Salutogenese: Wie die Medialität die Kohärenz zerfrisst!: Interdisziplinäre Psychosomatik: Medialität und Trauprädisposition aus Sicht der Medien- und Sozialpsychologie
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Angesichts dieser Entwicklungen fällt es leicht Antonovskys Intension zu folgen. Offensichtlich korrumpiert die Medialität einen maßgeblichen Faktor, der in der Lage wäre ,zu verhindern, dass sich Spannungen in Belastung verwandeln – das Kohärenzgefühl! Wir sind immer weniger in der Lage, die Anforderungen, die eine veränderte Arbeitswelt und zerfallende Familienstrukturen an uns stellen, zu bewältigen. Wie es scheint haben wir einen Punkt erreicht, ab dem ein zu großes Maß an anhaltendem oder wiederholtem Stress zusammen mit körperlichen Schwächen eine Gesundheitsgefährdung bedeutet. Vor diesem Hintergrund wird deutlich: Niemand ist vor einer Traumatisierung sicher, da es vermutlich für jeden Menschen Ereignisse und Situationen gibt, die entweder aufgrund ihrer Schwere, Konstellation oder ihrer Unvereinbarkeit mit dem menschlichem Selbstverständnis traumatisierend wirken. Stellt sich die Frage: Wie kommt es dazu?
In diesem kleinen Aufsatz möchte ich aus Sicht meiner Disziplinen und vor dem Hintergrund persönlicher Erfahrungen im Rettungsdienst, in der Krisenintervention und in der psychosozialen Beratung verdeutlichen, wie eine zur Medialität transformierte Realität das Kohärenzgefühl zerfrisst und somit Traumata begünstigt. Darüber hinaus möchte ich ein medienunterstütztes Präventions- und Therapiemodell zur Diskussion stellen, dass in einer aus der Kohärenz geratenen Welt traumaanfälligen Biografien Kohärenzgefühl stiftet.
Christian Dorn
Prof. (FH). Dr. Dipl. Soz.-Päd. Christian R. Dorn, Jg.‘68. Der ehemalige bay. Polizist lehrt und forscht als promovierter Psychologe und diplomierter Sozialpädagoge seit 16 Jahren an der Fachhochschule Vorarlberg mit den Schwerpunkten Gesundheit, Drogen und Sucht. Seit 13 Jahren begleitet er Cannabispatienten und Menschen mit Suchtproblemen in eigener Praxis. (www.denkprozesse.net)
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Salutogenese - Christian Dorn
Leseempfehlung
1. Einleitung
Beginnend vor ungefähr 30 Jahren führten die Neuen Medien (NM)...
Neue Medien (NM): NM definiere ich als auf ein breites Rezipientenspektrum ausgerichtete Vermittler von Inhalten, deren Übertragungs- und Speichermodi (mehrheitlich) auf digitalen Datenformaten basieren. Für die Herleitung dieser Definitionen siehe Dorn 2015.
...einen Paradigmenwechsel herbei, der in seiner aktuellen Ausprägung das soziopolitische Wirkungsgefüge ebenso wie die Bewusstseins- und Handlungsstrukturen...
Bewusstsein: Wörterbuch zur Psychologie (2000). „Der Begriff wird in zwei aufeinander Bedeutungen verwendet. (1) Bewusstsein als Zustand des Zentral-Nerven-Systems, der dem deutlichen Erkennen, klaren Denken und geordneten Verhalten zugrunde liegt. (2) Bewusstsein als Inbegriff von Prozessen der subjektiven Erfahrung des eigenen Erlebens, der Erlebnisweise in Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsepisoden, der Richtungsnahme des Erlebens im Bedürfnis-, Interessen- und Erwartungsbezug, des Klarheitsgrades, mit dem sich Erfahrungsinhalte zeigen, sowie der im Gegenstands- oder Denkzusammenhang erlebten Gewissheit, selbst der/die Erfahrende zu sein".
Handlung: Wörterbuch zur Psychologie (2000). „Auf die Erreichung eines Ziels gerichtete, relativ abgehobene, zeitlich und logisch strukturierte koordinierte Bewegungsabfolgen, welche bewusst kontrolliert ausgeführt werden, um eine Veränderung in der Umwelt oder aber der bestehenden (psychologischen) Situation herbeizuführen. Handlung unterscheidet sich von Verhalten durch seinen bewussten Bezug zu Zielvorstellungen, dem Bedürfnis nach Zielerreichung, durch das begleitende Abwägen von Erwartungen in Bezug auf die Entscheidungsmöglichkeiten und ihre Konsequenzen, durch die gedankliche Vorwegnahme bestimmter Handlungsschritte (Pläne) und die fortlaufende Einbeziehung von Rückmeldungen vor der Entscheidung über die folgenden Schritte."
...der Menschen tief greifend beeinflusst¹. Auslöser hierfür ist die Medialisierung² ...
Medialisierung: Sie stellt die aktive Dimension der Medialität dar, der man sich (theoretisch) bis zu dem Punkt entziehen kann, an dem die Verbreitung einer neuen Technologie (Handy, E-Mail usw.) einen kritischen Punkt überschreitet. Für die Herleitung dieser Definitionen siehe Dorn 2015.
mit ihrer massenhaften Verbreitung NM wie z.B. dem Personal Computer, der weltweiten Vernetzung durch das Internet, der Kommerzialisierung des Fernsehens und der Digitalisierung der Kommunikationsoptionen. Diese medialen Transformationspotentiale haben – mit Ausnahme der technologischen Transformation an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert – einen gesellschaftlichen Wandel eingeleitet und forciert, dessen Vollzugsgeschwindigkeit, Bandbreite und Reichweite in der Geschichte der Menschheit bislang ohne Beispiel ist³. Im Gegensatz zur Industrialisierung verdinglicht sich dieser Wandel aber nicht in der Gegenständlichkeit des Alltags, sondern er vergegenwärtigt sich in transformierten Bewusstseins- und Handlungsstrukturen der Menschen. Kinder und Jugendliche werden aufgrund der noch starken Plastizität ihrer Psychophysiologie und der fehlenden Vergleichbarkeit mit einer Welt gegenständlicher Werte in besonderem Maße von diesem Wandel geprägt⁴.
Diese zur Medialität⁵ ...
Medialität: Das durch Medialisierung und mediale Durchdringung determinierte Sozialisations- und Lebensumfeld. Für die Herleitung dieser Definitionen siehe Dorn 2015 und 2004.
...transformierte Welt ist determiniert von zunehmend reduzierter Kohärenz. Die Grundhaltung eines zusammenhängenden und sinnvollen Selbst-, Lebens- und Weltverständnisses wird unterlaufen durch den schleichenden Verlust
der Verstehbarkeit sozio-kultureller Bezüge, bedingt durch eine Korruption des Wertesystems und eine von der Ökonomie legitimierten Doppelmoral,
der Handhabbarkeit beziehungsweise der Bewältigbarkeit der Anforderungen aufgrund einer Beschleunigung unseres immer komplexeren Lebens-, und Arbeitsumfeldes,
der Sinnhaftigkeit und Bedeutsamkeit durch grenzenlose Multiplikation, beliebige Manipulation und unreflektierten Konsum(-zwang).
Konkret erfahren wir eine Überforderung, die dazu führt, dass Stress unser Erleben (Psyche und Physis) beeinflusst⁶. Unsere Wahrnehmung, unsere Einstellung, unsere individuelle Wertevorstellung sowie unsere Kooperations- und Konfliktmuster verändern sich (mediale Durchdringung...
Mediale Durchdringung: Die Wirkung digital manipulierter Kommunikate sowohl auf die individuellen Bewusstseins- und Handlungsstrukturen als auch auf das gesellschaftliche (soziale) Wirkungsgefüge. Abhängig vom Grad der (absoluten und relativen) Medialisierung ist diese Wirkung unausweichlich (passive Dimension der Medialität). Für die Herleitung dieser Definitionen siehe Dorn 2015
Verstärkt wird die Wirkung einer solch inkohärenten Kultur durch ihre Rückbezüglich- und Unmittelbarkeit. Sie korrumpiert die physiologischen Systeme der Stressverarbeitung und damit den Regelkreis der Sozialisationsprozesse (in der Familie, in der Schule, am Arbeitsplatz). Hieraus resultieren dramatische Folgen für den Erwerb angemessener Einstellungen sowohl uns selbst als auch anderen gegenüber sowie Verhaltensweisen im Umgang mit Peers und Sozialisationsagenten⁷. Die Wirkungen sind multidimensional und reichen, basierend auf den stereotyp argumentierten, scheinbaren ökonomischen Notwendigkeiten der Konsumgesellschaft⁸, über neue Formen der Arbeitsorganisation⁹ bis hinein in private und familiäre Bezüge¹⁰¹¹
Dass diese Entwicklung auch vor dem Sozial- und Rettungswesen nicht halt macht, zeigt