Neue Welten: ... wem die Sterne leuchten
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Heike Schubert
Frau Schubert ist 1961 in Mecklenburg Vorpommern geboren worden, wo sie heute noch lebt. Sie ist verheiratet, hat eine erwachsene Tochter und arbeitet als Informationstechnikerin. Geschichten erzählen gehört seit langem zu ihrem Leben. Mehrere humorvolle Kurzgeschichten schrieb sie schon für Freunde und Kollegen.
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Book preview
Neue Welten - Heike Schubert
… wem die Sterne leuchten
Freundschaft
Dein Leid,
mein Schmerz.
Deine Trauer,
meine Tränen.
Dein Zweifel,
mein Zuspruch.
Dein Partner,
mein Tabu.
Dein Glück.
meine Freude.
Deine Meinung,
meine Toleranz.
Deine Zuneigung,
meine Liebe.
Frühling in Zodiac. Das Königreich ist getaucht in ein Hellgrün, so das dem Betrachter die Augen schmerzen, wenn er den Blick über das Land streifen lässt. Nur die Gipfel des westlichen Gebirges behalten ihr immer währendes Grau. Die Felder liegen noch brach nach dem langen Winter. Sogar etwas Schnee ist hier und dort noch zu erblicken. Die Felder sind gesäumt von hohen Bäumen. Weitflächige Wälder liegen zwischen Orten und Städten.
Hier und da fangen aber die Bauern schon an, ihre Gerätschaften für die Feldbestellung aus den Nebengelassen ihrer Höfe zu holen.
„Mate? Geh, hilf deinem Vater. Er will den Pflug aus der Scheune holen."
Mates Mutter trug zwei Eimer Wasser über den Hof und rief dem Jungen die Aufforderung im Vorbeigehen zu. Ihr langer schwerer Rock wölbte sich über ihren dicken Leib. Ihr Anblick verkündete jedem, der es sah, dass die Frau bald gebären würde. Ihr langes Haar war im Nacken zu einem Knoten gebunden. Sie hatte schöne sanfte Gesichtszüge. Ein paar Falte zeigten sich auf der Stirn. Das Leben einer Bauersfrau ist nicht leicht. Aber sie würde niemals klagen, auch nicht über schwere Arbeiten in ihrem Zustand.
Der Junge war nicht begeistert über die mütterliche Anweisung. Lieber hätte er noch länger an seinem neuen Rindenboot geschnitzt. Aber mit acht Jahren war er alt genug, leichtere Arbeiten an der Seite seines Vaters zu erledigen. So fuhr er sich mit der freien Hand durch das strubblige blonde Haar, stand auf und ging zum Vater. Die Eltern waren schlichte Bauern. Ein wenig Land, das die Familie recht gut ernährte und ein paar Stück Vieh zum Schlachten machte ihnen das Leben nicht all zu schwer. Neben Mate gab es noch den älteren Sohn Urs. Urs war zum Markt gefahren um Schleifsteine zu kaufen. Er wurde nicht vor dem Abend zurückerwartet. Eigentlich ging die Familie immer zusammen auf den Markt, aber dieses Mal nicht. Es war Ende April, bald würde die Mutter ihr drittes und damit ihr drittes im Sternzeichen Stier geborenes Kind bekommen. Da wollte der Vater sie auf keinen Fall alleine auf dem Hof lassen, geschweige ihr eine längere Fahrt auf dem Leiterwagen zumuten. Auch wenn die Ehe, wie die meisten, von den Eltern der Brautleute arrangiert wurde. Dieses Paar liebte sich.
Und so wie die Kinder, waren auch die Eltern im Sternzeichen des Stieres geboren. Sie alle waren Bürger des Volkes der Stiere.
„Nun höre schon auf, immer hin und her zu laufen, du machst mich ganz kirre!"
Sahra schauten ihren Herren und König düster an, als sie zu ihm sprach. König Hagen war nervös und konnte sich nicht beruhigen. Sein langer Wollmantel schleifte beim Gehen über den Boden. Andauernd fingerte er an seinen Ringen herum. Hagen war ein Mann im besten Alter, nur ein paar weiße Haare verrieten, dass die Jugend vorbei war. Da er sich gern an Kampfübungen beteiligte, war sein Körper straff und sein Gang stolz. Mit seiner Körperhöhe überragte er die zierliche Sahra um einiges. Sahra wirkte zerbrechlich gegen ihren König, dabei war ihr Wesen so stolz und stark, dass es einem König an nichts nachstand. Ihre langen braunen Haare flossen in kleinen Wellen an ihrem Rücken entlang. Das schmal geschnittene, lange Leinenkleid verlieh ihrer Ausstrahlung etwas Kindliches.
„Hör‘ auf mich herumzukommandieren. Du bist nicht mein Weib!"
Und schon bereute Hagen diesen Satz. Woher sollte er wissen, wie ein Eheweib mit ihrem Mann umspringt, da er ja noch nie verehelicht war. Könige im Lande Zodiac dürfen nicht heiraten oder Kinder zeugen, denen sie dann den Thron vererben. Könige im Lande Zodiac mussten sich ihren Thron erkämpfen.
Sahra sah Hagen voller Betroffenheit an. Auch sie dachte sofort an das große Opfer, das jeder König zum Wohle der Völker bringen musste.
„Herr, verzeiht mir bitte.", sagte sie und senkte den Blick.
Hagen sah sie an. Ja, was hätte er dafür gegeben, diese Frau zu seinem Weib zu machen. So viele Jahre liebte er sie schon, ohne sie einmal berühren zu dürfen.
„Schon gut, schon gut."
Er wandte sich von ihr ab, um wieder die Gedanken auf das Problem zu bekommen, durch das er sich so erregt hatte.
Der Kristall des Orakels war am Erlöschen. Das Orakel, ein unsterbliches altes Weib im westlichen Gebirge, kann durch den Kristall das Schicksal des Königreiches sehen. Erlischt der Kristall, verstummt und stirbt das Orakel. Das durfte auf keinen Fall geschehen. War es doch auch das Orakel, das vor hunderten von Jahren die Lebensweise neu ordnete.
Damals lebten einzelne Volksstämme mehr oder weniger friedlich miteinander. Immer wieder kam es zu Grenzauseinandersetzungen. Nicht selten bezog der König für die eine oder andere Seite Partei. Kinder des Königs wurden mit Stammesanführern verheiratet, um politische Vorteile zu haben. Immer ging es um Macht und Reichtum einzelner.
Und dann erschien eines Tages ein Falkner beim König und berichtete von der alten Frau in den Bergen, die ihm vorhersagte, dass ihm ein Sohn geboren werden würde, der eines Tages ein großer Krieger werden würde. Der Sohn des Falkners wurde tatsächlich schon in jungen Jahren zum Stammesanführer gewählt. Neugierig reiste der König, begleitet von wenigen Rittern, in die Berge, um die Alte zu sehen. Die Vorhersage der Alten war allerdings nicht erfreulich, sie sagte dem König seinen baldigen Tod voraus. Nervös und beängstigt reiste der König zurück auf seine Burg, in der selbigen Nacht starb er an einem Herzschlag.
Damit war die Glaubwürdigkeit des Orakels unantastbar. Des Königs Sohn zog sofort wieder zu der Alten und erfuhr an diesem Tag den alles bedeutenden Spruch. Alle Menschen mit dem gleichen Sternzeichen, sollen ein eigenes Volk bilden. So sollten die Fähigkeiten der Einzelnen gefördert werden und dem ganzen Volke zugutekommen. Kriege und Auseinandersetzungen sollten damit ausgeschlossen werden. Der Königsthron wurde fortan erkämpft. Starb ein König, stellte jedes Volk einen Kämpfer. Derjenige, der siegte, gewann auf seine Lebenszeit den Thron. Allerdings mit dem Verbot auf Ehe und Kinderzeugung. Damit wurde vermieden, dass ein König Vorteile für seine Nachkommen aufbauen konnte.
Der Orakelspruch verwies darauf, dass durch eben diese Lebensweise, ein neues großes Volk entstehen wird. Wie aber sah die Geburt eines neuen Volkes aus?
Familien wurden auseinander gerissen. Eltern verloren ihre Kinder, Kinder ihre Geschwister. Viele Familien versuchten, ihre Heimat zu verlassen, um zusammenbleiben zu können. Von ihnen ward aber nie wieder etwas gehört.
So viele Jahrhunderte waren seitdem vergangen. Und so oft die Könige auch zum Orakel gingen, nie wieder sprach es zu ihnen. Nie wieder sah jemand die Alte von Angesicht zu Angesicht. Der Kristall lag seit Ewigkeiten in einer Silberschale in einer kleinen Höhle. Bewacht wurde er nicht. Ein Diener des Hofes ging regelmäßig nach ihm sehen. Und eben dieser meldete dem König, dass der Kristall verblasst.
War es dann noch nötig, sich Gedanken um den Kristall zu machen? Darüber zu spekulieren war Hagen zu gefährlich.
„Wir müssen den Ältestenrat einberufen und den besten Krieger eines jeden Volkes aufstellen."
Hagen starrte aus dem Fenster. Es war Frühling in Zodiac.
Urs spazierte lässig über den Markt. Die Schleifsteine hat er günstig kaufen können. Der Vater würde sich freuen.
Nun erlaubte er sich noch ein wenig Vergnügen. Schließlich kam er nicht oft in die Stadt und hier gab es immer viel zu sehen. Hier und da musste er betrunkenen Männern ausweichen, die torkelnd die Gassen langzogen. Meistens waren es Bauern, die einen guten Handel feierten.
Auf einem Mal bemerkte Urs Hunger. Er hielt Ausschau nach einem Stand mit Pasteten oder Käse. Und schon schoss ihm der Geruch frischer Fleischpasteten in die Nase. Seine Augen wanderten über die Vielzahl von Pasteten, um sich für eine zu entscheiden.
„So ein kräftiger Mann wie du will doch sicher gutes Fleisch. Hier, nimm die mit Schweinefleisch gefüllte Pastete. Sie ist gerade erst fertig geworden."
Das Mädchen, das dies sagte und ihn ansah, schien in seinen Augen nicht von dieser Welt zu sein. Sie mochte so alt sein wie er selbst, wirkte aber schon reifer. Ihre großen dunklen Augen sahen bis tief in seine Seele. Urs starrte sie einfach mit offenem Mund an.
„He, was glotzt du mein Mädchen so an?" Eine Alte hob drohend einen Stock und tat, als ob sie sogleich auf ihn einschlagen wollte. Sie war kaum höher als der Tisch, vor dem sie sich versuchte aufzubauen. Ihr Rücken glich einem runden Hügel und Ihre Augen blitzen böse auf. Urs ging automatisch einen Schritt zurück und starrte nun die Alte an.
„Du scheinst mir ein wenig verwirrt. Was ist, willst du nun die Pastete?"
Das Mädchen hatte nicht aufgehört Urs anzulächeln. Sie ignorierte die Alte scheinbar einfach.
„Ja, was soll sie kosten?"
Urs fingerte in seinem Geldbeutel herum. Wobei er nicht vermeiden konnte immer auch einen kurzen Blick auf die üppigen Formen der jungen Frau zu werfen. Das waren aber auch Formen. Sein Mund wurde ganz trocken. „Nichts, ich schenke sie dir."
Immer noch das Lächeln. Wogegen die Alte nun völlig die Nerven verlor und Urs als Schnorrer und Dieb beschimpfte.
„Wie heißt du?"
Urs wagte dem Mädchen bei der Frage in die Augen zu sehen.
„Magda und du?" Magda ließ ihn nicht aus den Augen, bis auch er sie wieder fest ansah.
„Trottel. Nein ich heiße Urs, aber ich bin ein Trottel." Ein helles lautes Lachen ging nun aus ihnen hervor. Als Urs auf dem Hof seiner Eltern zurückkam, strahlte er etwas aus, was seine Mutter sofort als gefährlich einstufte.
„Wer ist sie?"
Sie ließ ihm nicht einmal Zeit, es von sich aus zu erzählen.
„Und versuche gar nicht erst, mich anzulügen!" Was sollte das? Hatte er etwas Unrechtes getan? Da Urs sich keiner Schuld bewusst war, stieg Ärger über seine Mutter in ihm auf. Schon darum, weil sie sein tolles Gefühl im Bauch mit ihren Worten vertrieben hatte. Also wand er sich einfach von ihr ab und ging schnurstracks in Haus.
Später hörte er seine Eltern noch lange reden. Mit einem wundervollen Gedanken an Magda schlief er glücklich ein.
Gemurmel und halblautes Debattieren erfüllte den Thronsaal. Überwiegend ältere Männer gehörten zum Ältestenrat, obwohl es bei der Wahl nicht direkt auf das Alter ankam. War jemand von hohem Geist und Bildung, konnte er schon