das Feuer von Wandlung Bahn brach.

    Der Bericht ist zugleich ein Stück Zeitgeschichte, und zwar des politischen und kulturellen Geschehens der Bundesrepublik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

    Ich fügte eigene bildnerische Arbeiten ein. Es sind Blätter zweier Bildserien, Der Schmerz der Frauen und Der Schmerz des Erwachens. Die im Jahr 2010 zeitlich vor der Niederschrift entstandenen Aquarelle sind dem Text nicht als Illustrationen zugeordnet, sondern ihm wie eine Wellenbewegung beigemischt. Ich habe sie als Impuls zum Anhalten eingegeben, zur kurzen Atempause, um dann weiter zu lesen.

    In Ahnensog 2 geht es mir erneut um die innere Freiheit. Um dieses Anliegen auch jenseits der eigenen Geschichte zu ergründen, diente mir als Sprungbrett maßgeblich die Entdeckung meiner Verwandtschaft zu dem Freiheitsrebellen Dr. Georg Kerner (1770 – 1812). Ich befasse mich in diesem zweiten Band vor allem auch mit Gegenbewegungen, die das vorangegangene Buch Ahnensog in mir auslösten, die ich in ähnlichen Formen ebenso im Leben meiner Mitmenschen wahrnehme. Der Ahnensog ist also wieder, jetzt in einem anderen Gewand, mein Leitgedanke. Der Trieb nach dem Verstehen dieser mich attackierenden Bewegungen aus meinem Inneren ist mein Motiv. Ihr kontemplatives Niederschreiben führt mich zu einer distanzierten neuen Sehweise, die mich am Ende leicht macht.

    Zum besseren Verständnis des Begriffs Ahnensog sind für die Leser, die das vorangegangene Buch Ahnensog nicht kennen, im Anhang zwei gekürzte Kapitel aus diesem ersten Band zu lesen.

    Die Kapitel von Ahnensog 2 sind lose aneinander gereiht und können auch einzeln gelesen werden. Wird das Buch aber ganz gelesen, wird sich dem Leser mein Anliegen möglicherweise eher erschließen. Die einzelnen Kapitel umkreisen die Leid bringende Verhaftung an unsere alte und uralte bis heute wirkende Konditionierung, die sich nur verändern kann, wenn wir uns ihrer bewusst werden. Die Texte bemühen sich um ihr Verstehen und beleuchten unterschiedlichste Facetten unseres Lebens. Kritische Reflexionen, amüsierte Beobachtungen, erzählende Ereignisberichte, philosophische Betrachtungen, Glossen ähnliche Streiflichter, ahnende Sprachfetzen setzen während ihres Hinterfragens ein prozesshaftes meditatives Erkennen in Gang.

    Wiederum ist Ahnensog 2 ein Stück Zeitgeschichte, nun der aktuellen Gegenwart. Auch diesem zweiten Band füge ich eine künstlerische Begleitmelodie bei. Es sind dieses Mal keine Bilder, sondern Poems inwendiger Spannungen in geballter Form. Sie riefen im Verlauf des Entstehens von Ahnensog 2 nach Gehör. Ich flechte sie dem Text nicht ein, wie ich es mit den Aquarellen im ersten Band vornahm, sondern gestalte mit ihnen das Nachwort. So bringe ich Inspiration und Bedrängnis durch den Ahnensog noch einmal in einem verdichteten Schlussakkord zum Ausdruck.

    Beflügelt

    Ein Blitz schlägt ein.

    Gestern schaute ich im Tagebuch meiner Urgroßmutter Anna Duncker nach. Ich wollte erfahren, unbedingt wissen, wie sich meine Verwandtschaft zu Dr. Johann Georg Kerner herleiten lässt. Denn ich habe einen Fund getan, eine nahezu unglaubliche Entdeckung gemacht:

    Georg Kerner, Bruder des bekannten Dichters Justinus Kerner aus dem Württembergischen, war ein maßgeblicher Freiheitskämpfer Deutschlands. Er stürzte sich in das Leben eines Rebellen, sagte sich los von herrschenden Konventionen und Familienbanden und ging zu Fuß nach Paris, um dort als Chronist der Französischen Revolution zu arbeiten. Sein lebenshungriges und einsatzbereites Wirken im bahnbrechenden Geist der Zeit führte ihn, häufig zu Pferde, über viele Länder am Ende seines kurzen Lebens nach Hamburg. Enttäuscht vom Ausgang der Revolution, wandte er sich nach langen Jahren des Kampfes und der Entbehrungen in seinem ursprünglichen Engagement als Arzt den Armen und Kranken zu. Die konservativen Kaufleute in Hamburg ließen ihn nicht in ihren Reihen bestehen und schwiegen seine aufrührerische Seite gern tot. Als Arzt fasste er hier dennoch Fuß und heiratete Friederike Duncker, mit der er drei Kinder zeugte. Deren eine Tochter, Klara Kerner, wurde die Frau vom Urgroßvater meines Vaters. Deren beider Sohn, Arthur Duncker, hat nun im Anhang der oben erwähnten Tagebücher seiner Frau Anna Duncker, Tochter des Hamburger Malers Otto Speckter, nach ihrem Tod den Hergang der Ehelichung seiner Eltern und Großeltern beschrieben, sodass ich jetzt weiß, dass ich eine Ur-Ur-Urenkelin von Dr. Johann Georg Kerner aus Württemberg bin. Beschämt gestehe ich, diese Tatsache erst jetzt in mein waches Bewusstseinsfeld gerückt zu haben.

    Noch niemals war ich derart berührt von irgendeinem verwandtschaftlichen Bezug. Schon war mir meine Herkunft aus dem hanseatischen Gewerbe nicht unangenehm und verursachte zeitweise gar einen geheimen Stolz. Aber zugleich wirkte dann immer eine Vorsicht mit, die mich zum Innehalten aufforderte. Wusste ich doch zu gut, mit welcher Vehemenz sich meine hanseatischen Ahnen oftmals gerade gegen das wandten, was mich zieht und treibt, nämlich die geistige Freiheit der Menschen. Mit dem Wissen um die oftmals radikal antisemitische Haltung der Hamburger während der NS-Zeit ist meine Vorsicht noch gewachsen. Selbst die Dynastie der Künstlerfamilie Michael Speckter, die in Hamburg und darüber hinaus einst zu beträchtlichem Ansehen avancierte, war in ihrer Lebensauffassung und -haltung wie die Familien Duncker und Crasemann konservativ und bewegte sich trotz ihrer talentierten Künstlerpersönlichkeiten Otto, Erwin und Hans Speckter nicht aus dem einengenden Schutz eines betont christlichen Milieus heraus. Und nun ist da plötzlich eine Ader in meiner Ahnenreihe von ganz anderer Qualität. Auf der Stelle möchte ich sie eine Hauptschlagader nennen, so sehr beflügelt mich die Entdeckung der Verwandtschaft mit diesem Rebellen. Mir ist, als hätte ich eine Goldmiene gefunden, die mir eine lebenslang im Verborgenen gehegte Vermutung bestätigt und die ich nun endlich bewahrheitet sehen darf. Das Feuer in meinen Adern, das für die ungehinderte Entfaltung eines jeden Menschen brennt, hat in mir selbst Geschichte!

    Ich will den Blitzschlag nicht in bloßer Verehrung und eitlem Stolz auf die Sippe löschen, sondern mich entzünden lassen und seine Glut für meine eigenen Bemühungen fruchtbar machen.

    Ich weiß warum

    Der Ahnensog wurde sorgfältig gezimmert hinter einem Schild kalter Herzen. Seit 2000 Jahren vergiftet er unser Blut und unterwandert unser Dasein. Er ist eine Realität, die nicht zu leugnen oder zu überlisten ist, schon gar nicht durch Ausblendung. Es sind nicht nur passable Tricks, die uns in seinen Wirbel hinein steuern. Der Ahnensog ist ein uraltes Instrument der ignoranten Herrschaft unserer christlichen Kirche. Das herzlose Phänomen, geschmiedet aus geplanter Erniedrigung, drängt uns in seine tödliche Abwärtsbewegung und schweißt uns in diese bewusst gelegte Schlinge wie in einen bleiernen Schwamm rückhaltlos ein. Ich weiß, warum ich mir Zeit nahm und mich in das Beschreiben dieses Sogs stürzte. Ich weiß, warum ich ihm jahrelang nachspüren musste, um über ihn zu berichten, ihn zu umschreiben, ihn aufzudecken und immer weiter in mir zu erforschen. Ich weiß genau, warum ich ein Buch schrieb, das den Titel Ahnensog trägt.

    Die wiederholte Ausrottung des Großen Weiblichen hat die Menschheit in eine desaströse Wirrnis manövriert, die ihr jetzt über den Kopf wächst. Ist es denn überhaupt möglich, zu entkommen? Ist der wiederholten Vernichtung unserer Wurzeln noch etwas entgegen zu setzen? Sind unsere Seelen nicht schon verseucht? Durch die über Jahrhunderte systematisch verleugnete Wahrhaftigkeit werden all unsere Bemühungen unterlaufen und kaum einer versteht, wie all dies zusammen hängt. Ich sehe und spüre, wie wir getrennt sind vom Urweiblichen, das unzerstörbar ist wie das Sein. Vielleicht sind zwar seine Vertreterinnen, die weisen Frauen, vernichtet worden, nicht aber seine Wurzelenergie. Zurzeit lebt sie als Rächerin unter uns. Je stärker Verletzung und Vernichtung der Mater einher schreiten, desto dringender geriert sich die menschliche Sucht nach ihr. Der Materialismus wütet und nimmt beim Einzelnen wie auch im großen Stil selbstmörderische Züge an. Die Herzenergie des Großen Weiblichen ist aber nicht zu vernichten, da sie ja da ist. Sie bleibt und wartet. Schreibend habe ich mich ihrer Verschleierung gewidmet, mich durch das Dickicht von Fallen und Verstellungen gewühlt. Nun ist das Buch abgeschlossen und in unerwarteten zeitlichen Abständen ergreifen mich reaktive Wogen.

    Gerade immer dann, wenn du glaubst, nun ist es gut, nun darf das Leben leichter werden, schleicht sich unmerklich ein Teilchen des beleidigten Sogs in dein Blut und lenkt das Herz erneut in seine fatale Richtung. Verkleidet in eine Facette der persönlichen Geschichte färben sich deine Bilder und Handlungen. Die eigenmächtige Bewegung verstärkt sich, ufert aus, reißt dich mit und hat dich wieder in ihren giftigen Klauen. Du bemerkst nicht, dass es der heranrauschende Ahnensog ist, der dich in seinen vernichtenden Strudel zieht. Nein, schlimmer. Denn Du selbst bist sein Erfüllungsgehilfe. Du bist diese Verdrehung, deine eigene Verleumdung. Eine durch dich selbst erwirkte Versklavung deines Wesens erklimmt unmerklich die Festung deiner Bemühungen. Hinterhältig, jählings und von teuflischer Sicherheit.

    Diese Gegenbewegungen zu durchschauen und mich ihnen zu stellen, ist mein Auftrag. In seiner Herausforderung nehme ich eine Kraft wahr, die mich durch all meine Erfahrungen zwingt und der ich mich nicht entziehen will.

    Ostern

    Die Zeit von Kreuzigung und Auferstehung, hohe Feiertage der Wandlung. Zum Osterfest ruft paradoxerweise unsere christliche Kirche auf, die den Menschen seit 2000 Jahren am wertvollen alchemistischen Schatz innerer Erkenntnis bewusst hindert. Aber wir dürfen uns wandeln! Lasst uns in den Riss gehen, uns in Schmerz und Angst einfach fallen, am Grunde der Ausweglosigkeit in Hingabe vergehen und auf geheime Weise ein Wunder erleben: Metamorphose, Erneuerung, von Qual zu Frieden, von Leid zu Freude, von Hass zu Liebe, von Dunkelheit zu Licht. Wir entzünden ein Feuer zur Verbrennung von Zweifel, Argwohn, Missgunst, Verachtung, Schuld und Scham. Heilige Asche, die übrig bleibt, wenn der Müll vom Feuer der Erkenntnis verbrannt ist. Wir feiern Ostern die Einsicht in unser lebenslanges Sterben, die dauernde Erfahrung von Tod und Geburt.

    Dieses Jahr wurde ich erstmalig bewusst Zeuge von der Tatsache meiner Blutsverwandtschaft mit Dr. Georg Kerner, dem deutschen Freiheitsrebellen aus der Zeit der französischen Revolution.¹ Am Ostersamstag, dem

    7. April 2012, war sein 200. Todestag, am Ostermontag, dem 9. April, sein Geburtstag. Der Historiker Dr. Andreas Fritz, wie die Familie Kerner aus dem Württembergischen, hat sein Interesse an dem Arzt und Revolutionär umgesetzt und eine wunderbare, umfangreiche Biografie über dessen Leben und Wirken verfasst.² In Anbetracht der Zeitgleichheit des Abschlusses von Ahnensog und der Entdeckung dieses politischen Geistes aus meiner unmittelbaren Ahnenreihe durchflutet mich ein geheimnisvoller Zusammenklang. Immer wunderte ich mich über meinen inneren Drang nach Veränderung und Freiheit. Mein Liebster und Gefährte, der Georg Kerner Ostern spontan im Internet aufstöberte und hoch erfreut seine geistige Bruderschaft zu ihm entdeckte,

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