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Friedhofsruhe: Ein badischer Krimi
Friedhofsruhe: Ein badischer Krimi
Friedhofsruhe: Ein badischer Krimi
Ebook217 pages3 hours

Friedhofsruhe: Ein badischer Krimi

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About this ebook

Die gut organisierte Kommissarin Ute Becker ermittelt zusammen mit ihrem jüngeren, etwas beleibten Kollegen Alex Weingärtner im Fall „Emmi Weisser“, die auf dem Rüppurrer Friedhof erwürgt aufgefunden wurde. Es gibt zunächst kein erkennbares Motiv: Frau Weisser war eine ältere, allseits beliebte, freundliche und immer hilfsbereite Frau, die keine Feinde zu haben schien. Auch für nicht eingefleischte Krimifreunde ein Lesevergnügen.
LanguageDeutsch
Release dateAug 11, 2012
ISBN9783844895537
Friedhofsruhe: Ein badischer Krimi
Author

Jutta Ebersberg

Jutta Ebersberg, geboren 1955 in Rastatt, aufgewachsen in Bühl, lebt seit 1975 in Karlsruhe und genießt nun den Ruhestand.

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    Friedhofsruhe - Jutta Ebersberg

    www.juttaebersberg.de

    Kantor Hartmann war mit der heutigen Chorprobe zufrieden: der Sopran hatte die hohen Töne getroffen, ohne sie herauszupressen, der Alt hatte noch einige Schwächen, und die wenigen Männer hatten sich heute gut durchgesetzt. Er war zuversichtlich, dass die Stücke bis zur geplanten Aufführung sitzen würden, bedankte sich und wünschte noch einen schönen Abend. „Bis nächsten Donnerstag." Keiner von ihnen konnte ahnen, dass sie sich in dieser Zusammensetzung nie wieder treffen würden.

    Die Chormitglieder verließen die Empore der Auferstehungskirche in Rüppurr und stiegen plaudernd die Treppe hinunter zum Ausgang. Emmi Weisser trat aus der Kirchentür und schaute zuerst auf ihre Armbanduhr – 21.35 Uhr -, danach zum Himmel hinauf. Kein Wölkchen war zu sehen. Es war ein lauer Juniabend und die Luft erfüllt vom süßen Lindenblütenduft, den die beiden alten Bäume direkt vor der Kirche verströmten. Emmi atmete tief ein und dachte: „Was für ein wundervoller Abend!"

    „Wie geht es eigentlich Elisabeth?" riss Gertrud Hassler sie aus ihren Gedanken.

    „Nicht besonders gut! Ich habe sie vorgestern im Krankenhaus besucht. Sie sieht blass aus und ist furchtbar müde. Die Chemotherapie macht ihr schwer zu schaffen. Heute müsste sie die letzte Infusion gehabt haben, danach erholt sie sich im Allgemeinen recht schnell wieder. Sie hat ja jetzt bereits den vierten Zyklus hinter sich."

    Sie waren die sechs Treppenstufen hinabgestiegen und warfen beim Schaukasten, der rechts neben der Treppe stand, einen Blick auf den Gottesdienstplan. „Am Sonntag kommt Gastprediger Hampel – hm, meist etwas oberflächlich, dafür geht der Gottesdienst nur eine Dreiviertelstunde, da hat man mit der Kocherei keinen solchen Druck. Gertrud war bekannt für ihre Sonntagsbraten. „Soll ich dich mitnehmen?

    „Danke, das ist nicht nötig. Ich bin mit dem Fahrrad da und möchte meinem Theo noch einen kleinen Besuch abstatten."

    „Also dann, noch einen schönen Abend."

    „Ja, dir auch, bis Sonntag."

    Der Friedhof schloss sich direkt an das Kirchengelände an, das eiserne Tor war noch offen. Emmi ging gemütlich hindurch und dann den Weg entlang. Bei der ersten Seitenabzweigung nach rechts blieb sie stehen und schaute zu der Skulptur hinüber, die sie so liebte: eine Bronzefigur, die einen jungen Mann darstellte, der verspielt auf einem Sockel sitzt, ein Bein über das andere geschlagen und mit verträumtem Blick auf seiner Querflöte spielt. Er vermittelte eine gewisse Leichtigkeit, die gut zu diesem Friedhof passte, der gar nichts von der Schwere hatte, die solche Orte oft ausmachten. Gerade zu dieser Jahreszeit waren die Gräber üppig bepflanzt, überwiegend mit Rosen und kleinen Begonien, außerdem hatte der Friedhof eine idyllische Lage: direkt an dem Flüsschen Alb entlang. Ein alter Baumbestand tat sein Übriges – es war ein Ort, den Emmi gerne besuchte, den sie auch oft als Ausgangspunkt eines Spazierganges nahm.

    Sie lief weiter, blieb auf der Brücke, die die Alb überspannte, stehen und schaute hinunter zu den Enten, die erwartungsvoll hin- und herschwammen. Oft hatten junge Mütter, die mit ihren Kindern unterwegs waren, eine Tüte mit Brotresten dabei und fütterten die Tiere. Um diese Uhrzeit war Emmi die einzige Besucherin des Friedhofes. Sie ging am Kriegsgräberfeld vorbei und nahm an einem Brunnen eine grüne Plastikgießkanne, füllte sie mit Wasser und trug sie zu Theos Grab bei der Birke. Als ihr Mann im Sommer 2004 gestorben war, hatte sie nicht an das fallende Herbstlaub gedacht, sondern war angetan von der Ausstrahlung des schlanken Baumes und dem Flüstern seiner Blätter. Sie hatte sich für einen schlichten schwarzen Stein entschieden, auf dem in goldener Schrift stand: Theo Weisser, 23.02.1934 – 18.7.2004. Darunter würden irgendwann ihre eigenen Daten stehen.

    War da gerade hinter der Hecke ein Geräusch? Ein Knacken von Zweigen? Emmi, die eben noch so erfüllt war von den Eindrücken des Abends, schrak zusammen und lauschte.

    Da war es wieder, oder bildete sie es sich nur ein? Emmis Pulsschlag beschleunigte sich und plötzlich spürte sie zwei starke Hände, die sich von hinten um ihren Hals schlangen. Ihr Gehirn arbeitete fieberhaft und konnte doch keinen klaren Gedanken fassen. Eine panische Angst packte sie. Sie versuchte sich zu wehren, wollte schreien, brachte aber nur ein gequältes Keuchen hervor – wer hätte sie hier auch hören sollen?

    Schließlich erschlaffte sie und sank auf dem Grab ihres Mannes zusammen. Dass sie Theo heute noch so nahekommen sollte, hatte sie nicht erwartet!

    Es versprach ein wunderschöner Frühsommertag zu werden. Claudia Schäfer warf einen Blick auf das Thermometer, das schon jetzt – es war gerade 6.50 Uhr – eine Temperatur von 18° C anzeigte. Sie trug eine hellblaue Trainingshose und ein Ringelshirt in verschiedenen Blautönen, das gut zu ihren Augen passte. Ihre langen blonden Haare band sie zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammen und holte dann ihre neuen Laufschuhe. Sie musste lächeln, als sie an die Unterhaltung mit dem Verkäufer dachte, der sie fragte, ob sie an eine Gel-Dämpfung im Fersenbereich gedacht habe. Sie hatte gar nicht gewusst, dass es so etwas gibt, sondern wollte einfach ein paar neue Schuhe, da ihre alten doch schon stark abgelaufen waren.

    Aus dem Bad drang Musik – ihr Ehemann Bernd und sie hatten früh festgestellt, dass sie beide SWR-3-Hörer waren und hatten sich ein kleines Radio für das Badezimmer gekauft, um mit den frechen Sprüchen der „Morning-Show" in den Tag zu starten.

    Claudia setzte sich auf die untere Treppenstufe, zog ihre Schuhe an, steckte den Geldbeutel in die Hosentasche, nahm den Haustürschlüssel und rief ihrem Mann zu: „Ich bringe Brötchen mit. Deckst du den Tisch?" Sie wartete seine Antwort nicht ab, denn das Ganze war so etwas wie ein Ritual. Sie war Grundschullehrerin und hatte freitags erst in der dritten Stunde Unterricht. Daher genoss sie es, vorher eine Runde zu joggen und danach gemütlich mit Bernd zu frühstücken. Da er freier Mitarbeiter einer Zeitung war, konnte er sich seine Zeit weitgehend selbst einteilen.

    Claudia hatte die Haustür hinter sich geschlossen, ging die paar Schritte durch den Vorgarten, schaute sich um und überquerte die Straße. Sie wohnten im Weiherfeld, und es gab verschiedene Strecken für ihren Lauf, je nach Zeit und Lust. Heute entschied sie sich, an der Kleingartenanlage entlang zu laufen in Richtung Rüppurr. Schnell hatte sie ihren Rhythmus gefunden, warf einen Blick auf die Gärten, die von ihren Besitzern vorbildlich gepflegt wurden, grüßte einen Hundebesitzer, der um diese Zeit sein Tier ausführte und dachte über ihre Erstklässler nach, die sie nachher unterrichten würde. Sie arbeitete nun seit sieben Jahren als Lehrerin, und von Anfang an hatten ihr die Kleinen besonders am Herzen gelegen. Noch ein paar Wochen, dann war das Schuljahr zu Ende, und auch Claudia freute sich auf die anstehenden Ferien.

    Sie bog auf den Weg ab, der direkt zum Friedhof und dann daran entlang führte. Die Kirchturmuhr schlug Viertel nach sieben, und sie entschloss sich, direkt über den Friedhof zu laufen, anschließend durch die Lange Straße, beim Bäcker vorbei und über die Pappelallee zurück. Sie sprang die Sandsteinstufen hinauf und ging im Schritttempo weiter – im Friedhofsbereich schien ihr das Joggen nicht angemessen. Sie überlegte, welche Brötchensorten sie heute kaufen sollte, als plötzlich ihr Blick an einem Grab hängenblieb.

    Was war das?

    Täuschte sie sich, oder lag da jemand auf dem Boden? Claudia rannte auf das Grab zu. Es gab keinen Zweifel: da lag eine ältere Frau neben einer umgestürzten Gießkanne. „Hallo! Sie berührte die Frau und schrak zurück, als diese nicht reagierte. ‚Ich muss Hilfe holen!‘, schoss es ihr durch den Kopf. Jetzt wäre es doch gut, wenn sie ein Handy dabeigehabt hätte, wie es ihr Bernd schon hundertmal ans Herz gelegt hatte, aber sie betrachtete diese Dinger als Notfallhelfer und nahm ihres nur auf Autofahrten mit. Aber jetzt musste sie sich fragen, warum der Notfall ausschließlich bei Autofahrten eintreffen solle. Ohne weiter nachzudenken, rannte sie quer über den Friedhof und klingelte an der nächsten Haustür Sturm. Es tat sich nichts! Wieder klingelte sie und dachte: ‚Jetzt mach doch auf!‘ Sie war schon in Versuchung, an der nächsten Tür zu läuten, als sie von innen eine Stimme hörte: „Jaaa, ich komm ja schon. Unmittelbar danach öffnete eine junge Frau im Bademantel und mit einem Handtuch um den Kopf die Tür, blickte Claudia fragend an, die sofort sagte: „Schnell, wir brauchen einen Krankenwagen – oder vielleicht die Polizei! Wo ist Ihr Telefon?" Obwohl die Frau nicht begriff, was gerade vor sich ging, zog sie Claudia in den Flur, nahm ein Handy, das in der Garderobe lag, und drückte es ihr in die Hand. Mit zitternden Fingern wählte die Lehrerin die 112, nannte ihren Namen, schilderte in kurzen Sätzen die Situation und drückte schließlich auf die Taste, um das Gespräch zu beenden.

    „Die Sanitäter kommen."

    Ihre Schultern fielen herunter, als ob eine schwere Last von ihr abgefallen sei, und die Frau im Bademantel, die das Ganze beobachtet hatte, schob sie sanft in die Küche.

    „Jetzt setzen Sie sich erst einmal hin, Sie sind ja völlig fertig mit den Nerven. Ich heiße übrigens Müller, Bettina Müller. Entschuldigen Sie bitte meinen Aufzug, aber ich war gerade im Bad, als Sie wie eine Verrückte geläutet haben. Ich mache Ihnen eine Tasse Kaffee, ja?"

    „Meinen Sie nicht, dass ich wieder zu dieser Frau zurück sollte?"

    „So wie ich das gerade verstanden habe, können Sie da im Moment nicht wirklich helfen. Außerdem ist es viel sinnvoller, wenn Sie hier zur Stelle sind, wenn die Sanitäter oder die Polizei kommen. Trinken Sie einen Kaffee?"

    Dankbar nickte Claudia und ließ sich auf einen Stuhl am Küchentisch fallen. Frau Müller stellte eine Tasse in die Kaffeemaschine, legte ein Pulverpad ein, drückte einen Knopf, und die Maschine begann zu zischen. Kurz darauf hatte Claudia die Kaffeetasse vor sich stehen, den angenehmen Duft nahm sie nicht wahr.

    „Ich zieh mir nur schnell was über, sagte Frau Müller und verschwand, nachdem sie noch Milch und Zucker auf den Tisch gestellt hatte. Vorsichtig goss Claudia etwas Milch in die Tasse, führte sie dann mit beiden Händen zum Mund, nahm einen Schluck und atmete tief durch. Kaum hatte sie die Tasse wieder abgestellt, hörte sie draußen schon das Martinshorn des Rettungswagens. Sie sprang auf und öffnete die Haustür. Zwei sportlich wirkende Männer mit orangeroten Westen stiegen aus dem Wagen, holten eine Trage und schauten zu ihr hinüber: „Frau Schäfer? Sie nickte und rannte vor ihnen her zu der Frau auf dem Grab. Einer der beiden Männer kniete sich neben die Frau, tastete nach dem Puls am Handgelenk und am Hals, schaute zu dem anderen Mann hoch und schüttelte leicht den Kopf.

    Wieder hörte man eine Sirene, der stehende Rettungssanitäter lief los und kam kurz darauf mit zwei Polizisten zurück.

    Gerade als Kommissarin Ute Becker ihre Wohnung verlassen wollte, klingelte das Telefon. Sie seufzte, drehte sich um und stellte ihren schwarzen Lederrucksack ab. „Becker."

    Sie hörte die schrille Stimme ihrer Sekretärin: „Stiegelmaier. Frau Becker, wir haben gerade eine Nachricht erhalten, dass auf dem Rüppurrer Friedhof eine Leiche gefunden wurde, und da dachte ich, es wäre doch einfacher, wenn Sie direkt dorthin fahren, statt zuerst hierher ins Dezernat zu kommen. Sie wohnen doch dort irgendwo in der Nähe."

    Ute musste sich immer wieder zusammenreißen, um Stimme und Inhalt des Gesagten zu trennen. „Ja, das stimmt. Auf dem Friedhof, sagten Sie? Okay, ich mache mich auf den Weg, und Sie schicken mir bitte Herrn Weingärtner her, wenn er im Büro auftaucht! Bevor eine Erwiderung kommen konnte, legte sie auf. In den Morgenstunden war diese Stimme eine Zumutung für ihre Ohren. Ute nahm ihren Rucksack wieder hoch und hängte ihn über ihre linke Schulter. Sie warf noch einen kurzen Blick in den Garderobenspiegel: dezent geschminkt, kurzes dunkelblondes Haar - ja, die Leute hatten recht: man sah ihr ihre fünfzig Jahre nicht an. Zu ihrer Jeans trug sie eine türkisfarbene Bluse und eine Kette mit Perlen in unterschiedlichen Blau- und Grüntönen. Sie verließ die Wohnung und schloss hinter sich ab. Heute hatte sie ein paar Schreibtischarbeiten erledigen wollen, lästigen Papierkram zu Ende bringen, um dann entspannt ins Wochenende zu gehen. Aus diesem Plan schien nun nichts zu werden. Sie sprang die Treppe hinunter, aus der unteren Wohnung hörte sie die lebhaften Stimmen der beiden Kinder Leonie und Torben. Sie bewunderte Frau Walther, die mit einer Mischung aus Geduld und so etwas wie „liebevoller Strenge die beiden immer wieder in Schach hielt. Sie war froh, dass sie sich nicht mit solchen Problemen herumschlagen musste. Ute war überzeugte Singlefrau und liebte ihre Freiheit. Sie wohnte in einem dreistöckigen Haus: in der unteren Etage lebte Familie Walther und über ihrer Wohnung war vor einem Jahr ein Rentnerehepaar eingezogen, mit dem sie bald in einen freundschaftlichen Kontakt getreten war.

    Sie ging zur Garage, schwang sich auf ihr Fahrrad und radelte in Richtung Friedhof, wo sie ihr Rad in den Ständer neben ein altmodisches Damenrad stellte.

    Der Frühstückstisch war längst gedeckt, Bernd hatte es sich mit der Zeitung gemütlich gemacht und zunächst die morgendliche Ruhe genossen. Irgendwann beschlich ihn allerdings ein merkwürdiges Gefühl. Wo Claudia so lange blieb? Sie nahm doch sonst nie die große Runde, wenn sie später noch Unterricht hatte. Es wird ihr doch nichts passiert sein? Wie oft hatte er sie schon gebeten, ein Handy mitzunehmen, aber wenn es nach ihr ginge, hätten sie noch einen Telefonapparat mit extralanger Schnur und Wählscheibe! Wenn sie auch sonst noch so fortschrittlich war, was Technik anbelangte, hatte Claudia einen Hang zur Tradition.

    Wo sie nur blieb? Bernd kaute nervös auf einem Fingernagel herum, als ihn plötzlich ein vertrauter Klingelton aus seinen Grübeleien riss. Ein Blick auf das Display zeigte, dass es jemand aus der Redaktion war. Was wollen denn die schon in aller Frühe? „Ja, Bernd Schäfer."

    „Ich bin es, Jörg. Du, wir haben da gerade etwas gehört von einer Toten auf dem Rüppurrer Friedhof – das ist doch bei euch da draußen. Es war noch die Rede von einer Joggerin…"

    Claudia! Sein Herz begann zu hämmern, der Atem wurde flacher, und seine Hand krampfte sich um den Hörer.

    „… hey, bist du noch dran?"

    „Äh, ja."

    „Was ist denn los mit dir, du bist doch sonst nicht so schweigsam?"

    „Ich – ach, lass nur, ich mache mich sofort auf den Weg. Abrupt beendete er das Gespräch, legte das Telefon beiseite, nahm die Tasche mit Diktiergerät, Block und Digitalkamera, die für solche Fälle immer in der Garderobe bereit lag und stürzte aus dem Haus. Im Auto, warf er die Tasche auf den Beifahrersitz und startete. „Lieber Gott, lass ihr nichts passiert sein! Darf man den lieben Gott in solch einer Situation in Anspruch nehmen, wenn man sonst nichts mit ihm zu tun hat? Er war sich nicht sicher und gelobte, eine Kerze anzuzünden, wenn er sonst auch immer über solches Getue gespöttelt hatte. Seine feuchten Hände umklammerten das Lenkrad, als er durch die Pappelallee fuhr. Auf die Geschwindigkeitsbegrenzungen konnte er keine Rücksicht nehmen. Als er in die Lange Straße bog, sah er schon von weitem den Krankenwagen und das Polizeifahrzeug. Natürlich gab es weit und breit keinen freien Parkplatz. Er bog in eine Seitenstraße ab, parkte sein Auto und rannte zum Friedhof. An der Absperrung mit dem rot-weißen Band wurde er von einem jungen Polizeibeamten aufgehalten. „Kein Zutritt für die Presse!"

    „Aber ich komme ja gar nicht von der Presse."

    Der Beamte hatte ein spöttisches Lächeln um die Lippen, als er erwiderte: „Ich habe Sie schon mal bei einem Fall gesehen, und wenn wir jetzt in Ihre Tasche schauen, sind wir bestimmt nicht überrascht, wenn wir da ein Diktiergerät und eine Kamera finden!"

    Bernd atmete hörbar ein, zwang sich zur Ruhe und antwortete: „Sie haben recht, ich arbeite für die Presse, aber in diesem Fall komme ich wegen meiner Frau, und jetzt lassen Sie mich bitte zu ihr!"

    Dem Beamten war die Überraschung anzusehen: „Sie wollen mir nicht erzählen, dass Sie mit der alten Dame verheiratet sind, oder?"

    Nun war es an Bernd, zu stutzen: „Sagten Sie gerade alte Dame? Dann ist es also gar nicht Claudia?"

    Der Beamte gab den Weg frei, und Bernd begab sich zu einer Gruppe von Polizeimitarbeitern. Atemlos blieb er stehen und blickte auf eine alte Frau auf dem Boden.

    Angespannt fragte er einen der Beamten: „Können Sie mir sagen, wo meine Frau ist? Eine

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