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Inside Passage: Liebeskrimi
Inside Passage: Liebeskrimi
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Inside Passage: Liebeskrimi

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About this ebook

Kaum haben sich Erik und Katharina kennen gelernt, heiraten sie auch schon. Eine unglaubliche Liebe beginnt und übersteht auch Katharinas Auslandsjahr in Kanada. Als Erik stirbt, fragt Katharina sich, war es Krankheit oder Mord? Die Suche nach der Wahrheit kann sie selbst nicht mehr zu Ende führen, aber Janna, ihre Tochter, entdeckt ein Geheimnis in Kanada, dort wo alles begann.
LanguageDeutsch
Release dateSep 29, 2015
ISBN9783739293738
Inside Passage: Liebeskrimi
Author

Kerstin Glathe

Kerstin Glathe, Jahrgang 1965, studierte Musikwissenschaft und Geschichte in Bochum, Münster und Edmonton (Kanada), Magister 1992, Promotion 2002. Seit zwanzig Jahren ist sie als freie Journalistin beim WDR in Köln tätig. Sie lebt mit ihrer Familie in Witten, am Rande des Ruhrgebietes. Mit den ersten Seiten des Textes „Mondlandung“ erziehlte sie den 3. Platz beim Oberhausener Literaturpreis 2002. Im Jahr 2008 veröffentlichte sie das Buch dazu bei BoD. 2015 wurde ihr Buch „Inside Passage“ ebenfalls bei BoD verlegt.

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    Book preview

    Inside Passage - Kerstin Glathe

    Regner)

    Wer war das? fragte Agnes.

    Ein früherer Freund von mir. Sie versuchte unbekümmert zu wirken, aber die Freundin sah sie scharf an.

    Was ist passiert?

    Katharina blieb bei ihrer Gelassenheit. Er hat versucht mich fertig zu machen. Eine weitere Chance gebe ich ihm nicht.

    Du sprichst in Rätseln. Agnes schüttelte den Kopf. Sie bestellten beide einen Kaffee. Katharina blickte zu dem Tisch am Fenster herüber, aber sie sah nicht hin. Vor ihr zogen die Bilder von Schweden auf. Sommer, Haferfelder, Sonne, Kinder. Nach langem Zögern hatten sie und Erik sich durchgerungen mit ihren Freunden in Urlaub zu fahren. Erik kannte Tom schon lange. Er und Karolin waren das einzige Paar, was ihnen einfiel, das ganz und gar glücklich zusammen war, außer ihnen selbst natürlich. Erik und Tom verband eine nicht zu erklärende Faszination, vielleicht, weil sie so gegensätzlich waren. Dabei glichen sie sich äußerlich wie Brüder. Katharina schmunzelte, denn auf einem Urlaubsfoto hatte sie Tom einen Moment lang für ihren Erik gehalten. Selbst ihr passierte das.

    Karolin und sie kamen gut miteinander klar, obwohl es keine innige Vertrautheit gab. Sie lebten in verschiedenen Welten. Karolin war mit ihrem dritten Kind schwanger und ging offensichtlich voll in ihrer Mutterrolle auf. Sie verspürte keinerlei Lust, wieder zu arbeiten, wie sie sagte. Dabei hatte sie jahrelang gut verdient. Das besorgte Tom jetzt für sie mit. Bei seinem Drang nach Karriere und den damit verbundenen Wohnungswechseln konnte Karolin sowieso nirgendwo Fuß fassen. Beim letzten Umzug hatten Katharina und Erik mitgeholfen. In der Woche vor Weihnachten. Im März hatte Tom sich schon wieder fünfhundert Kilometer weiter nördlich beworben. Katharina erinnerte sich, wie sie noch am Umzugstag die Weihnachtsdekoration von den Fenstern in der alten Wohnung abgenommen hatte. Die Kinder haben das gebraucht. hatte Karolin sich entschuldigt. Wenigstens etwas Weihnachtsstimmung sollten sie haben.

    Völlig erschöpft aber zufrieden hatten sie es bis Weihnachten sogar wohnlich in dem neuen Haus. Die Kinder hatten kaum etwas gemerkt. Nur Karolin war nicht wie in den anderen Jahren dazu gekommen mit ihnen zu backen und zu basteln. Vielleicht nächstes Mal. Karolin beschäftigte sich gern mit den Kindern. Katharina fand es eher ermüdend. Als Karolin in die Küche des Ferienhauses kam, sah sie etwas mitgenommen aus.

    Ruh dich mal etwas aus. forderte Katharina sie auf und nahm ihr die Teller aus der Hand.

    Wieso, von was soll ich mich ausruhen?

    Schließlich hast du gerade eine Stunde mit den Kindern draußen gemalt.

    Karolin wehrte ab. Ach, was. Die Kinder haben gemalt, nicht ich.

    Ich finde das immer ziemlich anstrengend. erwiderte Katharina. Und zusätzlich arbeitest du ja noch an dem Baby. Dabei wies sie auf Karolins dicken Bauch.

    Das macht sich doch ganz von alleine.

    Katharina resignierte. Das habe ich aber ganz anders in Erinnerung, rief sie noch hinterher und sah Karolin mit dem Geschirr draußen den Tisch decken. Wie sollte sie mit so einer Frau ins Gespräch kommen? So sehr sie sich mochten, sie waren eine gegenseitige Anklage. Karolin hielt sie wahrscheinlich für eine schlechte Mutter, weil sie gerne und oft an sich selbst dachte, und Katharina konnte sich die Fassungslosigkeit nicht aus dem Gesicht wischen, wenn sie diese Selbstaufgabe beobachtete.

    Tom liebte Kinder. Er war ein hingebungsvoller Vater. Die beiden waren wie geschaffen für einen riesigen Stall voller Nachwuchs. Deswegen fanden sie Katharinas Bemerkungen über ihren eigenen Stress ziemlich geschmacklos. Sie machte sich nichts daraus offen zuzugeben, dass der Urlaub ohne die Kinder bestimmt viel erholsamer gewesen wäre. Tom hatte nur zynisch bemerkt, dass sie sich das wohl hätte eher überlegen müssen.

    Am schlimmsten war es beim essen. Katharina hatte alles gern geordnet und unter Kontrolle. Mit drei Kleinkindern am Tisch herrschte das Chaos. Kein Gespräch konnte sich entwickeln und von Gemütlichkeit keine Spur. Die Kleinen zogen die gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Besonders Janna war nach den langen Tagen beim Abendessen ziemlich durch den Wind. Eines Abends hatte Katharina sie einfach schreiend und ohne Essen ins Bett gebracht. Sie konnte das Quengeln nicht mehr ertragen. Janna war nach zwei Minuten eingeschlafen, aber Tom konnte nicht mehr an sich halten. Er bebte vor Zorn und blieb nur mühsam ruhig, als Katharina an den Tisch zurückkam.

    Weißt du eigentlich, dass ich mir in diesem Urlaub ständig auf die Zunge beißen muss? fragte er gepresst.

    Katharina sah ihn erstaunt an. Sie wusste, dass er manche Eigenarten an ihr nicht mochte, und es ratterte in ihrem Hirn, was er wohl dieses Mal meinen konnte. Wieso? fragte sie deshalb verwirrt.

    So wie du dein Kind behandelst, bekommt es noch einen Knacks. Du bist so egoistisch und selbstsüchtig, dass ich es kaum ertragen kann. Katharina war für einen Moment sprachlos. Ihr war schon viel vorgeworfen worden, aber die meisten waren sich zumindest darin einig, dass sie eine ausgezeichnete Mutter war.

    Was meinst du?

    Ich meine, dass ihr an einem Abend am Tisch sitzt und mit den Kindern lacht und scherzt, und am nächsten Tag schreist du herum und verstehst überhaupt keinen Spaß mehr. Die wissen doch gar nicht, wo sie dran sind.

    So ist das Leben. Ich habe eben gute und schlechte Tage, genau wie Kinder, gab sie zurück. Sie war alarmiert, denn sie spürte genau, dass noch mehr kommen würde.

    Du darfst dich aber nicht so gehen lassen.

    Ich denke, auch Kinder müssen mich so nehmen wie ich bin. Ich habe eben auch nur Nerven und im Moment nicht die besten. Es ist für mich genauso anstrengend manchmal schlecht drauf zu sein. Das ändert aber nichts an meinem Wesen. Es ist nur eine Facette davon.

    Wenn du depressiv bist, dürftest du kein Kind haben. urteilte er dogmatisch. Du kannst dich nicht entschuldigen und eine Zumutung für den Rest der Welt sein.

    Ich bin eine Zumutung? Katharina war sich keiner Schuld bewusst.

    Du strapazierst meine Nerven in diesem Urlaub bis aufs Äußerste. bombardierte er sie weiter. Du hast zu allem eine Meinung, weißt alles ganz genau und lässt es jeden wissen. Das nervt.

    Katharina atmete tief durch. Wieder die alte Tour. Kann es sein, dass wir uns da sehr ähnlich sind? fragte sie spitz zurück.

    Das mag schon sein. Er wurde jetzt jovial. Aber dein Fehler ist, dass du nichts dagegen tust. Katharina war wie erschlagen. Die ganze Tragweite dieser Anschuldigung ging ihr erst lange Zeit später auf. Er konnte sie nicht ertragen, weil sie so war wie er, mit seinen eigenen exzentrischen Eigenarten ausgestattet. Er gab zu, dass sie sich ähnelten, und er verlangte von ihr, dass sie das Verhalten abstellte.

    Ich muss Erik bewundern. setzte er seine Attacke fort. Mit so einer aggressiven Frau wie dir, käme ich nicht klar.

    Die Gedanken verhedderten sich in ihrem Kopf und sie fühlte sich wie gelähmt. Hilfesuchend sah sie zu Erik. Findest du das auch?

    Erik hatte einen harten Zug um den Mund bekommen. Seine Augen verweigerten jeden Zugang. Bestimmt richtete er sich an Tom und packte seine Worte in eine unglaubliche Leichtigkeit, die dennoch deutlich wie Pflastersteine zu Tom flogen. Ich finde Katharina nicht aggressiv, jedenfalls nicht mehr als andere. Du hast vielleicht ein anderes Frauenbild, aber wie ich das sehe, das lass mal meine Sorge sein.

    Katharina war jedesmal überrascht, wie Erik mit einem freundlichen Satz alle Vorwürfe ersticken konnte. Sein Selbstverständnis würde sie gerne haben. Tom sagte nichts mehr dazu. Er spürte instinktiv, dass er gegen eine Wand rennen würde.

    Sie gingen in ihre Zimmer. Katharina hatte das Gefühl, mit einer Keule getroffen worden zu sein. Ihr Kopf war dumpf und zu keinem Gedanken fähig. Nicht die Vorwürfe schmerzten, sondern das Gefühl, um ein Haar vernichtet worden zu sein. So anfällig war sie immer noch. In Eriks Armen weinte sie sich in den Schlaf.

    Genauso wachte sie am nächsten Morgen auf. Ganz gegen ihre sonstige Art war sie nicht in der Lage zu sprechen. In der Nacht hatte sich ihre Verzweiflung in rasende Wut verwandelt. Sie war mit dem Gedanken an Mord beladen. Tom und Karolin wirkten irritiert, sagten aber nichts. Niemand erwähnte ein Sterbenswörtchen. Sie verbrachten den Tag gemeinsam mit einer dicken qualmenden Giftwolke in der Luft.

    Gegen Abend lockerte Katharinas Stimmung etwas auf. Dafür zog Tom sich noch vor dem Abendessen zurück. Am nächsten Morgen berichtete Karolin, dass er Fieber habe und sich nicht rühren könne. Erik sah Katharina scharf an. Sie zog ihn zur Seite. Ich schwöre dir, Erik. Ich habe ihm keine Krankheit an den Hals gewünscht. Ich war nur wütend.

    Ich kenne deine mächtigen Gedanken. Wenn du willst, dass er dahinsiecht, wird das wahr. Katharina war amüsiert. Sie hatte gar nicht gewusst, wie ernst Erik sie mittlerweile nahm. Jedenfalls fühlte sie sich ohne Schuld. Lediglich ihre Ausstrahlung war gegen Tom gerichtet gewesen. Zumindest war er sensibel genug, es zu spüren. Sein Körper hatte die Wut nicht vertragen. Katharina musste immer noch voller Schadenfreude schmunzeln. Tom war noch Wochen nach dem Urlaub krank gewesen. Sie dagegen hatte eine Initialzündung. Sie wusste, von welcher Art Mann sie sich fernhalten musste, denn Tom war nichts anderes als eine Probe des Schicksals gewesen. So hatte ihr Vater sie versucht zu zerbrechen, so würden es andere schwache Männer auch versuchen, wenn sie ihnen Angst machte. Sie war gewarnt.

    Agnes hatte ihren Kaffee schon fast ausgetrunken. Sag mal. Das muss aber ein befriedigendes Ende einer Freundschaft gewesen sein. bemerkte sie spöttisch mit einem Blick zum Fenstertisch. Wie man es nimmt, lachte Katharina. Wenn ich mich nach einem Tiefschlag wieder berappelt habe, weiß ich, dass ich den Fehler nicht mehr mache. Und das ist schon ein Erfolgserlebnis.

    ------

    Ihr Gesicht verzog sich vor Schmerzen, als der kleine Mund begann zu saugen. Der erste Moment war der Schlimmste. Sie konnte sich genau vorstellen, wie es zu dem Ausdruck kam, dass sich die Fußnägel aufrollen. Sobald das Baby den ersten Schluck Milch im Mund hatte, wurde es besser. Keiner hatte ihr gesagt, dass Stillen so weh tat. Die ersten Tage war es nicht so schlimm gewesen, aber nach und nach hatten sich kleine Risse in der Haut der Brustwarze gebildet, die an der linken Seite mitlerweile bluteten.

    Die Hebamme kam nachmittags und runzelte die Stirn. Du musst an der einen Seite abpumpen, sonst heilt das nicht aus.

    Eine Woche später pumpte sie an beiden Seiten ab, weil sich die gesamten Brustwarzen zu blutigen Krusten umgebildet hatten. Die Hebamme und Erik rieten ihr, dem Baby die Flasche zu geben, aber Katharina hatte sich vollkommen darauf versteift zu stillen.

    Nach einer weiteren Woche entstand ein harter Knubbel in einer Brust. Sie traute sich nicht mehr irgend jemanden um Hilfe zu bitten, denn sie hörte doch nur immer: abstillen. Sie kühlte die Stelle, massierte bis ihr die Tränen in die Augen schossen. Schließlich ging sie doch zu ihrer Hebamme, weil sie es vor Schmerzen kaum noch aushielt.

    Das ist ein Abszess, eine eingekapselte Eiterbeule. war die Diagnose.

    Und jetzt? Was kann man da machen? Katharina sah sie ängstlich an.

    Ich werde dir homöopathische Tropfen geben, aber es wird eine Weile dauern. Dann geht es auf, wenn wir Glück haben. Du wirst eine Narbe zurückbehalten. Einfacher wäre es natürlich zum Arzt zu gehen.

    Katharina schüttelte den Kopf. Nein. Der gibt mir Antibiotika und rät mir abzustillen. Jetzt habe ich mich so lange gequält. Es muss einfach klappen.

    Es klappte nicht. Die Schwellung wurde größer und schmerzte bei der kleinsten Bewegung, aber sie ging nicht auf. Katharina zuckte zusammen, als die Hebamme mit den Fingerkuppen sanft über die bläulich-rote Stelle tastete.

    Mädchen, da ist was mit dir nicht in Ordnung. stellte sie fest.

    Katharina stutze. Klar ist was nicht in Ordnung. Schließlich ist das doch nicht normal.

    Nein. Das meine ich nicht. Sie sah Katharina ernst an. Ich glaube, dass in dir etwas genauso eitert, wie diese Beule. Du schleppst etwas mit dir herum, das nicht an die Oberfläche kommen darf.

    Katharina zog genervt die Nase hoch. Homöopathische Tropfen waren ja okay, aber diese Körper-Seele Verquickung ließ sich doch nicht auf alles anwenden.

    Vielleicht muss ich doch zu einem Arzt gehen. schlug sie vor.

    Das kannst du gerne machen, aber so wie ich die Sache sehe, wird es in deinem Körper an anderer Stelle losgehen, sobald die Krankheit hier geheilt ist. Medizin kann nur die Symptome lindern. Die Ursache der Krankheit ist ein Ungleichgewicht in deiner Psyche.

    Katharina war skeptisch. Was sollte ihr Problem sein? Sie war gerade glückliche Mutter geworden. Janna war das süßeste Baby, das sie kannte, und machte auch keine Probleme. Erik war ein liebevoller Vater und Ehemann. Sie freuten sich gemeinsam wie irre über die Kleine. Natürlich hatte sich ihr Leben ziemlich verändert, aber das war schließlich bei allen Eltern so. Die wurden ja auch nicht alle krank. Katharina genoss es sogar, im Beruf eine Pause zu haben. Zu Hause konnte es gar nicht so anstrengend sein, wie im Tagesstress der Redaktion.

    In der Nacht träumte sie von Schlangen, die sie angriffen und in Panik versetzten. Sie wachte völlig erschöpft auf. So einen Traum hatte sie noch nie. Zum Glück hatte Janna sie geweckt und beendete die beängstigende Vorstellung. Katharina fühlte sich wie gerädert. Erik drückte sie fest an sich, bevor er zur Arbeit ging. Halt die Ohren steif. flüsterte er und strich ihr liebevoll über den Kopf.

    Sie brachte Janna wieder ins Bett und las die Zeitung. Die Gewohnheit ließ sie sich nicht nehmen. Wenn sie sich schon für eine Weile in ihr Privatleben zurückzog, wollte sie wenigstens wissen, was in der Welt vor sich ging. Früher hatte sie immer nur den Hauptteil der Zeitungen gelesen, aber seit sie zu Hause war, hatte sie so viel Zeit, dass sie fast alles ansah. Sogar die Hausfrauenseite, die von den Redakteuren Familienjournal genannt wurde. Auch ganz interessant, dachte sie schmunzelnd. Sie lehnte Küchengespräche eigentlich ab. Aber sie hatte ihre strenge Meinung schon etwas geändert. Jede Woche traf sie sich mit den Müttern, die mit ihr zusammen in der Geburtsvorbereitung gewesen waren und inzwischen auch Kinder hatten. Hin und wieder war es tatsächlich ganz hilfreich, sich auszutauschen, und wenn sie nur erfuhr, dass es anderen genauso ging wie ihr. Dann wusste sie, dass sie nicht unnormal war, sondern nur ein Problem wie alle anderen hatte. Vor fünf Jahren hätte sie so ein Leben noch für unvorstellbar gehalten.

    ------

    Ihr erster Blick galt, wie schon seit Wochen, dem Briefkasten. Voller Erwartung mit erhöhtem Puls steckte sie den kleinen Schlüssel in die verbogene Blechtür. Ihr Atem stockte. Hinter der Telefonrechnung ein Brief aus Kanada. Fahrig riss sie ihn auf und überflog den kurzen Text, dann schoss ihr das Blut in den Kopf um sofort wieder zu entweichen. Fast fliegend stürmte sie die Treppe hoch und stürzte ans Telefon ohne die Wohnungstür hinter sich zu zu machen. Ungeduldig zerknäulte sie das Telefonkabel während es am anderen Ende endlos lange klingelte. Endlich nahm er ab.

    Ich hab das Stipendium bekommen! Ich geh nach Kanada. schrie sie ihm entgegen.

    Ein kurzer Moment Stille. Das freut mich für dich.

    Täuschte sie sich oder klang er gar nicht so erfreut? Schließlich wartete sie seit fast zwei Jahren auf diesen Moment. Bist du im Stress?

    Im Moment hab ich ziemlich viel um die Ohren. Lass uns heute Abend Essen gehen. Dann kannst du mir alles erzählen, okay?

    Das klang schon versöhnlicher. Gut. Bis nachher. flötete sie in den Hörer. Eigentlich war ihre Euphorie im Moment sowieso durch nichts zu erschüttern.

    Ein Jahr in Kanada studieren. Das war's doch wirklich. Schon immer wollte sie für längere Zeit ins Ausland. Zu Schulzeiten dachte sie immer an eine Au-pair Stelle nach dem Abitur, aber Hannes hatte sie davon überzeugt, dass sie da nur als schlecht bezahltes Kindermädchen ausgebeutet würde, und so hatte sie den Gedanken verworfen. Als sie sich um das Stipendium bewarb, hatte er nichts gesagt. Sie hatte ihn auch gar nicht gefragt. Das war die größte Chance einen Traum Wirklichkeit werden zu lassen.

    ------

    Dicke Nebelschwaden hingen schwer zwischen den Bäumen. Es wurde nicht richtig kalt hier, selten unter null Grad, aber die Wassertropfen standen fast in der Luft und Katharina fröstelte. Der Ausblick ließ sie aber schnell das ungemütliche Wetter vergessen. Sie waren auf einen der beiden chinesischen Berge gestiegen, wie die Indianer die seltsame Formation nannten. Obwohl es Winter war, erschien alles grün. Der letzte kalte Regenwald der Erde an der kanadischen Westküste. Die kleine Insel zwischen Vancouver Island und dem Festland lag zwischen der Discovery Passage und der Straight of Georgia. Horden von

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