Handbuch: Mah-Jongg: Das chinesische Mah-Jongg-Spiel - Klassische Regeln, Internationale Wettkampfregeln
By Uwe Martens
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Das »Handbuch: Mah-Jongg« bietet Anfängern eine verständliche Einführung in dieses Spiel und ist zugleich ein umfassendes Standardwerk für erfahrene Spieler. Mit zahlreichen Abbildungen, Übungsbeispielen und Hilfen für die Spielpraxis beschreibt es ausführlich die klassische chinesische Spielweise Außerdem sind hier erstmals auch die chinesischen Wettkampfregeln aus dem Jahr 1998 in deutscher Sprache veröffentlicht. Diese Regeln, mit denen Mah-Jongg in China offiziell als Sportart anerkannt wurde, dienen seit einigen Jahren als verbindlicher Standard für internationale Turniere.
Uwe Martens
Uwe Martens, geboren 1959 in Varel, lebt mit seiner Familie in Edewecht in der Nähe von Oldenburg. Er arbeitet als Diakon in der evangelischen Kirche. Seit den 1980er Jahren spielt er Mah-Jongg. Seine Begeisterung für dieses chinesische Spiel hat ihn dazu gebracht, sich intensiv mit dessen Geschichte und Spielregeln zu beschäftigen und das „Handbuch: Mah-Jongg“ zu veröffentlichen. Uwe Martens ist Mitbegründer und Präsident der Deutschen Mah-Jongg Liga (DMJL) e.V.
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Handbuch - Uwe Martens
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VORWORT
»MAH-JONGG IST DAS GROSSARTIGSTE SPIEL DER MENSCHHEIT«
Mah-Jongg kommt aus der ostasiatischen Kulturwelt und hat seinen Ursprung in China, wurde aber zu Beginn der 1920er Jahre in den Westen gebracht und löste einen Boom in Europa und in den USA aus. Ich bin froh zu hören, dass der Geist dieser Spielkultur in Deutschland ungebrochen überliefert ist, und ich kann mich des Gefühls der Erhabenheit des Mah-Jongg-Spiels nicht erwehren.
[ 1] Kyoichiro Noguchi ist Direktor des Japan Mahjong Organizing Committee und Generaldirektor des Mahjong Museums in Chiba
Mah-Jongg hat eine eintausendjährige Geschichte, wenn man es bis zu seiner Urform als Würfel- und Kartenspiel zurückverfolgt. Unterschiedliche Entwicklungen und Verbesserungen sind in der langen Zeit dazugekommen, und was als deren umfassendes Ergebnis vor 150 Jahren geboren wurde, ist das heutige Mah-Jongg, das als das großartigste Spiel der Menschheit bezeichnet werden kann.
Dem Mah-Jongg-Spiel wird nachgesagt, es spiegele das Leben des Menschen wieder. Da gibt es Freude und Zorn, Visionen, Gestaltungen, Erfüllung und Niedergang in dem Spiel und durch das Spiel. Nicht allein das Denk- und Entscheidungsvermögen, sondern auch ästhetisches Empfinden und Sensibilität werden im Mah-Jongg-Spiel nachdrücklich unter Beweis gestellt. Weil es die Fähigkeit zu flexiblem Handeln fordert, haben sich Schulen und Kommunen in Japan das Mah-Jongg-Spiel in der Absicht zu Eigen gemacht, auf diese Weise die Intelligenz junger Menschen zu entwickeln oder der Senilität betagter Menschen vorzubeugen.
Im Oktober 2002 veranstaltete das »Japan Mahjong Organizing Committee (IMOC)« in Tokyo die Mah-Jongg-Weltmeisterschaft, unter gemeinsamer Schirmherrschaft mit der »Mahjong Sports Association in China« der Stadt Ningbo, dem Geburtsort des modernen Mah-Jongg-Spiels. 100 Spieler aus vielen Ländern der Welt nahmen daran teil. Dies war die erste offizielle internationale Meisterschaft, bei der die offizielle internationale Mah-Jongg-Regel galt, die 1998 von der Staatlichen Sportkommission Chinas eingeführt worden war, und als ein Ergebnis dieses Events sind nun Spieler in allen Ländern bemüht, Mah-Jongg-Organisationen zu gründen. Als Organisator dieses Wettkampfes bin ich sehr erfreut zu hören, dass bereits in vielen Ländern Mah-Jongg-Vereinigungen entstanden sind.
Mah-Jongg ist das weltumfassende Spiel, das gemeinschaftlich gespielt werden kann – jenseits aller Grenzen von Rassen und Nationen. Ich hoffe von Herzen, dass viele Menschen dieses von dem internationalen Mah-Jongg-Forscher Uwe Martens verfasste und herausgegebene Buch lesen mögen und dass auf diese Weise viele ausgezeichnete internationale Mah-Jongg-Spieler geboren werden.
Kyoichiro Noguchi
Direktor des »Japan Mahjong Organizing Committee (JMOC)«
Generaldirektor des »Japan Mahjong Museum«
MAH-JONGG LERNEN –
EINE GEBRAUCHSANWEISUNG
Die Spielregeln wirken auf den ersten Blick komplex und verwirrend. Keine Sorge: Sie sind auch für Anfängerinnen schon nach kurzer Zeit beherrschbar! In der »Kurzfassung der klassischen Regel« 144] können Sie sich einen Eindruck vom gesamten Spielablauf verschaffen. Gehen Sie anschließend schrittweise vor und versuchen Sie nicht, die ganze Regel auf einmal zu erlernen!
Learning by doing! Nehmen Sie sich zusätzlich zum Buch auch ein Spiel zur Hand, wenn Sie sich mit den Regeln vertraut machen. Lernen Sie durch Ausprobieren, indem Sie die Spielbilder mit den Ziegeln nachlegen und Spielzüge nachspielen!
Lesen Sie zunächst das Kapitel »Das Spielmaterial« 27] und machen Sie sich auf diese Weise mit den Ziegeln und den sonstigen Spielutensilien vertraut, insbesondere, wenn Sie ein chinesisches Mah-Jongg-Spiel ohne Ziffern und Buchstaben benutzen.
Zum Mah-Jongg gehören einige Rituale, insbesondere zu Beginn des Spiels. Lesen Sie sich dazu das Kapitel »Die Spielvorbereitung« durch 47]. Auf die komplizierte Art der Platzwahl können Sie am Anfang noch verzichten; aber der Bau und der Durchbruch der Mauer sowie die Verteilung der Ziegel sind für das Spielen notwendig. Probieren Sie diese Regelungen auch einfach aus!
Nun folgt das eigentliche Spiel, das im Kapitel »Der Spielverlauf« 62] beschrieben ist. Machen Sie sich mit dem Grundablauf und mit den Spielfiguren vertraut. Danach können Sie mit dem ersten Spiel beginnen! Legen Sie die Ziegel Ihrer Hand offen vor sich hin und beraten Sie sich mit ihren Mitspielerinnen über die nächsten Spielzüge. Wenn Sie nach einigen Spielen etwas sicherer geworden sind, versuchen Sie, mit verdeckten Ziegeln zu spielen!
Verzichten Sie bei den ersten Spielen noch auf die Punktwertung! Siegerin ist einfach diejenige, die Mah-Jongg gerufen hat. Für den Anfang reicht das völlig aus!
Wenn der Spielverlauf flüssiger geworden ist, nehmen Sie sich beim nächsten Spieltermin das Kapitel »Die Wertung« vor 158] möglichst für jede Mitspielerin bereitlegen.
Extra-Tipp: Spielend »chinesisch« lernen!
Bei Mah-Jongg-Arbeitsgemeinschaften in Schulen spielen wir mit den Ziegeln des Mah-Jongg-Spiels am Anfang eine Art »Memory«: Der Reihe nach werden alle verdeckten Ziegel umgedreht, und wer die Spielsteine richtig benennen kann, darf sie aufnehmen. Es gewinnt natürlich die Spielerin mit den meisten Ziegeln. So lernen auch Grundschülerinnen schnell, chinesische Schriftzeichen zu erkennen – und können sich beim anschließenden Spielen ganz auf die Mah-Jongg-Regeln konzentrieren
87– 92] in Ihre Wertung ein!
Nun können Sie »richtig« Mah- Jongg spielen! Nach und nach können Sie sich jetzt mit den Regeln für fortgeschrittene Spielerinnen 163] vertraut machen.
Sie finden in diesem Buch neben der Wertungsübersicht noch weitere Materialien, die Ihnen beim Spielen helfen können 198] sowie die Querverweise im Text sollen das gezielte Nachschlagen in diesem Regelwerk erleichtern.
Gerade für den Anfang gilt: Haben Sie Mut zur Lücke! Natürlich werden Sie zu Beginn gegen Regeln verstoßen, Dinge übersehen oder falsch anwenden – so ist es allen Mah-Jongg-Spielerinnen und Spielern ergangen! Und: Nie werden Sie das Spiel perfekt beherrschen – denn insbesondere für Mah-Jongg gilt die alte chinesische Weisheit:
Wir sind ewig Lernende auf dem Weg zur Vollkommenheit!
[ 2] Mah-Jongg-Spiel aus Bein und Bambus von J.P. Babcock, ca. 1923.
EINLEITUNG
Der Faszination des Mah-Jongg-Spiels kann sich kaum jemand entziehen. Das kunstvoll verarbeitete und sehr ästhetische Spielmaterial, die mitunter streng anmutenden und doch reizvollen Rituale des Spiels, die komplexen, aber durchaus leicht zu bewältigenden Regeln, die unendlich scheinenden Möglichkeiten unterschiedlicher Spielverläufe, schließlich die Erkenntnis, ewig Lernende auf dem Weg zur Vollkommenheit zu bleiben – all diese Eigenschaften ziehen Spielerinnen und Spieler in den Bann und eröffnen Zugänge zu einer fremden Welt.
WAS IST MAH-JONGG?
Mah-Jongg ist ein chinesisches Gesellschaftspiel, das normalerweise von vier Personen gespielt wird. Beim Mah-Jongg-Spiel kommt es gleichermaßen auf Glück und Können, auf Zufall und Strategie an.
Aus 144 Spielsteinen, sogenannten Ziegeln, die (ähnlich einem Kartenspiel) verschiedene Motive tragen, müssen die Spielerinnen durch das Aufnehmen und Ablegen von Ziegeln verschiedene Spielfiguren zu einem Spielbild zusammenstellen. Die Spielerin, die als erste aus 14 Ziegeln ein komplettes Spielbild erstellt, hat damit eine »Mah-Jongg-Hand« und beendet das Spiel: Sie »ruft Mah-Jongg«.
Der jeweilige Wert der erreichten Spielfiguren aller Spielerinnen wird ermittelt und in Form von Punkten untereinander verrechnet. Dabei erreicht nicht zwingend die Spielerin die höche Punktzahl, die eine Mah-Jongg-Hand hat.
Eine Mah-Jongg-Partie umfasst mehrere Spiele. Siegerin einer Partie ist die Spielerin, die nach der kompletten Partie die meisten Punkte erzielt hat.
Für die Erstellung von Spielbildern, für den eigentlichen Spielablauf, auch für die Vorbereitung des Spiels sind besondere Regeln zu beachten, die in diesem Buch ausführlich beschrieben werden.
Mah-Jongg gibt es auch als Kartenspiel. Seit einigen Jahren ist Mah-Jongg zudem als Computerversion erhältlich, häufig aber als Solitärspiel, das mit der hier beschriebenen Form nichts gemein hat.
DER NAME »MAH-JONGG«
Der offizielle chinesische Name des Spiels ist »májiàng«. Es ist aber auch unter der Bezeichung »máquè« bekannt. Das Schriftzeichen »má« bedeutet Hanf oder Flachs, »máquè« bedeutet Spatz, Sperling oder einfach kleiner Vogel. Das Spiel soll zu diesem Namen gekommen sein, weil die Geräusche beim Mischen und Ablegen der Ziegel während des Spielens an das Gezeter von Spatzen erinnern und an Hanfpflanzen, die im Wind wehen. Und genau darum soll auch auf dem Bambus-1-Ziegel ein Vogel abgebildet sein 3].
[ 3] Die Bambus-1 in unterschiedlichen Spielen
Das Spiel hat in Deutschland viele weitere, wohlklingende Namen – angelehnt an chinesische Bezeichnungen: Spiel der vier Winde, Spiel der vier Himmelsrichtungen, Spiel der tausend Wunder oder Hanfsperlingsspiel.
Den Namen »Mah-Jongg« erhielt das Spiel von dem Amerikaner Joseph P. Babcock, der es in den 1920er Jahren in den USA vermarkten wollte und dafür einen griffigen Namen benötigte. Mah-Jongg ist eigentlich eine Transkription des Namens »máquè«, ergänzt um ein doppeltes »g« am Ende, das dem Spiel eine besondere Note verleihen sollte. Da Babcock sich diesen Namen patentieren ließ, waren konkurrierende Händler und Autoren gezwungen, auch andere Bezeichnungen zu benutzen: Mahjong, Mah-Jong, Majong, Ma-Jung, Ma-Cheuk, Ma-Chiao, Mah Chang, Pung Chow – um nur einige zu nennen.
In Deutschland hat sich der Name »Mah-Jongg« bis heute gehalten, darum wird er auch in diesem Buch für das Spiel benutzt, als Übersetzung für die beiden chinesischen Schreibweisen »májiàng« und »máquè« (letztere ist übrigens besonders in Japan üblich). Die korrekte Aussprache lautet »ma-dschang«, doch ist in Deutschland üblicherweise von »ma-jong« die Rede – mit einem »J« wie in »Junge«.
EIN BLICK IN DIE GESCHICHTE
Die einzigartige Vollkommenheit und die in ihm liegende Philosophie haben manche Autorinnen und Autoren dazu verleitet, diesem Spiel eine besondere Tradition anzudichten. So soll bereits der chinesische Philosoph Kungfutse vor 2.500 Jahren Mah-Jongg gespielt haben. Vor viertausend Jahren, so heißt es, war es unter Prinzen, Literaten und Aristokraten der chinesischen Gesellschaft verbreitet – während es dem einfachen Volk sogar bei Todesstrafe verboten war. Aber für all diese Legenden gibt es keinerlei Beweise. Schriftliche Zeugnisse aus frühen Jahrhunderten oder sogar historische Mah-Jongg-Spiele wurden in China nie entdeckt.
Gleichwohl hat das Mah-Jongg-Spiel alte Wurzeln. Es gehört zur Familie der Kartenspiele – obwohl die Spielsteine eher an Domino erinnern. Insbesondere das Kartenspiel »Ma-Tiao« gilt als sein Vorläufer, aber es gibt auch zahlreiche Anklänge an andere alte chinesische Spiele. Das eigentliche Mah-Jongg-Spiel entstand wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, möglicherweise um 1880 in der chinesischen Stadt Ningbo. Seine vollkommene Form erhielt es wohl erst um 1920, kurz bevor ein weltweiter Mah-Jongg-Boom begann.
Bis zum Ende der Kaiserzeit war das Spiel auch in China nicht sehr verbreitet. Mit den gesellschaftlichen Umbrüchen zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde es aber sehr schnell in ganz China bekannt und entwickelte sich zum Nationalspiel, das überall und zu jeder Zeit gespielt wurde. So gibt es Berichte von Reisenden, die sich darüber beklagten, dass sie nachts in den Hotels in Shanghai keinen Schlaf fanden, weil der Lärm der Ziegel mischenden und ablegenden Mah-Jongg-Spieler so laut in die Hotelzimmer drang.
Und so lernten auch Ausländer, die sich in China aufhielten, das Spiel kennen: Amerikanische Kaufleute, belgische Eisenbahnbauer oder in Peking internierte Deutsche spielten Mah-Jongg, brachten das Spiel aber wahrscheinlich noch nicht in großer Zahl mit nach Amerika oder Europa. Dies mag vor allem daran gelegen haben, dass zu dieser Zeit keine Spiele mit Ziffern und Buchstaben hergestellt wurden und die chinesischen Schriftzeichen für Nicht-Asiaten offenbar nicht so leicht zu erlernen waren. Aber selbst