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Die Meisterung des Ichs: Budo zur Gewaltprävention?
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Ebook311 pages3 hours

Die Meisterung des Ichs: Budo zur Gewaltprävention?

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About this ebook

Die Frage, ob die Kampfkünste zur Gewaltprävention dienen können, beschäftigt die Öffentlichkeit und die Wissenschaft nun schon seit langem. Es deuten sich tatsächlich unter bestimmten Bedingungen positive Effekte an.

Der vorliegenden Band 8 der Reihe Geist-Körper-Technik gibt einen aktuellen Überblick und führt mit namhaften Autoren die Diskussion weiter.
LanguageDeutsch
Release dateJul 30, 2013
ISBN9783732211111
Die Meisterung des Ichs: Budo zur Gewaltprävention?

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    Book preview

    Die Meisterung des Ichs - Books on Demand

    Matthias von Saldern (Hrsg.)

    Meisterung des Ichs

    Budo zur Gewaltprävention?

    Books on Demand

    GEIST – TECHNIK – KÖRPER

    Schriften zu den Hintergründen der Budôkünste

    herausgegeben von

    Matthias v. Saldern

    Band 8

    Hinweise

    Zweck der Schriftenreihe Geist – Technik – Körper besteht im Aufarbeiten der Hintergründe der Kampfkünste.

    Zu den Hintergründen gehören historische, philosophische, systematische, theoretische und sportwissenschaftliche Arbeiten.

    Die Schriften können Monografien ebenso wie Sammelbände sein.

    Bitte beachten Sie die Inserenten am Ende des Bandes.

    Vorwort

    10 Jahre Geist – Körper - Technik.

    Nunmehr liegt der achte Band der Reihe Geist-Körper-Technik vor. Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass diese Buchreihe so überlebensfähig ist? In erster Linie liegt dies an den Autoren und Herausgebern, die mit viel Engagement für die notwendige Qualität sorgten.

    Band 1 läutete die Diskussion ein mit einer Analyse, was eigentlich Bushido ist. Dieser Band ist – nachdem er vergriffen war – in neuer, stark erweiterter und veränderter Auflage wieder erschienen.

    Der zweite Band (herausgegeben von E. Liebrecht) entfachte eine Diskussion, die bis heute nicht beendet ist: Budo/Kampfsport und Gewaltverhalten. Auch der vorliegende achte Band führt diese Diskussion weiter.

    Der dritte Band war eher philosophieorientiert und wurde im fünften Band von Wolfgang Brockers, der auch im siebten Band seine autobiographischen Notizen vorlegte, fortgesetzt.

    Der vierte Band von Jörg Möller war der Geschichte der Budokünste vorbehalten.

    Der sechste fasste die Ergebnisse des des ersten Budo-Symposiums auf deutschem Boden zusammen, das in Teilen auch als Video vorliegt.

    Allen Beteiligten sei an dieser Stelle sehr gedankt.

    Ein kleiner Wermutstropfen bleibt dennoch: Um den Preis nicht zu stark steigen zu lassen, haben wir umgestellt von Hardcover auf Paperback. Dafür sind wir nun, nachdem wir von zwei Universitätsverlagen betreut wurden, bei einem richtigen Verlag, der Produktion und Vertrieb übernimmt. Bisher war dies zeitraubende Handarbeit.

    Der Herausgeber

    Inhaltsverzeichnis

    Zur Einführung

    Matthias von Saldern

    Budo – was ist das?

    Matthias von Saldern

    Der Beitrag des Judo zur Erziehung

    Jigoro Kano

    Japanisches Denken für Europa?

    Matthias von Saldern

    Karate-Do und Resilienz/Kohärenz als Ausdruck psychischer Gesundheit

    Günther Bitzer-Gavornik & Human Unterrainer

    Macht Kampfsport gewalttätig?

    Matthias von Saldern

    Ein Prozess wurde nicht in Gang gesetzt

    Peter-Ulrich Wendt

    Gewaltprävention und -therapie durch Karate an Schulen

    Ralf Brünig

    Zum Beispiel Behindertensport

    Martin von den Benken

    Kämpfen als Gewaltprävention? – ein Umriss

    Olaf Zajonc

    Wie alles anfing

    Matthias von Saldern

    Autorengruppe

    Zur Einführung

    Matthias von Saldern

    Dieses Buch setzt die Diskussion um ein vermutetes Paradoxon fort: Kann Budo der Gewaltprävention dienen? Es verdichten sich die Hinweise auf der Basis einer zunehmende Anzahl empirischer Untersuchungen. Eine Garantie scheint es aber dafür nicht zu geben – Aufforderung genug, weiter zu forschen und zu publizieren.

    In seinem ersten Beitrag geht Matthias von Saldern auf den Begriff „Budo" ein. Er definiert ihn, stellt den geistigen Hintergrund heraus und beschreibt die Rolle des Meisters in der Kampfkunst.

    Es folgt ein alter Text von Jigoro Kano, der als Vater des Judo bekannt ist. Als Mitglied des Oberhauses und Leiters der Japanischen Nationalen Olympischen Komitees hatte er einen großen Einfluss.

    Matthias von Saldern setzt sich dann mit kulturellen Hintergründen des japanischen Denkens auseinander, ohne die das Budo nicht zu verstehen ist. Er konzentriert sich dabei auf den Konfuzianismus als eine Quelle kulturellen Denkens.

    Der Beitrag von Günther Bitzer und Human Unterrainer steht stellvertretend für die inzwischen zunehmende Zahl empirischer Untersuchungen. Die Autoren untersuchten bei Karatemenschen Resilienz, Kohärenz sowie das religiös-spirituelle Befinden mit besonderer Beachtung des höheren Lebensalters.

    Ob Kampfkunst gewalttätig macht, dieser Frage nähert sich Matthias von Saldern in einem weiteren Beitrag. Durch die Darstellung einschlägiger Untersuchungen kommt er zum Ergebnis, dass positive Wirkungen, die aber abhängig vom Meister/Trainer und den individuellen Persönlichkeitsmerkmalen des Übenden sind, empirisch festzustellen sind.

    Die Kernthese des Essays von Peter-Ulrich Wendt lautet: Die Aspirationen seitens Jugendförderung in Bezug auf die Möglichkeiten von Kampfkunst als Strategie der Gewaltprävention sind unter- oder überentwickelt. Das Ergebnis seiner Untersuchung stellt überskeptische (Budo stellt eine Verlängerung des Gewaltthemas in die Jugendarbeit hinein), bzw. übereuphorische (Budo ermöglicht eine gänzlich neue Perspektive der Jugendarbeit) Haltungen fest. Ein „realistisches Mittelwegszenario ist selten anzutreffen. Der Autor deutet das Ergebnis in Richtung des Bedürfnisses der in der Jugendförderung Tätigen, nach Orientierung über die Möglichkeiten und Grenzen der „Methode Budo in der Jugendarbeit.

    Das Sound-Karate hat sich bislang ausnahmslos positiv in der Praxis bewährt. Ralf Brünigs Beitrag offeriert neben konzeptionellen Hinweisen auf die vielen erfolgversprechenden erzieherischen Effekte dieses Ansatzes.

    Über seine langjährigen Erfahrungen mit Kampfkunst in der Behindertenpädagogik berichtet Martin von den Benken. Er kommt zum Ergebnis, dass positive Aspekte sowohl im sozialen Lernen als auch in der Neigung zu Gewalttätigkeiten durch den Einsatz von Judo erreicht werden können.

    Es folgt der Beitrag von Olaf Zajonc, der in der offenen Jugendarbeit und Schulen der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover und Umgebung Selbstbehauptungs-Trainings und Kampfkunst-Angebote unterbreitet. Der Autor wirft einen kritisch-realistischen Blick auf das Diskussionsfeld.

    Der Sammelband endet mit einem Beitrag von Matthias von Saldern über den Beginn der Diskussion über den Zusammenhang zwischen Kampfsport und Gewalt.

    Budo – was ist das?

    Matthias von Saldern

    1 Vorbemerkung

    Die Erforschung dessen, was budo eigentlich bedeutet, ist schwer. Dies hat mehrere Ursachen:

    Die Dokumente sind in einer Zeit entstanden, in der nicht das aktuelle Japanisch gesprochen wurde. So werden sie oft vom Altjapanisch in das Neujapanisch übersetzt, von dort aus in das Englische, und dann meist erst in das Deutsche. Direkte Übersetzungen über Bûdô vom Japanischen ins Deutsche gibt es kaum. Übersetzungen ziehen zudem manchmal Fehlinterpretationen nach sich.

    Die Bedeutung eines Wortes ist manchmal im Alltagsjapanisch anders als in der Budô-Sprache, ganz zu schweigen von ursprünglichen chinesischen Bedeutungen.

    Im englisch-, aber auch deutschsprachigen Raum wird nicht selten voneinander abgeschrieben. Fehler werden aber durch Mehrpublikation nicht richtiggestellt.

    Manche Autoren interpretieren Dinge in das Budô, die ursprünglich dort gar nicht waren und ohne zu kennzeichnen, dass es sich um ihre eigene Interpretation handelt. Eine eigene Interpretation ist an sich natürlich zulässig.

    Oft wird die Zeitachse nicht bedacht: Ideen, Gedanken und Ereignisse werden manchmal über Jahrhunderte aggregiert, obwohl zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Gedanken hinzukamen. Dies gilt auch für das Budô.

    Der Japanologe Jörg Möller schreibt (1998) dazu: "Die bislang unzureichende Darstellung der Geschichte der Kampfsportarten Japans ist zu einem großen Teil durch die Quellenlage in Japan selbst bedingt. Zum einen wurden Techniken und Besonderheiten der einzelnen Schulen weitgehend unabhängig von schriftlichen Aufzeichnungen weiter vermittelt, zum anderen hatte fast jede Ryû¹ ihre eigenen Aufzeichnungen, die seit ihrer Gründung sorgsam aufbewahrt wurden. Ein großer Teil dieser alten Schriftrollen wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Zudem sind die meisten erhaltenen Dokumente immer noch in Privatbesitz und werden von den Ryû nur einem kleinen Kreis ausgesuchter Schüler zugänglich gemacht, die bestätigen müssen, Stillschweigen über den Inhalt zu wahren. Besonders streng ist hierbei die Tenshinsho Den Katori Shintô Ryû, in der die Schweigepflicht noch heute mit dem Blut des Schülers bestätigt wird."

    2 Der Begriff Budô

    Im Alltagsgebrauch wird Budô (武道) verstanden als Oberbegriff der ostasiatischen Kampfkünste. Dies ist nicht ganz richtig, weil Budô sich auf die japanischen Kampfkünste bezieht. So gehören z. B. kung fu (china) oder Taek Won Dô (Korea) im engeren Sinne nicht dazu, schon gar nicht andere martial arts wie Kickboxen etc. Unglücklich ist deshalb nach Friday & Humitake (1997, S. 5 und S. 192, Anm. 12) z. B. die Verwendung des Begriffes Martial Arts, weil hier erstens nur die ostasiatischen Kampfformen gemeint seien, wobei keine Differenzierung innerhalb Ostasiens erfasst wird, und der Begriff sogar ausgeweitet wird auf Vollkontakt etc.

    Günstig ist es, vom Begriff selbst auszugehen: Budô setzt sich zusammen aus dô (武) und bu (道). Bu wiederum enthält zwei Ideographen, nämlich Speer (戈) und Stop ( 止; Friday & Humitake, 1997, S. 64), wie in der folgenden Abbildung zu sehen ist.

    Bu bedeutet also: Stoppe den Speer, beende den Konflikt. Friday & Humitake vertreten die Auffassung, dass dieser Zusammenhang der beiden Ideographen in der Geschichte des Kanji (chin./jap. Schriftzeichen) noch nicht nachzuweisen ist. Ihrer Ansicht nach handelt sich es um eine taoistische Interpretation des Kanji. In der altchinesischen Tierknochen-Orakelschrift (14.-1. Jahrhundert v.u.Z.) hieß 止vermutlich „Fuß, was zur heutigen Übersetzung „stehen bleiben gut zu passen scheint. Das chinesische wu kann daher interpretiert werden als Fußsoldat. Die Sinologie selbst geht von einem Bedeutungswandel aus: „das Bild eines nach oben gerichteten Fußes wird heute 止geschrieben und erlangte schließlich Bedeutungen wie „stehenbleiben, „aufhören oder „zum Stillstand bringen".²

    Abbildung 1: Ideographen des Begriffes Budô

    Wann sich der Bedeutungswandel vollzog, ist noch unklar. Vielleicht ist diese Veränderung in der Interpretation parallel gelaufen wie der Wandel des Begriffes Bujutsu zu Budô: Bujutsu ist die reine Technik und wurde zu Budô, als es die Bedeutung einer Entwicklung des Selbst (Selbstrealisierung) bekam (Friday & Humitake, 1997, S. 7 und S. 163).

    3 Geistiger Hintergrund

    Meister Asai (Großmeister im Kendô) hat auf dem Budô-Symposium 1998 in einer Diskussion Folgendes gesagt: „In Europa existieren Fechten und Säbel sowie Bogenschießen, wie überall auf der Welt Werkzeuge vorhanden sind, um Menschen zu töten. Man muss sich aber fragen, warum es in Japan nicht bei der reinen Technik geblieben ist? Auch in Europa muss es verschiedene Künste gegeben haben, die den Kampfkünsten entsprechen."³ Genau dieser Frage soll hier nachgegangen werden.

    Eine erste Analyse lieferte Sonoda (1998). Er geht von der These aus, dass der geistige Gehalt des Budô genährt wurde durch die Anforderungen an den japanischen Ritter, die erst dem Shintoismus, dann dem Zen-Buddhismus und schließlich dem Konfuzianismus entlehnt wurden.

    a. Shintoismus

    „Die Krieger befolgten auch die shintôistische Ethik, deren Kardinaltugend natürlich Loyalität war. Sogar das eigene Leben soll man aufgeben können, um den Herrn zu schützen. Hochachtung gegenüber den Eltern, gegenüber den Vorfahren, gegenüber den Lehrern muss man lernen. Dann die Ehre: seine Ehre, die Ehre der Familie und der Sippe auf Kosten seines Lebens zu wahren, war die schönste Tugend. Was von einem Mononohu, also einem Ritter gefordert wurde, war nicht nur die Tapferkeit im Kampf, sondern diese feudalen Tugenden und die selbstlose Reinheit des Herzens. Schwert und Spiegel, die in jedem Shintôschrein als Heiligtum aufgestellt sind, versinnbildlichen die Tugend der Ritterschaft." (Sonoda, 1998)

    b. Zen

    Sonoda umschreibt den Einfluss des Zen-Buddhismus wie folgt:

    Es muss im Budô so wohl wie im Zen die körperliche und die geistige Haltung in allen Bewegungen eins sein. Sonst wird es bloß eine Technik, höchstens eine Kunst, oder eitles Wissen, nimmer ein Weg. Die ganze Person, der ganze Mensch muss auf dem Weg verwirklicht werden.

    Auf diesen Wegen muss mit einem leeren, offenen Herzen gegangen werden. Durch das Auf-etwas-Zielen und Zugreifen-Wollen wird der Weg versperrt.

    Es gibt hier keine Vorstufe; jeder Schritt muss eine Erfüllung sein. Alles kommt auf das Jetzt und Hier an.

    c. Konfuzianismus

    Yamaga Sokô (1622-85), ein konfuzianistischer Gelehrter dieser Zeit, zählt die vom Bushi geforderten Tugenden wie folgt auf: 1. Loyalität und die Hochachtung gegenüber den Eltern, 2. die Gerechtigkeit und die Redlichkeit, 3. die Ursache und Herkunft der Sache klarzumachen und 4. sich mit Dichtung und Wissenschaft zu beschäftigen. Ein anderer Gelehrter, Daidôji Yûzan (1639-1730) nennt 1. Elternverehrung, 2. die Gerechtigkeit und 3. die Tapferkeit. Tapferkeit wird immer noch als Tugend aufgezählt. „Wir sehen aber, dass diese Tapferkeit nicht mehr die im Kampf, sondern vielmehr die der Sittlichkeit oder die moralische Tapferkeit bedeutet" – so deutet Sonoda den Wandel an: vom Schlachtfeld auf das Feld der allgemeinen Tugenden.

    4 Budô und Politik

    Mit Budô oder auch Bushidô ist allerlei Verklärung miteinander verbunden. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die Tugendkataloge politisch ge-, wenn nicht auch missbraucht wurden. In Deutschland ist z. B. die Zahl der Publikationen über Bushidô im Dritten Reich sprunghaft angestiegen. Japan war Kriegspartner, die alten Tugenden Japans durchaus relevant für den arischen Krieger.

    Aber auch innerhalb Japans wurde Budô/Bushidô überhöht. Hoff (1998) umschreibt diesen Sachverhalt wie folgt: „Die Geschichten über Budô, seien sie nun heroisch oder eher anekdotisch, geben solche Ziele vor und sind nicht frei von politisch gewollten Bestimmungen. Die Heldenlieder des frühen Japans dienten nicht zuletzt der Samurai-Klasse dazu, für sich aber vor allem gegenüber den anderen Ständen ein Bild zu entwickeln, das half die Behauptung zu stützen, der erste Stand im Lande zu sein.

    In der Meiji-Zeit wurde der Kriegerstand gewissermaßen säkularisiert und es bedurfte neuer, zeitentsprechender Argumentationen. Das alte Verhältnis von Samurai und Lehnsherr war politisch unerwünscht. Um den Zuspruch der Bevölkerung für das neu geschaffene allgemeine Heer – immerhin oder nicht zuletzt – ein Machtinstrument pro Meiji-Tenno und gegen die alte Ordnung unter den Tokugawa, wurde der Geist des Bushidô und seine Loyalitätsforderungen nunmehr zu Gunsten des Meiji-Tenno und des großjapanischen Reiches umgedeutet.

    Zur Zeit der Militärdiktatur wurden Gedanken und Praxis des Budô für eine Erziehung der Jugend genutzt um Nationalismus und Kriegsbereitschaft zu stärken, ein Umstand, der bekanntlich zum vorübergehenden Verbot des Budô nach dem Zweiten Weltkrieg führte. In verschiedenen Gesprächen mit alten Budôlehrern über ihr Verständnis als Erzieher und Vorbild in der Zeit vor dem Weltkrieg habe ich leider erfahren, dass auch dieser Personenkreis wohl weniger dem eigenen Sinn als dem Strom der Zeit mit den verordneten Sinngebungen gefolgt ist." Am bekanntesten sind die Wiedererweckungsideen z. B. durch die Kamikaze-Flieger⁴ oder Mishima, dem bekanntesten japanischen Schriftsteller, der die alten Tugendkataloge wieder in Kraft setzen wollte.

    Nun darf man aber durch den Missbrauch sich nicht verleiten lassen, die Auseinandersetzung mit und Fruchtbarmachung durch Budô gänzlich abzulehnen. Dies wäre deshalb ein Fehler, weil jedes Normensystem dem Missbrauch unterliegen kann. Es gilt nach wie vor ernsthaft zu prüfen, was im Westen sinnvoll übernommen oder zumindest modifiziert übertragen werden kann.

    5 Dô – der Weg

    Einer der entscheidenden Wortbestandteile von Budô ist Dô (道). Dô ist der Weg (sinojap.; michi, jap.). Dô ist das zentrale Element des Budô. Bereits Musashi schrieb im Epilog des Buches der Erde: Übe dich unablässig darin, dem Weg zu folgen. Um den richtigen Weg zu finden, musst du suchen so lange du lebst. So steht es im 1. Buch des Hagakure

    In der Heian-Periode (794-1185) wurden Experten als Personen des X-Weges bezeichnet (___no michi no hito; _の道の人). Erst im Mittelalter kam der Bedeutungswandel, genährt von Buddhismus, Taoismus und Konfuzianismus (Friday & Humitake, 1997, S. 16) auf, wie oben geschildert.

    Ursprünglich kommt dô vom chinesischen tao. In Unger (2000) über altchinesische Grundbegriffe heißt es: Das Wort bedeutet ganz konkret Weg. Da jeder Weg zu einem Ziele führt, ist die Bedeutung Weg zu etwas = Methode schon präfiguriert. Die Überhöhung des Begriffs, als Weg schlechthin ergibt bei den Konfuzianern die Vorstellung der Rechte Weg. (...). Somit stehen sich in der Chan-kuoh-Zeit das ethische Tao der Konfuzianer und das metaphysische der Taoisten gegenüber. Diese Kontrastierung ist freilich nur einer jener schrecklichen Vereinfachungen. Auch in konfuzianischen Texten gibt es Belege für ein Tao im Sinne eines absoluten Weltprinzips. Der Weg ist daher sozusagen mehrfach philosophisch abgesichert.

    Kitayama schreibt 1942 dazu: „Den Japanern wird kein Himmel versprochen, auf ihnen ruht nicht die rettende Hand Gottes, ihnen ist nur ein Weg zugesprochen, den sie mühsam suchen und finden und um dessentwillen sie oft wie ein Mönch allem Irdischen entsagen, oft auch wie ein herrenloser Ritter, der trotz Not und Hunger nie seine Ehre aufgibt, mit Tod und Teufel kämpfen."

    Wie ist der Weg nun bei den Kampfkünsten zu finden? Er erschließt sich keineswegs sofort. Man kann sich das als Phasenaufbau vorstellen (Draeger, 1973):

    Man sieht also, dass bis zur Stufe des jutsu, der Technik, Kampfsport und Kampfkunst das Gleiche sind. Der Weg offenbart sich erst nach längerem Üben. Erst dann erschließt sich auch das Hinübergleiten von der reinen Technik zur geistigen Auseinandersetzung. Im Japanischen gibt es zwei Begriffe dafür: vom Äußeren (表,omote) zum Inneren (奥伝,okuden).

    Dies wird auch deutlich bei den Graduierungen (kyu oder dan).

    Auch die untere Schwarzgurtgruppe wird noch differenziert:

    In der oberen Schwarzgurtgruppe ist in manchen Budôarten nicht die schwarze Farbe maßgeblich, sondern manchmal die rote.

    Die geistige Entwicklung ist dabei ein dreistufiger Weg:

    Ein letztes Prinzip, auf das hier hingewiesen werden soll, ist dôkan, der Weg ist ein Kreis. Dies bedeutet, dass man am Ende des Weges dort ist, wo man am Anfang war. Äußeres Kennzeichen dafür ist, dass ein 10. Dan in manchen Budô-Arten wieder einen Weißgurt

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