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Wacholderstunden: Streifzüge auf der Schwäbischen Alb
Wacholderstunden: Streifzüge auf der Schwäbischen Alb
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Wacholderstunden: Streifzüge auf der Schwäbischen Alb

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Streifzüge auf der Alb: unterwegs auf alten Landstraßen wie die Drei im Lied, andächtig in der Abteikirche an der Donau, auf Besuch bei der Pandora von Wasserstetten, an heimlichen Feuern unter Buchen und beim Baden an der Lauter, dem Geheimnis der Lourdesgrotte auf der Spur, im Gespräch mit dem Dorfschmied, vergnügt auf Kartoffel- und Fliegerbergfesten, zu Besuch auf Friedhöfen und Kalvarienbergen, in Museen und Dorfkirchen – dieses Buch berichtet von eindrücklichen Erlebnissen auf der Schwäbischen Alb, von besinnlichen Wacholderstunden, vom Erspüren der Natur und Landschaft im Wechsel der Jahreszeiten, von den Begegnungen mit heimischer Kultur und Historie, mit Land und Leuten. Und manchmal auch entführt der Zauber des lieblich-kargen Hochlandes in Märchenreiche.
LanguageDeutsch
Release dateApr 27, 2015
ISBN9783738670875
Wacholderstunden: Streifzüge auf der Schwäbischen Alb
Author

Rainer Gross

Rainer Gross, Jahrgang 1962, geboren in Reutlingen. Studierte Philosophie, Literaturwissenschaft und Theologie. Lebt mit seiner Frau als freier Schriftsteller seit 2014 wieder in Reutlingen. Bisher veröffentlicht: Grafeneck (Pendragon 2007, Glauser-Debüt-Preis 2008); Weiße Nächte (Pendragon 2008); Kettenacker (Pendragon 2011); Kelterblut (Europa 2012). Bei BoD u.a. erschienen: Die Welt meiner Schwestern (2014); Yûomo (2014); Haus der Stille (2014); Schrödin-gers Kätzchen (2015); Haut (2015); My sweet Lord (2016); Holiday (2016); Am Ende des Regenbogens (2016); Scheherazade (2017); Die sechzigste Ansicht des Berges Fuji (2017); Der Sommer der Glühwürmchen (2017); In der fernen Stadt (2017).

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    Wacholderstunden - Rainer Gross

    Streifzüge auf der Alb: unterwegs auf alten Landstraßen wie die Drei im Lied, andächtig in der Abteikirche an der Donau, auf Besuch bei der Pandora von Wasserstetten, an heimlichen Feuern unter Buchen und beim Baden an der Lauter, dem Geheimnis der Lourdesgrotte auf der Spur, im Gespräch mit dem Dorfschmied, vergnügt auf Kartoffel- und Fliegerbergfesten, zu Besuch auf Friedhöfen und Kalvarienbergen, in Museen und Dorfkirchen – dieses Buch berichtet von eindrücklichen Erlebnissen auf der Schwäbischen Alb, von besinnlichen Wacholderstunden, vom Erspüren der Natur und Landschaft im Wechsel der Jahreszeiten, von den Begegnungen mit heimischer Kultur und Historie, mit Land und Leuten. Und manchmal auch entführt der Zauber des lieblich-kargen Hochlandes in Märchenreiche.

    Rainer Gross, Jahrgang 1962, studierte Philosophie, Literaturwissenschaft und Theologie. Er lebt mit seiner Frau als freier Schriftsteller in Reutlingen.

    Bisher veröffentlicht: Grafeneck (Pendragon 2007, Glauser-Debüt-Preis 2008); Weiße Nächte (Pendragon 2008); Kettenacker (Pendragon 2011); Kelterblut (Europa 2012).

    Bei BoD u.a. erschienen:

    Die Welt meiner Schwestern

    Das Glücksversprechen

    Yūomo

    Haus der Stille

    Drei Tage Wicklow

    Guinea

    Springinsfeld und Schauinsland

    Tagedieb und Taugenichts

    könnt ihr denen die zu euch kommen

    eine Wacholderstunde anbieten

    erdalterlang

    MARGARETE HANNSMANN, LANDSCHAFT

    Inhalt:

    Frühling

    Lautermühle

    Hochwiese

    Sonntagsalb

    Weltfern

    Verschwundene Dörfer

    Burgbrunnen

    Wielandstein

    On an old country lane

    Elsachbröller

    Kalvarienberg

    Sattlerkapelle

    Ostern am Kalkofen

    Bremelau

    Ostereier

    Obermarchtal

    Donauwehr

    Uracher Wasserfall

    Schafzucht

    Töpferei in Wasserstetten

    Unwetter

    Die Prinzessin

    Schloss Sigmaringen

    Sommer

    Aufberger Loch

    Pfullinger Unterhose

    Familienfoto

    Glei bei Blaubeira

    Urgeschichtsmuseum

    Klosterseminar

    Hochaltar

    Saraisenbrunnen

    Abendständchen

    Hoflädle

    Genkingen

    Laibrunnen

    Sankt Michael

    Hochzeit am Göllesberg

    Alteburg

    An der Lauter

    Einkehr

    Hoher Gießel

    Julifeuer

    Marbach

    Kanufahren

    Zwiefalten

    Nach dem Gewitter

    Alte Mühle in Wimsen

    Bauernschrank

    Gutenachtgeschichte

    Buo

    Freilichtmuseum Heuneburg

    Laichinger Tiefenhöhle

    Höhlenmuseum

    Klettergarten

    Indelhausen

    Geglückter Tag

    Lourdesgrotte

    Sonderbuch

    Jüdischer Friedhof

    Federseemuseum

    Am Federsee

    Hochzeitstag

    Villa rustica

    Vogelhof bei Erbstetten

    Landmetzgerei

    Kartoffelfest

    Gestütsmuseum Offenhausen

    Fliegerbergfest

    In Würtingen

    Grafeneck

    Hohenzollern

    Auf der Bärenhöhle

    Herbst & Winter

    Urselhochberg

    Lesung in Münsingen

    Herbstbotschaft

    Anderswo

    Zwiegespräch

    Winter auf Greuthau

    Weihnachten

    Mädlesfels

    Versöhnung

    Januarblau

    Frühling

    Lautermühle

    Abends gehen Lena und ich über die Brücke bei der Ölmühle. Auf der anderen Flussseite ist das Licht erloschen, die Frühjahrsmücken tanzen. Dumpfe Wasserluft am Ufer, das Mühlrad, der Abzweig des Mühlkanals, die Mäander mit Weidengeflecht verzurrt. Die Truchsessen von Bichishausen bannten im Mittelalter in die hintere Mühle; drei Gänge, im fünfzehnten Jahrhundert an Güterstein verkauft. Wir wandern in den Auwiesen. Die Lauter zieht dunkel und grundlos zwischen nackten Ufern, ein Wasserweg, geologisches Gerinne. Der Boden ist weich und feucht, vollgesogen vielleicht von Schmelzwasserschwemmen. Früher schlossen sie ein kleines Wehr und leiteten die Flut über Kanäle in die Wiesen. Der Abend dauert, hier unten am Fluss.

    Hochwiese

    Wir folgen dem einsilbigen Schotterweg. In den Wiesen seitab gedeiht Knabenkraut und Hummelorchis, sollen nicht gefunden werden, wegen Naturschutz. Als der Weg ein Wäldchen durch-sticht, riecht es appetitlich. Das kommt vom Bärlauch, sage ich zu Lena, aus dem machen sie inzwischen Nudelpaste. Dann kommen wir hinaus auf die weite Fläche des Ausliegerbergs, wo der Weg sich als Fuhren verliert: Gielsberg.

    Ringsum kahler Wald, ein Wind geht darüber hin, die langen Halme nicken freundlich. März-karg der Magerrasen, aber unter den Weidbäumen finde ich Veilchen und Schlüsselblumen und blaue Bauernbübchen traulich beieinander, als hätte jemand Blumenschalen vergraben. Oben, auf der Höhe, singt es vor Heimchen, das Gras wird lebendig unter jedem Schritt, springt in zierlichen Bögen.

    Wir bleiben stehen und horchen. Der Wind. Die Vögel. Die Grillen. Feine Stimmchen in dürftiger Zeit, das Lied überm Land heiligt und feiert, denke ich. Es spricht von Wiederkehr, von Neubeginn. Ein junges Leben, das sich aufmacht, oder ein reifes, das sich besinnt und umkehrt, oder ein altes, das zu Ende geht und seine Hoffnung hat. Tod und Auferstehung. Des Lebens Neuwerdung.

    Im Dornicht ragt ein Ansitz empor, Lena zaudert wegen des wackligen Gestänges. So steige ich allein hinauf und schaue übers Land, hinüber zu den Traufbergen, hinaus in die Frühlingsferne. Ich will mich hineinlassen in den tiefen Erdsegen, der hier ruht, der sich regt nach dem harten Winter. Die Tiefe des Lebens. Ich finde sie nicht immer.

    Sonntagsalb

    Die Alb nach dem Winter: kahle Bäume, ein blauer Himmel über allem und warme Sonnengrade. Grießige Schneeäcker, Bussarde in der Luft: das vertraute, liebgewonnene Gefilde. Schau mal, sage ich zu Lena, nachdem wir die Steige gewonnen haben: Dort ist der Hohengenkingen, und erinnere mich an die waldversponnenen Steine auf dem Bühl.

    Als wir die Auffahrt zum Lichtenstein nehmen, ahnen wir schon, was uns blüht: Sonntagsalb. Der erste sonnige Sonntag im März! Die Parkplätze sind voll, das Blech reiht sich lückenlos. Lauter Kennzeichen aus dem Unterland, bis nach Ludwigsburg reicht das. Hier am berühmten Schloss ballt es sich, das ist gut so. Kanalisierung der Touristenströme, da bleiben die verborgenen Kleinode verschont. Der Imbiss hat geöffnet, auf den Parkwegen flanieren Paare, Kinder spielen. Das Forsthaus hat wegen Reservierung geschlossen, unverrichteter Dinge kehren wir um.

    Wir fahren weiter zum Landgasthof, biegen nach Holzelfingen links in die Weiden hinein, das schmale Sträßchen zum Greifenstein. Ich zeige Lena Pauls Wiese, wie sie mageren Grases und laubloser Bauminseln in der Gegend liegt, und erinnere mich an das Sommerfest der Gemeinde. Unfern, denke ich, liegt das Waldstück, in dem ich seinerzeit einen Rehschädel fand.

    Das Gehöft heißt gästewimmelnd willkommen. Der Parkplatz voll, aber wir finden eine Lücke. Auf der Terrasse laben sich Wanderer, Radfahrer und Ausflügler, aber meist Hiesige. In den Fluren reger Betrieb, der Sonntagsspaziergang mit Stöckelschuhen oder Wanderstiefeln auf Asphalt. Wir kriegen gleich einen Tisch, setzen uns und bestellen. Die Bedienung hat einen blonden Pferdeschwanz und einen slawischen Akzent. Ich nehme Linsen mit Spätzle und Saiten, Lena den Wacholderlammbraten mit Rosmarinkartoffeln; dazu für mich einen halben Liter Most.

    Wir sitzen und atmen auf. Die Sonne tut’s wählig und heiter, das Getriebe nimmt uns ein, umfängt uns mit Gemeinschaft. Alle sind heute solidarisch, alle wollen Lust und Muße, alle lassen einander in Frieden. Ich stütze das Kinn in die Hände und grinse über beide Backen. So fotografiert mich Lena und will mich schicken an ihre Schwester im Fränkischen, aber die Alb hat ja kein Netz.

    Manche warten auf einen freien Tisch. Einer legt sich in einen der aufgestellten Liegestühle und bestellt ein Bier. Radfahrer kommen an und tun es ihm gleich. Eine schwergewichtige Frau fragt um den dritten Stuhl, weil sie im Stehen nicht warten kann. Leere Biergläser, Kaffeetassen mit Innenrand, zerknüllte Servietten. Hunde kommen zum Wassernapf, neben dem drei Frauen auf der Eckbank sitzen und Sekt trinken. Als ich einmal ins dämmrige Innere dringe und die steile Treppe zu den Toiletten hinabsteige, fällt mir unsere Hochzeit ein, die wir hier gefeiert haben, an einem verregneten Tag Ende Juni. Das beruhigt: Hinter allem verbirgt sich eine Geschichte.

    Weltfern

    Aus dem hinteren Winkel kommen wir, Dorf, Tal und Ruine. Bussarde segnen die Flur mit ihrem Wächterflug, die Touristenströme verlaufen sich hier, wir suchen ein Wirtshaus und eine Tasse Kaffee. Wir kommen durch Dörfer, die nicht einmal einen Gasthof haben. In Trochtelfingen das Rössle hat zwischen vier und fünf keine Küche, und zum Kaffee gibt’s nicht einmal Kuchen. Ein stattliches Fachwerkhaus entpuppt sich als Apotheke, ein anderes als Music Pub. Draußensitzen in der Sonne, auf behaglicher Terrasse – dafür scheint es noch zu früh, jetzt im März. Auch die Höhlen, die Schlupfwinkel und Albkavernen, die Venedigerlöcher und Goldkammern sind noch verriegelt, wegen der Fledermäuse. Wir queren die Kuppenalb, fahren einsame Landstraßen zwischen Hörschwag und Meidelstetten. Die Dorfgassen wie ausgestorben. Kahle Feldflur mit Sonntagsfrieden, die Äcker umgebrochen, manche dunkel von ausgebrachter Gülle. Braungelb das Land, ausgezehrt vom Winter, Frühlingsdunst am fernen Himmel. Supermärkte auf freiem Feld, Holzverarbeitung, Spanungstechnik. Im Auto öffnen wir das Dachfenster, allmählich wird die Gegend vertrauter, wir kommen auf unsere Haus-Alb zurück und finden blind den Weg. Der Landgasthof hat Tische und Stühle draußen, aber es ist frisch an der Hauswand, gerade drei Tische sind belegt. Wir setzen uns nach drinnen ins Warme, wir sind wie zurück von einer langen Reise, waren weit fort in entlegenen Gefilden. Wir stellen fest: das Mittelgebirge erstreckt sich.

    Verschwundene Dörfer

    Horgenloch

    Hier ist es gewesen! Der Finger zeigt in die Landschaft, wir müssen fantasieren. Da ist der Gestütshof und das Wirtshaus und die Wälder und Wiesen, das muss alles weg! Selbst das Wirtshaus von siebzehnhundert ist modern renoviert. Auch weg! An seiner Stelle eine Kapelle, Johannes dem Täufer geweiht, zu der die Mönche der Kartause Güterstein spazierten. Wallfahrt am Johannistag, Hochamt und Kräuterkränze. Daneben der Weiler Horgenloch, zu dem die Kapelle gehörte. Um elfhundert trat ein Ritter ins Kloster ein und schenkte dafür aus Horgenloch fünf Huben und einen Wald. Fünfhundert Jahre später beweidete Upfingen den Bezirk und zahlte Wieszins und Kühmiet. Um 1650 war Horgenloch schon ein öder Weiler.

    Im Gestütshof läuft der Brunnen, eiskalter Schluck aus der Hand.

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