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Geschichtenrad: Kurzgeschichten
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Ebook92 pages1 hour

Geschichtenrad: Kurzgeschichten

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About this ebook

Wie beim Dreh am Rad, bleibt das "Geschichtenrad" mitten im Leben stehen, widersprüchlich und verschiedenartig, geradeso, wie kein Mensch dem anderen gleicht.

Kurze Geschichten für den Strand oder für Tage im Krankenhaus, für die ruhige Minute oder einfach so zwischendurch.
Mit einer Drehung am Geschichtenrad befindet sich der Leser/die Leserin mittendrin im chaotischen Umzug, amüsiert sich mit einer eifersüchtigen Henne, oder entflieht mit den sibirischen Hühnern in die Sonne. Die Morgenröte geht im Osten auf und eine Schwabenkätzin schnurrt mit einem Berliner Kater um Zwetschenkuchen und Kehrwoche.
Zuweilen gibt es scheinbar keinen Ausweg, oder die Nebelgeister schweben über dem Bodensee. Das Internet saugt einen Jugendlichen in gefährliche Abgründe und die unglückliche Urlauberin findet über Strandgut zum Paradies. Mit dem Fesselballon schweben über den bizarren Landschaften in Kappadokien, bevor zuletzt eine abenteuerliche Zeitreise mit einem magischen Wanderfalken startet.
Gespannt?
LanguageDeutsch
Release dateAug 7, 2015
ISBN9783739293646
Geschichtenrad: Kurzgeschichten
Author

Helga R. Müller

Helga R. Müller wurde 1955 in Thüringen/Vorarlberg geboren. Sie lebt allerdings seit Jahrzehnten in Deutschland, nahe dem Bodensee. Die Industriekauffrau war bis zu ihrem Rentenbeginn in einem Verlagshaus im Kundenservice tätig. Seit 2003 verwandelt sie mit Begeisterung Worte in Geschichten unterschiedlichster Art. Neben dem Lesen und Schreiben gilt ihre Leidenschaft der Ahnenforschung, verbunden mit einem ausgeprägten Interesse an Geschichte und Reisen. Sie ist Mitglied bei der Literarischen Vereinigung Signatur Tettnang e.V. und im Selfpublisher-Verband. Veröffentlichungen: 2014 Geschichtenrad - Kurzgeschichtensammlung 2019 Herz der lila Distel - romantischer Reiseroman 2023 Zadak, der magische Wanderfalke - fantasievolles Jugendbuch

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    Book preview

    Geschichtenrad - Helga R. Müller

    Zadak

    Geschichtenrad

    Ja wo ist sie jetzt nur wieder? Die Geschichte, die wie ein Blitz durch die Gedanken schoss, während ich anderweitig beschäftigt war. Ich wollte sie aufschreiben, gleich, wenn ich fertig bin. Und nun - dreht das Geschichtenrad einen Kreis um den anderen und ich finde die Idee nicht mehr. Nutzlos schweben die Finger über der Tastatur. Das Fragment der Kurzgeschichte, die meinen Geist inspirierte, hat sich verflüchtigt, ist abhandengekommen, hat seinen Weg genommen, ohne mich mitzunehmen. Nur - wohin ist es gegangen? Nach rechts oder links? Vielleicht geradeaus? Ach, wenn ich es nur wüsste, ich würde ihm folgen. Was geblieben ist, das ist so ein winziges Stückchen an Erinnerung, das in mir herumgeistert, sich aber kaum mehr konkret greifen lässt. Und doch… ist so viel davon übrig, dass es mich weiterhin beschäftigt.

    Ich versuche den Befreiungsschlag, will bewusst an etwas anderes denken. Mal schauen.

    Morgen findet mein monatlicher Literaturabend statt und ich freue mich auf jeden Einzelnen von ihnen. Alle werden sie ihre neuesten Geschichten zum Besten geben. Rita ruft gerne Erin nerungen an die Kindheit wach, bewältigt mit dem Vater Ängste, bekommt von der Mutter Schelte. Wer kennt sie nicht, diese Erinnerungsstücke der eigenen Kindheit? Heinz hingegen liebt Bodenseegeschichten. Er schildert das geliebte Schiff und fabuliert von einsamen nachdenklichen Stunden, mit nur mehr einer einzigen Zigarette. Ottmar findet mit traumhafter Nachvollziehbarkeit die Worte der Poesie, die uns mitnehmen in seine Gedankenwelt, wenn er die Umgebung betrachtet. Und Bianca? Sie hat während des Umzugs bestimmt ein Ereignis gefunden, das niederzuschreiben sich lohnte. Margrit unternahm vielleicht einen neuen Spaziergang am Fluss. Ob in ihr das rosarote Fischernetz noch einmal lebendig geworden ist? Ließ die geistig verwirrt alte Frau sich in Gedanken erneut von der Argen umschlingen? Theo hingegen ruft gerne Episoden wach, auf die er sein das Augenmerk lenkt, wenn ihm Menschen begegnen, die es wert sind, zu Papier gebracht zu werden. Freund Dieter sitzt heute bestimmt, so wie ich, vor einem leeren Blatt. Erst im letzten Augenblick fällt ihm dann ein Zitat ein, wenn er ein Buch zur Hand nimmt, oder ein Satz aus einem Zeitungsartikel ihn anspringt. Bringt er die Gehirnzellen in Bewegung, entstehen am Ende kurze, markante Zeilen, die er uns vorträgt. Was Johannes uns wohl mitbringt? Der Junge, zwischen Kind und Mann, der es versteht, zu formulieren. Er setzt Worte aneinander, versieht sie mit Anschauungen, die normalerweise, weit hinter dem Horizont eines Jugendlichen zu finden sind. Diemut, die gerne als Letzte lesen will, immer den anderen den Vortritt lässt, was wirst du uns vorlesen? Eine Geschichte mit bizarren, aber klar umrissenen Gestalten oder Gedanken zur heimatlichen Scholle, zur Mutter Erde, die jetzt im Frühjahr aufbricht und Neues hervorbringt?

    Jeder meiner Literaturfreunde birgt Vorlieben in sich. Ich bewundere im Stillen die Stabilität, mit der sie ihre Aneinanderreihung von Worten zuwege bringen, die aus ihnen herausströmen und die sie auf dem Papier festhalten Meine Geschichte will heute nicht wiederkommen. Nur einzelne Fetzen schweben in mir, doch so sehr ich auch versucht habe, sie fliegen zu lassen - bleibe ich an diesem Nachmittag chancenlos.

    Chaotischer Umzug

    Der Umzugstag gestaltet sich zum rabenschwarzen Tag. Umziehen, nein, das will ich nicht. Es ist Freitagmorgen und es ist der Dreizehnte, da fängt der Tag bereits gut an. Dreimal schwarzer Kater fluche ich und spurte ins Badezimmer. Die Uhr läuft und ich begnüge mich deshalb mit der Katzenwäsche. Kaltes Wasser ins Gesicht, abtrocknen, Faltencreme hinterher. Hoffentlich bügelt sie die Falten aus, die in letzter Zeit so zahlreich über die abgeschlaffte Haut kriechen. Mit der zahnlos gewordenen Bürste streiche ich durchs Haar. »Eine Neue wäre kein Luxus mehr«, überlege ich, während gleichzeitig meine Nase, knallrot im Spiegel aufleuchtet. Eine Rotznase. Als ob ich die gebrauchen kann! Die fehlt mir zum Glück, wie das Salz im Kaffee. Ich durchwühle die Schachtel nach der Medikamententasche. Zuunterst. Natürlich. Als olle Schnupfnase presse ich mit Schwung die Düse des Meerwassersprays ins rechte Nasenloch. Pffffffffft. Noch eine geballte Ladung ins linke, pffffffffffft.

    Das Spray wandert in die Hosentasche, während die herumliegenden Utensilien in den knatschgelben Kosmetikbeutel fliegen. Zusammen verstaue ich das Beutelwerk im Karton. Drei dunkelblaue Edding-Buchstaben hüpfen mir entgegen, als ich die Klappe der BAD-Kiste schließe. Ein letzter Blick. Nichts vergessen? Nein, hier bin ich fertig.

    Auf der Stelle gehe ich in die Küche zum Teewasser. Beim Aufbrühen schwappt ein Schwall über den Teebeutel hinaus. »So ein… Ach was.« Ich dränge die aufsteigende Erregung zurück. Ich ziehe aus. Basta. Meine Lippen pressen sich zu einem schmalen Strich, bevor die Hände automatisch nach dem Lumpen greifen. Systematisch, gründlich, aus reiner Gewohnheit beginnt sie die überschüssige Flüssigkeit vom Schrank und vom Boden aufzuwischen. Mein Kopf unterdessen will nicht begreifen, dass ich das geliebte Nest am Seeufer verlassen soll. Und das nur, weil die Tochter des Vermieters sich nach 20 Jahren entschloss, ins Elternhaus zurückzukehren. Phhhhhh, billig wohnen, das will die aufgetakelte Modepuppe. Aber wenn der aufgedonnerte Pudel dann die schlabbrigen Popos wischen, darauf können die Alten lange warten. Geschieht ihnen recht, schäumt es in mir, bevor das Eigenmitleid meine Brust zuschnürt. »Und ich? Wer denkt an mich? Wen interessiert, dass ICH fort muss. Weg von den treuen Freunden. Wer kümmert sich in Zukunft um das weiße Schwanenpaar, um die braunen Enten und die schwarzen Blesshühner. Jeden Abend, wenn mir zu Hause die Decke auf den Kopf fiel, ging ich zum See, fütterte die mir vertrauten Schützlinge«. Ein tiefer Seufzer zerrt an meinen dürren Rippen. Einmal mehr ergebe ich mich dem Schicksal und werfe den letzten bereitgelegten Würfelzucker in die farbenfrohe »Gute-Laune-Tasse«. Mir steht keineswegs der Sinn danach und da hilft selbst der Pott kaum, den ich an die Lippen hebe und… verdammt aber auch, mir die Zungenspitze verbrenne.

    »Was geht heute gerade?«, schimpfe ich vor mich hin, als es klingelt. Es klingelt nicht normal, nein, nein. Es läutet Sturm. Garantiert erlaubt sich der Rotzlümmel von nebenan auf dem Weg zur Schule wieder seinen Spaß und pappt den Kaugummi auf den Klingelknopf. Plötzlich verstummt das Dauergeräusch. Sekunden später setzt das penetrante Drrrrrrrrrrrrrrttt erneut ein.

    Mit der flachen Hand klatsche ich mir ans Hirn. »Verdammt, pennst du mit offenen Augen? Die Möbelpacker!«, erleuchtet mich ein Blick zur Armbanduhr. Ich drücke den Öffner, schiebe den

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