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Die bipolare Störung: Ein Ratgeber aus Angehörigensicht
Die bipolare Störung: Ein Ratgeber aus Angehörigensicht
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Ebook214 pages1 hour

Die bipolare Störung: Ein Ratgeber aus Angehörigensicht

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About this ebook

Sie haben ein Familienmitglied, das an einer bipolaren Störung erkrankt ist und möchten gerne helfen? Oder Sie sind selbst erkrankt und möchten sich unabhängig vom Arzt informieren?

Der Autor hat seine langjährigen Erfahrungen im Umgang mit dieser schwierigen Krankheit in dieser Broschüre zusammengefasst. Er informiert aus Angehörigensicht mit kritischem Blick verständlich und übersichtlich über die Vielzahl der aktuellen Behandlungsalternativen, aber auch über einige therapeutische Randgebiete wie Therapieresistenz, Nebenwirkungen, Rapid Cycling, Schilddrüsen-Unterfunktion und neuere Substanzen.
Dem Autor gelingt es, obwohl Nichtmediziner, ärztliches Fachwissen so darzustellen, dass der Leser relativ schnell die erforderlichen Grundkenntnisse erwerben kann, um selbst die Krankheit besser verstehen und Angehörigen besser helfen zu können.

Einige Tabellen, Übersichten und ein alphabetisches Begriffsverzeichnis erleichtern das Verständnis.
LanguageDeutsch
Release dateOct 16, 2014
ISBN9783735733597
Die bipolare Störung: Ein Ratgeber aus Angehörigensicht

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    Book preview

    Die bipolare Störung - Rolf Wenzel

    benutzt.

    1. Anlass und Ziel der Abhandlung

    Die medizinische Fachliteratur zum Thema »Bipolare Störung« füllt Bibliotheken. Die Autoren richten sich meist an die eigenen Kollegen, gelegentlich auch – besser verständlich – an Patienten und deren Angehörige. Daneben gibt es – im kleineren Umfang – Erkrankte und Angehörige, die ihr Wissen über verschiedene Medien weitergeben, ebenfalls mit dem Ziel, anderen zu helfen. Der dritte, sog. trialogische Ansatz wiederum hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Austausch zwischen Therapeuten, Patienten und Angehörigen zu fördern, maßgeblich unterstützt durch die DGBS (1). Diese Organisation bemüht sich mit ihrer Angehörigenvertretung auch intensiv um die Verbesserung der Situation auf dem Gebiet der psychiatrischen Versorgung in der BRD (182). Einen Lageplan der derzeitig in einem Netzwerk zusammengeschlossen bipolaren Versorgungszentren (Kliniken) in der BRD enthält die Quelle (170). Auch das Forum Bipolar in Österreich betätigt sich auf diesem Gebiet und bietet eine vergleichbare Fülle an Informationen (2).

    Die vorliegende Abhandlung versucht, aus Sicht eines Nichtmediziners und Vaters einer an bipolarer Störung erkrankten Tochter, seine in vielen Jahren auf medizinischem Gebiet gesammelten Erfahrungen weiterzugeben und die medizinische Fachliteratur mit ihrer verwirrenden Zahl an Therapievorschlägen so zusammenzufassen, zu vereinfachen und darzustellen, dass auch Laien sie verstehen und nicht die Lust am Lesen verlieren. Ausflüge in medizinische »Hoheitsgebiete« sind dabei die Regel; sie werden aber durch zahlreiche Quellenangaben als solche gekennzeichnet und, wo erforderlich, aus Sicht des Verfassers (in kursiver Schrift) erläutert.

    Einige therapeutische Randgebiete und Problembereiche wie Therapieresistenz, Schilddrüsen-Unterfunktion, Rapid Cycling, Neben- und Wechselwirkungen werden ausführlicher behandelt. Es wurde Wert darauf gelegt, möglichst aktuelle Quellen auszuwerten.

    Die Abhandlung dient reinen Informationszwecken und ersetzt auf keinen Fall den Besuch beim Arzt! Die den Medikamenten zugeschriebenen Wirkungen wurden nach bestem Wissen aus einschlägigen Veröffentlichungen ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Gewähr ermittelt. Persönliche Empfehlungen wurden nach Möglichkeit vermieden. Empfohlen wird nur, was auch in der Fachliteratur und von den Experten empfohlen wird. Dort, wo es angebracht ist, werden Widersprüche und Mängel genannt und kritisch kommentiert (in kursiv, soweit es sich um die Meinung des Verfassers handelt). Da die Urteile auf diesem Gebiet auch unter Fachleuten stark schwanken und zudem von individuellen Faktoren abhängen, können alle Bewertungen nur als grobe Anhaltspunkte dienen.

    Nicht oder nur am Rande behandelt werden in der Abhandlung – obwohl sie wichtig sind – organisatorische Fragen, wie Versorgungsstrukturen, Einführung einer gesetzlichen Betreuung, Anerkennung als Schwerbehinderter, Probleme am Arbeitsplatz, Zwangbehandlung, Erwerbsunfähigkeitsrente und die häufig gravierenden Probleme innerhalb der Familie. Gleiches gilt für Themen wie Heilungschancen, Psychotherapie, Psychoedukation und medizinische Randgebiete. All dies würde den Rahmen der Abhandlung sprengen.

    Bei einigen Therapien bestehen Vorbehalte, weil Nebenwirkungen befürchtet werden – häufig zu Unrecht, wie im Kapitel 5 erläutert wird. Eine gewisse Rolle spielen bei den Vorbehalten auch die Kosten, da sie nicht immer von den Krankenkassen übernommen werden.

    Medizinische Texte wurden nach Möglichkeit in einer auch für Laien verständliche Sprache wiedergegeben. Fachbegriffe werden in einem kleinen Lexikon im Anhang 1 erläutert. Mit der Liste der Medikamente im Anhang 2 wird den Angehörigen und Betroffenen die Möglichkeit geboten, Dosierung und Wirkung ärztlich verordneter Medikamente besser zu verstehen und einzuordnen.

    2. Die Behandlung der bipolaren Störung

    2.1 Die Rolle des Arztes

    Für den Erfolg einer Behandlung ist vor deren Beginn zunächst die Wahl des Arztes – oder besser – des richtigen ärztlichen Fachbereichs von Bedeutung, also die Entscheidung, ob ein Allgemeinmediziner (meist der Hausarzt) oder ein Facharzt (meist ein Psychiater) die Behandlung übernimmt. Es wäre wünschenswert, wenn die richtigen Weichen bereits in diesem frühen Stadium gestellt würden.

    Bei einem erstmaligen, akuten Krankheitsgeschehen hat in den meisten Fällen der Hausarzt eine Schlüsselfunktion. Er klärt die Vorgeschichte, macht in der Regel ein Blutbild (unter anderem Schilddrüsenwerte), stellt die erste Diagnose und beginnt mit der Behandlung.

    Ist der Zustand des Patienten kritisch oder bestehen Zweifel hinsichtlich der Diagnose und/oder der Behandlung, wird ein verantwortungsvoller Hausarzt den Patienten in aller Regel an einen Facharzt oder gleich in eine Fachklinik überweisen. Sollte dagegen eine Behandlung schon länger andauern, stellt sich das Problem Hausarzt/Facharzt nicht. Hier wird meist bereits der Facharzt tätig sein. Für die Behandlung beim Facharzt sprechen noch weitere Gründe:

    Es besteht das schon angedeutete Problem der vielen Behandlungsalternativen: Es gibt – in Wirkstoffen/Substanzen gerechnet und nur auf die BS bezogen – rund 30 verschiedene Antidepressiva, knapp 20 Neuroleptika (hauptsächlich atN), etwa acht Phasenprophylaktika (im weiteren Sinne), etliche »Off-label«-Präparate und eine Reihe weiterer Verfahren (EKT, WT, LT, Psychotherapien usw.), die teils allein, teils in unterschiedlichen Kombinationen eingesetzt werden.

    Der Behandlungserfolg ist nicht nur abhängig von der richtigen Diagnose und Medikation, sondern auch von der Schwere des Krankheitsbildes, dem individuellen Ansprechen auf die Medikation und einer Reihe weiterer Faktoren. Diese Komplexität legt eine Behandlung durch einen erfahrenen Facharzt nahe. Sie wird in vielen Fällen darin bestehen, die verschiedenen Therapien nacheinander zu testen. Ein leider zeitraubendes und mühseliges Unterfangen, das voraussetzt, dass der Betroffene genügend Einsicht, Willen und Disziplin aufbringt, um sich im eigenen Interesse diesen Mühen zu stellen. Gerade hieran scheitern häufig noch so gut gemeinte Vorschläge.

    Der Behandlungserfolg steht und fällt mit der richtigen (Erst-)Diagnose. Dabei muss der Arzt unbedingt zwischen den verschiedenen Verlaufsformen der BS unterscheiden (3) (4).

    Die Gründe für das schlechte Abschneiden liegen nicht nur in der Vielfalt der sich ähnelnden Krankheitsbilder. Etliche Störfaktoren, die eine korrekte Diagnose erschweren, kommen hinzu. Außer in Notfällen sollten diese Störfaktoren möglichst vor Beginn der eigentlichen Therapie beseitigt werden (siehe Kapitel 2.4).

    2.2 Die Rolle der Angehörigen

    Viele bipolar Erkrankte und deren Angehörige fragen sich – häufig erst nach einer langen Zeit voller Enttäuschungen und Rückschlägen – was ist in der Vergangenheit falsch gelaufen? Liegen die Ursachen beim Patienten oder beim behandelnden Arzt? Oft rücken die Ärzte ins Zentrum der Kritik, dabei sind es häufig die Betroffenen selbst oder deren Angehörige, die sich, wenn auch aus verständlichen Gründen, nicht richtig verhalten haben oder es auch nicht konnten.

    Leider lassen sich Maßnahmen, die dem Patienten viel Mühe und Geduld abverlangen, nur schwer durchsetzen. Bedauerlicherweise will oder kann sich ein depressiver oder manischer Patient seinem Arzt gegenüber nicht immer angemessen verhalten und äußern, weil ihm krankheitsbedingt Einsicht und Antrieb fehlen. So stehen beim Patienten in manischen Phasen häufig andere Interessen im Vordergrund. In depressiven Phasen wäre das Interesse an einer Besserung der Situation wohl vorhanden, aber dann mangelt es am Schwung, etwas zu unternehmen. Oder aber es werden in der manischen Phase Anstrengungen unternommen, die in der depressiven Phase wieder einschlafen.

    In dieser Situation fällt im Verhältnis Arzt-Patient-Angehöriger dem Angehörigen eine wichtige, aber auch zugleich schwierige Aufgabe zu.

    a) Wichtig ist seine Rolle vor allem deshalb, weil

    der Patient in einer Verfassung sein kann, die die Hilfe eines Familienmitglieds erfordert (zum Beispiel, um den Kontakt zum Arzt oder zu einer Klinik herzustellen),

    oft nur der Angehörige den jeweiligen Zustand des Erkrankten zutreffend schildern kann und

    der Angehörige häufig am besten Bescheid weiß, welche Vor- oder Begleiterkrankungen und familiären Vorbelastungen bestehen.

    Die S3-Leitlinien und andere Experten empfehlen daher ausdrücklich, Angehörige frühzeitig in die Therapie einzubeziehen (5a–d) (183). Das ist in der BRD leider immer noch zu wenig der Fall. So bietet höchstens jede 50. psychiatrische Klinik im deutschen Sprachraum eine Angehörigengruppe oder eine sonstige Unterstützung für die Familien. Dabei ist wissenschaftlich längst erwiesen, dass auf diese Weise sowohl den Angehörigen als auch den Patienten selbst geholfen wird und deren Risiko, wieder in einer Klinik zu landen, um 20% reduziert werden könnte (6).

    b) Schwierig wird die Rolle des Angehörigen immer dann, wenn der Erkrankte erwachsen ist und der Angehörige (oder eine andere Vertrauensperson) weder über eine notariell beglaubigte (General-)Vollmacht verfügt, noch durch ein gesetzliches Betreuungsverhältnis für diesen Bereich bevollmächtigt ist.

    Anmerkung: In der Regel liegen bei Krankheitsbeginn derartige Vollmachten oder Betreuungsverhältnisse nicht vor. Die Einrichtung kann einige Zeit dauern (außer in Notfällen) und es ist auch etwas umständlich, sie zu erhalten. So kann die Betreuung erst dann eingerichtet werden, wenn für die erforderliche richterliche Genehmigung gewisse Bedingungen erfüllt sind. Hierauf kann im Rahmen der Abhandlung nicht näher eingegangen werden. Es gibt aber bei den Amtsgerichten ausführliche Broschüren zum Betreuungsrecht und Rechtsanwälte, die sich auf diesem Gebiet spezialisiert haben (7).

    Neben der fehlenden rechtlichen Grundlage (Vollmacht) machen viele Ärzte geltend, dass sie durch Zeitmangel, durch die ihnen auferlegte Schweigepflicht und ein möglichst ungestörtes Vertrauensverhältnis zum Patienten daran gehindert werden, mit den Angehörigen zusammenzuarbeiten. Diese Einwände sind nicht von der Hand zu weisen und unterstreichen die Bedeutung einer gesetzlichen Betreuung oder Vollmacht.

    Bereitet deren Beschaffung Probleme, kann es hilfreich sein, nicht den direkten Kontakt zum Arzt zu suchen, sondern – soweit das möglich ist – den Weg über den Erkrankten zu wählen. Außerdem ist Geduld gefragt: Das Behandlungsspektrum ist bei dieser Krankheit breit gefächert und dessen Umsetzung erfordert manchmal mehr Zeit als ein Außenstehender akzeptieren möchte.

    Gelingt es einem Angehörigen nach einigen Mühen eingebunden zu werden, so sollte er dem Arzt gegenüber mit Bedacht und Zurückhaltung vorgehen, seine Mitarbeit und Hilfe anbieten und möglichst informiert auftreten (135). Es wäre daher sinnvoll, wenn Angehörige über einige medizinische Grundkenntnisse verfügten.

    Das Gleiche gilt auch für das Verhältnis zwischen Angehörigen und Erkrankten, da dieser oft – vor allem in Krisenzeiten – auf die Hilfe seiner Umgebung angewiesen ist (auch wenn er sie nicht immer in Anspruch nehmen will oder kann). In beiden Fällen ist Geduld und Einfühlungsvermögen gefragt. Auf den Kranken Druck auszuüben und etwa zu fordern, mehr selbst zu unternehmen, bleibt meist erfolglos und kann den familiären Frieden stören. Verkehrt wäre es aber auch, sich anschließend vom Erkrankten abzuwenden. Der Angehörige sollte unbedingt weiter behutsam versuchen, eine bestehende vertrauensvolle und positive Atmosphäre zu erhalten.

    Im Folgenden soll daher versucht werden, einige dieser Grundkenntnisse aus

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