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Hein Tosca: Pralles Leben zwischen Bug und Heck
Hein Tosca: Pralles Leben zwischen Bug und Heck
Hein Tosca: Pralles Leben zwischen Bug und Heck
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Hein Tosca: Pralles Leben zwischen Bug und Heck

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About this ebook

Bernd Neitzel – Reedereiinspektor und Schiffbauer – nimmt uns mit auf eine faszinierende Reise um den ganzen Globus. Er bereist unzählige Länder und lässt den Leser ins Innerste der fremden Kulturen eintauchen. Sibirien, Ägypten und China sind nur einige davon. Dabei taucht immer wieder ein Freund aus Jugendzeiten auf: Hein Tosca. Egal auf welchem Kontinent sich Neitzel gerade befindet, der Leser kann sich sicher sein, dass auch Hein da sein wird, denn die beiden »sind ja nur auf einem Globus unterwegs«.
Humorvoll, spannend und vielleicht auch mit etwas Seemannsgarn unterlegt, beschreibt Bernd Neitzel in seinem Debütroman »Hein Tosca« die allzu menschlichen Seiten der Seefahrt in deren vielfältigen Facetten und zeigt dabei, wie schnell man in der Fremde heimisch werden kann.
LanguageDeutsch
Release dateAug 18, 2015
ISBN9783739275819
Hein Tosca: Pralles Leben zwischen Bug und Heck
Author

Bernd Neitzel

Bernd Neitzel, geboren in Stettin, verbrachte seine Schulzeit in der ehemaligen DDR in Teterow. Mit 16 Jahren verließ er die DDR mit dem Fahrrad. 11 Jahre fuhr er zur See, nutzte die Zeit zum Studium der Schiffsbetriebstechnik sowie des Schiffbaus in Hamburg und bereiste 127 Länder der Erde.

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    Book preview

    Hein Tosca - Bernd Neitzel

    2013

    Vorwort

    Die hier angesprochenen Storys sind teils mit ein klein wenig Seemannsgarn unterlegt und weisen teilweise autobiografische Züge auf.

    In den letzten 50 Jahren haben sich die Bedingungen in der Seefahrt wesentlich verändert, aber es ist immer noch ein hartes Gewerbe, das die Persönlichkeit der wenigen prägt, die dauerhaft dabeibleiben. Diese weltreisenden Persönlichkeiten lernen im Laufe der Zeit fast alle Völker und Stämme der Erde kennen und gehen locker und tolerant mit deren Eigenarten um.

    Es soll hier nicht tiefsinnig philosophiert werden, sondern es soll ein mehr heiterer Part der sogenannten »christlichen Seefahrt« angesprochen und dabei aber auch die harten Einsatzbedingungen der Seeleute gewürdigt werden.

    Die Mentalität der Seeleute wurde von Richard Wossidlo mal folgendermaßen beschrieben: Ein Pastor hatte einmal auf dringenden Wunsch einer besorgten Mutter einem Jungen eindringlich die Gefahren der Seefahrt vor Augen geführt und ihn unter Hinweis, dass der Vater und der Großvater auf See geblieben seien, von seinem Entschluss abzubringen versucht. Darauf erwiderte der Junge: »Seggen Se mol, Herr Paster, wo is denn Ehr Vadder starben?« »Im Bett, mein Junge.« »Und Ehr Großvadder?« »Auch im Bett.« »Jo, Herr Paster, denn würd ik in Se Ehr Stell gor nich mehr to Bed gohn, wenn Se so dull ant Läben hangen dohn.«

    Ein bisschen von dieser Einstellung kann man auch heute noch bei den lange fahrenden Leuten finden.

    Hier wären zu nennen: soziale Isolierung infolge von Trennung von Familien und Freunden, soziale Isolierung an Bord durch Wachdienst und total ausgedünnte Anzahl der Besatzungsmitglieder aus einer Vielzahl von Nationen auf engstem Raum zusammengestellt; tropische Hitze, nordische Kälte – dieses eventuell in einer Einsatzzeit; Phasen von Langeweile, dann Stress infolge großen Arbeitsanfalls in den kurzen Hafenliegezeiten; unregelmäßige Urlaubszeiten.

    1. Hamburger Fischmarkt

    Nach der ersten Begegnung mit Hein Tosca Ende der Fünfzigerjahre in Hamburg hatte ich mir nie zu träumen gewagt, dass Hein Tosca mir sporadisch und in nicht festgelegten Zeiträumen immer mal wieder auf dem ganzen Globus begegnen würde.

    Die erste Begegnung trug sich auf dem Hamburger Fischmarkt zu, als es noch eine große deutsche Fischereiflotte gab nebst einem Hafenbecken voll mit Schiffen.

    Hamburger Fischdampfer im Altonaer Fischereihafen um 1962

    Um ein Schiffsingenieur-Patent zu erwerben, verlangte die Behörde den Nachweis von mindestens sechsmonatiger Fahrzeit auf einem Dampfschiff im Maschinendienst.

    Dank der Genialität unseres »GRÖFAZ« (Größter Führer Aller Zeiten) lag Deutschland am Boden und durfte in den ersten Nachkriegsjahren nur Dampfschiffe nach den Alliierten Bedingungen des Potsdamer Abkommens bauen. Das hieß Kolbendampfmaschine, oftmals mit kohlegefeuertem Kessel.

    Ich kam von der HAPAG und wechselte zur Cranzer Fischdampfer AG, um schneller die Dampferzeit ableisten zu können. Ein Absturz um Welten hinsichtlich Bordunterkunft, Kammergröße, Geruch, Essen, Arbeitsbedingungen, Sicherheitsvorschriften, hygienischen Bedingungen.

    Die Ladung des Fangschiffes »Heinrich C« war gelöscht, die Fische waren versteigert und ich musterte frühmorgens an, denn da war der Heuerbaas noch anwesend. Dieser gute Mann zahlte auch die Heuer aus und reichte das Bargeld durch eine kleine Klappe auf den Flur hinaus. Da die Fischerleute als wenig zimperlich bekannt waren, wurde die Luke so klein gehalten, dass er da von den Seeleuten nicht durchgezogen werden konnte, denn es gab immer wieder Differenzen zwischen dem gefühlten Verdienst und der ausgezahlten Heuer. Oft war auch das Erinnerungsvermögen von Jan Maat – infolge des soeben beendeten St. Pauli-Besuches – getrübt.

    Wie eben erwähnt, ich musterte zu früh an.

    Das christliche Seemannsheim war nicht weit und der Seemannspastor kam an Bord und versuchte, auf jeden verfügbaren Mann segensreich einzuwirken und vor den Gefahren und den Sünden des Landganges zu warnen. Er hatte nur wenig Erfolg und alles verschwand an Land.

    Der Weg vom Fischereihafen zum »Silbersack« oder zu »Tante Alma« wurde stets zu Fuß zurückgelegt, auch um die Landgang-Kasse zu schonen. Die Kneipe »Tante Alma« war besonders beliebt, denn hier war das Bier extrem billig und man traf an und ab eine Hausfrau, die sich ein paar Mark mit Nebentätigkeiten verdienen wollte. Die Kneipe war in einem einstmals stolzen fünfstöckigen Gebäude untergebracht, aber auch hier waren die Tätigkeiten des »GRÖFAZ« zu spüren, eine Luftmine hatte vier Stockwerke eingeebnet. Glücklicherweise war das Vorkriegsmobiliar und der Tresen erhalten geblieben. Leider hatten die sanitären Anlagen im Keller auch etwas gelitten und man konnte den Bierkonsum-Pegel von 1945 bis 1955 locker abchecken. Man stellte sich auf die letzte trockene Treppenstufe und konnte anschließend – nach Beendigung seiner Tätigkeit – feststellen, wie weit sich der Pegel gehoben hatte. Wie zu erwarten war, wurde der Sündenfall Landgang unter diesen Bedingungen zu einem triumphalen Erfolg, trotz der Warnungen des armen Seemannspastors.

    Hein Seemann konnte auch auf weitere Art seinen Liebeshunger stillen und ging hier mit dem chronischen Geldhunger der weiblichen Schönheiten eine erfolgreiche Symbiose ein.

    Hier traf ich Hein Tosca zum ersten Mal. Hein hatte seinen Spitznamen weg, weil er die Damenwelt betörte, indem er Tosca-Parfüm verteilte, welches er zollfrei aus Kapitän Jonny’s Slapskiste erstand. Denn er wusste: »Mit Tosca kommt die Zärtlichkeit.«

    Fischdampfer »Heinrich Colsman«, angetrieben durch eine Dreifach-Expansionsmaschine mit Kohlefeuerung. Leistung 850 PSi, 3 Zylinder mit einem Durchmesser von 400 mm, 650 mm, 1.050 mm

    Hein hatte seine Spendierhosen an und rief zum Wirt: »Walter, einen Klaren für die Balletttänzerin am Ende der Bar.« Die Dame wedelte mit beiden nackten Armen, um auf sich aufmerksam zu machen. In ihrer Armbeuge wuchs richtig dicke Wolle. Ich fragte Hein: »Kennst Du die vom Ballett?« Antwort: »Nee, aber wer das Bein so hoch kriegt, muss vom Ballett sein.« Über einige Umwege landete ich spät abends an der Fischereihafen-Kai und sah vor mir eine taumelnde Gestalt, die den bei Niedrigwasser tief unten liegenden Fischdampfer suchte. Die Gestalt verlor die Mütze und kletterte auf der Eisenleiter von der Kai an Deck hinab. Ich kletterte ebenfalls die Eisenleiter hinab und trat an Deck, unter mir Geplätscher und Geschnaufe. Die Gestalt war zwischen Schiffsbordwand und Kai gelandet. Mit Hilfe eines Matrosen hievten wir den nassen Kerl an Deck. Hein Tosca hatte die Nacht zweifach feucht beendet und verabschiedete sich sehr ernsthaft mit dem unvergessenen Satz: »Lass mal, Assi, ich bin trotz allem sehr, sehr gut an Bord gekommen.«

    2. Reise nach Island und Grönland

    Das Auslaufen der »Heinrich C« war für die 7-Uhr-Schicht vorgesehen. Der Inspektor persönlich weckte die paar an Bord gebliebenen Seeleute. Nachdem er im vorderen Logis die Matrosen aufgescheucht hatte, kam er nach achtern, um a) einen Heizer, b) den Koch, und c) mich selbst zu wecken. Das war ein strategischer Fehler, denn die Seeleute aus dem vorderen Logis machten sich pflichtbewusst sofort auf, um in den umliegenden Kneipen nach ihren vermissten Kumpels zu suchen. Fast alle Kneipen hatten sehr früh auf, denn die Fischhändler hielten die Versteigerung in aller Frühe ab. Der Koch machte sich auch davon, denn er musste beim Schiffshandler seine Bestellungen überprüfen. Dann erschien Jonny, »der glückliche Fischer«, der Kapitän, per Taxi und blaffte mich an, wo die Leute seien. Ich bot mich an, sie zu suchen, was mir barsch verweigert wurde. Dafür wurde ich mit dem einzigen verbliebenen Crewmitglied, Heizer Martin, in den Heizraum verwiesen, um Dampf vorzubereiten.

    Martin zeigte mir, wie man die aufgebänkten Feuer durchstößt, ausgesuchte Kohlen aufwirft, Luftklappen und Windhutze richtig stellt und langsam den Dampfdruck hochfährt.

    Zwischenzeitlich traf ein: »Karl Nase«, seines Zeichens Zweiter Maschinist. Wie Karls Familienname lautete, hab ich nie erfahren. Karls Nase war sehr rot, sehr lang und als bemerkenswertes Zeichen besser zu merken als jeder Nachname. Spitznamen waren unter den Fischerleuten sehr verbreitet und als charakterliches Merkmal besser zu merken wie der Familienname. Meyers gab es viele, aber Karl Nase war einzigartig, sozusagen ein Unikat.

    Jetzt wurde der Dampfgenerator angefahren und vorsichtig die Hauptmaschine angewärmt. Das war eine hochmoderne Dreifach-Expansionsdampfmaschine, 1950 bei der Stülcken-Werft gebaut, mit einer angehängten Ölpumpe und einem Öldruck-Alarm bestückt, dem einzigen im gesamten Schiffsbetrieb.

    Nach und nach tauchten immer mehr verantwortungsbewusste Besatzungsmitglieder auf: Walter, der Erste Maschinist, der Zweite Steuermann, der Funker, Cognac-Willy und der zweite Heizer. Ziemlich spät traf der Erste Steuermann ein, der vom Kapitän und dem Inspektor abgefangen wurde und zur ersten Amtshandlung »Crew einsammeln« abkommandiert worden war. Dieses Unternehmen konnte nahezu erfolgreich abgeschlossen werden. Die zwei fehlenden Leute brachte die Wasserschutzpolizei beim Ausklarieren mit. Jetzt fehlte nur noch Trimmer Fiete. Das war der Mann, der den Heizern zur Hand ging und die Kohlen vor die Kessel schleppte.

    Das Problem löste sich automatisch, denn nachdem der Erste Steuermann endlich seine Kammer aufsuchen konnte, fand er Fiete sanft und entspannt in den Armen einer Dockschwalbe in seiner, des Steuermannes, Koje ruhen.

    Jetzt musste alles sehr schnell gehen. Die Dame wurde unter Zurücklassen von Hose und Petticoat die Eisenleiter hochgehievt und die Deckscrew konnte in Erinnerungen schwelgen. Fiete suchte gut ausgeruht den Kesselraum auf und platzierte zunächst den Petticoat unter der Windhutze, wo er im Luftstrom nett aufgebläht die 26-Tage-Reise beendete.

    Die halbe Tide war verpasst, aber das Schiff bewegte sich mit schnellen Trippelschritten Richtung Nordsee.

    So gegen 13 Uhr hatte der Koch einen Eimer Wasser zum Kochen gebracht (Kohleherd, selbstredend) und darin Bockwurst warm gemacht. Dann muss er ob dieser Anstrengung zusammengebrochen sein, denn um 20 Uhr gab’s sehr verspätet Abendbrot, worauf er wiederum vor Schwäche zusammenklappte, voll des 3 Promille Restalkohols.

    Leider hatte er den Großteil unseres Frischproviants, der noch auf dem Bootsdeck lagerte, vergessen und leider war ein Großteil dieses Großteils hinter Cuxhaven – Helgoland über Bord verschwunden. Der Kapitän haute ihm was an die Backen, woraufhin die Maaten sich veranlasst fühlten, den Koch pünktlich jeden Freitag zu verprügeln. Nur am letzten Freitag vor Beendigung der Reise verbarrikadierte er sich in seiner Kammer, woraufhin diese dann auch noch zu Bruch ging.

    Auf dem Weg nach Island und Grönland entschloss sich der glückliche Jonny, auf der Doggerbank ein paar Fische zu fangen, um die Bedingungen der Speiserolle zu erfüllen. Es gab dann morgens Fischfrikadellen, mittags Kochfisch, abends Bratfisch. In täglichem Wechsel: morgens Bratfisch, mittags Frikadellen, abends Kochfisch. Das hielt an, bis wir vor Island etwas Frischproviant und vor allem Brot von einem vom Markt zurückkehrenden Companyschiff schnorren konnten.

    Verpflegt wurde streng nach Speiserolle (siehe Seemanns-Gesetz, G.v. 26.07.1957, BGBl. II S).

    Speiserolle für die deutsche See-Schifffahrt und Seefischerei – gültig ab 1. August 1951 –

    Zu früheren Zeiten wurde nicht so üppig verpflegt, aber es wurde vertraglich bereits sehr früh festgehalten, was der Seemann beanspruchen konnte:

    Eine Speiseordnung der »Johanna Louisa« vom 27. Februar 1835 las sich so:

    Zur Feier des Sonntags, Dienstags und Donnerstags konnte gereicht werden:

    Dem Schiffer steht übrigens frei, drei Tage in der Woche statt Fleisch ½ Pfund Stockfisch bei der Grütze zu geben.

    Außerdem erhält jeder Schiffmann wöchentlich ½ Pfund Butter, wenn Stockfisch gegeben wird, aber 1 Pfund Butter und 7 Pfund hartes Brot sowie täglich im Sommer 1 ½ Quart, im Winter aber 1 Quart Bier, solange solches vorrätig ist. An jedem Lande- oder Löschplatz oder wo sonst der Schiffer sich längere Zeit aufhalten muss, ist er verbunden, der Schiffsmannschaft wöchentlich ein- oder zweimal statt des gesalzenen Fleisches und der Erbsen frisches Fleisch mit Gemüsen oder Kartoffeln, wenn solches zu haben ist, und zwar das Fleisch in gleicher Quantität zu geben.

    In Ermangelung des Biers soll an Orten, wo Wein das gewöhnliche Getränke ist,

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