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Bis zum letzten Atemzug
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Bis zum letzten Atemzug
Ebook939 pages13 hours

Bis zum letzten Atemzug

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About this ebook

"Mein Vater betrachtete mich wieder mit dem liebevollen Blick, den ich bitterlich vermissen werde, wenn er eines Tages nicht mehr da ist. Den Blick, mit dem mich nur ein einziger Mensch auf der Welt betrachtet; ein Blick, der nur für mich da ist. Der niemand anderem gilt. Und auf den niemand eifersüchtig sein kann, weil er - würde er nicht mir gelten - niemandem sonst geschenkt würde. Er würde niemandem vorenthalten. Dieser Blick wäre dann einfach nicht da."

"Bis zum letzten Atemzug" ist die Geschichte um Sophia, die bereits als junges Mädchen den Worten ihres Vaters im Zimmer der großen Geister lauscht, wenn er ihr aus den Schriften der „Liberalen“ vorliest. Die Geschichte um Sophia, deren Bruder Jonas ein Freigeist durch und durch ist und um ihren zweiten Bruder, Sander, dessen Ikonen Karl Marx, Ché Guevara und Mao Tsê-tung heißen.
Es ist eine Familiengeschichte über einhundert Jahre, die eine Liebesgeschichte über den Kapitalismus, den Liberalismus und über echtes Geld erzählt.
Eine Liebesgeschichte bis zum letzten Atemzug! Meinem letzten Atemzug! - Denn die Freiheit ist kompromisslos! Es gibt sie nur in reiner, in purer Form! Und es ist eine Familiengeschichte, die davor warnt, die Dinge zu vergessen, die in der Vergangenheit passiert sind und die davor warnt, die gleichen Fehler immer und immer wieder zu machen und dabei zu erwarten, dass sich etwas zum Guten verändert.

Sie ist aber auch eine Hommage an die Liebe und eine an die Familie, wie auch immer eine solche gestaltet ist. Und sie ist eine Hommage an die Freundschaft - an die Freundschaft, die den anderen so sein lässt, wie er ist.

Sophias Geschichte ist eine Liebesgechichte an die Einzigartigkeit des Menschen!
LanguageDeutsch
Release dateFeb 27, 2015
ISBN9783945822173
Bis zum letzten Atemzug
Author

Susanne Kablitz

Susanne Kablitz ist Autorin und Publizistin und referiert regelmäßig zu Themen rund um "gesundes Geld", den Kapitalismus und den Liberalismus. Im Oktober 2012 initiierte sie den Hayek-Club für Krefeld und den Niederrhein und ist Mitglied der Hayek-Gesellschaft. Seit März 2013 schreibt sie auf ihrem Blog Jenseits der Illusionsbedürftigkeit rund um die "Österreicher", die ihr Herz für immer eroberten. Susanne Kablitz ist Gründungsvorsitzende des Instituts für klassischen Liberalismus e.V. , Chefredakteurin des Online-Magazins freiraum - Das Magazin für klassischen Liberalismus und Inhaberin des institutsnahen Verlages JUWELEN - der verlag, der sich der Verbreitung liberaler Bücher, Artikel und Publikationen angenommen hat.

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    Book preview

    Bis zum letzten Atemzug - Susanne Kablitz

    Über die Autorin

    Susanne Kablitz ist am 08. Februar 1970 in Bielefeld geboren und lebte zwischenzeitlich in Düren und in Köln. Sie ist verheiratet und ihr Lebensmittelpunkt ist heute der Niederrhein, ein kleiner Ort namens Tönisvorst, ungefähr zwanzig Kilometer von Düsseldorf entfernt.

    Susanne Kablitz ist Autorin und Publizistin und referiert regelmäßig zu Themen rund um „gesundes Geld", den Kapitalismus und den Liberalismus.

    Im Oktober 2012 initiierte sie den Hayek-Club für Krefeld und den Niederrhein und ist Mitglied der Hayek-Gesellschaft. Seit März 2013 schreibt sie auf ihrem Blog Jenseits der Illusionsbedürftigkeit rund um die „Österreicher", die ihr Herz für immer eroberten.

    Susanne Kablitz ist Gründungsvorsitzende des Instituts für klassischen Liberalismus e.V. und Inhaberin des institutsnahen Verlages JUWELEN - der verlag, der sich der Verbreitung liberaler Bücher, Artikel und Publikationen angenommen hat.

    Bitte besuchen Sie die Autorin auch im Internet:

    www.juwelenderverlag.com

    www.biszumletztenatemzug.me

    www.liberalesinstitut.de

    www.susannekablitz.wordpress.com

    per e-mail unter sk@juwelen-derverlag.com oder über facebook

    Dieses Buch ist zwei besonderen Männern in meinem Leben gewidmet …

    Meinem eigenen wundervollen Mann Ulrich und meinem „Lebensretter" Roland Baader, der am 08. Januar 2012 leider viel zu früh verstarb.

    Die „Ellenbogengesellschaft" ist in Wahrheit eine Kniegesellschaft: Eine Gesellschaft, deren Mitglieder von den Funktionärskasten erstens durch Steuern und Abgaben immer mehr in die Knie gezwungen werden und in der zweitens immer mehr auf Knien rutschen, um an die trügerischen Wohlfahrtsgeschenke zu gelangen, wird bei der Feststellung, dass sich die angeblichen Geschenke im Verlauf der Zeit rascher von ihnen entfernen als die Knierutscher folgen können, aggressiv. Erst dann beginnen die entmündigten Kreaturen, ihre Ellenbogen einzusetzen, um im Riesenpulk der Knierutscher vielleicht doch noch näher an die vorgehaltene Wurst zu kommen.

    Roland Baader (1940 - 2012) Freiheitsfunken

    Inhaltsverzeichnis:

    Vorwort der Autorin Susanne Kablitz

    Radolfzell , 15. Dezember 2013 Das Zimmer der großen Geister

    München, im Dezember 2013 Es ist unsere Welt, Dad!

    New York, im Dezember 2011 Ruhe in Frieden, Deine Dagny!

    München, im Dezember 2013 Die Kaschmirdecke

    Rosenheim, 25. Oktober 1987 Alles wiederholt sich, Lizzy!

    München, im Dezember 2013 Die Österreicher

    Buenos Aires, im Herbst 1958 JA!

    München, im Dezember 2013 Nie, nur um der Worte Willen!

    New York, 1958 /1959 Bestie an Bord

    Wiesbaden - München 1911 - 1924 Ein Idiot ein spaßiger Schwätzer eine Witzfigur!

    New York, 1958/1959 Der elegante Mann

    München, im Dezember 2013 Gespitzte Ohren

    New York, 1955 - 1959 Von Löwen und Hyänen

    München, im Dezember 2013 Geschichtsschreiber des Niedergangs

    New York, 1935 - 1958 Das Schweigen der Substanzlosigkeit

    München, im Dezember 2013 Das „WIR" entscheidet

    München, im Herbst 1983 Eine Minute deines Lebens

    München, im Dezember 2013 Machtinstrumente

    New York, im Mai 1978 Erinnerungen

    Die alte Welt - New York, im Mai 1978 Der Engel von Manhattan

    München, im Dezember 2013 Neunmalkluge Geschichtsstümper

    München, im Oktober 1984 Großmutters Gold-Keksdose

    München, im Dezember 2013 Von Löwen und Hyänen

    München, im Herbst 1983 Chancen, die ich meine

    München, im Dezember 2013 Die Tochter seines besten Freundes

    München, im Herbst 1983 Eine Liebeserklärung an den Kapitalismus

    München, im Dezember 2013 Bis zum letzten Atemzug

    München, im Januar 1987 In tiefer Verneigung

    München, im Dezember 2013 Neid! Nichts als Neid!

    New York, im Dezember 2008 Von der Staatsmacht

    München, 25. Oktober 1987 Beelzebub’s Triumph

    München, im Dezember 2013 „Funny-Money"

    New York, im Dezember 2008 Kreative Räuber

    München, im Dezember 2013 Die Magie der Angst

    München, im Oktober 1984 Gold und Menschenfänger

    München, im Dezember 2013 Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?

    München, im Dezember 1984 Das Geld der Freiheit

    München, im Dezember 2013 Der Krieg gegen die Mittelschicht

    New York - München, im Dezember 2011 Rache am besten kalt serviert!

    München, 06. Dezember 2011 Das Streben nach Glück

    München, im Dezember 2013 Die Finanzaristokratie des modernen Rom

    München, im Dezember 2013 Ich liebe dich, Kleines!

    München, 24. Dezember 2013 New York, wir kommen

    Danksagungen

    Nachwort von Roland Baader

    Buchempfehlungen

    Vorwort

    Ich kann mich noch ganz genau an den Tag erinnern, der mein ganzes Leben veränderte. Es war der 28. Juni 2010, warm und sonnig; mein Mann und ich wollten eine Woche später verreisen und ich suchte die Bücherei auf, um den Gutschein, den ich zu meinem 40. Geburtstag im Februar geschenkt bekommen hatte, einzulösen. Und als ich dort so durch die Regale stöberte, fiel mir ein Buch ins Auge, das - fast schon verloren lag es da - als einziges Buch meine Aufmerksamkeit erregte. Nicht, dass das Cover mich irgendwie begeistert hätte und auch der Titel Die belogene Generation war nichts, was mich besonders ansprach. Den Autor, Roland Baader, kannte ich zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht und auch der Untertitel haute mich nicht von den Socken. Nein, es war eher so, dass diese Buch förmlich danach „schrie, gelesen zu werden. Von mir gelesen zu werden. Ich nahm das Buch an mich und schlug wahllos eine Seite auf. In nur ganz wenigen Momenten meines Lebens spüre ich - und das war schon immer so - ein seltsames Kribbeln auf meiner Haut, wenn mir wirklich etwas Bedeutendes, etwas Großes, passiert und genau dieses Gefühl hatte ich in diesem Moment, als ich den folgenden Abschnitt las … „Die schlimmsten Feinde der Freiheit sind deshalb nicht ihre erklärten Gegner, sondern die vielen Lauen und Laschen unter ihren angeblichen Freunden, die Gleichgültigen und Bequemen, die Gutmütigen und Gutgläubigen, sowie die Vulgärpoeten mit ihren Parolen, daß es „sooo schlimm ja nicht sei oder daß man nicht „immer alles so negativ sehen sollte. Diese nützlichen Idioten der Knechtschaft würden auch einem Menschen, der von Kannibalen gekocht werden soll, erklären, er möge sich beruhigen, weil „nichts so heiß gegessen wie gekocht werde."

    Ich musste in jenem Moment lachen, aber nur eine Sekunde später blieb mir das Lachen im Halse stecken. War es wirklich so, wie dieser Herr Baader es niederschrieb? Nun, ich kaufte das Buch und heute - fast fünf Jahre später - schreibe ich an den Schenker meines Gutscheins einen Dankesbrief. Weil dieser gute Geist Roland Baader in mein Leben brachte und mir damit dasselbe „rettete. Denn alles veränderte sich ab diesem Tag. Ich wusste, ich war angekommen. Dieses diffuse Gefühl, dass mit unserer Welt „etwas nicht stimmt, fand endlich die Erklärungen, nach denen ich so lange gesucht hatte und deren Fehlen mich bis dahin schier hatten verzweifeln lassen. Ich verschlang die Literatur Baaders und hinzu kamen sie alle - die Gesellen der Freiheit.

    Ludwig von Mises, Friedrich A. von Hayek, Ayn Rand, Henry Hazlitt, Frédéric Bastiat, Murray Rothbard, Ludwig Erhard, Alexis de Toqueville und viele, viele mehr. Ich tauchte ein in die Welt der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, die mir inmitten einer der schwersten Wirtschaftskrisen der letzten einhundert Jahre nachvollziehbare und vor allem ganz einfache Antworten auf die Frage lieferte, warum sich die Dinge in regelmäßigen Abständen zuverlässig wiederholen. Ich tauchte ein in die Welt des „Funny-Money, des wertlosen „Geldes, das die Zentralbanken auf der ganzen Welt aus dem Nichts schöpfen und ich tauchte ein in die Welt des Liberalismus und des Kapitalismus. Und so ist dieses Buch eine Hommage an die Menschen, die die Begriffe so verwenden, wie sie richtig sind, die sich nicht für dumm verkaufen lassen und die sich dem Raubtiersozialismus unserer Zeit konsequent verweigern.

    Vor einiger Zeit wurde ich aufgefordert, die Worte „Kapitalismus und „Liberalismus nicht mehr zu erwähnen, da sie „negative Gefühle auslösen würden. Ich solle doch lieber „Soziale Marktwirtschaft und „Soziale Gerechtigkeit" verwenden. Nun, ich antwortete, dass ich dies keinesfalls tun werde; zum einen, weil sowohl das eine wie auch das andere in sich unmöglich sind und zum anderen, weil ich mich dem Zeitgeist niemals anbiedern werde. Weil ich es wie Roland Baader halte, der in seinem Werk Das Kapital am Pranger - Ein Kompaß durch den politischen Begriffsnebel schrieb: „Dennoch halte ich, gewissermaßen wider bessere Einsicht, am Begriff Kapitalismus fest. Der Grund: Solange die weit überwiegende Zahl der Weltbevölkerung - aufgrund mangelnden Wissens und aus Gründen des Irrtums und der Irreführung, der ideologischen Verführung und machtpolitischen Indoktrination - den Kapitalismus als Feindbild betrachtet, und solange er deshalb schutzlos den etatistischen und sozialistischen Feindbildern ausgeliefert bleibt, werden ich den zur Kampfvokabel seiner Gegner gewordenen Begriff Kapitalismus auf die Fahnen meiner Aufklärungsarbeit schreiben."

    Diese Aufklärungsarbeit in einem Roman möglich zu machen, kam mir vor gut zwei Jahren in den Sinn. Denn das, was ich im liberalen und „kapitalistischen Bücherhimmel fand, waren ausschließlich Fachbücher, die zwar von mäßig bis ausgezeichnet reichten, aber eben maßgeblich an ein Fachpublikum gerichtet waren. Ich fragte mich, wie es möglich sein könnte, auch bisher noch „unbedarften Menschen einige Denkanstöße so anzubieten, dass sie nicht auf der dritten Seite - wegen des Dschungels an Fremd- und Fachbegriffen - frustriert aufgeben und ein hilfreiches Buch beiseitelegen. Ich fragte mich, was die „Österreicher so auszeichnet, dass es prinzipiell ganz einfach zu verstehen sei, was auf dieser Welt passiert und wie man dieses Wissen nutzen kann, um etwas zum Positiven zu verändern. Also entschloss ich mich, die Worte der „Österreicher in einem Roman, in einer Familiengeschichte, so zu verpacken, dass sie nichts von ihrer wichtigen Botschaft verlieren, sie aber gleichzeitig einem breiteren Publikum zugänglicher werden. Aus diesen ersten Gedankengängen entstand meine Geschichte um Sophia, die als junges Mädchen den Worten ihres Vaters im Zimmer der großen Geister lauscht, wenn er ihr aus den Schriften der „Liberalen" vorliest. Die Geschichte um Sophia, deren Bruder Jonas ein Freigeist durch und durch ist, und um ihren zweiten Bruder, Sander, dessen Ikonen Karl Marx, Ché Guevara und Mao Tsê-tung heißen. Es ist eine Familiengeschichte über einhundert Jahre, die eine Liebesgeschichte über den Kapitalismus, den Liberalismus und über echtes Geld erzählt. Eine Liebesgeschichte bis zum letzten Atemzug! Meinem letzten Atemzug! - Denn die Freiheit ist kompromisslos! Es gibt sie nur in reiner, in purer Form! Und es ist eine Familiengeschichte, die davor warnt, die Dinge zu vergessen, die in der Vergangenheit passiert sind und die davor warnt, die gleichen Fehler immer und immer wieder zu machen und dabei zu erwarten, dass sich etwas zum Guten verändert. Sie ist aber auch eine Hommage an die Liebe und eine an die Familie, wie auch immer eine solche gestaltet ist. Und sie ist eine Hommage an die Freundschaft - an die Freundschaft, die den anderen so sein lässt, wie er ist.

    Dieses Buch erhebt keinen wissenschaftlichen Anspruch; Zahlen und Daten lassen sich jedoch in jedem guten Buch oder Artikel nachlesen. Dieser Roman ist kein Sachbuch, wobei alle historischen Ereignisse und das Zahlenmaterial gewissenhaft recherchiert wurden. Dieses Buch soll dazu anregen, sich tiefer in die Materie einzufinden und das, was uns von jeglichen Medien vorgetragen wird, immer zu hinterfragen. Es soll dazu anregen, nicht alles zu glauben, was in Geschichtsbüchern steht, jedoch auch nicht alles zu glauben, was alternative Medien uns anbieten. Der größte Gigant sind wir selbst; alles, was wir schaffen wollen, schaffen wir auch. Diesen Gedanken für uns anzunehmen - dafür ist dieser Roman da. Und ich hoffe, er bereitet Ihnen wunderbare und anregende Stunden.

    Ihre Susanne Kablitz, im Februar 2015

    Die Denker der Österreichischen Schule der Nationalökonomie sind die einzigen Helden der Neuzeit. Sie wissen, dass sie in ihrem intellektuellen Kampf für gesundes Geld - und somit für den Fortbestand der Zivilisation - keinen einzigen Verbündeten haben, weder in der Politik noch in der Wirtschaft, weder bei den Bankern noch bei den anderen Ökonomen, weder in den Medien noch bei ihren Mitbürgern.

    Roland Baader

    Mein Zimmer der großen Geister

    Radolfzell, 14. Dezember 2013

    Ich schlug die Augen auf und war überwältigt von der Schönheit des frühen Sonnenlichts, das mir an diesem Wintertag von einem makellosen, sattblauen Himmel auf mein Gesicht schien. Gestern hatten mein Mann und ich erfahren, dass wir ein Kind erwarten und ich sehnte mich nach dieser Neuigkeit, die wie eine Bombe eingeschlagen hatte, nach Stille. Einer Stille, die mir die Chance gab, meine Gedanken zu ordnen und die Frage zulassen würde, ob ich mich freuen oder verzweifelt sein sollte. David hatte mir nur zugenickt; er kannte mich in- und auswendig. Immer, wenn ich nicht weiter wusste, zog ich mich in meine Höhle zurück. In dieses Zimmer, das im ganzen Haus eine für mich magische Ausstrahlung hatte. Mein Zimmer der großen Geister!

    Voll war dieser Raum … die Bücherregale quollen über; der Boden war übersät mit Zeitschriften und Notizen, überall lagen aufgeschlagene Bücher herum und in der Mitte stand ein großes Bett, das so einladend wirkte, dass ich mich am liebsten sofort in die üppigen Kissen und Decken eingekuschelt hätte. Ich saß hier oft tage- und nächtelang und schrieb mir die Seele aus dem Leib. Ich kannte kein Ende - schrieb, korrigierte und nicht selten schmiss ich alle Notizen am Ende wutentbrannt in den Mülleimer. Schreiben war und ist meine Leidenschaft, die ich zwar nie zum Beruf gemacht hatte, aber wahrscheinlich daher fast schon exzessiv betreibe.

    Es gibt Momente, in denen ich über mich selbst lachen muss … oft weiß ich mich mit dem geschriebenen Wort weit besser zu verständigen als mit dem gesprochenen. Wenn andere Menschen draußen den Sommer oder auch den Winter genossen, saß ich dort in meinem Räumchen und bastelte mir die Buchstaben zurecht. Ich lud Engel und ich lud Teufel in mein Leben ein und in meinen Geschichten bekamen sie ein Gesicht. Allzu oft war ich überrascht, welchen Werdegang die Figuren nahmen und wie häufig es sich herausstellte, dass der Engel das Antlitz des Teufels trägt und umgekehrt.

    Die Liebe zum geschriebenen Wort ist mir bis heute geblieben. Ich arbeite mit Worten, ich forme sie, ich quäle sie, ich vergöttere sie. Immer wieder bin ich fasziniert, wie sechsundzwanzig plus fünf Buchstaben, die weder mehr noch weniger werden, eine solche Gedankenvielfalt entwickeln. Ich bin meinem Mann von Herzen dankbar, dass er meine Marotten bis heute fast widerspruchslos respektiert. Auch wenn ich oft erst nach Tagen wieder auftauche, küsst er mich zärtlich und grinst mich so verführerisch an, dass mir die entgangene Zeit mit ihm fast leid tut. Trotzdem kann ich nicht anders; ein anderes Leben, das weniger Freiheit bedeuten würde, wäre für mich unvorstellbar. David ist der einzige Mann, den ich mir an meiner Seite vorstellen kann, und ich bete zum Himmel, dass dies auch umgekehrt der Fall ist.

    An diesem noch frühen Morgen schlich ich mich nach einer fast schlaflosen Nacht in die Küche und brühte mir einen frischen Kaffee auf. Die Dezembersonne durchflutete das ganze Haus … es sah so aus, als wäre die Welt in Gold getaucht. Das Thermometer zeigte eine Außentemperatur von vier Grad an und ich schlang reflexartig die Bindebänder der dicken Wolljacke, die ich übergezogen hatte, noch ein wenig fester um meinen Bauch. Ich war in der letzten Nacht kaum zur Ruhe gekommen; an diesem Morgen schien es jedoch keine Gelegenheit zu geben, meinen Kopf aufzuräumen.

    Mein Vater feierte heute seinen achtzigsten Geburtstag; es war mir ein Herzenswunsch, einem der für mich wichtigsten Menschen diesen Tag unvergesslich zu machen. Ich hänge sehr an diesem zweiten besonderen Mann in meinem Leben … schon der bloße Gedanke, dass er eines nicht mehr ganz so fernen Tages unwiderruflich und unabänderlich nicht mehr für mich da sein wird, lässt mir das Herz zu Eis gefrieren. Ich umfasste meine Kaffeetasse unwillkürlich fester und musste lächeln.

    Meine Mutter hatte uns - seitdem ich denken konnte - damit aufgezogen, welche Kletten wir gegenseitig waren. Sie wusste um unsere besondere Verbindung, die mir in all den Jahren den Mut und die Kraft gegeben hatte, auch dann zu mir und meinen Überzeugungen zu stehen, wenn es äußerst unangenehm wurde und ich umzufallen drohte.

    Meine Kindheit und Jugend sind in vielerlei Hinsicht nicht leicht gewesen. Mein Vater war seit jeher ein unbequemer Mann; ein Mann, der vollkommen kompromisslos war und es bis heute ist, wenn es um seine Überzeugungen geht. Für meine Mutter, die die Stille, die Ruhe und die Harmonie liebt, war es bisweilen ein großes Abenteuer mit ihm zu leben und ein noch größeres, ihn zu lieben.

    Sie erinnerte mich immer in den Momenten, wo ich bei ihr in der Küche saß und mich tränenreich über die Dickköpfigkeit meines Vaters beschwerte, daran, dass es in dieser Welt viel zu wenige Menschen gibt, die ein Rückgrat haben, das nur dann zu brechen droht, wenn es um das Wohlergehen geliebter Menschen geht. Und dass ich dafür dankbar sein sollte. Erst viel später wusste ich ihre Worte zu schätzen. … In meiner Kindheit erschienen mir die Väter, die sich augenscheinlich mehr um die Bequemlichkeit und das Wohlbefinden ihrer Sprösslinge kümmerten, deutlich angenehmer zu sein. Lange suchte ich auch dort nach etwas, was mein Vater mir nicht zu geben schien … nach Bedeutung. Heute weiß ich, dass mir die größte Wertschätzung, die einem Menschen zuteilwerden kann, entgegengebracht wurde. Schon sehr früh nahm mein Vater mich einfach ernst, es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, mich mit Kinkerlitzchen zu amüsieren. Dass dies ein Segen für mich war, wurde mir eben nur sehr viel später bewusst.

    Meine Mom ist Amerikanerin … New Yorkerin. Nie wollte sie aus den Vereinigten Staaten weg. Sie erzählte mir immer, dass - bevor sie meinen Vater kennenlernte - ein anderes Land für sie gar nicht zu existieren schien. Amerika war das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ein Land, das die Luft der Freiheit tiefer einatmete als dies sonst auf der Welt der Fall zu sein schien. Als sie sich im Herbst 1958 als Studentin auf ihre Reise nach Buenos Aires machte, ahnte sie nicht, welche Wendung ihr Leben nehmen würde; dass sie als Verlobte eines ambitionierten und überaus aufgeweckten jungen Mannes zurückkehren und nur wenige Jahre später ihr verehrtes Land verlassen würde, um in Deutschland ein ganz neues Leben zu beginnen.

    Wenn meine Eltern von ihrem frühen gemeinsamen Leben erzählen, dann sprühen auch heute noch die Funken. Nicht immer aus purer Anziehung zueinander; einer Anziehung, die von Liebe und Achtung geprägt ist, sondern deren Hintergrund auch gar nicht so selten das überaus unterschiedliche Temperament beider Charaktere wiederspiegelt. Ich liebe deine Mutter mehr als ich das jemals für möglich gehalten hätte. Aber sie macht mich wahnsinnig. Immer noch! Herrgott Paul, was ist nur los mit dir? Bleib doch mal für eine Minute an einem Platz sitzen. Wenigstens eine einzige winzige Minute. Trink wenigstens in Ruhe deinen Kaffee aus! Die Worte meiner Eltern wurden dann immer von einem Lächeln begleitet, und ich weiß, dass ich ein riesengroßes Glück hatte, dass für meine Geschwister und mich nie die Gefahr bestanden hatte, dass wir zu „Scheidungskindern" wurden.

    Die Dialoge zwischen meinen Eltern, die im Kern oft die gleiche Botschaft enthielten, prägten meine Vergangenheit. Es rumste oft bei uns zu Hause. Nur am Sonntagabend, jede Woche am Sonntagabend war es bei uns anders. Es war magisch. Es war etwas Besonderes!

    „Guten Morgen … gut geschlafen?"

    Ich spürte, wie Davids Atem meinen Nacken streifte, als er mich sanft umarmte und seine Worte mich aus meinen Gedanken rissen. Es tat gut … so gut. Es hatte Momente in unserer nun rund sechsjährigen Ehe gegeben, in denen mich diese Geste gestört hatte. Meine Großmutter Mattie war der festen Überzeugung, dass eine Partnerschaft aus guten und aus schlechten Zeiten besteht. Am Ende sollten die guten eben nur deutlich überwiegen. Im Moment sah es so aus, als könnte uns dies gelingen. … Ich spürte, wie Davids Hände ein wenig von meiner Taille nach unten rutschten und auf meinem Bauch innehielten. Wir sagten beide kein Wort … erst, als ich mich von ihm löste und ihn ansah, beruhigte er mich:

    „Schon gut, Kleines, alles ist in Ordnung."

    Kleines! Wie gut kenne ich dieses zärtliche Kosewort, das aus dem Mund eines Menschen, den man von Herzen liebt, so gar nicht herablassend klingt. Und das immer passt … ob man nun Tochter oder Ehefrau ist. Ich nickte ihm zu und kämpfte mit meinen Tränen. Wieso konnte ich mich auch heute Morgen noch kein bisschen freuen? Warum fühlte ich mich so versteinert, so starr? Wieso konnte ich mit David darüber, dass wir ein Baby bekommen würden, nicht sprechen?

    Ich hatte nahezu die ganze Nacht wach gelegen und es in Kauf genommen, dass David in diesen Stunden mit seinen Gefühlen allein zurechtkommen musste. Nie war es anders bei uns gewesen; ich war seit jeher eine Einzelgängerin. Unsere grundlegend veränderte Situation änderte daran gar nichts. Verschrobene Person …raunte ich mir selber zu, wischte mir die Tränen aus dem Gesicht - und tröstete mich damit, dass Morgen auch noch ein Tag ist.

    Ich fühlte Davids Blick auf meinem Rücken, als ich die Treppen hinauf in unser Schlafzimmer ging, um mich anzuziehen. Ich war urplötzlich müde … zutiefst müde. Mich überkam eine so tiefe Erschöpfung, dass ich mich auf unser Bett fallen ließ und mir die Augen zufielen. Ich konnte nichts dagegen tun, dieser Wunsch nach Schlaf übermannte mich vollständig und für einige Minuten … so schien es mir … trudelte ich hinab in eine Welt, die so frei von Sorgen und Ängsten ist, dass man zurecht vom Segen desselbigen spricht.

    … Als ich aufwachte, lag David neben mir. Er hatte sich eng an mich geschmiegt und er wirkte absolut zufrieden. Ich fuhr mit meinen Fingern über sein Gesicht … dieses Gesicht, was mir so vertraut ist. Jede Falte, jeder Gesichtszug … ein Mensch, der zu mir gehört, egal, wie dumm und töricht ich mich auch benehme. David ist immer an meiner Seite. Er spart nicht mit Kritik, ganz im Gegenteil … er denkt gar nicht daran, mir das Leben möglichst einfach zu machen. Aber er liebt mich und nichts anderes ist wichtig.

    Meine Großmutter Mattie sagte stets zu mir: „Liebe ist das, was übrig bleibt, wenn alle Fehler aufgedeckt sind. Liebe ist das, was übrig bleibt, wenn alle Illusionen zu Schall und Rauch geworden sind. Liebe ist das, was nur wenigen Menschen vergönnt ist … ein so tiefes Gefühl, dass alles andere daneben verblasst. Ein Gefühl, dass man bereit ist, mit dem geliebten Menschen durch jedes Tal der Tränen zu gehen. Liebe ist, den anderen so zu nehmen, wie er ist."

    Großmutter Mattie ist eine echte Marke gewesen. Die Mutter meines Vaters war schon lange tot und ich wusste nicht, warum mir gerade jetzt ihre Worte einfielen. Mathilde, die von allen nur Mattie genannt wurde, war zeitlebens ein Feger, eine Frau wie ein Wirbelsturm … selbst kurz vor ihrem Tod hatte sie noch viel gelacht. So, als würde sie sich im Himmel bewerben wollen.

    Meine Großeltern hatten nicht viel besessen, aber Oma Mattie war der festen Überzeugung, dass die da oben zu schätzen wüssten, dass sie immer noch eine fleißige Frau sei. Sie sagte immer, dass Gott sie ohne langes TamTam zu sich holen würde … und sie behielt recht. Eines Tages fiel sie komplikationslos um und Opa Konrad war von da an noch neun Jahre ein ebenso fröhlicher Witwer, wie er ein fröhlicher Ehemann gewesen war.

    Ich war sechzehn, als sie das Zeitliche segnete und ihre Backkunst in den Himmel verlegte, wie sie uns augenzwinkernd tröstete, wenn die Sprache auf ihren Tod kam. Ich hatte das erste Mal herzaufzehrenden Liebeskummer, ja, die Welt drohte über mir einzustürzen. Niemand konnte mir helfen - außer Oma Mattie. Sie drückte mich an ihre Brust und ließ mich nach einer für mich endlos langen Zeit der tiefen Trauer wieder lächeln.

    Du wirst lieben, Sophia, eines Tages, wirst du wirklich lieben und dann wird dir dieser Schmerz im Moment ganz klein vorkommen. Wenn du sehr viel Glück hast, wirst du so sehr lieben, dass es für ein Leben reicht. Bis dahin weine und leide, das haben wir alle getan. Aber es geht vorbei, irgendwann!

    … Es sind ihre Grübchen, die ich nie vergessen werde und ihre strahlend weißen Zähne, die sie uns bis ins hohe Alter zeigte. Pünktlich mit dem Verschwinden meines Liebeskummers nahm Oma Mattie Abschied von uns … ihr Timing war stets perfekt gewesen.

    Ich hatte noch eine zweite Großmutter, zumindest bis ich elf Jahre alt war … Grandma Gracie, meine Großmutter in den USA, die Mutter meine Mutter. Wir sahen uns zwar nur wenige Male, aber sie war stets ein Fest für die Augen. Grace war eine Ikone des Stils und der Eleganz. Es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, auch nur einen Fuß auf die Straße zu setzen, ohne sich vorher ansehnlich gemacht zu haben. Was sollen denn die Leute denken, wenn ich ihnen einen solchen Anblick zumute? Ich war die Einzige, die aus unserer Familie Grandma zu ihr sagen durfte und das auch nur, wenn niemand es mitanhörte. Außerdem bekam ich sie nur sehr selten zu Gesicht, so dass sie in diese Verlegenheit nicht allzu oft kam. Mattie und Grace konnten sich gegenseitig nicht ausstehen. „Wie konntest du nur diesen Verwirrten heiraten?", war eine Lieblingsfrage meiner Großmutter mütterlicherseits, wenn wir - ohne meinen Vater - in die USA reisten, um der Heimatssehnsucht meiner Mom Genüge zu tun.

    Meine Mutter schwieg … immer! Wenn ich sie danach fragte, warum sie sich die Anmaßungen und Beleidigungen bieten ließ, kam nie eine für mich nachvollziehbare Antwort. Ich liebe meinen Vater und ich nahm Grandma Graces mangelnden Respekt und ihre überhebliche Arroganz ihm gegenüber fast persönlich. Mattie nannte sie einen überkandidelten Kleiderständer, der noch nicht einmal anständig kochen kann. Damit war das Thema für sie erledigt.

    Mein Vater hat uns - solange ich klein war - nur zweimal begleitet. Das erste Mal legte er sich mit meinem Grandpa James - Gracies Ehegatte, wie sie ihn titulierte und mindestens genauso affektiert - an, beim zweiten und letzten Besuch hat er dann Grandma Grace seine Meinung mitgeteilt. Wenn Dad seine Meinung mitteilt, ist die Erde danach verbrannt. Grandpa James starb, als ich vier war und ich kann mich nicht mehr an ihn erinnern.

    Nach Grandma Gracies Tod flogen wir sehr viel öfters in die USA und mein Vater bedauerte es, dass er so viel Jahre ins Land hatte verstreichen lassen, bis er die Heimat meiner Mutter und die Stadt, in der sie als frisch verliebtes Paar so glücklich gewesen waren, mit Freude wiederentdeckte. Eine Weile nach Gracies Dahinscheiden buchte er einen Flug nach New York und als wir im September 1987 durch die Straßen bummelten, war es so, als würde die Vergangenheit meiner Eltern zu neuem Leben erweckt. Nur zwei Mal war er in der Zwischenzeit hier gewesen und beide Besuche waren, bis auf wenige Stunden, höchst unerfreulich gewesen. Nun konnte er seinen Aufenthalt in New York richtig genießen. Und das tat er.

    „Weißt du noch, Lizzy, wie an dem Abend, nachdem wir gerade erst aus Buenos Aires zurückgekehrt waren, die Stadt im Licht der untergehenden Sonne glühte und der ungewöhnlich milde Wind dein Kleid gefährlich hoch wehte?"

    Er lächelte, als er meiner Mutter diese Frage stellte. Aber es war mehr als ein Lächeln … es kam aus tiefster Seele, es war innig! Ich schaute meine Mutter verblüfft an. Romantisch? Mein Vater? Sie schien dies nicht besonders zu verwundern… es sah ganz danach aus, dass ihr diese Seite ihres Mannes keineswegs fremd war.

    Ich habe noch zwei Brüder … Jonas und Sander. Jonas liebte die USA seit seinem ersten Besuch vor vielen Jahren und als wir in jenem September 1987 nach zwei Wochen wieder heim flogen, hatte er beschlossen, Deutschland den Rücken zu kehren und in New York City zu bleiben. Er war schon immer so gewesen … wo andere Gefahren sahen, waren für ihn nur die Möglichkeiten von Bedeutung. Wo andere Risiken sahen, waren für ihn nur die Chancen relevant. Jonas ist vierzehn Jahre älter als ich und ein Freigeist. Er beschloss im Herbst 1987 sein Bleiben derart konsequent, dass unserer Mutter nichts anderes übrig blieb, als sich von ihm am John F. Kennedy Airport zu verabschieden. Er würde seinen Weg machen; er wusste, sein Leben würde sich kolossal ändern, es würde schwierig werden … er wusste, es würde am Anfang ein täglich gnadenloser Kampf werden.

    New York war noch nie eine Stadt, die jedem Erfolg garantiert. Aber sie war diese eine Stadt, in der Erfolg möglich ist und Jonas war davon überzeugt, dass er hier willkommen sein würde. Er bezog zunächst eine Wohnung in Brooklyn, die meine Mutter als Klo mit Schlafgelegenheit beschrieb, so winzig und mit nur einem einzigen Fenster zur Hinterhofseite hinaus, dass sich selbst im Herbst die Hitze in die Haut einbrannte. Es müffelte aus allen Ecken, es war laut, selbst für New Yorker Verhältnisse, aber diese Bruchbude war die einzige „Behausung", über die Jonas überhaupt zu sprechen bereit war.

    „Du kannst doch nicht auf der Straße schlafen", stellte Mom voller Mutterherzsorge fest. Jonas waren seine Schlafgelegenheiten egal. Er hatte den Traum, das zu werden, was er sein wollte und nirgendwo auf der Welt schien dies naheliegender zu sein als hier.

    Wir hatten im Gino, einem kleinen italienischen Restaurant in Höhe der 61. Straße, zu Abend gegessen. Die späten Septembertage tauchten die Stadt in ein buntes Farbenmeer - New Yorks zauberhafter Indian Summer - als Jonas uns mitteilte, was er zu tun gedachte. Diese Mitteilungen, die die Männer in unserer Familie machen, waren stets lediglich dazu gedacht, Informationen auszutauschen und stechen demjenigen, dem sie zugedacht sind, in ihrer Einfachheit und Klarheit mitten ins Herz. Ich sehe noch heute die Augen meiner Mom vor mir, als ihr bewusst wurde, dass Jonas’ Ankündigung keine Überlegung, sondern eine Tatsache war. Er stimmte der Müffelbude zu, damit Mom endlich Ruhe gab - und zog nicht lange nach unserer Abreise wieder aus, wie wir später aus einem seiner Briefe erfuhren.

    Als unsere Mutter nicht umhin kam, sich mit den Tatsachen abzufinden, packte sie meinen Vater am Arm und für einen Moment schossen ihr die Tränen in die Augen. Jonas war ein Kind New Yorks, hier war er gezeugt geworden und hier hatten sie beschlossen, dass sie als Familie dem Ruf von Großmutter Mattie und Großvater Konrad folgen und in Deutschland leben würden. Das war der Tag, an dem meine Großeltern in den USA mit ihrer Tochter für lange Zeit brachen. Es gab jahrelang keinen Kontakt. Briefe, die meine Mutter schrieb, blieben unbeantwortet oder kamen ungeöffnet zurück. Erst nachdem mein Bruder Sander im Januar 1967 auf die Welt kam, erhielten sie ein kurzes - ein einziges - Telegramm mit den Worten: Herzlichen Glückwunsch - wenn ihr so weitermacht, endet ihr als arme Schlucker! So war sie halt: Ein Geschenk Gottes … und dabei stets adrett gekleidet.

    Als ich jetzt an diesem Tag im Dezember auf unserem Bett lag und David neben mir leise vor sich hin schnarchte, fiel mir schlagartig wieder ein, wie oft meine Mom mir von den gut zwei Jahren erzählt hatte, die sie nach ihrer gemeinsamen Rückkehr aus Buenos Aires in New York verbrachten. Sie waren beide noch sehr jung; meine Mutter studierte weiter Kunstgeschichte und Literatur, mein Vater sorgte als Restaurator dafür, dass sie nicht von Moms Eltern abhängig waren.

    „Bist du dir sicher, dass du bei deiner Geburt nicht vertauscht wurdest?, war eine der ungläubigen Fragen, die mein Vater meiner Mutter stellte, wenn Grandma Gracie sich mal wieder von ihrer „allerbesten Seite zeigte.

    Meine Mom hatte Grandma Grace nie viel entgegenzusetzen. Sie war einfach zu anständig und der festen Überzeugung, dass man Eltern gegenüber absoluten Respekt zu zollen hat … sogar dann, wenn sie sich keinesfalls so benehmen, als hätten sie dies verdient. Grandpa James war zwar die ersten Jahre im gemeinsamen Leben meiner Eltern nicht ganz so offensichtlich unerträglich gewesen, viel angenehmer blieb er allerdings auch nicht Erinnerung.

    „Dass sie dich nach Buenos Aires geschickt hat, dafür werde ich ihr ewig dankbar sein. Ansonsten wäre es fabelhaft, wenn ich sie möglichst nur von hinten sehen müsste, so die Worte meines Vater, die er als Stoßgebete Richtung Himmel schickte. Leider sah Dad sie äußerst selten von hinten, nachdem Grace beschlossen hatte, dass der winzige Vorgarten am Haus meiner Eltern einer ständigen Pflege durch die „liebe Schwiegermutter bedurfte. Mein Vater amüsierte sich königlich, wenn er beobachtete, wie sich die Bestie mit spitzen Fingern in Mutter Erde eingrub, nur um jeden Tag weniger darauf hoffen zu können, dass meine Eltern sich satt haben würden.

    Die Eltern meiner Mutter waren von ihr tief enttäuscht … die einzige Tochter, bildhübsch, gut erzogen und gebildet und dann - mein Vater. Ein Mann, der ihrer Tochter Flausen in den Kopf setzte, wenn er ihr nächtelang aus den Büchern Ludwig von Mises’ und dem anderen „Gesindel" vorlas. Es verwunderte sie - oder viel treffender - es missfiel ihnen, dass ihre Tochter nach deren Rückkehr aus Argentinien ganz offensichtlich nun vollkommen den Verstand verloren hatte. Zunächst versuchten sie es mit streitbaren Diskussionen, später mit nicht zu missverstehenden Beleidigungen und als dies auch nichts half und meine Mutter - ganz entgegen ihrer sonstigen Art - klar und deutlich ihrem ausdrücklichen Wunsch DIESEN MANN zu heiraten, der dem LIBERLALEM IRRSINN anheimgefallen war, Ausdruck verlieh, war der Ofen aus. Meine Großmutter Grace akzeptiere keine andere Lebenseinstellung - nur ihre eigene. „Louise, ich respektiere deine Sichtweise, solange sie sich mit meiner deckt!", so ihr Motto mit dem sie … wie sie meinte … auch sonst immer und überall im Recht war.

    Als meine Eltern mit Jonas „im Gepäck" am Grand Central Terminal in den Zug stiegen, um von La Guardia in ein für meine Mom vollkommen unbekanntes Leben heimzukehren, weinte meine Mutter bittere Tränen. Sie hatte nie auch nur eine Sekunde daran gedacht, ihre Stadt jemals für längere Zeit zu verlassen. Mein Vater versuchte ihr die neue Heimat zu versüßen, indem sie in Boston für ein paar Tage Urlaub machten und sich zunächst nur ein Stück von New York wegbewegten.

    Die Tränen meiner Mutter trockneten allerdings erst, als sie am 20. Januar 1961 im Fernsehen sah, wie John F. Kennedy Präsident der Vereinigten Staaten wurde. Der Aufbruch in eine neue Welt … wie meine Mutter dieses Ereignis zu jener Zeit empfand, machte ihr Mut und so ließ sie die vielen Jahre auf New Yorks Straßen, in denen der Swing von Duke Ellington und Glenn Miller allgegenwärtig war, hinter sich und freute sich zum ersten Mal auf ihr Leben in dem Land, wo zu jener Zeit Milch und Honig flossen.

    An diesem Morgen fühlte mich wie an das Bett gefesselt … es war mir schleierhaft, wieso ich gerade heute so tief in den Erinnerungen feststeckte, die ich fast nur aus Erzählungen kannte. War es meine unerwartete Schwangerschaft, die mich in Nostalgie schwelgen ließ oder der achtzigste Geburtstag meines Vaters, der mir vor Augen führte, dass ein Leben beginnt, während ein anderes - unaufhaltbar - zu Ende geht?

    Mein Arm war eingeschlafen; ich zog mein taubes Körperteil mit schneckenartiger Langsamkeit unter Davids Kopf hervor und befürchtete für einen Moment, dass ich die faszinierende Stimmung durch meine Unruhe zerstörte. Meine Sorge war unbegründet … nur eine Sekunde lang öffneten sich Davids Augen, die gleich darauf wieder zufielen. Er war todmüde - und ich hatte das Gefühl, ich müsste vor Liebe zerplatzen. Kein Vorwurf von ihm; keine Fragen, die ich sowieso nicht hätte beantworten können - nichts, was mich belasten sollte … außer meinem eigenen schlechten Gewissen, das mir zu schaffen machte. Nach einer Weile rutschte ich ganz leise vom Bett herunter und zog dann die beige Decke aus feinster Kaschmirwolle aus unserem Kleiderschrank hervor. Der Geruch, der mir in die Nase stieg, ließ mich für einen Augenblick schwindelig werden. Wie lange hatte ich die Kuscheldecke vor dem Ohrensessel nicht mehr in den Händen gehabt? Ich schnappte hörbar nach Luft - meine ganzen Jugendjahre waren mit einem Mal allzu gegenwärtig. Diese Sonntagabende! Diese Magie! Alles lag vor mir, als wäre es gestern gewesen.

    … Ich hatte nicht bemerkt, dass David mich schon eine ganze Weile beobachtete, bevor er sein Kopfkissen zurecht rückte und gegen das Kopfteil lehnend eine Position einnahm, die ich schon liebte, bevor aus unserer Leidenschaft füreinander eine ernsthafte Beziehung wurde.

    Aufmerksames Interesse … so beschrieb er diese Haltung mir gegenüber, bevor wir uns wirklich kannten und ich es zwar aus zunächst nicht nachvollziehbaren Gründen genoss, wenn er mich so ansah, in unserer Anfangszeit aber eben nicht genau einordnen konnte, ob dieser Genuss auch berechtigt war.

    „Bist du wieder zwölf Jahre alt? Oder dreizehn oder vierzehn?", fragte David und zwinkerte mir zwar noch ein wenig verschlafen, aber dennoch vergnügt zu. Ich zog reflexartig die rechte Augenbraue hoch; eine Angewohnheit von mir, die immer dann zum Vorschein kommt, wenn ich wirklich überrascht bin.

    Es war Jahre her, dass ich meinem Mann von diesen alten Zeiten erzählt hatte. Zwar verließen die Protagonisten seit meinen frühen Jugendjahren nie mehr mein Leben - die Umstände allerdings, unter denen sie hereingetreten und unvergessliche Momente hinterlassen hatten, waren zunehmend verblasst, je länger ich mit David verheiratet war. … Und als wir uns dazu entschlossen, unser Leben gemeinsam zu verbringen, und ich von heute auf morgen bei ihm einzog, war er weniger darüber irritiert, dass ich wirklich, wie angekündigt, einen eigenen Raum für mich beanspruchte, sondern viel eher über die Tatsache, welche bislang fremden Namen von nun auch in sein Leben Einzug nahmen.

    Diese ersten Wochen, in denen wir fast schon dusselig verliebt bei einem oder auch zwei Gläsern wunderbarem Rotwein und in Begleitung der Stimmen von Nat King Cole und Co. meine Kisten mit den vielen Büchern auspackten, sind auch noch nach nahezu sechs Jahren für mich Grund genug, eine wohltuende Gänsehaut zu bekommen. Es war damals für mich eine Zeitreise in die Vergangenheit … mit einem Mann an meiner Seite, der mich zum Steinerweichen glücklich machte.

    An diesem Morgen holten wir für einen Moment die Stunden, die wir aus meinen Büchern gegenseitig vorlesend auf dem Fußboden vor dem Kamin verbracht hatten, wieder zurück.

    „Warum haben wir damit aufgehört, Kleines?", fragte David.

    Und ich zögerte nur einen winzigen Augenblick, bevor ich antwortete.

    „Irgendwann hatten wir alles durch."

    Aber wir wussten beide, dass dies nicht der Grund war … nicht der Grund sein konnte, aber auch uns hatte irgendwann der Alltag fest im Griff gehabt. Ich arbeite als freischaffende Kinderbuchillustratorin bei einem kleinen Verlag, David ist als Maschinenbauingenieur oft im Ausland unterwegs. Der Zahn der Zeit hatte an unserer Ehe genagt. Nachdem wir allerdings vor zwei Jahren eine wirklich ernste Krise überstanden hatten, waren wir uns ganz sicher, dass wir es schlimmer hätten antreffen können und blieben ein Paar.

    Als ich auf die Uhr schaute, wurde mir bewusst, dass wir uns ganz schon sputen mussten, wenn wir auf dem Geburtstag meines Vaters das Privileg der ersten Gäste haben wollten, welches es einem ermöglicht, mit der Hauptperson des Tages noch einige Zeit allein zu sein, bevor der Trubel losbricht. Aus einem unerklärlichen Impuls heraus, verstaute ich die Wolldecke in unserem Reisegepäck.

    „Wie gut, dass wir mit dem Auto fahren", spottete David verschmitzt; ich grübelte nur einen kurzen Moment darüber nach, warum ich Urgroßmutter Katharinas Erbstück ausgerechnet heute nach Jahren hervorholte und sogar zu meinen Eltern mitnahm. Im nächsten Moment war der Gedanke verflogen und mir fiel auf, dass weder Jonas noch Sander sich bisher bei mir gemeldet hatten. Bei Jonas schob ich das Versäumnis auf dessen Schusseligkeit und bei Sander - ich sendete Bettelbotschaften in den Himmel, dass es so war - auf seine nervtötende Ehefrau, die jede Gelegenheit nutzte, ihrem divenhaften Ruf auch tatsächlich gerecht zu werden.

    Ich hatte zu meinen beiden Brüdern während meiner Jugend kein besonders inniges Verhältnis; Jonas war der USA - trotz anfänglicher Katastrophen, die meiner Mutter den Schlaf raubten - treu geblieben. Wenn er uns schrieb, was äußerst selten geschah, berichtete er uns jedes Mal von einer neu entdeckten Suppenküche, die ihm das Leben gerettet hatte. Er dachte nicht daran, nach Hause zu kommen und noch viel weniger dachte er daran, unsere Eltern um finanzielle Hilfe zu bitten. „Eher sterbe ich in der Gosse", so seine Replik, wenn Mom ihn anflehte, entweder den nächsten Flieger zu nehmen oder sich in der nun leerstehenden Wohnung seiner Großeltern solange aufzuhalten, bis er sich aufgewärmt hatte. Er blieb unerbittlich und er setzte sich durch.

    Im Winter 1990 - einen Tag vor Weihnachten - stand er auf einmal vor unserer Tür und brachte das Geld zurück, das mein Vater ihm drei Jahre zuvor in die Hand gedrückt hatte. Es war nie eine Leihgabe gewesen, aber mein Bruder erinnerte meinen Dad daran, was er ihm beigebracht hatte.

    „Verträge sind einzuhalten", waren Jonas’ erste Worte, nachdem ihm meine Mutter an der Haustüre um den Hals gefallen war und mein Vater die Erleichterung, die in ihm aufstieg, mit Gewalt zu unterdrücken versuchte … was ihm mehr schlecht als recht gelang.

    „Verträge sind einzuhalten. Und wir hatten einen Vertrag, Dad. Du weißt das und ich weiß das. Mein Teil des Vertrages war, dass ich es schaffe; euer Teil war es, dass ihr mir keine Steine in den Weg legt. Wir haben beide unseren Teil des Vertrages erfüllt und nun gebe ich das Geld zurück. Ich brauche es nicht mehr und das habe ich auch euch zu verdanken."

    Mein Vater behandelte uns Kinder immer mit größtem Respekt.

    „Ihr gebt mir keinen Grund, dies nicht zu tun", war seine beständige Aussage, die es Jonas und mir unmöglich machte, dass wir in einer Art und Weise über die Stränge schlugen, die die hohe Meinung meines Vaters über uns in Frage gestellt hätte. Mein zweiter Bruder Sander war anders; er rebellierte schon sehr früh gegen meine Eltern, die ihn besonders dann maximal nervten, wenn sie ihn von der Liebe zu Büchern zu überzeugen versuchten.

    Mit meiner Geburt im Oktober 1975, acht Jahre nachdem Sander auf die Welt kam, wuchs ich schon früh praktisch als Einzelkind auf. Jonas war ein Individualist und hatte mit seinen vierzehn Jahren überhaupt keine Lust, sich mit dem Schreihals zu beschäftigen. Sander beschützte und umhegte mich; nachdem sich jedoch mit aller Deutlichkeit zeigte, wie sehr ich unserem Vater ähnelte, zog er sich vollständig zurück.

    Ich entdeckte recht schnell mein Talent für das Formen von Worten. Ich liebte schon in jüngsten Jahren diese Welt, wo die Art und Weise der Zusammensetzung von der immer gleichen Anzahl von Buchstaben das Gehirn und das Herz in seinen Bann zieht und ein ganzes Leben zu beeinflussen in der Lage ist. Ich verstand nie, warum Menschen ungern zu Büchern greifen … und der heutige Zeitgeist scheint sich immer mehr mit aller Macht gegen das geschriebene Wort in der klassischen Form aufzulehnen. Zu jener Zeit war dies noch nicht der Fall! An Hörbücher dachte damals noch niemand und aus der aktuellen Sicht vermisse ich bisweilen diese Zeiten. Es erscheint mir als unverzeihlicher freiwilliger Verzicht, den Duft der Gedanken beim Umblättern der Seiten nicht einzuatmen. Mir kommt es wie ein Verrat vor, wie eine Geringschätzung der Autoren, die monate- ja, oft jahrelang all ihre Schaffenskraft in die Ausformulierung von Worten legen, um dann von Menschen konsumiert zu werden, denen es offensichtlich zu mühsam ist, wiederum ihre Zeit zu investieren, um dieser wortgewordenen Energie den nötigen Respekt entgegen zu bringen.

    Ansichten, die dem Zeitgeist nicht entsprechen, verteidigte ich schon seit frühester Jugend. Ich stand mit meiner Meinung nur allzu oft alleine da, so dass ich mich mit den Jahren zunächst daran gewöhnte und diese später fast schon provokativ auslebte. Ich war bereits als Kind ein Charakter, der die Dinge meist mit sich selbst klärte und später eine Schülerin, die bis zum Abitur bestenfalls mittelmäßige Noten zu Hause ablieferte. Meinen Eltern war dies nie ein Dorn im Auge - ganz im Gegenteil! Und aus der Sicht einer Frau, die auf achtunddreißig Lebensjahre zurückblickt, hätte ich mir mit Genuss den einen oder anderen Fünfer mehr leisten sollen. Gebraucht habe ich den überwiegenden Teil des Unterrichtsstoffs entweder nie wieder oder ich lernte Dinge, von denen ich später erfuhr, dass sie im besseren Fall überflüssig, im schlimmeren Fall falsch oder verdreht waren.

    Es gab eine Zeit, wo ich nach Geschichtsunterricht ganz verrückt war. Dies war damals, wo ich noch nicht wusste, dass die Sieger die Geschichte schreiben, wie mein Vater die „Fakten", die mir beigebracht wurden, kommentiere. Was ich von den Menschen lernte, die die Historie selbst erlebten und somit einen willkommenen Gegenpol zum geschriebenen Wort in den Geschichtsbüchern bildeten, war unverzichtbar, allerdings enorm anstrengend und machten aus meinem Einzelgängerdasein eine Einsamkeit, die ich bisweilen kaum ertragen konnte.

    Meine Erziehung war in vielerlei Hinsicht wahrlich eine Herausforderung; in der heutigen Zeit, wo politische Korrektheit die Seelen der Menschen zunehmend vereinnahmt, wäre sie im Hinblick gesellschaftlicher Anerkennung und beruflicher Karriereaussichten nahezu tödlich, wäre das Gehirn nicht in der Lage, notwendige Purzelbäume zu schlagen.

    „Die Wahrheit ist viel zu häufig das, was daraus gemacht wird", pflegte mein Urgroßvater Leonor, Dads Großvater, zu sagen, der in dem Jahr starb, in dem ich geboren wurde. Er wurde vierundneunzig - der alte Knochen - und hat unsere Familie enorm geprägt. Aus den Erzählungen meiner Eltern war Uropa Leonor stets höchst alarmiert, wenn ihm zu Ohren kam, dass eine Meinung oder eine Ansicht zum Massenphänomen erkoren wurde. Propaganda war für meinen Urgroßvater ein rotes Tuch; er hatte diese Form der Manipulation nur allzu oft erlebt und wusste aus eigener Erfahrung, mit welcher Grausamkeit Menschenleben diesem Trick zum Opfer fielen.

    Meine Urgroßeltern väterlicherseits waren zäh wie Leder … so die Worte meines Vaters, aber sie hatten ein Herz aus Gold. Meine Urgroßmutter Katharina wurde 1882 geboren und starb, bevor meine Eltern sich kennenlernten. Opa Konrad wusste zu berichten, dass es seinem Vater das Herz brach und er einen Schmerz kennenlernen musste, den er bis dahin für unmöglich gehalten hatte.

    Mein Urgroßvater war ein Patriarch, der seine Familie über alles auf der Welt liebte. Ein Leben ohne seine Kate stürzte ihn in tiefste Verzweiflung. Sein Schicksal war es, so erzählte er meiner mit mir hochschwangeren Mutter auf dem Sterbebett, dass er noch einundzwanzig Jahre weiterleben musste. Das, was ihn aufrecht hielt, war zum einen die Liebe zu seiner Familie und zum anderen die tiefe Verneigung vor dem geschriebenen und gesprochenen Wort „seiner" Österreicher.

    „Nach liberaler Auffassung besteht die Aufgabe des Staatsapparates einzig und allein darin, die Sicherheit des Lebens und der Gesundheit, der Freiheit und des Sondereigentums gegen gewaltsame Angriffe zu gewährleisten. Alles, was darüber hinausgeht, ist von Übel. Wenn grundsätzlich der Mehrheit der Staatsangehörigen das Recht zugestanden wird, einer Minderheit die Art und Weise, wie sie leben soll, vorzuschreiben, dann ist es nicht möglich, bei dem Genusse von Alkohol, Morphium, Opium, Kokain und ähnlichen Giften Halt zu machen. Warum soll das, was für diese Gifte gilt, nicht auch von Nikotin, Coffein und ähnlichen Giften gelten? Warum soll nicht überhaupt der Staat vorschreiben, welche Speisen genossen werden dürfen, und welche, weil schädlich, gemieden werden müssen? Auch beim Sport pflegen viele mehr zu tun als ihre Kraft ihnen erlaubt. Warum soll nicht auch hier der Staat eingreifen? Die wenigsten Menschen wissen in ihrem Liebesleben Maß zu halten … Soll nicht auch hier der Staat eingreifen? Noch schädlicher als alle diese Genüsse aber, werden viele sagen, ist die Lektüre von schlechten Schriften. Soll man einer auf die niedrigsten Instinkte des Menschen spekulierenden Presse gestatten, die Seele zu verderben? Soll man die Schaustellung unzüchtiger Bilder, die Aufführung schmutziger Theaterstücke, kurz all die Verlockungen der Unsittlichkeit nicht hindern?

    Und ist nicht die Verbreitung falscher Lehren über das gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen und Völker ebenso schädlich? ... Wir sehen, sobald wir den Grundsatz der Nichteinmischung des Staatsapparates in alle Fragen der Lebenshaltung des einzelnen aufgeben, gelangen wir dazu, das Leben bis ins Kleinste zu regeln und zu beschränken.

    Die persönliche Freiheit des einzelnen wird aufgehoben, er wird zum Sklaven des Gemeinwesens, zum Knecht der Mehrheit. Man braucht sich gar nicht auszumalen, wie solche Befugnisse von böswilligen Machthabern mißbraucht werden könnten. Schon die im besten Willen erfüllte Handhabung derartiger Befugnisse müßte die Welt in einen Friedhof des Geistes verwandeln. Aller Fortschritt der Menschheit vollzog sich stets in der Weise, daß eine kleine Minderheit von den Ideen und Gebräuchen der Mehrheit abzuweichen begann, bis schließlich ihr Beispiel die anderen zur Übernahme der Neuerung bewog. Wenn man der Mehrheit das Recht gibt, der Minderheit vorzuschreiben, was sie denken, lesen und tun soll, dann unterbindet man ein für alle Mal allen Fortschritt."

    Dieser Auszug aus Ludwig von Mises’ Werk Liberalismus aus dem Jahre 1927 war einer der meistzitierten meines Urgroßvaters und etwas, wonach er konsequent lebte. Im gleichen Jahr wie Ludwig von Mises geboren, fühlte er sich mit diesem großen Geist auf erstaunliche Art fest verbunden und ab den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts verschlang er die Bücher von Mises, die während seiner Studienzeit von der Masse vollständig ignoriert wurden. Genauso wie heute … dachte ich bei mir, während ich unter der Dusche stand und mir das warme Wasser den Körper hinunterlief. Genauso wie heute!

    „Sophia, wenn du noch länger brauchst, ist die Feier vorbei und Paul wird ziemlich stinkig sein", rief David mir aus dem Schlafzimmer zu und riss mich aus meinen Gedanken. Herrgott noch einmal, jetzt reiß dich endlich zusammen … ermahnte ich mich selbst und wusch mir das Shampoo aus den Haaren.

    „Ich bin gleich fertig", flötete ich zurück und fragte mich im nächsten Moment, was heute wohl gleich bedeuten könnte. Ich stieg aus der Dusche und nachdem ich ein ultraflottes Schönheitsprogramm hinter mich gebracht hatte, öffnete David die Badezimmertür.

    „Nicht, dass du wieder in die Vergangenheit verschwindest."

    Ich sah ihn an und es war mir für einen winzig kleinen Moment, als stünde Opa Konrad vor mir. War es der Tonfall oder war es der Blick, der mich so erinnerte? Es wunderte mich an diesem Tag nicht, dass ich mich auf dem Schoß meines Großvaters wiederfand und er mich tröstete, wenn ich so gar kein Verständnis bei meinen Eltern fand. Opas und Omas sind dafür da, Trost zu spenden, vor allem, wenn die eigenen Eltern wie fremde Menschen sind. Dein Vater ist auch immer zu deinem Urgroßvater gelaufen, wenn er der Meinung war, dass meine Ansichten rundweg Nonsens waren.

    Ich kann mich - solange ich denken kann - an Opa Konrad nur mit seiner Pfeife im Mund erinnern. Als Kind war ich sicher, dass er mit ihr sogar schlafen ging … nie sah ich ihn ohne. Immer lag dieser Duft von Vanille in der Luft und glücklicherweise musste ich nach Opa Konrads Tod nicht ohne den vertrauten Geruch leben - mein Vater hatte diese Form des Genusses vergnüglichst übernommen.

    David ist deutlich älter als ich und hat so viel mehr Lebenserfahrung.

    Es ist diese Mischung aus Souveränität und weiser Leichtigkeit, die unser Leben - so wie wir es führen - möglich macht. Nur die wenigsten Dinge bringen ihn aus der Ruhe und manchmal frage ich mich, ob ich meinen Vater in meinem Mann wiedergefunden habe. In einer gewissen Weise mag dies tatsächlich so sein. Schon in meiner Jugend bewunderte ich diese wissende Unaufgeregtheit. Obwohl mein Dad immer in Bewegung war, rastlos und auf der Suche nach Inspirierendem, strahlte er eine innere Ruhe aus, die ich zutiefst schätzte, mein Bruder Sander ebenso tief verachtete.

    „Haben sich Jonas und Sander gemeldet, Sophia?", fragte David, während wir auf der Fahrt zu meinen Eltern waren.

    Ich schüttelte den Kopf.

    „Nein. Und ich ahne, warum und das gefällt mir gar nicht. Jonas ist nicht das Problem. Er ist, wie er ist. Wahrscheinlich haben er und Greg ihren Flug verpasst … oder so etwas ähnliches. Ich lächelte in mich hinein. „Vielleicht hat er im letzten Moment auch DIE neue Champagnersorte entdeckt. … Wegen Sander mache ich mir aber richtig Sorgen.

    Ich hielt einen Augenblick inne und dachte an die vielen Streitereien in unserer Familie, die beängstigend wurden, wenn mein Vater und Sander über die Freiheit und die Verantwortung debattierten. Es war zeitweise ein Tollhaus und es gab viele Momente, wo ich befürchtete, dass die Situation vollständig eskalieren würde - bis meine Befürchtung dann vor nicht allzu langer Zeit tatsächlich real wurde.

    Sander ist ein Bild von einem Mann. Mit knapp siebzehn arbeitete er als Fotomodell für einen Sportartikelhersteller; eine Erlaubnis, die er unserer Mutter unter Aufbietung jeglicher Überredungskünste abgetrotzt hatte. Wenn er den Raum betritt, bleibt den Anwesenden auch heute noch der Mund offen stehen, egal ob männlich oder weiblich.

    Er wusste viel zu früh, wie er dieses Geschenk der Natur zu seinem Vorteil nutzen konnte, was er auch umgehend umsetzte. Er war schon als Teenager überheblich - ein selbstgefälliger Angeber, der jeden wissen ließ, dass er sich alles erlauben konnte und der nach dem Abitur Jura studierte, um anderen klar zu machen, wo der Hase langläuft. Sander hat von beiden Seiten der Familie alles mitbekommen, was ihn erfolgreich werden ließ … von meinen Großeltern mütterlicherseits das fabelhafte Aussehen, von meinen Großeltern väterlicherseits die schnelle Auffassungsgabe intellektueller Zusammenhänge. Die Mischung war fatal. Er wurde ein Kotzbrocken, selbstgerecht und anmaßend. Grandma Gracie fand ihn großartig!

    „Meinst du nicht, dass er sich heute zusammenreißen wird? Wer weiß, wie lange dein Vater noch lebt, sinnierte David, der meine Gedanken offensichtlich lesen konnte. „Nein, das wird er wohl nicht, das hat er noch nie getan, egal, was es für Gründe gab, beantwortete er sich seine Frage jedoch selbst.

    In den Jahren der magischen Sonntage waren dies die wenigen Stunden, in denen Sander vor allem unseren Vater - aus mir bis heute unerklärlichen Gründen - von Vorwürfen freihielt und wir beinahe so etwas wie eine normale Familie waren. Jonas lebte da schon in den USA und bekam von den Auseinandersetzungen, die nach seinem dortigen Verbleib so richtig an Schärfe zunahmen, fast nichts mit. Er kämpfte in New York um sein Leben. Die für ihn undenkbare Vorstellung, zugeben zu müssen, es nicht geschafft zu haben, trieb ihn wie einen Motor an.

    Jonas hast du bereits vertrieben, war einer der Anklagen, die Sander gegen unseren Vater ins Feld führte. Worte, die Dad bis ins Mark trafen und meiner Mutter bittere Tränen in die Augen trieb. Beide wussten, dass Sander an seinem Bruder nichts lag und dass dieser Vorwurf ausschließlich dazu gedacht war, sie zu verletzen. Und obwohl sie dies wussten, wirkten die Worte meines „mittleren" Bruders und hinterließen schmerzende Herzen.

    Sander ist unserem Vater gegenüber unerbittlich, ja gnadenlos, geblieben. Dass er überhaupt die Einladung unserer Eltern bisher nicht wenigstens zynisch kommentiert, sondern sich stattdessen lediglich in demonstratives Schweigen gehüllt hatte, grenzte an ein Wunder. Ich hoffte allerdings von Herzen, dass es tatsächlich nur ein Wunder war und nicht nur die Ruhe vor dem Sturm; ausschließlich dazu gedacht, Dad früher als nötig ins Jenseits zu befördern.

    Mein Vater unterstützte Sander bis vor wenigen Jahren immer noch finanziell. Nach einer vermurksten Fotomodell„karriere", die seiner mangelhaften Disziplin zum Opfer fiel, über ein mit Ach-und-Krach zusammengezimmertes Jurastudium, bei dem er aufgrund seiner mangelhaften Disziplin ebenso Schiffbruch erlitt … bis zu einer Laufbahn beim Finanzamt - einer Stelle, die er nur angenommen hatte, um meinen Vater bis aufs Blut zu reizen und wo er schon auf unterster Karrierestufe steckenblieb - ist Sander das, was man als gescheitert bezeichnen kann. Ist er doch nach wie vor der festen Überzeugung, dass gutes Aussehen und ein grundsätzlich wacher Geist ausreichend seien, um uneingeschränkte Anerkennung, Bewunderung und Folgschaft zu beanspruchen. Er war seit jeher ein Mensch, der zuverlässig mehr Geld ausgab als er zur Verfügung hatte. „Sparen ist was für Spießer und Langweiler!", war einer der Aussagen, womit Sander unseren Vater zur Weißglut brachte - vor allem dann, wenn er mal wieder pleite war und allerlei Ausreden vorbrachte, warum es DIESMAL anders sei.

    Sander war seit jeher ein Verfechter der sozialen Gerechtigkeit und schloss sich schon früh Organisationen an, die gegen DEN! Kapitalismus und für die Umverteilung des Reichtums auf der Welt eintraten. Mit dreizehn begann Sander, T-Shirts mit dem Konterfei von Ernesto „Ché" Guevara zu tragen, dem Anführer der kubanischen Revolution und ließ - wenn er es besonders auf Streit abgesehen hatte - das rote Buch von Mao Tsê-tung auf dem Wohnzimmertisch offen liegen.

    Zu Beginn hielt mein Vater das alles für eine Form des jugendlichen Aufstands gegen Eltern, die dem Liberalismus Respekt zollen und ihn leben. Es stellte sich allerdings heraus, dass dem keineswegs so war. Sander war von seinen Ansichten überzeugt und konnte diese schon bald erstaunlich gut und vor allem laut „argumentieren". Unser Dad bestärkte ihn darin, dass er grundsätzlich zu seinen Überzeugungen stehen solle, stellte allerdings unmissverständlich klar, dass Sander sich auf dem Holzweg befand.

    „Ein Holzweg, mein Junge, der Millionen von Menschen das Leben gekostet hat und dies noch immer tut", höre ich ihn noch heute, wenn er hilflos feststellen musste, dass es kein Argument gab, mit dem er Sander von dessen Meinung abbringen konnte.

    Die Auseinandersetzungen waren bitter, sie hinterließen immer einen üblen Nachgeschmack. Irgendwann war es nicht mehr so, dass sie geführt wurden, um einen erträglichen Nenner zu finden … irgendwann wurden sie nur noch geführt, um einen „Sieger" hervorzubringen - was natürlich kläglich misslang.

    Außer am Sonntag … immer am Sonntag! Da war diese Magie, diese besondere Stimmung, in der Streit keinen Platz hatte und ich mit meinen Eltern, vor allem mit meinem Vater, viel Zeit verbrachte. Zeit, in der wir ungestört waren … wie auf einer einsamen Insel. Es war immer das gleiche Ritual … meine Mutter nahm sich ein Glas „von dem guten Roten", und schwang für viele Stunden mit atemberaubender Geschwindigkeit die Stricknadeln. Ich habe heute noch Pullover und Strickjacken in meinem Schrank, die aus dieser Zeit stammen und unverändert wunderschön sind. Leider musste meine Mutter vor einigen Jahren mit der Strickerei aufhören.

    „Meine Gelenke machen so langsam nicht mehr mit", war der Satz, mit dem sie dieses kreative Kapitel ihres Lebens beendete.

    Ich folgte an den meisten dieser Sonntagabende meinem Vater in das Zimmer der großen Geister. Dad forderte dies nie von mir ein - ganz im Gegenteil. Als ich zum ersten Mal bewusst wahrnahm, dass er sich stets nahezu zur gleichen Zeit mit einer Pfeife und einer Tasse frisch zubereiteten Pfefferminztees in das Dachgeschoss zurückzog, war ich gerade zwölf Jahre alt geworden. Ich wusste zwar, dass mein Dad dort oben seine Bibliothek, die er zu großen Teilen von seinem Großvater geerbt und seitdem beständig ausgebaut hatte, wie einen Augapfel hütete. Dass aber eine solche Regelmäßigkeit seiner Besuche zur Normalität geworden war, war mir in den ersten Wochen entgangen.

    „Was, wenn doch Carolina für das versäumte Telefonat verantwortlich ist? Wahrscheinlich hat sie wieder irgendeine ihrer „Ping-Pong-Ladies" aufgehalten oder sie ist einfach unpässlich."

    Ich musste von Herzen lachen, als David den ewig moralinsauren Gesichtsausdruck von Carolina parodierte und mich damit erneut aus meinen Gedanken riss. Sander hatte Carolina geheiratet, weil ihr Vater Inhaber einer sehr erfolgreichen Steuerberatungs- und Rechtsanwaltskanzlei war. Er ging davon aus, dass er über diesen Weg an den großen Schotter kam, obwohl er weder von Steuern noch von Jura fundiertes Wissen hatte und auch keinesfalls gewillt war, seine Kenntnisse aufzubessern. Als Carolina und ihrem Vater dies auffiel, war es allerdings schon zu spät … das feierliche Ehegelöbnis war bereits gesprochen.

    Seitdem war die gute Carolina - nachdem die Erkenntnis über ihren stinkfaulen Ehemann nicht mehr zu vertuschen war - entweder auf dem Tennisplatz bei ihren Ping-Pong-Ladies oder sie war eben unpässlich. Im Ergebnis war es ohne Belang. Entweder sie war außer Haus oder aber so übellaunig, dass mein Bruder wünschte, sie wäre es.

    Die Beziehung der beiden war die realisierte Hölle, eine absolute Farce und wir alle wussten, warum Carolina sich nicht scheiden ließ. Warum David es nicht tat, lag auf der Hand. Dass sie es nicht tat, lag an ihrem gutaussehenden Ehemann!

    „Ich hoffe, du hast recht", antwortete ich David, spürte allerdings instinktiv, dass Sander es nicht über das Herz bringen würde, einfach mal für einen gemeinsamen Tag in dem jahrzehntelang andauernden Kampf einen Waffenstillstand zu erdulden.

    Meine Eltern hatten lange überlegt, ob sie die beiden einladen sollten. Mein Vater hätte wohl liebend gern darauf verzichtet, meiner Mutter zuliebe ließ er sich erweichen … hatte sie an ihren jüngeren Sohn noch eine Menge Fragen, deren Antworten sie unbedingt hören wollte. Ich fragte mich allerdings, ob sie dies gut durchdacht hatte. Das Pulverfass, das sich meine Eltern ins Haus holten und dass bei der erstbesten Gelegenheit nur allzu gern zu explodieren bereit war, bereitete mir üble Bauchschmerzen.

    Ich konnte Carolina von Anfang an nicht ausstehen. Als Sander das erste Mal mit ihr bei uns zu Hause auftauchte, war ich für einige Sekunden vollkommen sprachlos. Sander, der „Traummann und eine solche Frau? Carolina war überhaupt nicht sein Typ; er hatte bisher immer nur bildhübsche Frauen an seiner Seite zugelassen - waren diese „Beziehungen auch stets nur sehr kurzfristiger Natur. Carolina jedoch wirkte altbacken, langweilig, verbissen und humorlos - „sie hat die Ausstrahlung einer verschrumpelten Kartoffel", so Jonas’ Mitteilung während unseres Besuch bei ihm.

    Ich wunderte mich zu Beginn darüber, dass Sander - ganz entgegen seiner bisherigen „Vorgehensweise" - eine solche Wahl zu treffen bereit war und gab mich für einen kurzen Moment der Hoffnung hin, dass er von seiner Oberflächlichkeit ablassen und eine Partnerin wählen würde, die

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