Sagen und Erzählungen rund um Wiesbaden
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Sagen und Erzählungen rund um Wiesbaden - Thorsten Reiß
Thorsten Reiß (Hrsg.)
Sagen und Erzählungen rund um Wiesbaden
Thorsten Reiß Verlag, Wiesbaden
Impressum:
Thorsten Reiß (Hrsg.), Sagen und Erzählungen rund um Wiesbaden
© Thorsten Reiß Verlag (2014)
Hundsgasse 14, 65205 Wiesbaden
www.thorsten-reiss-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten.
Cover, Layout und Datenkonvertierung: Andrea Monzel
ISBN: 978-3-928085-98-4
E-Book Distribution: XinXii
www.xinxii.com
Dieses E-Book, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne Zustimmung des Verlages nicht vervielfältigt, wieder verkauft oder weitergegeben werden.
Inhalt
Der Seeräuber von Wiesbaden
Die Wiesbadener Quellen
Allemannenliebe am Neroberg
Das Reichsfest beim Mechtildisstuhl
Der Löwenritter
Der Groroder Hof
Die Frauensteiner Linde
Das Eisenmännchen
Der Kobold in der Klostermühle
Die letzte Nonne von Klarental
Der feurige Reiter zu Biebrich
Die vergrabene Monstranz
Der Trompeter und das seltsame Kegelspiel
Die Erlebnisse des Johann Wilhelm Willkühn
Der Faulbrunnen
Des Teufels Kur am Kochbrunnen
Der grüne Jäger von Biebrich
Veteran Schlössermann
Der Eschepeter und der russische Fürst
Eschepeters tolle Fahrt
Die Schmuggler von Biebrich
Der Nebeljungenstreich
Der Landstand vom Lande
Der Schlauwitzer und der Herzog
Der Bauer Faust von Wiesbaden
Literatur
Der Seeräuber von Wiesbaden
Dort, wo jetzt die schöne und große Stadt Wiesbaden liegt, soll sich in alten Zeiten ein großer See befunden haben. Damals reichte auch der Rhein bis an die Wiesbadener Grenze heran. Nun wurde in alten Zeiten einmal ein Seeräuber gefangen, der wegen seiner Untaten sein Leben verwirkt und zum Tode verurteilt worden war. Als die Landesbewohner eben im Begriff waren, den bösen Gesellen ein für allemal unschädlich zu machen, versprach er die Felsen bei Bingen zu öffnen, wenn ihm dafür das Leben geschenkt werde. Sofort wurde ihm erlaubt, das Werk zu versuchen. Aber erst nach langer, mühevoller Arbeit gelang ihm die Ausführung seines Planes, und er verschaffte dem Rhein den freien Lauf, den er heute noch hat.
So wurde auch der See bei Wiesbaden trockengelegt und der Rhein von der Stadt weggeleitet. Der Abfluß aber, den der Räuber damals geschaffen hat, heißt heute Binger Loch.
Nach Wilhelm Müller
Die Wiesbadener Quellen
Vor langer Zeit, als noch Riesen und Drachen auf der Erde weilten, lebte in unserem Lande ein Riese namens Ekko. Aber auch ein Drache hauste in den Taunuswäldern um Wiesbaden und störte das Leben des Riesen sehr. Also machte der Riese sich eines Tages auf die Suche nach dem Drachen, um ihn in seiner Höhle zu erschlagen. Doch bevor Ekko den Drachen entdecken konnte, war dieser schon wieder feuerspuckend in seiner Höhle verschwunden. So sehr der Riese sich auch mühte, er fand die Höhle des Drachen nicht. Voller Zorn stieß er mit seiner mächtigen Lanze tief in den Boden, um den Drachen aufzuspüren. Doch aus der Tiefe glaubte er nur spöttisches Lachen zu hören. Als er seine Lanze wieder aus dem Boden herauszog, spritzte ein Strahl kochenden Wassers aus der Erde. Das brachte den Riesen nur noch mehr auf. Immer wieder stieß er seine Lanze in die Erde, doch jedes Mal quoll nur kochendes Wasser aus der Tiefe. Die heißen Wasser verbrannten schon seine nackten Füße. Mit großer Wut stieß er noch einmal seine Lanze ganz tief in den Boden, denn er glaubte, der Drache führe ihn an der Nase herum. Als er sie wieder herauszog, fuhr diesmal der siedende Wasserstrahl so heftig herauf und traf ihn ins Gesicht, daß er fast stürzte und sich gerade noch abstützen konnte. Dabei aber gruben sich seine linke Hand, an der der kleine Finger fehlte, und der Unterarm tief in das Erdreich ein. Und wieder glaubte Ekko das Lachen des Drachen aus der Tiefe zu hören. Doch jetzt gab der Riese seine Suche auf und wankte fluchend mit verbrühtem Gesicht von dannen. Der Abdruck des Riesenarmes mit den vier Fingern jedoch, ist noch bis auf den heutigen Tag zu sehen.
Mit seinen Lanzenstichen brach Ekko den Wiesbadener Thermalquellen Bahn und aus dem Abdruck seiner linken Mittelhand entstand der Wiesbadener Kessel, in dem heute der Kochbrunnen sprudelt, seine vier Finger bildeten das Rambachtal, das Nerotal, das Walkmühl- und das Wellritztal. Aus dem Abdruck des Unterarmes entstand das Salzbachtal. Der Drache aber sitzt noch heute in der Tiefe und heizt mit seinem Atem die Wiesbadener Quellen auf.
Nach Karl Döringer
Anmerkungen:
Einige der Thermalquellen existieren heute nicht mehr oder wurden im Laufe der Zeit außer Betrieb gesetzt. Die Temperatur der Quellen schwankt zwischen 14 Grad Celsius (Faulbrunnen) und 67 Grad Celsius (Adlerquelle). Der Kochbrunnen ist mit 346 Liter/Minute die ergiebigste Quelle, während aus der Quelle am Schützenhofbad nur 0,5 Liter/Minute hervorsprudeln.
Die früheste Erwähnung der Wiesbadener Quellen und ihres Sinters findet sich in der Naturgeschichte des römischen Gelehrten C. Plinius dem Älteren (23/24 - 79 n. Chr.), die um 77 n. Chr. erschienen ist (Naturalis historia XXXI, 20).
Auch der römische Dichter Martial (um 40 - um 102 n. Chr.) erwähnt in seinen Epigrammen (XIV, 26f.) den Sinter der mattiakischen Quellen.
Allemannenliebe am Neroberg
Es war an einem schönen Sommerabend des Jahres 357. Die Sonne war hinter den Waldhöhen des Taunus, wie die Römer die alte keltische Namensform des Gebirges dort im Norden in ihrer Sprache umgebildet hatten, untergegangen. Dämmerung lagerte auf der Höhe des Ersberges, dem heutigen Neroberg, und im Wiesentale, in dem das Städtchen Mattiacum ruhte. Weiß zeichnete sich die Umfassungsmauer und die Gebäude der ehemaligen Römervilla von dem dunklen Hintergrunde ab. Ringsum herrschte Stille, die Vögel waren schon schlafen gegangen. Nur vereinzelt hörte man aus dem Grase das Zirpen einer Grille.
Aus dem Hoftor trat jetzt ein junger Mann. Hochgewachsen, das goldgelbe Haar am Hinterhaupt zu einem Knoten geschürzt, die breite Brust und die Oberschenkel mit einem Rock aus dunklem Bärenfell bedeckt, so daß die muskulösen Arme frei blieben. Die Unterschenkel waren mit roten Lederbinden umwunden bis hinunter auf die kunstvoll gearbeiteten Sandalen. Den linken Arm trug er in einer Binde, während die Rechte die Leine hielt, an der ein großer, zottiger Wolfshund vorwärts strebte.
„Laß gut sein, Friedwart, sagte der Jüngling, nachdem er sich umgeblickt hatte, „es sind keine Feinde zu wittern. Noch sind sie drüben, da, wo die vielen Lichter herüberblinken, in Moguntiacum, dem bösen Neste. Wie lange sie dort ruhig bleiben, trotz aller Friedensversicherungen gegen die Buchengauer, wer weiß es?
Schnuppernd reckte der Hund, als ob er seinen Herrn verstanden habe, seine Schnauze in die Luft und blickte dann mit seinen grünlich schimmernden Augen zu dem Jüngling auf.
„Komm", fuhr dieser fort, „laß uns den Rundgang machen und