Fränkische Leuchte: Erzählte Geschichte der Veste Heldburg
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About this ebook
Inge Grohmann wohnt in unmittelbarer Nähe der Veste Heldburg. Seit ihrer Kindheit ist sie fasziniert von diesem Bergschloss und war dort auch ein Jahrzehnt als Schlossverwalterin tätig. Diese Ausgabe ist eine Neufassung des Bestsellers „Märchenschloss“ (2000).
Inge Grohmann
Inge Grohmann, geboren 1942, lebt in der Kreuzmühle bei Heldburg, in der sie geboren wurde und aufgewachsen ist. Ihr Vater war der letzte Müller in der Kreuzmühle. Die Autorin ist bekannt durch zahlreiche Veröffentlichungen zur regionalen Geschichte und des Brauchtums in ihrer südthüringischen Heimat. Bücher: „Märchenschloss“ – Lesebuch zur Geschichte der Veste Heldburg 2000, Veste Heldburg – Kleiner Kunstführer, 1994, Mitautorin diverser Bücher/Kataloge/Publikationen.
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Book preview
Fränkische Leuchte - Inge Grohmann
Inhalt
In alter Zeit
Vor Jahr und Tag
Wie Hochzeiten ausgehandelt wurden
Der Fehde-Brief
Kurfürstlicher Besuch
Der geheime Auftrag
Die Fränkische Leuchte
Pfingstbier
Im neuen Stil des Bauens
Die spektakuläre Prinzengeburt auf der Veste Heldburg im Jahre 1563
Heiratspläne mit politischem Hintergrund
Bezahlte Heiratsvermittlung
Schicksalsfrage des Herzogs und des Ritters Wilhelm von Grumbach
Das Hoflager auf der Veste Heldburg
Ein Goldschatz bei Sundhausen
Der Engelseher nennt den Geburtstermin
Paradies in Hellingen?
Der schwere Weg der Herzogin
Herzog Johann Casimir und die Veste Heldburg
Der Fürstenbrunnen
Tanzen mit zugedeckter Scham
Das Schicksal der Herzogin Anna im Schatten der Fürstenhochzeit 1599
Der meuchlerische Raubmord
Der Herzog und der Theologus
Schreie des Schmerzes hinter den Mauern
Worin die Hexerei gesehen wurde
»Gütliche Frag« und »Scharfe Frag«
Kein Geständnis – was nun?
Das schlimme Jahr 1628
Die widerspenstigen Ummerstadter
Frauen mit Rüstung und Spieß
Im Dreißigjährigen Krieg
Aus dem Bericht des Amtschossers Andreas Götz an Herzog Johann Casimir im Jahre 1632
Aus dem Brief der Herren Georg Gienlein und Conrad Knauer, Bürger von Heldburg, an den HerrnWildmeister Anton Wilhelm und an HerrnLorentz Büttner im Jahr 1634
Über seine Erlebnisse im Jahr 1635 berichtet auch der spätere Schulrektor von Heldburg, Georg Reinmann
Vernachlässigt, vergessen und verfallen
Drei adlige Fräulein von Heldburg
Das Testament als Vaterschaftsgeständnis
Die Bechmann-Linde
Augenzeugen des Verfalls
Neue Hoffnung
Georg II. von Sachsen – Meiningen und sein Märchenschloss Veste Heldburg
Der Stammhalter
Erziehung nach modernen Auffassungen
Studium in Bonn und Leipzig
Der Ernst des Lebens
Geistvoll und schön soll sie sein
Reisen und Kunstbetrachtungen zur Bewältigung der Trauer
Die große Wende
Die unstandesgemäße Hochzeit unter dem Druck der Ereignisse
Erinnerung nach 47 Jahren
Ein neuer Freundeskreis
Faszination eines Bergschlosses
Die Beräumung des verschütteten Tiefbrunnens
Stiltreue und Materialechtheit
Das französische Königsschloss Blois als Vorbild
Den Kaiser ausgeladen
25 jähriges Regierungsjubiläum
Die Freifraukemenate
Das Hintertürchen im Testament
Der Heilige Georg in der Drachentöterszene an der Giebelwand
Das Heldburger Märchenschloss nach den Eindrücken von Neuschwanstein
Der Hauptturm der Veste schief?
Aus den Testamenten Georgs II. von Sachsen-Meiningen
Anekdoten, Briefe und Erinnerungen
Die Verwechslung
Das Telegramm
Genug Ochsen im Herzogtum
Aus den Erinnerungen des Zimmermeisters Carl Wachenschwanz
Das Patengeschenk
Zum Diner bei der Freifrau
Brief der Freifrau an den früheren Erzieher Georgs II., Moritz Seebeck
Aus Briefen von Rudolf Baumbach an dessen Mutter vom gemeinsamen Ferienaufenthalt mit dem Herzogspaar in der Berghütte auf der Saletalp
Aus dem Brief der Freifrau an Helene Jachmann
Aus den Erinnerungen von Cornelius Jetses, dem Malergehilfen von Arthur Fitger
Briefe Georgs II. im hohen Alter an die Freifrau von Heldburg
Aus Briefen der Freifrau an die befreundete Malerin Eugenie Stötzer
Brief der Freifrau von Heldburg vom 1.7.1915 (ein Jahr nach dem Tod des Herzogs)
Aus dem Brief der Freifrau von Heldburg an Frau Sophie von Seebeck, Schwiegertochter des Erziehers Georgs II.
Aus dem Brief der Freifrau an Hofbaurat Karl Behlert, 28.8.1920
Aus dem Brief an Else von Hase, Freundin der Freifrau
Telegramm aus Meiningen an Else von Hase
Aus den Erinnerungen von Karl Uhlig, ehemaligem Hofschauspieler in Meiningen
Aus den Erinnerungen von Heinrich Rupprecht, ehemaligem Hofschauspieler in Meiningen
Aus den Erinnerungen der Hofschauspielerin Amanda Lindner
Die Veste Heldburg nach der Abdankung des Sachsen-Meininger Fürstenhauses
Im Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse
Blick in die Zukunft
Zeittafel zur Geschichte der Veste Heldburg
Anmerkungen
Quellen und Literatur
Abbildungsnachweis
(1) Veste Heldburg, »Fränkische Leuchte« genannt, Luftaufnahme von Süden
In alter Zeit
Vor Jahr und Tag
Wie mag es vor 80 Millionen Jahren tief im Erdinneren rumort haben, als glühende Lavamassen nach oben drängten? Raue Wetter haben im Verlauf mehrerer Jahrhunderte das Ihrige getan, um das Erdreich von der hoch aufragenden Erhebung so weit abzutragen, bis das nackte Eruptivgestein sichtbar wurde.
Hier bot sich ein vortrefflicher Platz für eine Warte mit ausgezeichneter Fernsicht an! Feindliche Gefahr wäre schon von Weitem zu erkennen!
Davon mögen jene Vorfahren ausgegangen sein, die sich bereits in der älteren Eisenzeit (etwa 800 – 600 v.u.Z.) auf diesem Bergkegel angesiedelt hatten. Sie haben Spuren ihrer Existenz hinterlassen, wie zum Beispiel Tonscherben oder Brandschichten im Erdreich, die nun bei jüngeren archäologischen Grabungen gefunden wurden.
Schon im Jahre 837 schenkte der Gaugraf Asis dem Kloster Fulda Grundstücke, und in der Urkunde wird dabei der Name Villa Helidberga (838 Elidburg) genannt. Es ist die erste urkundliche Erwähnung des 1394 zur Stadt erhobenen Ortes Heldburg am Fuße der Burg.
Wer waren die ersten Bewohner auf der 403 m hohen Bergkuppe?
Es wird angenommen, dass die alte Warte im Besitz des Geschlechtes der Wildberger war und von diesen an die Grafen von Henneberg kam. Zwar deuten archäologische Funde auf eine bewohnte Anlage im 13. Jahrhundert hin, sichere Beweismittel in Form von Urkunden konnten jedoch bisher nicht aufgefunden werden.
Die Grafen von Henneberg hatten mit der Ausweitung ihres Machtbereichs und der Begründung der »Neuen Herrschaft« in der Mitte des 13. Jahrhunderts die Residenz vom nahe gelegenen Straufhain nach Coburg verlegt. Um so wichtiger war nun die Bedeutung der Veste Heldburg als vorgelagerte Bastion gegen das Bistum Würzburg geworden. Im Jahre 1317 wird sie als »Castrum« bezeichnet und als Amts- und Gerichtssitz der Henneberger geführt. Die Verwaltung eines beachtlichen Amts, der Schutz der herrschaftlichen Besitzungen und der sie umgebenden Grenzen sowie die Gewährleistung von Recht und Ordnung beschäftigten eine Burgmannschaft von mitunter mehr als 20 Personen.
(02) Gedeckter Gang unter dem Französischen Bau (Südflügel)
Im Jahr 2007 sind Bauarbeiter bei Schachtungsarbeiten auf einen gedeckten Gang gestoßen. Er durchquert das Felsmassiv auf der Südseite der Burg in dem Bereich, wo sich die Außenmauern des Französischen Baues erheben. Man könnte diesen Gang cirka zwanzig Meter lang aufrecht gehend durchschreiten bis zu jener Stelle, wo er verschüttet bzw. durch Mauwerk versperrt ist.
Welche Sicherheitsbedürfnisse hatte er zu erfüllen? Jahrelange schwerste Fron an dem harten Gestein wird wohl für diesen Unterschlupf oder Fluchtweg notwendig gewesen sein, von dessen ursprünglichem Ausmaß wir nichts Genaueres wissen. Nunmehr stehen Archäologen, Historiker und Burgenforscher vor einer neuen, spannenden Aufgabe. Wie mag die mittelalterliche Schutzburg ausgesehen haben?
Das heutige Erscheinungsbild hingegen ist das Ergebnis von Erweiterungs- und Ausbauarbeiten mehrerer Jahrhunderte, das aus den Funktionen im Verlaufe der gesellschaftlichen Entwicklung und den Ansprüchen der jeweiligen Herrschaft resultiert. Das Bild der alten Festung ist dabei längst gravierend verändert worden.
Eine sicheres Versteck
Welch schreckliche Vorstellung ist es doch, wenn kleinen wehrlosen, unschuldigen Kindern Unheil droht, nur weil die Väter sich in grausamen Schlachten um Besitz und Macht erbittert bekämpfen!
Entsetzlich ist der Gedanke, dass jene, die für die Nachfolge eines Herrscherhauses bestimmt sind, schon im zarten Kindesalter in ein heimliches Versteck gebracht werden müssen, um vor Entführung oder gar Mord sicher zu sein! Musste man fürchten, dass das eigene Kind verschleppt, zur Geisel genommen und zur räuberischen Erpressung missbraucht würde?
In dem historischen Roman »Friedrich der Freidige« erfahren wir eine solche Geschichte:
Elisabeth von Arnshaugk fühlt sich zutiefst beunruhigt, als sie in zweiter Ehe mit dem Thüringer Landgrafen Albrecht dem Entarteten aus dem Hause Wettin (1240-1315) verheiratet wird. Kaum 30 Jahre war sie alt, als ihr erster Mann verstarb und sie mit ihrem sechsjährigen Töchterchen, das den gleichen Namen wie die Mutter trug, zurückließ. Das Mädchen ist ihr Ein und Alles. Wie würde sie nun der Stiefvater aufnehmen, von dem so viele Grausamkeiten bekannt geworden waren, dass ihm der Beiname »der Unartige oder der Entartete« zugesprochen wurde? Es wird das Beste sein, das Kind an einem geschützten Ort zu wissen.
Heimlich bringt die Landgräfin im Jahre 1290 die kleine Elisabeth von der Wartburg in langem Ritt auf die Veste Heldburg in die Obhut einer Vertrauten, die sich des Kindes annehmen soll, solange es notwendig ist.
Für Landgraf Albrecht den Entarteten ist es die dritte Ehe. Die Kinder der beiden vorherigen sind bereits erwachsen. Doch wie unversöhnlich sind sie alle gegeneinander! Besitzstreitigkeiten und Machtansprüche sind die Gründe für scheinbar endlos währende Kriege und Auseinandersetzungen in jener Zeit, so dass sich sogar der Kaiser wie auch die deutschen Könige einmischen. Erbitterte Kämpfe führt Albrechts Sohn Friedrich der Freidige aus erster Ehe, und oftmals sieht er den Vater auf der Seite seiner Feinde. Nicht nur um Besitz und Macht streiten sie, nein, Friedrich der Freidige hat seinem Vater nie verzeihen können, was er der Mutter Margarethe angetan hat. Wie konnte er nur so verbrecherisch gegen sie vorgehen, war sie doch eine Tochter Kaiser Friedrich Barbarossas!
Schon lange hatte er sie mit einer anderen Frau betrogen. Diese plante, den Platz an seiner Seite einzunehmen und seine Kinder zu verdrängen, damit ihr Sohn, des Landgrafen Bastard, als Nachfolger eingesetzt würde.
In heimtückischer Manier befahl Landgraf Albrecht der Entartete einem der Knechte, sein Eheweib Margarethe im Schlafe meuchlings zu erdolchen. Doch heimliche Warnung ermöglichte ihr die Flucht. Ehe sie in gebotener Eile die Wartburg für immer verließ, nahm sie Abschied von ihren schlafenden Kindern, die sie in inniger Liebe herzte und küsste. In ihrer Verzweiflung biss sie dabei Friedrich (dem Freidigen) versehendlich in die Wange. Mit der für immer sichtbar gebliebenen Narbe sollte er sein Leben lang »der Gebissene« genannt werden.
Im Verlaufe der fortwährenden Kriege büßte Friedrich der Gebissene (1257 – 1323) Ehre und Besitz ein. Die Acht wurde über ihn ausgesprochen. Niemand durfte ihm bei Verlust des eigenen Lebens und Lehens Herberge oder Schutz bieten.
Aber das war es nicht, was ihm die größte Sorge bereitete. Es ging um das Wohl und die Sicherheit seines einzigen Söhnchens, bei dessen Geburt sein geliebtes Eheweib gestorben war.
Auf die Veste Heldburg will er es bringen. Die Henneberger scheinen ihm gewogen, wenngleich deren Tochter Jutta jüngst mit ihrer Heirat diesen Besitz ins Brandenburgische gebracht hat. Niemand wird das Versteck des Kleinen erfahren.
Er nimmt den zweijährigen Knaben auf den Schoß, hüllt seinen Mantel um ihn und drückt ihn fest an seinen wärmenden Körper. Sie müssen sehr lange reiten. Doch der Geächtete gönnt sich kaum eine Rast. Immer und überall ist mit Häschern zu rechnen. Kein Wunder,