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So war's - Ein langes Leben
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So war's - Ein langes Leben

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About this ebook

„Ehe wir vergessen“… die Menschheit ist verdammt, ihre irren politisch-erzeugten Taten der Vergangenheit zu wiederholen, wie die Geschichte es vielfältig festhält. Würden aber die kollektiven Lehren individueller Menschen zur Kenntnis genommen – ehe deren Werte vergessen werden, so könnten sie als wegweisende Lehren angewandt werden. Dann könnte die Menschheit ihren Weg der Zukunft ohne todbringende Kriege würdig anstreben …
Dieses Buch “So war’s – Ein langes Leben” ist die Autobiographie von Klaus Erxleben, der durch die 1. und 2. Weltkriege stark geprägt wurde, wie es auch viele millionen Menschen elendig berührt hatte.
Teilweise bis zum heutigen Tage leiden Menschen noch von den irren politischen Taten dieser Vergangenheit. Ohne eine höhere Ethik und Einsicht der Humanitätslehre werden die vergangenen Katastrophen sich sehr wahrscheinlich wiederholen …
Dieses Buch ist gefüllt mit Tatsachen des Lebens, welche die Emotionen eines jeden Lesers rühren werden. Es vermittelt jedoch auch Verständnis, teilt Einsicht, gewinnt Respekt, ruft Bewunderung hervor, unterhält und regt das Denken an.
Die Absicht des Autors ist, dass die Leser seine Meinung für die Lehren der Menschheit teilen mögen, wie reflektiert in seinem Gedicht auf Seite 9 des Buches … hier eine Strophe: Dunkle Wolken – wo ziehen sie hin ? Menschheit wo irrst Du hin ? Lernt aus Euren Katastrophen !
Ein wertvoll lehrreiches Buch, das sich ausgezeichnet eignet für Leser ab Realschule bis Universitätsreife und auch für Forschungszwecke bezüglich der Geschichte, Philosophie und einer kritischen Denkweise.
LanguageDeutsch
Release dateAug 13, 2015
ISBN9783844828887
So war's - Ein langes Leben
Author

Klaus Erxleben

Klaus Erxleben wurde am 21. September 1923 in Burg geboren. Den größten Teil seines Lebens verbrachte er in der Region Hamburg. Heute lebt er in Norderstedt.

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    Book preview

    So war's - Ein langes Leben - Klaus Erxleben

    alles

    Vorwort

    Klaus Helmut Erxleben wurde am 21. September 1923 in Burg bei Magdeburg, Deutschland geboren.

    Er verbrachte den größten Teil seines Lebens in der Region Hamburg, Deutschland.

    Heute lebt er in Norderstedt, bei Hamburg.

    Dank möchte ich meiner Familie aussprechen, die mir viele gute Momente in meinem langen Leben geschenkt hat und ich dadurch viele Seiten dieses Buches füllen konnte.

    Besonders danke ich meiner Tochter Ingrid Erxleben, die mich unermüdlich ermutigt hat meine Erinnerungen auch in Buchform zu erhalten indem sie meinen Text Taste für Taste dem Computer überließ und das ganze Projekt nach meinen Wunschvorstellungen leitete.

    Dann danke ich auch der Lebenspartnerin meines Enkels Sebastian Dustin, Heike Standhardt, die alles überarbeitet hat und bei der ISBN Veröffentlichung ihren Einfluss nahm.

    Schließlich auch noch Hans-Walther Sandström aus Australien, Adelaide, dem Sohn meines Bruders Harry, für das Design dieser 3. Auflage des Buches.

    Klaus Erxleben

    Mai 2015

    „Die guten alten Zeiten" der Großeltern und Eltern

    Nach acht Jahrzehnten der Erinnerungen weiß man, dass einiges im Leben falsch gelaufen ist. Aber so war es und man kann es nicht mehr ändern, es war eben Schicksal oder wie man es nennen mag. Es soll keine Verurteilung oder Schuldzuweisung an irgendjemanden oder an meine Person selbst gerichtet sein. Man kann auch sagen, es sind fremde und eigene Versäumnisse und die Zeiten spielen eine nicht unerhebliche Rolle.

    Acht Jahrzehnte, ich muss es erwähnen, hat sich gegenüber den vorhergehenden Zeiten doch sehr viel verändert und das erschreckend schnell. Die Jugend ist technisch voraus und wir Alten kommen nur schwer mit der Technik hinterher und zu recht. Eine schnelllebige Zeit! Das wissen wir alle, und doch sollte die Jugend nicht vergessen, sie kommt wenn sie Glück hat, auch in diese Situation!

    Das Lesen am Anfang mag etwas langatmig erscheinen. Die Kindheit durchlebt ein Jeder so oder anders. Aber bitte nicht die Lust beim Lesen verlieren, denn es steigert sich im Laufe der Jahre stetig!

    Nun, bereits 87 Jahre alt, werde ich von meinen Kindern gemahnt, mein vergangenes Leben aufzuschreiben. Sie glauben, es sei wert zusammengefasst zu werden. Ja, ich habe lange gebraucht, bis ich erkannte, was mir alles an Erinnerungen geblieben ist. Meine Tochter Ingrid hat mich am meisten geschubst.

    Ich, von Schriftstellerei keine Ahnung, versuchte meine Autoren-Ader zu entdecken. Schaffe ich es also, mein Leben oder das meiner Familie jemals zu Papier zu bringen? Ein Foto aus dem Jahr 1925 wurde der Anlass, den Anfang zu wagen. Auf dem Bild sind meine Mutter, mein Bruder Harry und ich vor der Polizeikaserne von Burg bei Magdeburg, im Kreis Jericho 1 zu sehen.

    Bild 1 Meine Mutter Käthe Erxleben, geborene Häsler, mit meinem Bruder Harry

    (7 Monate) und mir, Klaus (2 Jahre); in Burg, 1925

    Meine Geburt fiel auf den 21. September, 1923, geburtsurkundig mit vollem Namen Klaus Helmut Erxleben. Es war die Zeit der großen Inflation. Unser Vater, Arthur Erxleben, war bei der Polizei, aber welchen Dienstgrad er da einnahm, das hat mich zum damaligen Zeitpunkt nicht wirklich interessiert, noch weiß ich es bis zum heutigen Tage.

    Sein Vater, Friedrich Erxleben, also mein Großvater, geboren 1864, war Binnenschiffer und hatte mit meiner Großmutter sechs Kinder. Zwei der Kinder sind kurz nach der Geburt gestorben.

    Auf dem Kahn meiner Großeltern wurden dann deren Kinder Oskar, Arthur mein Vater und auch die Schwester, also meine Tante Else, groß gezogen.

    Bild 2 Familie meines Vaters, Arthur Erxleben im Reservelazarett; Hamburg-Veddel, 1916

    Von links: Großvater, Großmutter, Tante Minna und Werner auf dem Schoß, Großvater, meine Mutter, mein Vater, und ganz rechts Onkel Oskar.

    Die Kinder vieler Schiffer konnten damals, um etwa 1900 herum, nur die Schule besuchen, wenn sie mit den Kähnen eingefroren waren. Dies hatte natürlich zur Folge, dass die Schulbildung dementsprechend dürftig ausfiel. Mit dem Einfrieren der Flüsse meine ich, wenn selbst durch Eisbrecher nichts mehr frei zu halten war.

    Der älteste Sohn Otto, der 1888 geboren wurde, erlernte auch den Beruf des Binnenschiffers. Die beiden anderen Brüder, also ebenfalls mein Vater wurden nach und nach in die Unteroffiziersvorschule eingezogen. Der Großvater musste sich verpflichten, zur Verpflegung monatlich für die dortige Ausbildung zehn Goldmark zu zahlen, da die Kinder an Bord ja auch hätten ernährt werden müssen.

    1914, bei Ausbruch des ersten Weltkrieges waren Oskar und mein Vater dann Unteroffiziersanwärter. Beide wurden 1916 verwundet und im Reservelazarett auf der Veddel in Hamburg wieder fronttauglich gemacht. Dort traf sich damals die gesamte Familie. 1917 ist Oskar in Frankreich bei der Erstürmung des „Chemin des Dames" nochmals schwer verletzt worden. Eine Handgranate riss ihm sein Bein ab und er verblutete dort vor Ort. Er war noch in der Lage einen Abschiedsbrief zu schreiben, welcher seinem Bruder übergeben wurde. Diesen Brief bekam ich dann 1945 bei meiner Tante Else zu lesen.

    Großvater, der Schiffseigner mit vollem Namen Friedrich Wilhelm Simon Heinrich Erxleben, war neunundfünfzig Jahre alt, als er damals durch die schwere Arbeit auch ziemlich verbraucht und müde war, den Entschluss fasste seinen Finow-Maß- Kahn zu verkaufen. Es sollte ein folgenschwerer Entschluss sein, denn in der schlechten, inflationären Zeit 1923, verlor er fast sein ganzes Geld. Der Erlös schmolz nur so dahin und Geldscheine wurden mit Billionen Werten gedruckt.

    Als ich etwas älter war, konnte ich mich noch gut an zwei Zigarrenkisten voller Geldscheine erinnern, aber ansonsten wusste und verstand ich nicht viel, denn ich war einfach zu jung. Aber eines war klar, die Existenz der Großeltern war zerstört. Sie lebten noch ein paar Jahre in Boizenburg an der Elbe, wo die Großmutter auch beerdigt wurde.

    Bild 3 Unsere Eltern; Käthe, geborene Häsler, und Arthur Erxleben; Hochzeit am 28. Juni, 1919

    Meinen Großvater habe ich dann noch einmal 1947 in Hamburg in einem Altenheim in der Oberaltenallee besucht. Bei dem Besuch schenkte er mir fünf Reichsmark und einen Dreiecks-Schmelzkäse. In diesem staatlichen Altenheim hielt er es auf Grund der beengten räumlichen Verhältnisse nicht lange aus. Es war ein offener, hoher Raum, in etwa mit einer Turnhalle zu vergleichen. Die einzelnen Räume wurden durch niedrige, einfache Holzwände getrennt. Ein Bett, ein kleiner Schrank, ein Tisch und zwei schlichte Holzstühle, das war´s! Die Gespräche der Nachbarn konnte man fast wörtlich mit anhören. Schrecklich!

    Er zog nach Eppendorf in den Schramms Weg, zusammen mit einer älteren Dame, Frau Quilitsch. Dort ist er 1948 gestorben.

    Bild 4 Großvater; Friedrich Wilhelm Simon Heinrich Erxleben; 1864 – 1948

    Ich bemerke, dass ich eigentlich von meinen Großeltern keine Erinnerungsstücke habe, wie etwa Dokumente oder Briefe. Unsere Tochter Christel hat ihren Großvater noch erlebt oder-vielmehr, er hatte sie noch kennen lernen dürfen.

    Onkel Otto fuhr zu Lebzeiten unseres Großvaters noch gemeinsam auf Schiffen viele Tonnen von kriegswichtigen Gütern auf der Elbe umher, also an viele Orte des Landes. Der neue Kahn von Onkel Otto hieß Germania und wurde 1929 in Dessau-Rosslau gebaut. Es war ein moderner Kahn mit einer Tragfähigkeit von etwa 840 Tonnen und für den Schiffseigner gab es eine gemütliche Kajüte, eine Küche und ein Schlafzimmer. Die Kosten eines solchen Schiffes beliefen sich damals auf 97.000 Reichs-Mark. Heute wäre es etwa das Fünfzehnfache wert.

    Der Onkel verdiente recht gut und konnte seine Schulden deshalb schnell abtragen, da er während des zweiten Weltkrieges ständig Fracht nach Lübeck, Hamburg, Magdeburg, Dresden, Berlin und zurück nach Hamburg fuhr.

    Bild 5 Großvaters und Onkel Ottos Schiffe in Hamburg

    Bei Kriegsende musste er seinen Kahn auf Anordnung der Russen selbst in Frankfurt an der Oder abliefern, da der Osten dann Sowjetisch besetztes Gebiet war. Der Kahn Germania war etwa 80 Meter lang und hatte als Binnenschiff keinen Kiel, nur einen breiten, flachen Boden, da es im flachen Gewässer keinen Wellengang überstehen musste, wie auf hoher See. Die Germania ist nur bis Königsberg gekommen und dort gesunken. Die Tragik für mich und meinen Bruder bestand darin, dass wir inzwischen den Beruf des Binnenschiffers erlernt hatten, um den Kahn später zu übernehmen.

    Nun wurde dadurch die traditionsreiche, über zwei Jahrhundert dauernde Binnenschifffahrt für unsere Familie beendet.

    Mein Vater und seine Schwester Else bekamen nach dem Tod ihres Bruders Otto den sogenannten Lastenausgleich von etwa 78.000 DM. Tante Else baute sich in Wahnhausen bei Kassel von ihrem Geld ein zweites Haus, während ihr Bruder, also mein Vater, sein Geld mit seiner neuen Familie verbrauchte.

    Als Kind, ich kann mich erinnern, trafen wir uns im Wallwitzer Hafen zur Besichtigung des neuen Kahns mit der Familie und den näheren Verwandten. Für uns Kinder eine vollkommen neue Welt.

    Als ich erwachsen war, fuhr ich mit dem Fahrrad von Wolfen Bitterfeld zum „Wallwitzer–Hafen" und siehe da, der Schleppkahn NNVE (Neue Norddeutsche und Vereinigte Elbe Dampfschifffahrt Aktiengesellschaft Hamburg), auf dem ich als Schiffsjunge fuhr, lag zerbombt und abgesoffen im Hafenbecken.

    Da kamen gewaltige Erinnerungen hoch! Auch ein Bedauern diesen Beruf, der nach Freiheit und Abenteuer rief, nicht mehr ausüben zu können. Nicht ausüben zu können hieß auch, weil viele Brücken durch den furchtbaren Krieg zerstört worden waren! Von Tangermünde kam mein Onkel damals nicht mehr in seinen Heimathafen Hamburg, also in die englisch besetzte Zone zurück.

    Bild 6 Onkel Ottos Kahn Germania gebaut 1929 bei Dessau, Elbe

    Meine Kindheit und die Schulerlebnisse

    Nun muss ich mich doch ein wenig anstrengen, meine ersten Erinnerungen an die Kindheit wach zu rufen. Es war in Merseburg bei Halle, in der Provinz Sachsen, wo die Sprache einen allgemein belustigenden Tonfall anklingen lässt. Unser Vater wurde dorthin versetzt und wir bezogen ein Haus, in dem ich zweijährig wohl meinem ersten Weihnachtsfest entgegen fieberte. Allerdings habe ich nur schwache Erinnerungen und als ich etwa fünf Jahre alt war, da folgte schon der nächste Umzug nach Bitterfeld. Im ersten Stockwerk eines Dreifamilienhauses, der Besitzer war der Schlosser- Meister Döring, erlebten wir unser Weihnachtsfest schon wesentlich bewusster. Harry und ich tobten zwei bis drei Stunden vor der Bescherung in dem langen Korridor umher und konnten es kaum erwarten unsere Geschenke zu bestaunen.

    Damals trugen auch Jungen lange Strümpfe und Leibchen mit Gummibändern, an denen die Strümpfe ihren Halt fanden. Es hat sich tief in meinem Inneren eingebrannt, denn es war eine weniger erfreuliche Erfahrung und heute würde man wohl schlicht und einfach „uncool" dazu sagen! Selbst Schürzen wurden uns Jungen noch umgebunden, wo sich vorn eine große Tasche befand, in der alles Mögliche seinen Platz fand, nur keine Taschentücher. Da musste dann bei einer Rotznase der Ärmel zum Einsatz kommen, was für uns Jungen noch lange eine Selbstverständlichkeit war.

    In Bitterfeld wurde ich 1929 in der Pestalozzi Schule angemeldet. Ich war kurzsichtig und trug eine Brille, die mehr kaputt als heile war und da ich in den hinteren Bänken saß, bekam ich nicht immer alles mit was vorn an der Tafel geschah. Es dauerte ein wenig länger, bis Eltern und Lehrer mitbekamen, dass etwas nicht stimmte und schließlich wurde ich nach vorn gesetzt.

    Zu meinem Schulbeginn wurde auch noch Sütterlin Schrift an den preußischen Schulen gelehrt. Wir schrieben es auf eine Schiefertafel mit einem Griffel aus Tonschiefer. Wie gut oder schlecht ich in den ersten Jahren war, fällt mir schwer, es heute richtig einzuschätzen.

    Mein Vater besaß ein achtsitziges Auto, einen Brennabor, wo sich die Gangschaltung außerhalb auf dem Trittbrett befand. Es gab noch keine elektrische Zündung, sondern es wurde per Handkurbel mit Magnetzündung in Gang gesetzt. Es gab Karbidlampen und die Scheibenwischer musste man auch mit der Hand bewegen. Die Hupe war ein ordinärer Gummiball und das Ziehharmonika-Verdeck hatte Zelluloid-Scheiben. Aber das Auto war immerhin sehr geräumig.

    Von den Benzinpreisen hatte ich keine Ahnung und Tankstellen wie heute gab es auch noch nicht. Es stand nur eine Benzinpumpe vor einer Schmiede oder Gaststätte, aber der Wagen hatte Ledersitze und die Räder besaßen noch Holzspeichen.

    Mit dem großen Automobil unternahmen unsere Eltern auch mit uns Jungs kleinere Reisen, etwa nach Wörlitz in den bekannten schönen Kulturpark oder nach Dessau und Umgebung. Wir haben uns sehr gefreut, wenn wir dann mal dabei sein durften.

    Auch wir Jungen haben unbeabsichtigt eine kleine Reise mit dem großen Wagen unternommen. Als unser Vater in seiner Mittagspause heim kam, „oder was immer er zu Hause wollte", sind wir in den Wagen geklettert und haben mal da und mal dort rumprobiert. Plötzlich setzte sich der Wagen, auch noch auf einer etwas abschüssigen Straße, ganz selbstständig in Bewegung. Am Anfang bemerkten wir es wohl gar nicht, aber oh je, wir fuhren auf einen Gemüseladen zu und kamen in den aufgestapelten Gemüsekisten zu stehen. Dem Besitzer war natürlich bekannt, wem dieser Wagen gehörte und lief zu unseren Eltern. Was er mit unserem Vater ausgehandelt hat, das wussten wir nicht.

    Unser Vater wurde wieder versetzt und ab ging es nach Dessau-Süd in die Walter-Gropius-Siedlung. Hier lebte man modern und sehr komfortabel. Man wohnte dort auch deshalb recht gut, denn es gab fließendes Wasser und das auch noch kochend heiß.

    Ich weiß noch, dass die Wäsche nun einmal in der Woche mit einem Elektrokarren abgeholt wurde und alles gewaschen und gebügelt zurückkam. Die Siedlung hatte ein eigenes Heizwerk und die Häuser waren pastellfarben angestrichen. Jedoch auffallend war, dass alles sehr sauber und irgendwie interessant war, eben Stil, wie heute noch allgemein bekannt. Der Walter-Gropius-Stil, Bauhaus!

    Mein Bruder und ich saßen sehr oft, das Wasser bis zum Hals, in einer Sitzbadewanne, wo unten eine Vertiefung für die Füße war. Dort saßen wir im wirklich warmen Wasser immer abwechselnd, einer oben auf dem Sitz und der andere unten, und so weiter und sofort. Das war Dessau-Süd, gleich neben dem Flugzeugwerk Junkers, was uns wenig genützt hat, denn wir Jungen hatten einen sehr langen Schulweg bis nach Dessau zu Fuß zurück zu legen.

    Es war die arme Zeit der Depression von 1928 bis 1931, wo die Sanella Margarine 38 Reichspfennig gekostet hat. Für mich war wichtiger, dass am Himmel die Zeppeline fuhren und in Reklame machten. In der Schule bekamen wir Marken und durften uns dann nach der Schule bei einem bestimmten Bäcker Brot abholen. Auf dem langen Weg nach Hause hatten wir oft den Kanten des Brotes angeknabbert und wurden dann später von der Mutter ausgeschimpft.

    Mein Bruder Harry und ich, wir hatten Holzpantoffeln und Fußlappen an den Füßen und es war eine besondere Technik, diese Lappen richtig zu wickeln. Aber mit den Holzpantoffeln im Winter auf Schnee und Eis zu rutschen, das machte, wie man sich vorstellen kann, uns Kindern so richtig viel Spaß.

    In unserer Siedlung hatten wir Nachbarn, eine jüdische Familie, mit deren Kindern wir oft zusammen gespielt haben. Ich kann mich gut erinnern, dass sie oft äußerst freundlich waren und bei einem Besuch nebenan gab es unter anderem ein Brot, welches Matze ausgesprochen wurde und es war für mich etwas ganz Besonderes.

    Vater war arbeitslos geworden, denn die Anstellung bei der Polizei war beendet und somit auch das herrlich stilvolle Leben in heißem Wasserüberfluss.

    Es gab in der Woche siebenundzwanzig Reichsmark Arbeitslosenunterstützung. Mutter und Vater haben mit uns Kindern nicht darüber gesprochen, denn es hat uns auch nicht wirklich interessiert. Die Zeiten waren aber weit schlimmer und ärmer, als wir es damals wahrgenommen haben. 1931 bekam Vater eine Arbeit als Hilfsarbeiter in einem Labor der Agfa-Filmfabrik in Wolfen bei Bitterfeld.

    Endlich wieder Arbeit, waren wohl die Gedanken meiner Eltern. Wir wohnten in einem alten Werkhof, einer ehemaligen Brikettfabrik, bei Bauer Lehnhardt und seiner Familie. Klar doch, in der damaligen Zeit war es recht vorteilhaft

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