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Heimatlos: Ein Historiendrama
Heimatlos: Ein Historiendrama
Heimatlos: Ein Historiendrama
Ebook288 pages3 hours

Heimatlos: Ein Historiendrama

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About this ebook

Die Geschichte "Heimatlos" spielt in der Zeit von 1850 - 1864.

Zu jener Zeit lernt Paul, Sohn des Grafen von Dallwitz, als Kind Amelie kennen, die ein einfaches Bauernmädchen ist.
Beide erleben eine wundervolle Kindheit zu jener Zeit und wissen bereits sehr früh, dass sie ihre Verbundenheit niemals offen nach außen tragen können.
Zu sehr ist der strenge Vater, Georg von Dallwitz, unerbittlich in seiner Art zu Paul, der erst sehr spät Selbstständigkeit und Selbstsicherheit entwickeln kann.

Als eines Tages neue Pferde auf dem Gut sattelfest und eingeritten werden sollen, trifft der jugendliche Paul auf "Sturmwind", der fortan zu einem treuen Weggefährten wird.

Der Stallmeister Johann wird ihm ein Lehrmeister im Fechten, Reiten und Schießen. Dieser Mensch übernimmt in den Augen von Paul die Vaterrolle, die ihm immer gefehlt hat.

Als der erwachsene Paul in einem entscheidenden Gespräch mit seinem Vater die Liebe zu Amelie offenbart, trennen sich Vater und Sohn im Streit. Paul verlässt das Gut mit "Sturmwind" und zieht mit Amelie in ein kleines Holzhaus in der Nähe seiner Garnison.

Als Husar tritt Paul Anfang 1860 seinen Militärdienst an und muss auch dort gegen so manchen Unmut ankämpfen.
Das Leben mit Amelie im Holzhaus entwickelt sich zu einer sehr innigen und intensiven Zeit der beiden. Sie heiraten und Annabelle kommt zur Welt. In ihrem Glück kann den beiden das schwere Leben nichts anhaben, denn sie haben sich - nur dies zählt.

Als 1864 der 2. Deutsch-Dänische Krieg ausbricht, entzieht sich Paul dieser Verpflichtung nicht.

Mit dem Herzen eines Vaters und Ehemannes zieht Paul mit Sturmwind in den Krieg und geht seinem Schicksal entgegen.
LanguageDeutsch
Release dateDec 15, 2011
ISBN9783844824841
Heimatlos: Ein Historiendrama
Author

Frank Groppler

Frank Groppler hat das Interesse ans Schreiben bereits mit 14 Jahren bekommen. Schreiben soll nach seiner Meinung unterhalten und das Gelesene im Kopf zu einer Geschichte formen, in der man sich wiederfindet. Wenn es gelingt, für einige Momente den Leser/die Leserin an diese Geschichte zu fesseln, so ist das Ziel erreicht. Weitere Infos zum Buch unter: www.heimatlos.info Als nächste Projekte stehen ein Krimi aus den 90er Jahren und ein Science Fiction fest.

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    Book preview

    Heimatlos - Frank Groppler

    erzählen.....!"

    * * *

    Die Rauchschwaden lichteten sich langsam und gaben das Schlachtfeld frei, auf dem am 18. Juni 1815 bei Waterloo das letzte Gefecht gegen die napoleonischen Truppen geführt wurde.

    Aschfahl und vom Schießpulver beschmutzt stand der 20jährige Georg von Dallwitz da.

    Seine schwarze Uniform war am linken Ärmel aufgerissen. Seine Jacke, mit Knebeln und Schlaufen, die grau hervorstachen, war geschlossen. Die schwarze Mütze, die er trug, ließ ein liegendes Skelett mit Sanduhr und der Aufschrift „Vincere aut mori" (Siegen oder Sterben) erkennen. Seine Uniform wies ihn aus als „Blücher-Husar". In seiner rechten Hand hielt er einen Säbel, in der linken befand sich die preußische Fahne fest in seinem Griff.

    Um ihn herum lagen tote Franzosen, Briten und Preußen. Der Geruch von verbranntem Fleisch lag in der Luft, der einem den Atem stocken ließ.

    Eine zerstörte Kanone stand in seiner Nähe, an der der tote Kanonier halb darauf und halb am Boden lag.

    Wenige Meter von Georg entfernt kroch ein verwundeter Soldat am Boden entlang, dessen Uniform durchtränkt war vom Blut. Ohne zu wissen, wohin er sich bewegen sollte, stoppte er plötzlich und blieb regungslos liegen. Auch diesem Soldaten holte der kalte Hauch des Todes ein, dem viele an diesem Tage ausgeliefert waren.

    Ein Kampf entschied sich zugunsten der Briten und Preußen, die Napoleon endgültig seine Vormachtstellung in Europa zunichte machten. Dem Donner der Kanonen und der Feuerwaffen wich die Totenstille, die durch vereinzelte Schreie Verwunderter durchbrochen wurde.

    Georg blickte über das Schlachtfeld und konnte in einiger Entfernung einen Mann auf einem Pferd erkennen, der von zwei Soldaten, ebenfalls zu Pferde, begleitet wurde.

    Der 72jährige Generalfeldmarschall Blücher näherte sich ihm. Mit seiner schwarzen Uniform und seinem grauen Bart blieb er trotz seines Alters als „General Vorwärts" bei seinen Untergebenen beliebt. Durch seine taktischen Züge, die so manches Mal an seinem zu großen Ehrgeiz und seiner Ungeduld scheiterten, konnte er Wellington beistehen, um den entscheidenden Sieg beizutragen.

    Blücher hielt vor Georg an. Beide sahen sich in die Augen.

    „Was ist mit Ihnen, mein Sohn?" fragte Blücher.

    Georg konnte ihn mit seinen leeren Augen nur ansehen, ohne eine Antwort zu geben. Sein Mund weigerte sich, zu sprechen. Mit all seiner Kraft und Energie hatte er dem Feind entgegengetreten und zum Schluss nur noch sein eigenes Leben verteidigt.

    Ein Adjutant des Generals näherte sich Blücher und sprach: „Dies ist der junge Georg von Dallwitz! Er hat als Erster mit seiner Husaren-Eskadron die Franzosen angegriffen und tapfer unsere Fahne verteidigt, die von den Gegnern uns entrissen wart!" Blücher sah Georg gutmütig und stolz an.

    „Ihr könnt stolz auf Euch sein! Ich werde euch zum Grafen ernennen lassen für euren Kampfesmut."

    Georg drehte sich mit ganzer Front Blücher zu, der nun sehen konnte, dass der junge Mann eine tiefe Einschusswunde am linken Oberschenkel davontrug.

    Mit letzter Kraft steckte Georg seinen Säbel ein und salutierte vor seinem General, der den Gruß erwiderte.

    Die Rauchschwaden wurden vor den Augen von Georg dichter, bis er in eine tiefe Ohnmacht fiel.

    Aus der Ferne konnte er noch vernehmen, wie jemand nach dem Leibarzt rief, danach umhüllte Dunkelheit seinen Geist.

    * * *

    Mit zittrigen Händen legte Georg von Dallwitz seinen alten Säbel zurück an seinen Platz über den Kamin. Es war Sommer im Jahre 1850 und im großen Kaminzimmer seines Gutshauses hingen viele Erinnerungsstücke an sein bisheriges Leben. Ein Gemälde seiner Eltern hing an der Wand direkt in der Nähe des großen Tisches, an dem er immer pflegte, seine Korrespondenzen zu bearbeiten. Das dunkle Holz brach zwar das einflutende Sonnenlicht, schien aber den Mittelpunkt des gesamten Raumes zu bilden.

    Georg war 55 Jahre alt geworden und erhielt kurz nach der Schlacht bei Waterloo den Adelsrang eines Grafen. Das umliegende Land seines Gutshauses bestand aus Weideland für die Aufzucht von Pferden und aus Waldstücken, die ihm für die Holzverarbeitung dienten.

    Seine Kriegsverletzung am linken Bein machte ihm immer noch zu schaffen. An manchen Tagen schmerzte sie so, als ob er immer noch auf jenem Schauplatz verharrte, auf dem er mit der Fahne stand.

    Ein Gehstock, den er sich mit einem Messingbeschlag hatte anfertigen lassen, war sein ständiger Begleiter geworden.

    An einer anderen Wand hing das Gemälde einer Frau, die er über alles geliebt hatte - seine verstorbene Ehefrau Annabelle.

    Ihr Blick war sanft und hätte jeden Mann wohl verzaubern können, doch ihr Herz hatte nur ihm allein gehört, wofür er ihr ewig dankbar blieb.

    Ein lautes Poltern war plötzlich zu hören im Flur.

    Ein kleiner 10jähriger Junge mit dunklen, kurzen Haaren hatte ein Tablett verloren. Eine Glasschale mit Wasser stand darauf, die nun zerbrochen am Boden lag.

    Der Junge versuchte vergeblich, mit seinem weißen Taschentuch das Wasser vom Boden aufzuwischen.

    Bevor er seine Mühe beenden konnte, stand Georg hinter ihm. „Paul! Was hast du gemacht?"

    Der Junge stand erstarrt gerade und drehte sich seinem Vater zu.

    „Ich... ich... wollte...."

    „Nichts wolltest du! Und hör mit dem Stottern auf!"

    Georg erhob die Hand und gab Paul eine Ohrfeige. Der Kopf des Jungen pendelte zur Seite, wandte sich aber seinem Vater wieder zu. Kein Ton kam aus Paul heraus, keine Träne lief ihm herunter.

    „Ab jetzt verhältst du dich ruhig, wenn ich im Kaminzimmer bin! Verstanden?"

    Paul blickte ihn an.

    „Jawohl, Herr Vater!"

    „Nun, geh!"

    Paul drehte sich um und verließ den Flur.

    „Ich wollte nur ein Glas Wasser bringen." flüsterte er mehr zu sich als zu seinem Vater. Die Tränen liefen Paul hinunter, doch er ging langsamen Schrittes den Flur entlang, ohne sich umzublicken.

    Elisabeth Freifrau von Zimmer (geborene von Dallwitz) betrat den Flur. Sie war Georgs Schwester und übernahm nach dem Tod von seiner geliebten Frau die Mutterrolle für Paul.

    Sie hatte die absolute Gabe sich immer zu jeder Gelegenheit passend zu kleiden. Paul war immer fasziniert von seiner Tante, die einer Königin glich und die mit ihren eleganten Gewändern im Gutshaus für so manchen Sonnenschein sorgte.

    Ihr blondes, langes Haar hatte sie wie immer zu einem Zopf gebunden und ihr Blick zog einen traurigen Schleier mit sich.

    „Du bist zu streng zu deinem Sohn!" sprach sie.

    Georg erblickte seine Schwester und wollte zurück ins Kaminzimmer gehen.

    „Das geht dich nichts an!"

    Elisabeth ging einige Schritte auf ihn zu.

    „Doch es geht mich sehr wohl etwas an! Paul kann nichts dafür, dass deine geliebte Frau bei seiner Geburt gestorben ist. Er versucht, dir immer zu gefallen und deinen Respekt zu bekommen. Er ist leider nun mal nicht immer geschickt darin!" Georg sah Elisabeth an. Stumm und regungslos starrten sich beide in die Augen. Elisabeth hoffte, vielleicht würde er endlich sein Verhalten zu seinem Sohn ändern.

    „Er hat Disziplin zu lernen!"

    Mehr sagte Georg nicht und ging zurück ins Kaminzimmer.

    Zurück blieb Elisabeth, deren Hoffnung auf eine Änderung jäh zerstört wurde. Sie blickte enttäuscht zu Boden und schüttelte den Kopf.

    Paul saß in seinem Zimmer auf dem Fußboden und spielte mit Zinnsoldaten. In seiner Umgebung standen ein Bett, ein Schrank und eine Kommode mit einigen Büchern. Im Großen und Ganzen war es ein spärlich eingerichtetes Kinderzimmer, was mehr an eine Militärstube erinnerte.

    Elisabeth kam herein und setzte sich auf einen Stuhl. Sie sah ihren Neffen an.

    „Sag mir Tante! Warum hasst mich mein Vater?"

    „Er hasst dich nicht!" Elisabeth stockte, weil sie überlegen musste, welche Worte sie wählen sollte.

    „Dein Vater hat nur ....... Schwierigkeiten, dir zu zeigen, wie gern er dich hat!"

    Paul sah seine Tante an. Für ihn war sie seine wahre Mutter, die ihm bis heute immer zur Seite stand.

    „Ich hoffe, mein Vater wird mich irgendwann mögen!"

    Paul spielte mit den Figuren weiter, während Elisabeth ihn beobachtete und noch eine Weile bei ihm blieb.

    Draußen um das Gut „Catriona" herum, wie es von der verstorbenen Annabelle von Dallwitz genannt wurde, waren die Bediensteten mit allerlei Arbeiten beschäftigt. Der Sommer war sehr heiß an diesem Tage gewesen, aber jeder vollzog seine Aufgaben mit der Konzentration, die ihm diese Zeit abverlangte.

    Das Gutshaus, erbaut um 1810, beherbergte im Keller die Zimmer der drei Stallburschen und des Hausmädchens. Das eigentliche Alltagsleben spielte sich im Erdgeschoss ab. Nachdem der prunkvolle Eingangsbereich, umrandet mit zwei Marmorsäulen, passiert wurde, kam man hinein in eine große Diele. Hier wurden die Gäste vom Diener Albrecht in Empfang genommen und ihre Garderoben sorgsam im Nebenraum abgelegt.

    Meist betraten diese Gäste zur linken Seite den Salon, in dem sich ein Klavier, einige mit Samtstoffen bespannte Stühle und ein Tisch mit Verzierungen befanden.

    Bei Festlichkeiten wurden hier Gespräche über Politik und Wirtschaft geführt, wobei sich nach kurzer Zeit die Damen in ein anderes Zimmer begaben, um dort den neuesten „Tratsch" beim Sticken von Seidentüchern auszutauschen.

    Die Männer begaben sich ebenfalls in einen separaten Raum, der dunkler und schlichter gestaltet war, in dem Wein vom Diener ausgeschenkt wurde und um die zur damaligen Zeit üblichen Themen des Weltgeschehens zu diskutieren.

    Während so die Herrschaften ihrer Unterhaltung nachgingen, bereiteten der Diener, das Hausmädchen und die Mamsell den Tisch im Esszimmer vor, damit bei Kerzenschein und zu voller Zufriedenheit von Elisabeth und Georg die Gäste speisen konnten.

    Der Austausch und die Gespräche mit anderen Menschen waren die genussvolle Beschäftigung zu jener Zeit. Es wurde geredet, diskutiert, gelacht und in manchen Momenten auch geschwiegen, wenn das Abendgebet gesprochen wurde.

    Eine Toilette befand sich für die Herrschaften ebenfalls im Erdgeschoss, in dem sich eine Art Plumpsklo befand. In einem darunter liegenden Holzkasten war ein Blecheimer mit geruchsbindendem Torf vorhanden.

    Eine Porzellanschüssel und -karaffe mit Wasser standen für den hygienischen Bereich zur Verfügung.

    Georg von Dallwitz pflegte sich meist im Kaminzimmer aufzuhalten, worin er zugleich seinen Arbeitsbereich hatte, um Korrespondenzen mit Geschäftspartnern zu führen.

    Dies war sein „heiliger" Bereich, den nur Elisabeth, der Diener Albrecht und ab und an auch Paul betreten durfte.

    Niemand seiner Gäste hatte je diesen Raum betreten dürfen, da er nach seinen Wünschen eingerichtet war.

    Die Erinnerungen an seine Militärkarriere und an seine geliebte Frau Annabelle befanden sich dort. Eine Art Refugium für die Andacht an längst Vergangenem.

    Wenn man die Treppe von der Diele hinaufging, lagen dort die Schlafräume von Georg, Elisabeth und Paul.

    Der Diener und die Mamsell Wilhelmine hatten in den äußeren Ecken ihre Zimmer.

    Die Mamsell war eine resolute Frau und gab der Dienerschaft zusammen mit Albrecht die Anweisungen, um den Ablauf auf dem Gut unter Aufsicht zu halten. Mit ihren dunklen Haaren, die sie zu einem Dutt nach oben gebunden trug, hielt sie die Abläufe fest, den Kontakt zu Elisabeth und zu den Hausangestellten aufrecht.

    Die erste Ansprechperson in Bezug auf Festlichkeiten und Essen war sie gewesen und dieses nahm Wilhelmine sehr ernst.

    Wenn sie ihre Augenbrauen nach oben zog, wussten die anderen stets, dass es besser blieb, in diesem Moment zu schweigen, als Widerworte zu geben.

    Jeder kannte eben die Eigenarten des anderen.

    Durch die im Obergeschoss gelegenen Schlafräume konnte Georg selbst zu ungewöhnlichen Zeiten den Diener herbeirufen.

    Es war eben ein Beruf, der keine festen Zeiten kannte. Ebenso waren Arbeitsverträge oder Gewerkschaften unbekannt. Die Arbeit von Hausangestellten war zu jener Zeit die einzige Möglichkeit der Armut oder der Tätigkeit in einem Bergwerk zu entgehen.

    Den Freiraum der Dienerschaft bewahrten diese sich im Keller, wo sich neben der Küche auch deren Speisestube befand.

    An manchen Tagen im Sommer wurde kurzerhand draußen am langen, kargen Holztisch gegessen.

    Um sich waschen oder baden zu können, hatte die Dienerschaft im Keller eine Gelegenheit dafür. In Blechwannen wurde zuvor Wasser auf dem Kohleofen erhitzt. Einmal die Woche war dieser so genannte Badetag, in dem sich das warme Wasser mehrere teilten.

    Die Herrschaft konnte im prunkvollen Badezimmer im Obergeschoss in den Genuss von einem heißen Wannenbad gelangen.

    Wenn sich dieser Tag näherte, war es für das Hausmädchen und den Diener immer Schwerstarbeit die Blecheimer mit heißem Wasser vom Keller bis ins Obergeschoss zu tragen. Dabei durfte es nie passieren, dass ein gefüllter Eimer umkippte. Dieses Dilemma wäre unvorstellbar gewesen und war bis heute nie geschehen.

    Es blieben anstrengende Aufgaben, die tagtäglich erfüllt werden mussten, aber trotzdem lebte man zu dieser Zeit glücklich und zufrieden.

    Die menschliche Wärme und das Miteinander, welche den Lebensrhythmus bestimmten, standen im Vordergrund.

    Wenn das Gutshaus durch den Eingang nach draußen verlassen wurde, lagen zur linken Seite die Pferdestallungen.

    In einem angrenzenden Raum hatte es sich der Stallmeister Johann gemütlich eingerichtet. Durch seine selbige Vergangenheit mit Georg von Dallwitz hatte er einen besonderen Status und durfte ein großes Zimmer mit einem kleinen Ofen sein eigen nennen.

    Die Nähe zu den Pferden bedeutete ihm sehr viel.

    Die begeisterte Annabelle von Dallwitz war eine Pferdenärrin gewesen und darum gab sich Johann bis heute sehr viel Mühe mit der Pflege und Aufzucht dieser Tiere.

    Als Kutscher des Grafen oblag es ihm, dafür Sorge zu tragen, für das Fortbewegungsmittel „Pferd" zuständig zu sein.

    Außerdem gab ihm die verstorbene Gemahlin des Grafen kurz vor ihrem Tode auf dem Wege, sich immer fürsorglich um die Pferde zu kümmern.

    Diesen Wunsch trug Johann in sich und sah es als Berufung an, dieser Folge zu leisten.

    Im Ganzen zählte die Zucht 15 Pferde, welche jedes für sich einen eigenen Charakter offenbarte.

    Wenn die Nacht hereinbrach, kehrte Stille ein, und ein arbeitsreicher Tag neigte sich dem Ende. Bis der Morgen einen Neubeginn ankündigte, um den Rhythmus erneut einkehren zu lassen.

    Trotz aller Widrigkeiten waren diese Menschen froh und glücklich, denn sie konnten sich auf andere verlassen und standen in Notzeiten zusammen.

    Das Gut schien wie eine Insel zu sein, auf der ein Leben geordnet ablief, ohne große technische Errungenschaften, die erst sehr viel später einkehren sollten.

    In den letzten beiden Jahren war es sehr stürmisch gewesen für das Land und die Leute. Der Geist der Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche von 1848 schien fast schon entschwunden, aber ließ sich in den Köpfen derer nicht entzweien, die an die Grundrechte glaubten, die damals verkündet wurden.

    Es blieb leider nur ein kurzer Traum von Demokratie, der im Lande herrschte. Nachdem der preußische Feldzug gegen die Dänen ein jähes Ende fand und als Schleswig bald Dänemark zufallen sollte, wurden die Enttäuschungen dazu benutzt, die Nationalversammlung aufzulösen und ein revidiertes Verfassungssystem für Preußen zu schaffen.

    Die Macht lag wieder beim König, das Volk konnte nicht mehr in geheimen und allgemeinen Wahlen Einfluss auf die Politik nehmen.

    Die Chance Deutschland zu vereinigen, verstrich ungenutzt, stattdessen blieb es beim Deutschen Bund, der aus 39 Bundesstaaten bestand (1 Kaiserreich, 5 Königreiche, 1 Kurfürstentum, 7 Großherzogtümer, 10 Herzogtümer, 11 Fürstentümer und 4 freie Städte).

    Jeder Herrscher seines Bundesstaates konnte so die Geschicke in eigener Verantwortung bestimmen. Eine Gemeinsamkeit war nicht erkennbar und sollte noch auf sich warten.

    König Friedrich Wilhelm IV. war König von Preußen und gab unmissverständlich zu erkennen, dass er mit den demokratischen Kräften und freien Ideen nichts zu tun haben wollte.

    Nach dem 25. Juli 1850 verlor die Unabhängigkeitsbewegung der Schleswig-Holsteiner ihren Fortgang im Gefecht bei Idstedt. Der Krieg mit Dänemark um die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg entschied sich gegen eine Abspaltung vom Königreich.

    Müde und mit den Kräften am Ende kehrte so mancher Soldat zu jener Zeit in seine Heimat zurück.

    Das Land um Gut „Catriona" bekam von diesen geschichtlichen Ereignissen fast nichts mit.

    Selbst als die dänische Reglementierung im Lande wieder einkehrte, änderte sich nicht sehr viel. An derselben Poststelle konnte der Stallmeister Johann die Korrespondenzen dreimal die Woche abholen. Die örtliche Zeitung schrieb weiterhin ihre wirtschaftlichen und öffentlichen Ereignisse auf, die von den Menschen interessiert gelesen wurden.

    Es herrschte auch die Zeit großer Komponisten wie Wagner, Brahms, Schumann, Verdi und Liszt. Ihre Musik und Opern ließen die Menschen jenseits des Alltags in eine Welt hinabgleiten, wo Akteure ein Schauspiel aufführten.

    Die Mode war geprägt von Zylinder, Gehrock und Frack bei den Männern, während die Damen sich in Korsetts zwängten und dazu hellfarbige Reifröcke mit Dekollete und große flache Hüte mit Samtbändern trugen. Das Repräsentieren des jeweiligen Standes übernahmen zumeist die Frauen, die in ihren Gewändern mehr Farbe und viel Pracht ins Leben hineinbrachten.

    Im Herzogtum Lauenburg konnte Georg von Dallwitz seine Rechte als Graf in vollen Zügen ausschöpfen. Abseits gelegen fuhr er höchst selten in die nächstgelegene Ortschaft, sondern überließ diese Aufgabe seinen Bediensteten. Georg von Dallwitz’ angrenzende Forste erwirtschafteten gute Holzerträge, sein Gestüt hatte bei seinen Geschäftspartnern ein sehr hohes Ansehen.

    Alles um ihn herum schien in vollendeter Harmonie seinen Gang zu nehmen, obwohl es tief in seinem Herzen dunkel und verbittert aussah.

    Entlang einiger Weiden und Kornfelder lagen vereinzelte Bauernhöfe, die mehr schlecht als recht um ihr Überleben kämpfen mussten. Das wenige Land, welches sie bewirtschaften durften, genügte gerade, die Familie zu ernähren und etwas Geld mit der Ernte zu verdienen.

    In einem dieser Bauernhöfe, angrenzend an die Ländereien von Gut „Catriona", lebte die Familie Zedler.

    Ein einfaches Bauernvolk, was bereits in dritter Generation hier sesshaft war. Im mit Reet bedeckten Haus machte sich gerade die 9jährige Amelie daran, das Mittagessen auf den Tisch zu stellen. Ein großer Topf mit gebratenen Kartoffeln und etwas Speck hob sie vom Herd hoch und trug ihn zum großen, alten Holztisch. Der Topf war fast so groß wie ihr Oberkörper, aber, etwas taumelnd, schaffte die Kleine es, ihn sicher auf den Tisch zu stellen.

    Vier Holzlöffel legte sie an jeder Ecke des Tisches bereit.

    Während sie zurück zum Herd ging, kamen ihr Vater, ihre Mutter und ihr drei Jahre älterer Bruder herein. Ihre Gesichter waren mit dunklem Erdstaub bedeckt und ihre Hände beschmutzt von der Arbeit auf den Feldern.

    „Endlich! Mittagessen!" rief der Bruder.

    Amelie setzte sich auf einen der Holzstühle, wie die anderen drei es auch taten. Bevor sie begannen zu essen, falteten alle vier ihre Hände und senkten den Kopf. Ein kurzes Gebet, kaum hörbar, wurde vom Vater gesprochen. Sodann ergriff jeder einen Holzlöffel und begann aus dem Topf zu essen.

    Während Amelie ihre Eltern und ihren Bruder ansah, hörte sie nur, wie über die Ernte und die heutige Arbeit gesprochen wurde.

    Ihr schwarzes, langes Haar hatte Amelies Mutter ihr heute Morgen zu einem Zopf gebunden. Ihre blauen Kinderäuglein blickten ihre Familie an, für die sie bereits mit vier Jahren die Verantwortung des Haushaltes übernommen hatte, weil ihre Mutter auf den Feldern mitarbeiten musste, um das Überleben zu gewährleisten.

    Sie waren Leute, die ein einfaches, aber schweres Leben führten.

    Amelie sah ihren Bruder und ihre Eltern mit ihren kleinen Äuglein an. Dies war ihre Familie, sie war als Bauernmädchen geboren worden und würde vermutlich als Bauersfrau sterben.

    Alltag und ein Schicksal, wie es ihr vorgegeben schien - doch, hätte sie damals geahnt, welch wundersame Wege sie noch beschreiten würde, sie hätte es für ein Märchen gehalten.

    Die Kühe meldeten sich und gaben Laute von sich, um gemolken zu werden.

    Ein Tagesrhythmus vollzog sich, der zwar immer wiederkehrende Arbeiten bedeutete, trotzdem das Leben der Familie Zedler bestimmte.

    Georg ging mit seinem Gehstock über sein Anwesen.

    Auf sandigem Boden schritt er entlang an den Ställen, wo er seine Pferdezucht betrieb. Diese Tiere bedeuteten Mobilität und Erhabenheit, die in manch reinrassigen Hengsten und Stuten wiederzuerkennen waren.

    Er betrat

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