Unbekannt verzogen
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About this ebook
Tauchen Sie z. B. oft in die Welt der Fantastik und Science-Fiction ein? Lassen Sie sich gerne von einer romantischen Geschichte verzaubern? Oder lesen Sie lieber eine kuriose Anekdote?
Dieses Buch nimmt Sie mit auf eine Reise in wohlbekannte Regionen unserer Umwelt. Doch kennen wir diese Umwelt wirklich? Es ist nicht immer offensichtlich, was tatsächlich hinter dem täglichen Einerlei steckt. Der erste Blick in den Spiegel am frühen Morgen gehört beispielsweise nicht unbedingt zu den Höhepunkten des Tages. Aber wenn das Gesicht dort nicht das Eigene ist ...
Lassen Sie sich von der abwechslungsreichen und faszinierenden Welt der Kurzgeschichten fesseln, ohne sich auf ein Genre festzulegen.
z.B.
1. Der Spiegel
Der Blick in den Spiegel am frühen Morgen gehört meist nicht zu den Höhepunkten des Tages. Doch wenn das Gesicht dort nicht das Eigene ist ...
2. Nur eine Stunde
Hier bekommt das Wort ‚Zeitnot‘ eine besondere Note ...
3. Naturstudium
Die Haustür fällt zu, also warten bis jemand kommt und öffnet. Viel Zeit für Beobachtungen der anderen Art ...
u.s.w.
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Book preview
Unbekannt verzogen - Niklas Conrad
Nebel
1. D
er Spiegel
Es war wie immer. Marlon war gerade aufgestanden und stand schläfrig vorm Spiegel im Bad. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass das Gesicht im Spiegel nicht sein Eigenes war.
„Mist!, murmelte er, noch immer nicht ganz wach. „So schlimm habe ich morgens noch nie ausgesehen.
Er drehte den Kran auf, um sich mit einem Schwall kaltem Wasser wach zu bekommen. Da hörte er die Stimme zum ersten Mal.
„Was soll denn der Quatsch?"
Marlon sah auf und schaute sich unsicher um. Woher kam diese Stimme? Als er wieder zum Spiegel sah, stellten sich seine Nackenhaare auf. Er sah nicht sein Spiegelbild, sondern ein völlig fremdes Gesicht vor sich.
Der Unbekannte starrte genauso überrascht zurück. Eine Weile sagte keiner etwas, bis es Marlon zu dumm wurde.
„Ähm, hallo!", brummte er in seinen morgendlichen Stoppelbart. Noch immer konnte er nicht glauben, was er sah, daher zuckte er geschockt zusammen, als prompt eine Antwort kam.
„Selber Hallo, kam es zurück. „Wer bist du und vor allem, was machst du in meinem Spiegel.
„Moment mal! Erstens unterhalte ich mich nicht mit einem Spiegel. Zweitens, wenn es denn doch so wäre, könnte ich Sie genau das Gleiche fragen."
Wieder herrschte für einen Moment Stille. Dann kam es unsicher von der anderen Seite: „Du siehst mich also auch durch einen Spiegel, hä?"
„Allerdings."
„Kann ja wohl nicht wahr sein. Ich …, warte mal!"
Das Gesicht verschwand und Marlon konnte eine Zeitlang ein fremdes Badezimmer betrachten. Dann tauchte der Fremde wieder im Spiegel auf.
„Ich kann zwar nichts finden, aber ich glaube trotzdem, dass hier irgendjemand einen verdammt dämlichen Scherz macht. Vorsicht Kamera, oder?"
„Was mich angeht, bin ich mir nicht ganz sicher, murmelte Marlon. „Ich glaube, ich geh wieder ins Bett.
„Oho, so haben wir nicht gewettet!, rief der Fremde aus. „Ich will wissen, was ihr mit diesem Scheiß-Spiegel gemacht habt. Ist das klar, Mann?
„Ich habe nichts gemacht. Fertig! Jetzt entschuldigen Sie mich."
Damit drehte sich Marlon um und rannte aus dem Bad. Mit beängstigend rasendem Herzklopfen setzte er sich auf die Bettkante und schüttelte den Kopf.
Habe ich mich gerade mit dem Spiegel unterhalten, überlegte er. Kann ja wohl kaum möglich sein. Er versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Ich bin überarbeitet. Das ist es. Ich werde mal mit Marianne über unseren ständig verschobenen Urlaub reden. Genau! Und jetzt, auf ins Bad.
Er stand auf und redete sich selber Mut zu, indem er laut vor sich herplapperte: „Ich war noch nicht wach. Noch am träumen. Aber jetzt – jetzt bin ich wach. Er machte ein paar halbherzige Turnübungen und ging wieder in Richtung Bad. „Wollen doch mal sehen, ob dieser Typ immer noch in meinem Spiegel herumgeistert.
Marlon setzte ein Grinsen auf, welches sein nervöses Unterbewusstsein zum Schweigen bringen sollte, und stieß die Tür zum Bad auf. Er hatte vorhin das Licht brennen lassen, daher konnte er genau sehen, was sich vor ihm abspielte.
Die Hand kam direkt aus dem Spiegelschrank. Sie bewegte sich, schien nach etwas greifen zu wollen. Marlons Grinsen blieb, wie festgefroren auf seinen Lippen kleben. Angst schlich, wie ein schauriges Monster aus den Tiefen seiner Seele, unaufhaltsam durch seinen Körper, bis sie das Hirn erreichte und eine Panik entfachte.
Im ersten Reflex wollte er flüchten, doch da war auch noch die Neugierde, die sich ebenso unaufhaltsam unter die Panik mischte. Was, zum Teufel, ist hier los, dachte er.
Die Hand zog sich zurück und hinterließ keine Spur auf der Oberfläche des Spiegels. Vorsichtig tappte Marlon näher. Er spürte mit jedem Herzschlag, wie das Blut immer lauter in seinen Ohren rauschte. Sein Magen schien sich der aufgewühlten Umgebung anzupassen – Brechreiz kam hoch. Doch Marlon wollte sich nicht kleinkriegen lassen. Wollte wissen, was da in seinem Badezimmer passierte. Er schluckte ein paar Mal, atmete tief durch und ging einen Schritt weiter. Er spürte, wie seine Hände zitterten, als er seine Finger auf den Spiegel legte.
Es war nicht die gewohnte, kalte Oberfläche, sondern etwas anderes. Marlon hatte das Gefühl, als würde er seine Finger in warmes Wasser tauchen. Erschrocken zog er seine Hand zurück und musste für einen Moment wieder gegen seine Panik ankämpfen. Doch dann hörte er die Stimme des Unbekannten wieder.
„He, bist du wieder da?"
Die zugeschnürte Kehle Marlons ließ es nicht zu, dass er antwortete. Stattdessen trat er einen Schritt vor und sah in den Spiegel.
„Tatsächlich! Er ist wieder da. Wo warst du, verdammt noch mal?"
„Ich, ich musste mal weg." Marlon brauchte eine Weile, bis er seine eigene Stimme erkannte.
„Soll das ein Witz sein?, brüllte das fremde Spiegelbild ihn an. „Was kann wichtiger sein, wie diese Scheiße hier? Sag mir erst einmal, wer du bist.
„Ich heiße Marlon." Gerade noch rechtzeitig fiel ihm ein, dass er seinen Nachnamen lieber nicht preisgeben sollte.
„Marlon, so, so. Ich bin Gregor. Gregor Gedora."
„Schön, Sie kennen zu lernen. Marlon fand allmählich seine Fassung wieder. „Jetzt erklären Sie mir zunächst, was Sie da tun. Falls es sich um eine neue Art von Werbung handeln sollte, können Sie sofort abbrechen. Ich kaufe grundsätzlich nichts an der Haustür, ich meine natürlich, an Spiegeln.
„Kleiner Scherzkeks, wa? Hör zu, Alter. Ich bin genauso down wie du. Wir tun jetzt einfach so, als wäre das alles real, klar? Keine Kameras, keine Werbung oder sonst einen Scheiß. Alles logo soweit?"
„Mal sehen."
„Wohl der übervorsichtige Typ, wa? Na ja, egal. Versuch mal, ob du deine Hand durch den Spiegel stecken kannst."
„Bitte?"
„Mann, nun mach schon."
Marlon zögerte noch. Er wollte zwar wissen, was hier vorging, doch Risiken solcher Art gehörten nicht zu seinem Alltag. Sein Gegenüber schien da völlig anders zu sein, wofür Marlon ihn heimlich beneidete, obwohl ihn Gregors ganze Art abstieß.
Gregor verdrehte kurz die Augen, als er Marlons Zögern sah, und hob die Hand. Langsam schob er sie vor und die Hand tauchte direkt vor Marlon auf. Er wich argwöhnisch zurück.
„Siehst du, es passiert nichts. Probier das mal von deiner Seite. Na los doch", forderte Gregor, während er seine Hand zurückzog.
Marlon nahm seinen gesamten Mut zusammen, doch er hatte nicht das Gefühl, als