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Gefährliches Projekt
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Ebook435 pages5 hours

Gefährliches Projekt

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About this ebook

Einer kleinen Gruppe von älteren Systemanalytikern wird ein interessanter Auftrag erteilt: Koordinierung von Flugbewegungen auf kleinen Flugplätzen. Die besondere Schwierigkeit besteht darin, dass die Steuerung auf einem Laptop erfolgen soll – eine normalerweise nicht lösbare Aufgabe.
Auftraggeber ist eine amerikanische Softwarefirma. Sie ist von der CIA gegründet worden. Ziel ist es, Erkenntnisse über das Verhalten östlicher Geheimdienste in Deutschland zu erlangen. Da die in einem Pflichtenheft geforderte Software auch für militärischen Einsatz – etwa Steuerung von Kampfdrohnen – nutzbar ist, streut die CIA das Gerücht, dass in Hamburg ein geheimes militärisches Softwareprojekt entwickelt wird. Das Interesse von Geheimdiensten ist geweckt.
Als die pazifistisch eingestellten Systemanalytiker dahinter kommen, dass sie missbraucht werden, wehren sie sich. Die Lage wird verschärft, als es ihnen geling, die Steuerung von Drohnen auf dem Laptop zu realisieren:
Die CIA muss unter allen Umständen verhindern, dass Dritte die Software erhalten. Ein dramatischer Kampf beginnt.
LanguageDeutsch
Release dateAug 27, 2015
ISBN9783739258386
Gefährliches Projekt
Author

Thomas Panzer

Der Autor genießt nach einem abwechslungsreichen Leben als IT-Spezialist, Unternehmer und Verleger sein Leben als Schriftsteller und Rentner in Buxtehude.

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    Book preview

    Gefährliches Projekt - Thomas Panzer

    Inhalt

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Der Autor

    Kapitel 1

    Sie saßen entspannt bei einer Tasse Kaffee und einem Brandy im Casino der »Firma«, wie sie die CIA nannten, und plauderten noch etwas.

    Mister Smith beugte sich vor. »Bei der Air Force läuft ja immer noch im Hintergrund unser Programm des ›National Missile Defense‹ – die Boys vom NMD haben da noch einige Dollars im Budget für dieses Jahr, und es ist Oktober. Sie würden gern diskret forschen lassen. Thema: Abfangen niedrig fliegender Drohnen. Die könnten Hilfe gebrauchen. Was hältst du von einer Kooperation?«

    Mister Wenner, leitend tätig im Bereich »Menschliche Quellen« (HUMINT) der CIA, hielt viel von diesem Vorschlag.

    Jan Martens spürte ein unbestimmtes Gefühl von Gefahr. Da war seiner Firma ein Auftrag angetragen worden. Software sollte erstellt werden für ein Unternehmen in den USA.

    Die Aufgabe erschien reizvoll: Flugsimulation und Flugplankoordinierung, angeblich für eine kleine amerikanische Fluggesellschaft. Ein Investor wollte die Software auch nutzen, um regionale Fluggesellschaften in Entwicklungsländern damit auszurüsten.

    Die finanziellen Bedingungen klangen verlockend. Es gab ein Startbudget von hunderttausend Dollar, Abrechnung nach Aufwand. Vorgabe und Dokumentation in Englisch, weitgehend freie Gestaltung der Lösung und der Software. Künstliche Intelligenz, Nutzung von Expertensystemen, Simulation eine Mischung dieser Lösungstechniken könnte erfolgen. Eine Anzahlung von 20 000 Dollar wäre auch denkbar, im Übrigen selbstverständlich monatliche Abrechnung.

    Ideale Bedingungen also, die dieser Mister Hammer angeboten hatte – gerade das Richtige für Jans kleines Unternehmen, das nicht gerade auf der Sonnenseite der Konjunktur operierte. Und doch stimmte etwas nicht an dieser Offerte. Bei näherem Überlegen stimmte sogar Verschiedenes nicht.

    Eine entscheidende Schwierigkeit bestand zunächst darin, dass dieses System auf handelsüblichen Laptops laufen sollte, also mit eingeschränkter Speicherkapazität und Beschränkungen hinsichtlich der Geschwindigkeit der Verarbeitung. An dem Problem der Rechnerlei­stung war unter anderem das Star Wars Projekt gescheitert.

    Die Chicago Software Inc. kannte kein Mensch, Google war unergiebig und die Website nichtssagend. Mister Hammer, der Repräsentant der Chicago Inc., hatte von einer »bedeutenden Software Company« gesprochen. Überhaupt, wenn sie denn so bedeutend waren, wieso vergaben sie dann Unteraufträge bei so fantastischen Konditionen.

    Für das Geld hätten sie doch gute Leute selbst einkaufen können, ein erheblicher Vorteil für die Koordination eines solch komplexen Projektes. O.k., seine Firma galt als Spezialist besonders überzeugender Problemlösungen bei komplizierten Sachverhalten. Für Hersteller elektronischer Spiele hatten sie Programmsysteme geliefert, die auch eine komplexe Spielsituation in Echtzeit darstellen konnten.

    Jan lehnte sich in seinem Bürosessel zurück, führte die linke Hand an das Kinn und blickte versonnen in den Hinterhof. Eine Katze hatte den winzigen sonnenbeschienen Fleck auf dem alten Schuppen entdeckt. Sie streckte sich, genoss die mittägliche Wärme der Novembersonne und schien sich wohl zu fühlen.

    Die Incom war eine Hinterhoffirma, die dringend Aufträge brauchte. Jan seufzte Er war Geschäftsführer und Gesellschafter der »Incom Software und Communication GmbH« . Sie bestand aus einer Gruppe von Systemspezialisten, die sich auf den Entwurf komplizierter Computerprogramme spezialisiert hatte. Zwei waren, wie die Sekretärin und der Buchhalter, fest angestellt, drei arbeiteten auf Honorarbasis. Bei besonderen Problemstellungen griffen sie auf weitere freiberufliche Fachleute zurück. Diese Personalpolitik hatte sich seit Jahren bewährt. Dennoch war die Incom über eine lokale Bedeutung nie hinaus gekommen.

    Jan Martens wusste, dass es an ihm lag: Er hatte zu viele verschiedene Ideen im Kopf, künstlerische Neigungen auch, und seine Ehe war an seiner Unstetigkeit gescheitert.

    So gab es zwar bei der Incom immer wieder Höhenflüge, aber sie endeten manchmal in hässlichen Abstürzen. Immerhin, zehn Jahre bestand die Incom schon, und Jan war fest entschlossen, sie noch mindestens zehn weitere Jahre am Leben zu erhalten.

    Die Partnerfirma Sinus in Frankfurt hingegen galt als Senkrechtstarter. Innerhalb von drei Jahren war aus einem kleinen Büromaschinenhandel eine respektable, erfolgreiche Computer-Gesellschaft geworden. Neben der Programmierung wurde mit Hardware gehandelt. Zunächst gelegentlich, dann als wichtiges weiteres Bein, hatte sich die Verwertung hochwertiger Maschinen etabliert. Es hatte sich herausgestellt, dass gute Verbindungen zu der US-Armee zu Verwertungsaufträgen für überschüssige Maschinen führten – für beide Seiten ein gutes Geschäft. Die Sinus wurde zu einem Teil des »Geheimen Magazins« der CIA, wie der »Spiegel« mal getitelt hatte.

    Jan Martens beschloss, seinen Geschäftsfreund Alfred Kinsky noch einmal anzurufen. Über dessen Gesellschaft, die Frankfurter »Sinus Systemgesellschaft mbH«, war die Anfrage ja gekommen.

    »Bist du sicher, dass es sich um eine seriöse Angelegenheit handelt?« wollte Jan wissen.

    Alfred gab eine ausweichende Antwort: »Nein, so genau weiß ich auch nicht, was dahinter steckt, aber es gibt Geld. Ich weiß, du vermutest irgendeine linke Tour. Da müssen wir eben ein bisschen aufpassen. Hinter »Flugplansimulation« kann sich natürlich alles Mögliche verbergen. Wart‹ doch erst mal ab, bis das Pflichtenheft da ist.«

    Das vorläufige Lastenheft kam. Es war sehr allgemein gehalten.

    »Weltweite Koordination von Flugbewegungen unter sicherheitsrelevanten Unsicherheiten und Beeinträchtigungen« ergab sich als Arbeitstitel, wenn man die Anforderungen sichtete und logisch gruppierte.

    Die künftigen Auftraggeber erwarteten eine Präsentation in Freiburg, bei einer kleinen, wenig bekannten Elektronikfirma.

    »Die haben doch auch was mit Rüstung zu tun, oder?« erkundigte sich Jan bei Alfred.

    »Wahrscheinlich, wer in diesem unserem Lande produziert schon Elektronik und hat nichts mit Rüstung zu tun. Aber du sollst da ja nicht Abrüstung kontrollieren, sondern den Leuten klar machen, dass unsere beiden Firmen, ihr mit Systemanalyse und wir mit Programmierung, Lösungen für Probleme der komplexen Art bringen können. Und dass die Auftraggeber eine Firma mit einschalten, die Navigationselektronik produziert, scheint mir nicht abwegig. Die haben sicher auch Leute, die Systemanalyse beurteilen können. Und in diesem besonderen Fall wollen es die Auftraggeber ziemlich genau wissen. Sieh also zu, dass du einen kompetenten Mann heranholst, der auch etwas von künstlicher Intelligenz versteht. Wobei ›etwas‹ eine ganze Menge bedeutet.«

    Jan wusste um einen solchen Mann, 57 Jahre alt, wie er selbst, mit erheblicher Erfahrung in der Computeranwendung und als Fachmann für Künstliche Intelligenz weitgehend anerkannt: Seine Seminare und Vorträge war sehr gut besucht. Im Augenblick arbeitete er wohl daran, seine Erkenntnisse in einem fundierten Buch niederzulegen. Er hatte einen Anteil an der Incom und arbeitete mit, wenn es galt, komplexe Probleme zu lösen.

    Gert Handke war groß, schlank, fast hager und von anrührender Hässlichkeit: Ihn zierte eine etwas zu große Nase über einem Pferdegebiss, das er ab und zu bleckte; sie lenkte ab von seiner immer nach vorn gebückten Haltung. Er galt als unsensibel. Aber der »Coole Gert« erschien nur denen kalt, die sich nicht die Mühe nahmen, hinter der zur Schau getragenen Lässigkeit die Sensibilität zu entdecken, die den Mathematiker befähigte, Menschen statt Formeln und Programmen zu erkennen.

    Gert verband analytischen Scharfsinn mit einem feinen Gespür für die Schwächen seiner Mitmenschen. Auf diese Art gelang es ihm, auch tiefgreifende Veränderungen bei der Einführung von komplexen EDV-Anwendungen den Betroffenen plausibel zu machen und ihre Mitarbeit zu gewinnen. So galt er als unschätzbare Hilfe, wenn es darum ging, Arbeitsplätze zu rationalisieren, Menschen durch Computer zu ersetzen, Akzeptanz für höhere Anforderungen als normal beim Umgang mit Computern zu erreichen. Was Jan besonders beeindruckte, war das offensichtlich sehr harmonische Familienleben der Handkes. Gert liebte seine Frau und seine Kinder, seine Frau liebte ihn, und es gelang ihnen, aufkeimende Konflikte schnell zu erkennen und zu entschärfen.

    »Er arbeitet mit dem Kopf, kann aber auch aus dem Bauch heraus entscheiden«, dachte Jan. »Ich bin gern mit ihm zusammen. Auch beim Segeln ist er ein verlässlicher Mann.«

    Jan konnte Gert gewinnen, sich mit dem Projekt zu befassen, indem er ihm nicht nur eine direkte Erfolgsbeteiligung anbot, sondern auch um Hilfe bat.

    »Das Ganze stinkt nicht nur nach Geld. Ich brauch‹ dich. Versuch‹ herauszufinden, wer oder was dahinter steckt. Wenn du mich fragst, könnte es ein amerikanischer Geheimdienst sein oder die NASA, Navy vielleicht auch oder die Air Force. Es ist wichtig, weil ich auch den Günter mit dabei haben möchte. Nur, das ist problematisch, weil er eine kommunistische Vergangenheit und islamische Freunde hat. Du weißt ja auch, dass er mal in einem Anfall geistiger Verwirrung aktives Mitglied der DKP war, DDR-Kontakte pflegte und auch heute, gut 25 Jahre nach dem Ende der DDR, nicht unbedingt auf dem Boden der demokratischen Grundordnung unserer Republik steht. Obwohl sein ziviler Ungehorsam sich im Augenblick vornehmlich auf Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit richtet.«

    Gert hatte genickt: »Ich kümmere mich darum, werde mir zunächst den Kinsky mal vorknöpfen.«

    So flog er nach Frankfurt. Dort ließ er sich von Alfred Kinsky die Verbindung zur Chicago Software Inc. erklären, bestand darauf, deren Europarepräsentanten, Herrn Hammer, selbst zu sprechen und flog dann nach Luxemburg, wo angeblich eine Filiale der amerikanischen Softwaregesellschaft residierte.

    Mister Hammer empfing ihn im Restaurant des Flughafens. Die Unterhaltung verlief höflich, kurz und sehr unterkühlt.

    Das Ganze sei ein sehr vertrauliches Projekt, und er wolle auch nicht ausschließen, dass es von höchster Stelle gefördert würde. Mehr wollte Herr Hammer nicht erklären.

    »Die Herren der Sinus und Incom könnten denken, was sie wollen, jedoch ist es Teil des bereits abgeschlossenen Vorvertrages und der Verschwiegenheitserklärungen, dass sie ihre Gedanken bei sich behalten. Insofern ist auch nicht ganz einsichtig, warum Sie sich die Mühe gemacht haben, nach Luxemburg zu kommen.«

    »Manchmal ist es schon sehr wichtig zu wissen, mit wem man es zu tun hat«, erwiderte Herr Handke, »und jetzt weiß ich es.«

    Gert berichtete Jan. »Der Paul Hammer ist ein gefährlicher Mensch und bestimmt kein Computermann. Ich bin auch nicht sicher, ob die nur Software wollen. Dann müssten sie nicht so seltsame Umwege gehen. Hier ist äußerste Vorsicht angebracht. In Frankfurt, bei Kinsky, hatte ich nur ein dummes Gefühl, aber nach dem Treffen auf dem Luxemburger Flughafen bin ich mir fast sicher, da steckt mehr dahinter. Mag sein, dass ich mich von dem äußeren Eindruck täuschen ließ. Der Kerl sieht zwar nicht aus, wie man sich einen Gangster vorstellt, aber er hat einen unsteten, stechenden Blick. Er wirkt gefährlich; kurzer Haarschnitt, fliehende Stirn, und wie gesagt, stechende Augen, brrrrr. Wahrscheinlich ist er nicht dumm – skrupellos bestimmt. Arrogant übrigens auch.«

    Jan nickte. »Ich bin ganz deiner Ansicht, dass wir vorsichtig sein sollten. Aber das Angebot ist sehr verlockend – um nicht zu sagen, der Auftrag unseres Lebens.«

    »Wenn wir ihn denn kriegen und ordentlich erledigen«, ergänzte Gert und bleckte die Zähne.

    »Aber ein gefährliches Projekt?«, fragte Jan.

    »Ein gefährliches Projekt!«

    Günter Maser, von gedrungener Statur mit einer wilden schwarzen Mähne, einem Schnurrbart und ausdrucksvollen braunen Augen, war der zweite Mann, an den Jan dachte. Der schrieb kein Buch über künstliche Intelligenz, sondern fuhr Taxi. Er hatte eines Tages, nach einem Besuch beim Internisten, beschlossen, sein Leben von Grund auf zu ändern. Zunächst wollte er dem Stress der ewigen Terminnot dringender Projekte und drängender Auftraggeber entkommen. Aufträge, wie er sie als freiberuflicher Systemberater der Incom ausführte, litten immer darunter, dass die Lösungen in kürzester Zeit erwartet wurden – selbstverständlich perfekt dokumentiert, und unter »vertretbaren Kosten« zu realisieren. Wobei die vertretbaren Kosten meist so niedrig angesetzt waren, dass eine Lösung zwar immer aufgezeigt wurde, aber mit den vorgegeben Mitteln häufig nicht umzusetzen war.

    So hatte Günter Maser angefangen, Aufträge abzulehnen, jedoch, da er seinen Lebensunterhalt verdienen musste, sich nach einer neuen Beschäftigung umgesehen. Lokomotivführer oder Kapitän, Berufe, die er seit früher Kindheit gern ausüben wollte, schieden wegen der Länge der Ausbildung aus; immerhin war er schon 45 Jahre alt.

    Das Führen eines eigenen Taxis hingegen kam seinen Neigungen weitgehend entgegen. Die Ausbildung war relativ kurz, die geforderte Prüfung Ergebnis einer Fleißarbeit, freies Unternehmertum lockte, gepaart mit der Möglichkeit, Auto zu fahren und dabei noch Geld zu verdienen. Zwar untersagten die behördlichen Vorschriften, etwa einen rassigen Zweisitzer zum Taxi zu erklären (vier vollwertige Sitze und vier Türen waren Vorschrift), aber immerhin konnte man durchaus ein schnelles Auto der gehobenen Mittelklasse verwenden. Die neuen Kollegen allerdings warnten vor einer übertriebenen Zurschaustellung automobilistischen Geltungsstrebens. Neid und Missgunst dem Newcomer gegenüber könnten sich durchaus geschäftsschädigend äußern.

    Günter erwarb ein Fahrzeug einer süddeutschen Nobelmarke, ließ es zum Taxi umbauen und die Typenbezeichung durch die eines geringeren Typs ersetzen. Dann gab er den Auftrag, das Fahrzeug so zu tunen, dass es in Leistung und Geschwindigkeit mit Sportwagen aus Stuttgart durchaus mithalten konnte. Am Ende kostete ihn das Auto mehr als 100.000 Euro – nach nicht ganz einfachen Verhandlungen wesentlich finanziert von der Sparkasse, auf Basis einer Bürgschaft seiner Freundin Marion.

    Das Leben als Taxifahrer behagte ihm. Er lernte Menschen kennen, flüchtig zumeist, aber auf längeren Touren durchaus hinreichend, um sich von seinen Fahrgästen ein Bild zu machen. In den unvermeidlichen Wartezeiten konnte er lesen. Und wenn er auf andere Gedanken kommen wollte, stellte er sein Auto in die Garage und feilte an seinen Gedichten. Insgeheim hoffte er allerdings immer noch, seine Idee einer computergestützten Bewässerung von Wüsten einmal realisieren zu können.

    Kurz vor Weihnachten erreichte Jan seinen Freund. Was denn das Taxigewerbe mache. Er selbst hätte sehr viel zu tun, käme kaum noch zum Malen. Und ob Günter wohl Interesse an einem besonderen Projekt hätte, offensichtlich nicht allzu sehr unter Terminzwang, ausreichend dotiert und mit weitgehender Freiheit hinsichtlich der Lösungsansätze. Außerdem, was das Budget zur Durchführung angehe, da scheine es schier unbegrenzte Mittel zu geben. Schließlich, Gert Handke, ja, der coole Gert, der sei auch dabei. Und er selbst, Jan, natürlich, für die Projektleitung und Budgetkontrolle, damit müsste er, Günter, sich dann gar nicht abgeben, könnte sich ganz auf die Aufgabe konzentrieren. Etwa ein Jahr rechne er, aber mit Pausen, da das Ganze mit anderen Projekten koordiniert werden müsste. Er könnte also durchaus weiter schreiben – er bastele doch an einem Gedichtband – oder was er sonst gerade triebe.

    Günter Maser erbat sich Bedenkzeit. Er müsse da erst einmal für sich einiges klären. Ja, Freundin Marion wäre auch mit im Spiel, aber nicht nur – also, Silvester wäre ja wohl der Anlass, über das Leben im Allgemeinen und das Projekt im Besonderen nachzudenken – eben unter Berücksichtigung der ganz besonderen Umstände.

    Bis Jahresende könne er nicht warten, entgegnete Jan. Sie müssten umfangreiche Vorarbeiten auf eigenes Risiko leisten, die amerikanischen Auftraggeber wollten eine Art Sicherheitsüberprüfung durchführen –  aber immerhin sei es doch eine einmalige Gelegenheit, mal im großen Stil eigene Gedanken und Pläne umzusetzen.

    »Ich stehe jedenfalls hinter der ganzen Sache; drei Tage kann ich dir zum Bedenken geben. Die kannst du auch nutzen, um dich mit Gert zu besprechen,« schloss Jan das Gespräch.

    Gert gab sich in der Tat cool. »Du bist ganz schön naiv, Günter, wenn du denkst, dass jetzt der Wohlstand von der Wand tropft und du das Taxifahren erst mal an den Nagel hängen kannst. Einfach so, weil du dir das wünschst. Außerdem, ich bin ziemlich sicher, dass hinter der ganzen Angelegenheit direkt oder indirekt das Militär steckt. Du hast die Chance mitzumischen, wenn sie dich lassen. Take it or leave it.«

    »Irgendeinen Rüstungsquatsch mache ich auf keinen Fall mit!«

    Gert lächelte: »Man kann ja auch mal Sand sein im Getriebe der Welt, um dich zu zitieren …«

    Günter Maser sagte trotz erheblicher Zweifel zu. Mit allen Konsequenzen, auch finanzieller Art. Ein freiberufliches Honorar von 50 Euro pro Stunde sollte er erhalten, deutlich mehr als das Taxifahren einbrachte.

    Jan hatte so im Wesentlichen ein Team zusammen. Ein weiterer Mathematiker fehlte vielleicht noch, und dann brauchte er jemanden für die Dokumentationen. Die Systemanalytiker waren zwar hervorragende Denker, aber nicht gerade Meister des geschriebenen Wortes. Unter Druck gaben sie zu Papier, was sie erdacht und aufgezeichnet hatten, in unverständlicher Kürze zumeist und keinesfalls in verständlichem Deutsch, geschweige denn Englisch. Sinnvoll war es, jemanden anzusetzen, der die deutschen Texte schrieb und erst dann einen Übersetzer zu bemühen.

    Gert wusste Rat. »Da gibt es einen Schreiberling namens Thomas Erdmann. Der war mal bei einer Finanzierungsgesellschaft für Werbung und Texte zuständig. Die haben, ehe sie sich in ein Filmabenteuer stürzten, auch Computer finanziert und Software. So ist ihm die Terminologie nicht so ganz fremd. Ich geb dir seine Nummer.«

    Thomas Erdmann kam und stellte sich vor. Gegen ein mäßiges Salär war er bereit, alle Texte der Arbeitsgemeinschaft zu verfassen, unter Zurückstellung des eigenen künstlerischen Ehrgeizes. Ganz wohl war ihm nicht bei der Angelegenheit. Er hätte gern einmal in seinem Leben eine grundsolide Arbeit gehabt. Hier schien ihm das Unternehmen nicht ausgereift. Wie hatte sein neuer Arbeitgeber gesagt?

    »Die Sache ist bisher wenig spezifisch – wir müssen da noch etwas klären.«

    »Die größte Deutlichkeit ist mir immer die größte Schönheit. Lessing, Das Testament Johannis«, hatte Thomas Erdmann zitiert.

    Thomas Erdmann beriet sich mit seiner Frau. Die zeigte nicht gerade Begeisterung für eine Arbeit, die sie für unter der Würde eines Schriftstellers hielt. Sie fand jedoch, dass im Hinblick auf den betrüblichen Saldo des Bankkontos Hochmut nicht angebracht wäre.

    Ihr Mann versuchte, sie damit zu trösten, dass die Dokumentation von Computerprogrammen durchaus dichterische Elemente enthielte. »Dichten ist nichts anderes als ewiges Symbolisieren, sagt Schlegel.«

    In Langley wurde das Projekt »Hot News« strukturiert. Clandestine Operations der CIA wurde für zuständig erklärt, die Direktion für verdeckte Operationen. Ein erfahrener Agent mit Kenntnis der europäischen Szene, Fred Harvard, erhielt den Job als Projektleiter. Die örtliche Einsatzgruppe sollte Agent Paul Hammer führen. Paul Hammer fungierte auch als Vertreter der amerikanischen Softwaregesellschaft. Er hatte schon Operations in Deutschland durchgeführt.

    Die NSA wurde eingeschaltet mit ihr wurden die Selektoren, die Such- und Überwachungsbegriffe abgestimmt.

    Die auftraggebende Softwarefirma wurde in Chicago gegründet und mit einer »History« versehen. Demnach handelte sich es sich um eine Softwarefirma, die anspruchsvolle Aufgaben für staatliche Stellen ausführte. Präsident und CEO, Chief Executive Officer, wurde Fred Harvard. Seine Ehefrau Alexandra konnte bei Bedarf als Gattin oder Sekretärin eingesetzt werden. In beiden Funktionen hatte sie sich in der Vergangenheit bewährt.

    Die CIA hatte in Deutschland ein Unternehmen gefunden,, das einerseits den nötigen Sachverstand und entsprechende Ressourcen zur Verfügung stellen könnte, andererseits nicht so gefestigt dastand, dass es versucht sein könnte, besonderen Anforderungen der Auftraggeber auszuweichen.

    In Frankfurt arbeitete die CIA gelegentlich mit einem Unternehmen zusammen, das insbesondere bei der Beschaffung von Material und Maschinen sehr effektiv gewesen war. Eine Anfrage hatte ergeben, dass man in Hamburg eine Partnerfirma empfehle, sehr flexibel, die auch ungewöhnliche Aufträge bearbeiten könne. Sie sei »inhabergesteuert«, recht konservativ und immer wieder in Geldnot. Man verfüge jedoch über einen Pool hervorragender Spezialisten auf vielen Gebieten der IT, auch was die Realisierung anspruchsvoller Programmsysteme auf kleinen Rechnern umfasse.

    Auf einer Sitzung in der Zentrale kam die Profilerin zu Wort. »Boss und Eigentümer ist ein gewisser Jan Martens. Auf den ersten Blick wirkt er wie jemand, der seine Umgebung nur danach beurteilt, ob sie etwas zu essen oder zu begatten bietet. Entsprechend hat er etwas Übergewicht, darüber hinaus eine Reihe von Affären, die auch dazu geführt haben, dass seine Ehe zerbrochen ist. Auf dem massigen Körper steckt allerdings ein exzellenter Kopf; hochintelligent, überdurchschnittliche Auffassungsgabe, klares analytisches Denken. Das wird jedoch massiv getrübt, wenn Mister Martens mal wieder seinem Traum der romantischen Liebe nachhängt. Sein Unternehmen führt er im Prinzip auf partnerschaftlicher Basis. Allerdings geschieht es manchmal, dass er den Patriarchen hervorkehrt und etwa mit energischer Stimme zum Diktat bittet.«

    Paul Hammer, inzwischen bei der Sinus und Incom als Vertreter der Chicago Software Inc. eingeführt, gab einen Bericht an seine vorgesetzte Dienststelle, die in Langley bei Washington residierte. Im Sinne der doppelten Aufgabe wäre eine sehr interessante Person zur Incom gestoßen: ein gewisser Günter Maser, Systemanalytiker mit mathematischem Vordiplom. Der hätte immer noch lebendige »Ostkontakte«, wahrscheinlich auch solche in Richtung Nahost. Wenn man ein Gerücht über militärische Softwareentwicklung bei der Incom lancierte, könnte der Plan aufgehen, durch das Softwareprojekt Erkenntnisse über östliche Geheimdienste zu erhalten.

    Die Auftragserteilung für die Incom zog sich hin – so kurz vor Weihnachten gäbe es keine Entscheidung. Vielleicht Anfang Januar. Von Seiten der Auftraggeber dächte man auch an eine erweiterte Präsentation; gegen Kostenerstattung.

    Das war ein merkwürdiges Silvester gewesen. Günter Maser hatte, eigentlich mehr aus einer Laune heraus, sein Taxi noch einmal durch die Waschstraße gefahren und war dann zum Hafen hinuntergebummelt, so gegen vier Uhr, als es gerade anfing, dunkel zu werden. Es herrschte eine eigenartige Stimmung. Im Zwielicht hasteten Figuren zur U-Bahn, an einer Straßenecke standen ein paar Jungen und zündeten Chinaböller. Der Hafen schien fast leer, im Dunst ließ sich nur eine Barkasse ausmachen.

    Zwei Fuhren hatte er einfangen können, die eine zum Hauptbahnhof und eine zweite zum Flughafen. Dort mochte er sich nicht in die lange Reihe der wartenden Kollegen einreihen. Viel Flugverkehr herrschte nicht mehr, und es war nicht sicher, ob er überhaupt noch eine Chance hätte.

    So war er zurückgefahren in die Stadt, hatte sich wieder am Hauptbahnhof aufgestellt, nach einer knappen Stunde einen Passagier zum Hotel in die City Nord gefahren und gleich einen Gast in die Stadt gebracht, zum Dammtor.

    Inzwischen war es acht Uhr geworden, und Günter hatte mit Trinkgeldern gut neunzig Euro eingenommen – nicht gerade berauschend, aber das lag an der Leerfahrt zum Hauptbahnhof: Da hatte er nicht schnell genug auf die Funkdurchsage reagiert. Es war also seine Schuld.

    Unschlüssig war er gewesen, was er tun wollte. Eigentlich war ihm nicht nach Menschen zumute, andererseits fand er, man solle es nicht übertreiben mit der Arbeit. Eine Partyeinladung hatte er von Jan. Martha, Jans Neuentdeckung, eine junge Grafikerin, würde vielleicht auch da sein, Gert sicher.

    Später vielleicht, hatte er gedacht und war noch einmal zum CCH, dem Kongresszentrum, gefahren. Dort herrschte erheblicher Betrieb, aber im Wesentlichen von ankommenden Wagen – der Silvesterball des Rundfunks. Nach einer halben Stunde hatte er Glück: Zum Studio nach Lokstedt und zurück, mit zehn Minuten bezahltem Warten brachte das vierzig Euro auf die Uhr.

    Er hatte dann beschlossen, Jans Einladung anzunehmen. Also nach Hause, duschen, umziehen, eine Flasche Sekt aus dem Kühlschrank, Weihnachtspapier, los.

    Bei Jan gingen die Wogen hoch. Einen starken Punsch gab es, es wurde getanzt; gleichzeitig lief der Fernseher, auf dem Balkon wurden schon mal Böller gezündet. Dazwischen reichte man »Berliner«, in der Küche versuchte sich eine Gruppe im Bleigießen, fast alle waren »festlich illuminiert«, wie Jan den Zustand fortgeschrittenen Beschwipstseins beschrieb.

    Günter lehnte sich in eine Ecke, nippte an seinem Punsch und beobachtete das Treiben.

    Er konnte sich zu seinem eigenen Erstaunen nicht in die fröhliche Gesellschaft einfügen. Er würde sich entweder betrinken oder schlecht benehmen würde, wenn er bliebe.

    So war er still und grußlos gegangen, hinunter nach Övelgönne gefahren und noch ein Stück am Elbufer entlanggeschlendert, ehe er sich dann nach Hause begeben hatte. Um Mitternacht lag er im Bett, gewissermaßen kopfschüttelnd, was ihn selbst anbetraf. Er widerstand einem Impuls, Marion in Düsseldorf anzurufen (sie hatte ihm gesagt, dass sie Silvester grundsätzlich um neun ins Bett ginge, mit Schlaftabletten und Ohrenstopfen). Er löschte das Licht gegen ein Uhr.

    Ja, ein merkwürdiges Silvester war das gewesen, ohne – fast ohne – Alkohol, ohne Frauen, ohne Rückblick, ohne Vorsätze, nur mit diesem merkwürdigen Projekt im Kreuz.

    Jetzt saß Günter am Neujahrsmorgen kurz nach acht am Frühstückstisch in seiner winzigen, spartanisch eingerichteten Küche und überlegte, was zu tun sei.

    »Marion anrufen«, fiel ihm ein. Er ließ es dann – er hatte vor drei Tagen mit ihr telefoniert, er wollte nur mit ihr sprechen, wenn er ihr etwas zu sagen hatte. Andererseits gab es eine ganze Reihe aktueller Themen – das Projekt etwa war eines von ihnen – aber das war sicher nicht am Telefon zu erörtern. Und ihr einfach »ein frohes neues Jahr« zu wünschen, schien ihm zu banal. Sie hatte mal von der »Säuglingssterblichkeit von Liebschaften« gesprochen, in diesem Zusammenhang. Bei ihm war es eine gewisse Scheu, zu viel zu offenbaren, verletzbar zu werden.

    »Gemeinsame Erinnerungen schaffen«, war Marions These. Ihm schien das legitim aus ihrer Sicht, er selbst war mehr an Zukünftigem interessiert, obwohl beides zusammengehörte, wenn man es recht bedachte. »Zukünftiges« hieß für ihn, intensiv über diese Beziehung nachzudenken. Aber das hätte zu Vorsätzen geführt und damit zur Verletzung seines Vorsatzes, sich keine Vorsätze zu machen.

    Nachdenken allerdings, befand er, oder besser »Vordenken«, mochte ganz angebracht sein. Immerhin stand er jetzt in diesem Softwareprojekt, das nicht ganz unbedenklich war, finanziell, technisch und moralisch. Aber da waren immer noch seine hohen Schulden und die bald fällige große Inspektion seines Autos.

    Schließlich gab es seine literarischen Ambitionen, wenn man das so nennen durfte (er dürfte, meinte er) und eben die Dame Marion. Die passte nun wirklich in keinen Daseinsentwurf, genau so wenig, wie er wohl zu ihrem Lebensbild gehörte. Ihr Ausruf »verdammt, ich glaube, es ist die Liebe« könnte auch von ihm stammen – zumindest, was das »verdammt« anbetraf.

    Es wurde Zeit, sie mal wieder zu besuchen

    »Also doch ein Vorsatz«, lächelte Günter Maser. »Gern«, bestätigte er sich.

    Jan Martens erhielt einen Anruf von Alfred Kinsky. »Der endgültige Auftrag verzögert sich. Da ist ausgerechnet noch eine italienische Gruppe im Spiel.«

    »Sizilianer?«

    »Nein, keine Sizilianer, eine Gesellschaft in Rom, Ableger der Uni, mit eigenem Rechenzentrum. Die haben die Möglichkeit, realitätsnahe Daten zu liefern, die benötigen wir ja für die Tests. Die Italiener werden testen und die Abnahme der Programme durchführen. Ist ja auch weiter nicht schlimm. Die Dokumentation soll weiterhin zentral in Deutschland erstellt werden.«

    »Das kann der Thomas Erdmann erledigen«, antwortete Jan, »ein Mann der sich mit Dokumentationen auskennt«

    »Ja, und dann, ich habe das ja schon mal angedeutet, es steckt wohl doch etwas Geheimes hinter der Sache. Die Amis sind dabei, meine Mannschaft zu checken. Die Hamburger sind demnächst auch dran. Gibt es da irgendetwas zu verbergen?«

    »Ach du meine Güte«, antwortete Jan, »mein bester Mann ist der Günter Maser. Und der hat etwas, das mit ‹linken Kontakten‹ nur unzureichend zu umschreiben ist. Zumindest ist er, wenn vielleicht auch auf sehr romantische Weise, ziemlich links oder zumindest alternativ. Falls das heutzutage noch eine Rolle spielt.«

    »Das tut es. Wir müssen versuchen, diesen Günter abzuschirmen oder besser noch, ihn für eine Weile aus dem Verkehr zu ziehen – weit weg schicken irgendwo hin, jedenfalls weit weg.«

    »Begriffen«, bestätigte Jan. »Wir sollten uns etwas ausdenken.«

    Gert wusste Rat. »Wir müssen sowieso in Klausur. Unsere Entwürfe für die Präsentation sind noch ziemlich wirr – die berichtigte Aufgabenstellung spricht jetzt von Flugobjekten mit hoher Geschwindigkeit, die sich an vorgegebenen Orten treffen sollen. Ist wohl klar, was gemeint ist, oder?«

    »Flugzeuge«, schlug Jan vor.

    »Komm’, spiel nicht den Naiven – oder willst du mir erzählen, dass man ein komplexes Programmsystem erstellt, um Flugzeuge zusammenstoßen zu lassen? Normalerweise soll doch sowas unter allen Umständen vermieden werden.«

    »Kann ja vielleicht sein, dass man aus dem Umkehrschluss lernen will.«

    »Erzähl’ das deiner Oma. Ist aber im Augenblick auch egal.«

    »Eben nicht, ich will wissen, worum es hier geht«, widersprach Jan.

    »Das werden wir wissen, wenn der endgültige Vertrag mit dem revidierten Pflichtenheft vorliegt. Ich mach‹ erst mal mit Günter die Fliege, damit wir zu Potte kommen mit unserem Entwurf.«

    »Malaga!«

    »Malaga?« Günter, der gerade in sein Taxi steigen wollte, drehte sich zu Gert um. »Was soll das heißen?«

    »Ich hab‹ da doch ‹ne Finca – ohne Telefon, ohne Fernsehen, ohne Internet, und Ende Januar sind wir dort ungestört – für knappe vierhundert karrt ein Charterer uns hin. Dann können wir wirklich mal zehn Tage richtig arbeiten – den Entwurf zu Ende denken, vielleicht auch mal ’nen vernünftigen Datenflussplan zeichnen, ohne dass unser junges Gemüse gleich was von ›Grufties‹ murmelt.«

    Günter stimmte zu. Es würde zwar eine Woche Einnahmeausfall bedeuten, aber der Wagen musste sowieso zur Inspektion. Schließlich, es schneite seit zwei Tagen, die reine Freude war der Beruf des Taxifahrers auch nicht. Und Spanien klang nach Sonne.

    Als sie ankamen, an einem Freitag spätnachmittags, begann es gerade zu dämmern – viel war nicht zu sehen von der Landschaft, so sie denn da war: Wohnblocks und Hotels und wieder Wohnblocks – bis nach La Cala immerhin fast vierzig Kilometer lang.

    Das Haus war kalt, aber freundlich mit Bauernmöbeln eingerichtet, man merkte, dass hier gewohnt wurde. Gerts Söhne hatten das Kaminholz über Silvester verbraucht, so gingen Gert und Günter früh zu Bett.

    »Wie in Hamburg«, dachte Günter, ehe er einschlief: Regen rauschte und in den Bäumen vor dem Fenster fauchte der Wind. Da machte es keinen Unterschied, dass es Palmen waren.

    Auch der nächste Tag brachte kalten Wind, Regenböen, von gelegentlichem Sonnenschein unterbrochen.

    »Norddeutsches Rückseitenwetter«, dachte Günter.

    Sie nutzten das miese Wetter, einigten sich, das Projekt noch einmal von Grund auf durchzuarbeiten.

    »Ein reines Simulationsmodell, das haut nicht hin«, gab Günter zu bedenken. »Aber wozu haben wir uns intensiv mit künstlicher Intelligenz beschäftigt. Lass uns ein Expertensystem allgemeiner Art konstruieren – mit der Möglichkeit, Wissen strukturiert zu speichern und strukturiert abzurufen – das kannst du dann auch für Modellbetrachtungen nutzen. Also stell’ dir ein Trockengebiet vor …«

    »Ich stell’ mir kein Trockengebiet vor, sondern zwei Körper, die sich an einer bestimmten Stelle begegnen, wobei Geschwindigkeiten, Kurse, Beschleunigungen und Verzögerungen des einen Körpers vorher nicht bekannt sind, während der andere Körper bei Veränderungen dieser Größen des ersten Körpers realtime reagieren muss. Und selbst dann ist nicht ganz sicher, ob unser zweiter Körper nicht im wahrsten Sinne des Wortes das Nachsehen hat.«

    »Du denkst an optische Sensoren?«

    »Klaro – im Luftraum kann man kaum Nebelbänke erzeugen – das heißt, ganz sicher bin ich da auch nicht – aber optische Strahlung kann man kaum elektronisch stören.«

    »Wolken!«

    »Aber vielleicht handelt es sich bei der Problemstellung wirklich nicht um Weltraumfragen, sondern um …«

    »Ich weiß, Flugpläne«, winkte Gert ab, »aber im Augenblick scheinst du mir an einem Kulminationspunkt der Weltfremdheit angelangt zu sein. Und wir haben die ersten zehntausend Dollar einkassiert. Und die DARPA ist die amerikanische Defense Advanced Research Project Agency – nicht Desert Search Project Agency – und es handelt sich um ein Projekt der Air Force und nicht des Peace Corps. In den Staaten können sie es im Augenblick nicht machen. Die politische Stimmung ist nicht danach – von internationalen Verträgen ganz zu schweigen. Aber ich mach’, glaub’ ich, erst mal einen Kaffee.«

    Günter dachte nach. Ein Weltraumprojekt wurde bestimmt nicht auf Computern mit geringer Leistung realisiert. Aber Flugzeuge und ihre Bewegungen konnten Objekte in einer PC-Umgebung sein. Drohnen fielen ihm ein.

    Sie arbeiteten intensiv, auch als die Sonne wieder schien.

    Gert war unerbittlich. Irgendwo draußen war wohl Spanien, aber ihr Andalusien reichte nur bis zum Mercado, wo sie Eier und Brot, Wein und Avocados einkauften.

    Dann streikte Günter. »Dein Arbeitseifer ist bewundernswert, aber ich bin

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