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Die Tote im See: Kommissar Attila ermittelt
Die Tote im See: Kommissar Attila ermittelt
Die Tote im See: Kommissar Attila ermittelt
Ebook263 pages15 hours

Die Tote im See: Kommissar Attila ermittelt

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About this ebook

Im Thermalsee des ungarischen Kurortes Héviz treibt die Leiche einer deutschen Frau. Der Kurarzt bescheinigt eine natürliche Todesursache.
Erst als Helene Öchsner, eine rüstige Rentnerin aus Unterfranken auf einer Ungarnreise auf eine weitere Leiche stößt, schaltet sich Kommissar Attila Benkö ein und kommt gemeinsam mit Helene Öchsner einer Familientragödie auf die Spur, die weit in die Vergangenheit reicht.
LanguageDeutsch
Release dateMar 4, 2015
ISBN9783848298983
Die Tote im See: Kommissar Attila ermittelt
Author

Monika Martin

Monika Martin ist Sozialpädagogin und führt seit 1996 für das Institut für Regionalgeschichte, Geschichte für Alle e.V., historische Stadtrundgänge in Nürnberg durch. Schleuse 72 ist der sechste Krimi aus der Reihe Krimis mit Geschichte, in der die Autorin ihre literarische Tätigkeit mit ihrem regionalgeschichtlichen Engagement zu einem Kriminalroman mit Fakten aus der Stadtgeschichte Nürnbergs verbindet. Im November 2018 wurde ihr der Elisabeth-Engelhardt-Literaturpreis verliehen. Monika Martin lebt mit ihrer Familie in Schwanstetten bei Nürnberg.

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    Book preview

    Die Tote im See - Monika Martin

    Drink!"

    1

    Es wurde ruhiger und der große Ansturm auf den Thermalsee legte sich langsam. An so schönen Tagen wie diesem trieben die Menschen Schulter an Schulter in ihren dicken schwarzen Schwimmreifen im lauen Heilwasser.

    Die wenigen Seerosen, die sich gegen die menschliche Übermacht behaupten konnten, tauchten erst gegen Abend wieder auf und breiteten sich dann genüsslich an der Wasseroberfläche aus.

    Klara Bauerschmidt vermied es stets, im größten Gedränge zu baden, da sie nicht schwimmen konnte und somit großen Respekt vor dem Wasser hatte. An sauberes, gechlortes Schwimmbadwasser, in dem man bis auf den Grund sehen konnte, hatte sie sich einigermaßen gewöhnt, aber diese – Heilwasser hin, Heilwasser her – dreckige Brühe in dem Thermalsee war da schon etwas anderes. Nach jedem Bad musste sie ihren Badeanzug waschen. Selbst eine Waschmaschine hatte Mühe, die braunen, schlammigen Flecken zu entfernen, die jedes Bad in diesem so gesunden Wasser hinterließen.

    „Was tut man nicht alles für die Gesundheit?" dachte Klara. Seit einigen Jahren litt sie an Rheuma und Gelenkschmerzen, hatte sich aber bisher nie die Zeit für einen längst überfälligen Kuraufenthalt genommen. Die aufregenden Ereignisse der letzten Tage und Wochen, die ihr gesamtes Leben auf den Kopf stellen könnten und, wenn sie ehrlich zu sich selbst war, auch sollten, hatten sie nach all den Jahren wieder einmal nach Héviz geführt.

    Sie nutzte die Gelegenheit, neben ihren aufwühlenden Besuchen und Gesprächen auch das Heilwasser in Anspruch zu nehmen. Vielleicht bildete sie es sich nur ein, aber sie hatte das Gefühl, dass sich ihre Beschwerden schon deutlich gebessert hatten.

    So machte sie sich auch an diesem Tag wieder auf den Weg zu ihrer Umkleidekabine. Durch die kürzliche Modernisierung der gesamten Anlage hatte die Einrichtung zwar etwas von ihrem ursprünglichen Charme verloren, an Hygiene allerdings deutlich dazu gewonnen, was Klara sehr entgegenkam.

    Sie schritt über die hölzernen Stege, die sich über den gesamten See zogen und die verschiedenen Kabinentrakte mit einzelnen Tauchbecken und Ein- und Ausgängen verbanden. Sie nickte der Bademeisterin zu, die sie zwar jeden Tag sah, deren Namen sie aber nicht kannte.

    Wie alle Bademeisterinnen hier in Héviz brachte auch diese viel zu viele Kilo auf die Waage und war, wie alle anderen auch, in eine viel zu enge weiße Kittelschürze gepresst. Die ebenfalls weißen Clogs mit den kleinen Löchern, aus denen die Füße zu quellen schienen, konnten einem nur leid tun. Freundlichkeit, Service und Zuvorkommenheit kannten die Angestellten hier leider nicht und Klara war froh um jedes Anliegen, das sie nicht an das Personal richten musste.

    Klara hatte sich zu Beginn ihres Kuraufenthaltes eine Kabine gemietet - die mit der Nummer 16, denn sie hatte am 16. Februar Geburtstag, der sich in diesem Jahr schon zum 50. Mal jährte. In der Kabine bewahrte sie ihren dicken schwarzen Schwimmreifen auf, den sie für ihr Bad benötigte. Da man sich in dem Wasser möglichst wenig bewegen sollte, wurden Schwimmhilfen verschiedenster Größe und Farbe angeboten. Kurgäste mit schwarzen Reifen unter dem Arm waren somit ein gewohntes Bild in den Straßen des kleinen ungarischen Ortes Héviz.

    Als Klara ihre Kabinentür öffnen wollte, merkte sie, dass diese nur angelehnt war.

    „Komisch, murmelte sie vor sich hin, „ich sperre doch die Türe immer sorgfältig ab, wenn ich gehe. Vielleicht belasteten sie die Vorkommnisse der vergangenen Tage doch mehr, als sie wahrhaben wollte und hatte deshalb vergessen die Türe abzusperren.

    Sie betrat die Kabine, schloss hinter sich zu und begann sich umzuziehen. Im Gegensatz zum Leibesumfang der Bademeisterinnen trug Klara Kleidergröße 36, worum sie nicht nur ihre Altersgenossinnen oft beneideten. Der Grund für ihre schlanke Figur war allerdings alles andere als beneidenswert: Sie hatte immer häufiger depressive Schübe und damit selten Appetit. Sie aß zu unregelmäßig, ungesund, einseitig und einfach zu wenig. Sie neigte deshalb zu niedrigem Blutdruck und musste jederzeit mit einem Zustand der Unterzuckerung rechnen. Es wurde ihr dann von der einen auf die andere Sekunde schwindelig und schwarz vor Augen. Erst wenn sie schnell etwas aß, im Idealfall Traubenzucker, einen Keks, einen Schokoriegel oder etwas ähnliches, ließ der Schwindel nach und Klara war wieder bei sich.

    Sie hatte es sich angewöhnt, immer einige solcher Süßigkeiten bei sich zu haben und auch vor dem Bad im Thermalsee vorsichtshalber etwas zu naschen, um einer möglichen Unterzuckerung vorzubeugen. Wie bei jedem Aufenthalt in Ungarn hatte sie sich auch diesmal mit ausreichend ungarischen Mandelkeksen eingedeckt und gleich drei Packungen davon in ihrer Kabine deponiert.

    Sie nahm sich drei Kekse aus der Schachtel, steckte sie sich genüsslich in den Mund und schlüpfte in ihren Badeanzug. Sie packte ihren Schwimmreifen und ihre Badeschuhe, sperrte die Kabine wieder ab und band sich den Schlüssel um das dünne Handgelenk.

    Auf ihrem Weg zum Wasser begegneten ihr nur noch ganz wenig Leute und die waren unterwegs zu ihren Kabinen. Klara erreichte die Treppe, die sie in das brackige Wasser führte. Sie zog ihre Schuhe aus, legte den Reifen auf den Boden, stieg hinein, hob ihn hoch und stieg langsam die Stufen hinab. Im Wasser schwammen zwar keine Menschen mehr, dafür umspülten große Klumpen Moos, Schlamm und Pflanzenreste ihre Beine. Auch heute kostete es sie Überwindung, aber sie biss die Zähne zusammen und ließ sich ins heilende Nass gleiten.

    Es war schon immer ein seltsames Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren und mit den Beinen ins Nichts zu strampeln. Sie gewöhnte sich aber schnell wieder an die Schwerelosigkeit, lehnte den Kopf an die warme Gummiwand des Reifens und ließ sich treiben.

    Von hier unten wirkte der See noch größer und die hölzernen Aufbauten noch mächtiger.

    Klara schloss die Augen, spürte, wie das warme Wasser ihren Körper umspülte und ließ ihren Gedanken freien Lauf.

    Sie dachte an ihre Freundin Helene, die schon öfter mit ihrem Mann eine Woche Kurlaub hier verbracht und ihr immer begeistert davon erzählt hatte. Sie hatte ihr schon oft dazu geraten, auch mal an sich selbst und die eigene Gesundheit zu denken, nicht nur an den Job, in dem es einem sowieso niemand dankt, wenn man sich selbstlos aufopfert.

    Klara arbeitete als Chefsekretärin in einer großen Firma im unterfränkischen Schweinfurt und verwirklichte sich völlig in ihrer Arbeit. Es gab für sie auch nichts anderes als ihre Arbeit. Sie dachte früher oft daran, wie es wäre, auch eine glückliche Familie zu haben, wie Helene. Doch noch zu heiraten? Kinder zu haben?

    Doch nichts davon wurde wahr. Sie heiratete nicht, hatte keine Familie und arbeitete immer mehr und noch mehr. Sie merkte langsam, dass sie in die Jahre kam, dass jüngere, belastbarere Frauen auf ihren Arbeitsplatz drängten und sie sich noch mehr anstrengen musste, um sich zu behaupten. Durch diese extreme Belastung kam es immer häufiger zu Depressionen, das Rheuma verstärkte sich, und im Lauf der Jahre kam noch ein anderes Problem hinzu, das sich leider nicht mit Heilwasser behandeln ließ: der Alkohol. Es war manchmal so einfach, so schnell und wirksam.

    Klara schüttelte sich, um die düsteren Gedanken aus ihrem Kopf zu bekommen und setzte ihren einsamen Weg durch den See fort. Bald trieb sie in der Mitte des Sees, als sie auf einem Steg eine Bademeisterin stehen und winken sah. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie wohl schon länger in Gedanken versunken war als üblich und das Bad bereits geschlossen war. Entgegen aller medizinischer Hinweise begann sie nun kräftiger zu paddeln und die Arme hinzuzunehmen. Die Bademeisterin auf dem Steg war noch da und rief ihr etwas zu, was sie aber nicht verstand. Klara schwamm noch schneller und spürte ganz langsam Panik in sich aufsteigen. Wenn das Bad nun geschlossen wird und sie nicht mehr über die Treppe den Kabinentrakt erreichte, wenn sie die Nacht im Wasser verbringen musste, oder auf irgendeiner Liege auf der Wiese, doch wie käme sie dorthin?

    Plötzlich spürte sie, wie ihre Arme allmählich müde wurden und sie nicht mehr damit rudern konnte. Die Beine versagten ihren Dienst und das Atmen fiel ihr zunehmend schwer. Der Steg verschwamm vor ihren Augen. Klara röchelte, schnappte nach Luft, wollte um Hilfe rufen oder winken, aber ihr Körper reagierte nicht mehr. Die weiße Gestalt auf dem Steg wirkte plötzlich so klein und dünn und fremd und war dann ganz verschwunden.

    Klara trieb leblos in ihrem Schwimmreifen auf dem Wasser.

    2

    Alles war fertig, bereit für den großen Sturm, den Taifun, wie es ihr ältester Sohn Christian oft bezeichnete, wenn er mit seiner Frau zu Besuch kam und die drei Söhne durch das Haus fegten.

    Helene Öchsner hatte alle drei Kinder, Schwiegerkinder und fünf Enkelkinder zum Mittagessen geladen, um den gemeinsamen Urlaub nachzufeiern. Vor drei Monaten hatten sie anlässlich Helenes 60. Geburtstages 14 Tage Urlaub in einer modernen Ferienanlage in einem Ort namens Rezi, in der Nähe des berühmten Kurortes Héviz am Plattensee in Ungarn verbracht. Sie wohnten in zwei wunderschönen Ferienhäusern, gingen schwimmen, machten Ausflüge und genossen die Zeit miteinander.

    Helene hatte eine besondere Beziehung zu Ungarn, da sie dort geboren wurde und nach dem Krieg mit ihrer gesamten Verwandtschaft vertrieben und in Unterfranken angesiedelt wurde.

    Seither hatte Helene mit ihrem Mann Hartmut und den drei Kindern des Öfteren ihren Urlaub in Ungarn verbracht, um die einzige dort verbliebene Verwandte zu besuchen: Helenes Tante Terese, die in einem Kloster lebte und deshalb das Land nicht verlassen musste. Auch nach dem Tod der Tante haben Helene und Hartmut regelmäßig Reisen nach Ungarn unternommen, meist Kuraufenthalte in einem der vielen Thermalbäder. Bei diesen Gelegenheiten besuchten sie auch oft noch das Kloster und einige der Schwestern, die Helenes Tante Terese gekannt hatten. Eine der Schwestern, Schwester Johanna, mit der Helene seit vielen Jahren regelmäßigen Briefkontakt pflegte, kam sogar vergangenen Mai in die Ferienanlage nach Rezi und lernte Helenes ganze Familie kennen.

    Heute an diesem Sonntag im August sollten nun die Fotos angeschaut und in Erinnerungen geschwelgt werden. Seit dem frühen Morgen war Helene schon auf den Beinen.

    Sie hat Klöße geformt, Rouladen gerollt, Blaukraut gekocht und auch an die extra Portion Soße gedacht. Das Tiramisu, das es zum Nachtisch geben sollte, hatte Helene bereits gestern vorbereitet. Gemeinsam mit ihrem Mann haben sie die beiden Zusatzplatten in den großen Wohnzimmertisch eingelegt und diesen anschließend mit weißen Tischdecken bedeckt. Wie immer bei solchen Anlässen wählte Helene das gute Service, das man leider mit der Hand spülen musste und das Silberbesteck, das ebenfalls keine Spülmaschine vertrug. Es wurden Stühle herbeigeschafft, Schüsseln, Vorlegebesteck und Gläser bereitgestellt, Getränke aus dem Keller geholt und eine Flasche Wein entkorkt.

    Jetzt war alles fertig, alles bereit, bis auf... die Wickelunterlage und die Windeln für das jüngste Enkelkind.

    Helene liebte diese Tage – andererseits graute es ihr immer sehr davor. Die viele Arbeit, Vorbereitungen, Aufräumen,... Sie wollte es immer allen recht machen – besonders natürlich den Schwiegerkindern, und hatte ständig den Druck, ob denn auch alles klappt, ob das Essen reicht, ob es allen schmeckt und alle zufrieden sind, was ja bisher auch immer der Fall war.

    Noch ein letzter Blick auf die Festtafel und in die Küche – alles war bereit!

    Da klingelte es. „Hartmut! Kannst du bitte die Tür öffnen, sie kommen!, rief Helene aus der Küche, doch Hartmut ging nicht zur Tür, sondern ans Telefon: „Ja... , ist gut...,was? Das gibt`s doch nicht..., kann man nichts machen ..., bis dann, tschüß!

    „Was ist denn los?, fragte Helene besorgt. „Die Nürnberger stehen im Stau. Bei Geiselwind steht ein brennender Laster und die Autobahn ist gesperrt. Sie fahren jetzt über die Landstraße. Es wird wohl noch eine gute Stunde dauern, erklärte Hartmut. Mit den Nürnbergern war die Tochter Regina mit ihrem Mann Markus und den beiden Töchtern Jule und Emma gemeint, die in der Nähe von Nürnberg wohnten. Als Regina mit 20 Jahren beschloss, ihr Glück in der Großstadt Nürnberg zu suchen, war das ein harter Schlag für die Eltern – vor allem für Helene! Ihr kleines Mädchen in der großen Stadt...! Mittlerweile war aus dem kleinen Mädchen eine zweifache Mutter geworden, die mit ihrer Familie glücklich im eigenen Haus lebte.

    „Diese Autobahn ist doch immer überlastet", meinte Helene und wünschte sich nicht zum ersten Mal, dass ihre Tochter doch etwas näher an Helmstadt wohnen sollte.

    Da klingelte es wieder – diesmal wirklich an der Tür. Hartmut öffnete seinem jüngsten Sohn Stefan und dessen Frau Christina. Stefan war der einzige der drei Geschwister, der in Helmstadt geblieben war und auch nicht vorhatte, wegzuziehen. Die beiden hatten erst vor kurzem geheiratet und keine eigenen Kinder. Dafür waren aber beide bei ihren Neffen und Nichten sehr hoch angesehen.

    „Opa!", schallte es durch das Treppenhaus: die Waldbüttelbrünner waren da! Jannik, mit seinen sieben Jahren der älteste Enkel von Hartmut und Helene, stürmte auf seinen Opa zu und fiel ihm in die Arme. Dicht hinter ihm folgte sein 5-jähriger Bruder Maximilian, der den kleinen Tom an der Hand hielt. Tom, der kurz nach Weihnachten zwei Jahre alt wurde, lief gleich plappernd zu Oma in die Küche, während Anne, die Mutter der drei Jungs, schwer bepackt ins Esszimmer kam. Sie begrüßte ihre Schwiegereltern, verteilte Hausschuhe an die Kinder, packte leere Marmeladengläser und Plastikschüsseln aus, verstaute alle Jacken an der Garderobe und ließ sich erschöpft auf einen Sessel im Wohnzimmer fallen.

    „Christian kommt mit seinem neuen Rennrad, das habt ihr euch sicher schon gedacht, erklärte sie die Abwesenheit ihres Mannes. „Wo sind denn die Nürnberger? Hartmut setzte sich zu ihr. „Im Stau! Es kann noch etwas dauern, sagte er, doch damit war das Gespräch auch schon beendet, denn alle drei Enkelsöhne zogen ihn am Arm aus dem Sessel. „Spielst du mit uns Fußball? Der Stefan spielt auch mit! Anne, Hartmut und Helene einigten sich darauf, mit dem Essen noch zu warten, bis auch der Rest der Familie eingetroffen ist. Somit stand einem ausgiebigen Fußballspiel nichts mehr im Wege. Die Männer zogen sich in den Garten zurück, während die Frauen das Haus hüteten.

    Anne setzte sich im Esszimmer auf den Ofen – ein seit Jahrzehnten sehr beliebtes Plätzchen – und ließ den Blick über die aktuellen Postkarten schweifen, die Helene immer auf dem Brett über dem Ofen ablegte.

    „Oh, eine Karte aus Ungarn! Wer schreibt dir denn aus Héviz?", fragte sie.

    Helene öffnete die Schiebetüre zur Küche und schaltete den Dunstabzug aus.

    „Die Karte ist von meiner Freundin Klara, die dieses Jahr zum ersten Mal in Héviz zur Kur ist." Anne kannte Klara nur flüchtig und steckte die Karte wieder zurück in den Stapel.

    Bei einem Blick aus dem Fenster sah sie einen gelben Blitz vorbei rasen – ihr Mann Christian war auf seinem Rennrad angekommen und Anne sprang vom Ofen, um ihn hereinzulassen.

    Fahrradfahren war Christians Leidenschaft und er versuchte, wann immer es möglich war, diese Leidenschaft mit den Verpflichtungen der Familie und des Berufes in Einklang zu bringen. Dies war nur mit Unterstützung seiner Frau möglich, wofür er ihr sehr dankbar war. Mit Christians Eintreffen fuhr auch endlich der schwarze Opel aus Nürnberg auf den Parkplatz, aus dem zwei kleine blonde Mädchen hüpften. Jule, die vor Kurzem 4 Jahre alt wurde, stürmte in den Garten zu ihrem Opa und den Cousins, während ihr die kleine 2- jährige Emma dicht auf den Fersen blieb.

    Jetzt waren alle da und nach einer weiteren halben Stunde saßen sie erwartungsvoll um den großen Tisch.

    „Helene, rief Anne in Richtung Küche, „es fehlt noch ein Gedeck und ein Stuhl! Doch Hartmut winkte ab.

    „Du weißt doch, dass sie bei solchen Anlässen nicht die Ruhe hat, sich zu uns zu setzen. Sie isst wahrscheinlich in der Küche eine Kleinigkeit und kommt dann zum Nachtisch."

    Es war ein fröhliches Essen, alle langten kräftig zu, so wie es sich Helene wünschte. Der Nachtisch schmeckte, wie alles andere auch, köstlich und Christina nahm sich gerne noch eine dritte Portion. Regina, Anne und Christina spülten das gute Geschirr, während Helene bereits das noch kostbarere Kaffeeservice auspackte. Aus gegebenem Anlass deckte sie den Tisch mit original Páhok - Porzellan aus Ungarn, das sie leidenschaftlich gern sammelte und bei geeigneten Gelegenheiten ausgesuchten Gästen präsentierte. Jeden Ungarnaufenthalt versuchte sie, wenn möglich, mit einem Besuch der Páhok Porzellanmanufaktur zu verbinden, um ihre Sammlung um die eine oder andere Kostbarkeit zu erweitern.

    Heute war so eine Gelegenheit und Helene platzierte stolz und liebevoll die filigranen Tässchen auf den feinen Untertassen, stellte die Zuckerdose dazu und füllte Milch in das Kännchen.

    Nach einem kleinen Spaziergang für die einen, einem kurzen Nickerchen für die anderen und einem weiteren Fußballspiel für die Jüngsten, bat Helene zum Kaffee. Da sie den Kindern ihren Kuchen im Esszimmer servierte, konnten die Erwachsenen in Ruhe im Wohnzimmer sitzen und das eine oder andere ungestörte Gespräch führen.

    Anschließend war es Zeit für die Multi - Media - Show, die Christian mit seiner Frau und seinen Söhnen vorbereitet hatte. Die begeisterten Zuschauer sahen über 100 Fotos, die zum Teil mit Musik, zum Teil mit Kommentaren der Jungs unterlegt waren und von einem Video - Beamer über den Computer an die Leinwand projiziert wurden.

    Als die Präsentation zu Ende und der Applaus des begeisterten Publikums verklungen war, stand Christian auf und wandte sich an seine Mutter:

    „Liebe Mama! Du hast uns mit dieser Reise eine sehr große Freude gemacht und als Dank dafür wollen wir dir noch ein kleines Geschenk überreichen. Wir alle schenken dir - anschließend

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