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Der Fluchpalast
Der Fluchpalast
Der Fluchpalast
Ebook169 pages1 hour

Der Fluchpalast

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About this ebook

Die neue Folge. Mehr Umfang. Mehr Spannung. Mehr Froebius.
Für sich, ihre Geschäfte und ihre Familien ließen zwei superreiche italienische Brüder östlich der kleinen Stadt am Main einen Palast errichten, um den sie so mancher Fürst beneiden würde. Aber schon die Bauarbeiten standen unter einem bösen Stern. Arbeiter verunglückten tödlich, Mauereinstürze und Brände verzögerten immer wieder die Fertigstellung. Doch so richtig als »Fluchpalast« kam das Prachtanwesen erst ins Gerede, als die Bauherren und ihre Angehörigen am Tag der Einweihungsfeier spurlos verschwanden. Keiner wusste, warum oder wohin.
Da niemals Menschen in der riesigen Luxusresidenz gewohnt haben, verfiel sie seit mittlerweile über vierzig Jahren. Doch das allgemeine Missfallen über die spätbarocke Halbruine schlug in Angst und Entsetzen um, als man im Park plötzlich einen prominenten Toten fand, dem das Herz noch zu Lebzeiten aus dem Leib gerissen worden war.
Professor Dr. Johann Jakob Fürchtegott Froebius erhält vom städtischen Polizeicommissär den offiziellen Auftrag, das Verbrechen aufzuklären. Im Zuge seiner Nachforschungen muss der Medicus zunächst hautnah und in allen Einzelheiten miterleben, wie ein bronzener Mörder sein schauriges Werk an einem weiteren Opfer verrichtet. Danach überschlagen sich die Ereignisse – und Froebius findet sich plötzlich in der Lagunenstadt Venedig wieder. Hier, in der Heimat der Erbauer, soll er dem grausigen Geheimnis des Fluchpalastes auf die Spur kommen ...
LanguageDeutsch
PublisherXinXii
Release dateOct 29, 2014
ISBN9783944663043
Der Fluchpalast

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    Der Fluchpalast - Norman Nekro

    lieferbar

    Froebius - Zur Person

    Professor Dr. Johann Jakob Fürchtegott Froebius (48) ist ein praktischer Arzt, der in der Nach-Napoleon-Ära um 1818 im Herzogtum Nassau eine geschäftlich nur mäßig erfolgreiche Kleinstadtpraxis betreibt.

    Den Professorentitel hat Froebius als Dank für seine Tätigkeit als Militärarzt in den preußischen Feldlazaretten während der Befreiungskriege erhalten. Im Zivilleben ist er weder altruistischer Samariter noch raffgieriger Halbgott in Weiß. Als lizenzierter städtischer Medicus legt er zwar großen Wert auf ein standesgemäßes Einkommen, behandelt aber trotzdem alle seine Patienten ungeachtet ihres Standes oder Geldbeutels sorgfältig nach bestem Wissen und Gewissen.

    In die Parallelwelt der Geister, Dämonen, Vampire und allem, was sonst noch die Nächte unsicher macht, gerät Froebius regelmäßig ohne es zu wollen. Alles andere als ein passionierter »Geisterjäger«, sieht er sich selbst als kritischen Wissenschaftler, der nur das akzeptiert, was man mit Formeln berechnen und in Experimenten nachweisen kann. Im Kontakt mit dem Bannkreis des Unheimlichen muss er aber immer wieder erkennen, dass die Logik eines kühlen Verstandes allein den Kampf gegen die dunklen Mächte nicht gewinnen kann.

    I

    Sanft glucksend schlugen die Wellen gegen den Holzbord des altersschwachen Nachens. Mit einem tiefen Ächzer legte sich Bartel Häcklein in die Ruder, um der trägen, aber dennoch kräftigen Strömung zu entkommen und den Kahn ans rechte Mainufer zu lenken. Dort, wo das Flüsschen aus dem Vogelsberg einmündete und die kleine herzoglich-nassauische Stadt wie eine planlos zusammengewürfelte Ansammlung von Spielzeughäusern im Mondlicht der lauen Juninacht schlummerte, lag das Ziel des dicklichen Achtzehnjährigen.

    Der Fluchpalast!

    So jedenfalls wurde das spätbarocke Schloss mit dem unvergleichlichen Ausblick auf das Mainpanorama von den Bürgern genannt. Teils mit Abscheu vor dem baulichen Schandfleck, teils aber auch in Furcht vor irgendwelchen Dingen, die dort nicht ganz geheuer schienen. Denn die eines Fürsten würdige Prunkresidenz verfiel nicht nur seit über vierzig Jahren zur Ruine, es hatte auch keinen einzigen Tag je ein Mensch darin gewohnt.

    Mit hektischen Ruderschlägen steuerte Bartel den Fischerkahn hart an der Landspitze zwischen den beiden Flüssen vorbei und suchte nach einer Anlegestelle möglichst nahe der Schlossmauer. Das war gar nicht so einfach, da der solide befestigte städtische Uferbereich ein beliebter Ankerplatz für Fracht- und Lastschiffe aller Art war. Auch in dieser Nacht versperrte ein undurchdringliches Gewirr aus Bordwänden, Relings, Segelmasten und sonstiger Takelage jeglichen wasserseitigen Zugang zur Kaimauer.

    »Zum neunmal Geschwänzten«, knurrte der junge Mann. Gleich würde es von Sankt Justinus Mitternacht schlagen und er war noch immer nicht zuhause. Anlass genug für seinen Vater, den ehrbaren Bader Lambert Häcklein aus der Brandgasse, ihm wieder mal dumme Fragen zu stellen.

    Soll er doch!

    Trotzig begehrte es in dem Achtzehnjährigen auf.

    Solange der Alte von meinen Geschäften nichts mitbekommt, kann mir das egal sein!

    Schwer atmend vor Anstrengung ruderte er an den Kähnen entlang. Zu dieser nächtlichen Stunde dümpelten sie, von allen Mannschaften verlassen, wie schlafend vor sich hin. Als das Boot des jungen Mannes einen stählernen Ladekran passiert hatte, kam nicht weit hinter diesem ersten und bislang einzigen lokalen Symbol zeitgemäßen technischen Fortschritts endlich ein Holzsteg in Sicht. Die robuste Bohlenkonstruktion ragte zwischen den Schiffsleibern weit in den Fluss hinein.

    Mit einem behäbigen Rumpeln dockte der Nachen dort an.

    * * *

    Mehr stolpernd als steigend hastete Bartel prustend und schnaufend die Stufen hinauf. Sie gehörten zu einem elegant geschwungenen Aufgang, der am unteren Ende des Schlossgartens eine kleine barocke Brunnengalerie umschloss. Mittelpunkt und Blickfang des Ensembles hatte nach dem Willen der Erbauer ein dekorativer Wasserspeier in Form eines bronzenen Drachens sein sollen. Das geflügelte Ungeheuer hockte heute zwar immer noch im Zentrum eines muschelförmigen Beckens. In den langen Jahren der durch Vernachlässigung und Verfall erzwungenen Funktionslosigkeit war die gesamte Anlage aber innen wie außen dermaßen verrottet, dass nur noch eine mühselige Komplettrenovierung die Figur wieder zum Leben hätte erwecken können.

    Doch der Eindringling hatte dafür keinen Blick übrig.

    Mit der einen Hand die Krempe seines Zylinders festhaltend, an der anderen eine abgeschabte Ledertasche, eilte er über die heillos verwilderte Rasenfläche auf die ehemals prächtigen, jetzt aber vom Zahn der Zeit stark angenagten Sandsteinsäulen des Eingangsportals zu. Aufgeregt schwangen die Schöße seines samtenen Promenadenrocks im Rhythmus der Schritte mit. Der pausbäckige Handwerkersohn liebte es, in Kleidung und Auftreten vielleicht nicht gerade einen Adeligen, zumindest aber doch einen wohlsituierten Bourgeois nachzuahmen. Ebenfalls sehr zum Verdruss seines Vaters, denn dieser hätte aus dem jungen Mann gern einen ehrbaren Nachfolger für seine Badstube gemacht.

    Aber dafür war Bartel Häcklein nicht zu haben.

    Ihm stand der Sinn nach Höherem.

    Das Eintrittsgeld in die besseren Kreise gedachte sich der Achtzehnjährige durch seine, wie er es immer nannte, »Geschäfte« zu beschaffen. Dass es sich dabei um betrügerische Machenschaften oder ganz gewöhnliche Diebstähle handelte, hatte er bislang geschickt vor der Welt verbergen können.

    Dies galt auch für seinen nächtlichen Ausflug auf dem Main.

    Genauer betrachtet war das eher eine Flucht. Denn in der Ledertasche befand sich eine wertvolle Kollektion von Ringen, Halsketten und anderem Schmuck. Ausnahmslos echtes Gold, Silber, Perlen und Edelsteine. Zusammengestohlen in den reichen Bürgervillen der großen Freien Stadt Frankfurt, die nur wenige Kilometer flussaufwärts, dafür aber jenseits der Grenzen des Herzogtums Nassau lag. Hier, im Machtbereich des Landesherrn Wilhelm I, war Bartel nicht nur vor den Nachstellungen der Frankfurter Polizeicommissäre sicher. Er kannte auch einen verschwiegenen Hehler, bei dem man die Beute diskret loswerden konnte.

    Und das mit einem phantastischen Gewinn!

    Der Badersohn grinste, als er an den prall mit süddeutschen Gulden gefüllten Beutel dachte, den ihm das Diebesgut einbringen würde. Zunächst aber musste er die Preziosen an einem sicheren Ort bunkern. Und in seiner kleinen Heimatstadt gab es dafür keinen besseren Platz als das verfallende Schloss am Mainufer, das in den Akten des herzoglichen Parzellenkatasters offiziell immer noch als Carrozzo-Palast geführt wurde.

    * * *

    Die mit üppig geschwungenem, inzwischen aber stark verwittertem Schnitzwerk verzierte Eingangstür bereitete Bartel keine Probleme. Ihr bereits vor Jahrzehnten aufgebrochenes und an nur mehr einer einzigen wackeligen Schraube hin- und her schaukelndes Schloss lud eher zum Betreten des Gebäudes ein, als dass es noch in irgendeiner Hinsicht ein Hindernis für unerwünschte Besucher wäre. Dennoch hielt sich deren Zahl in engen Grenzen, denn der zwielichtige Ruf des einstigen Prunkbaus schreckte ab. Der Fluchpalast, darüber waren sich in der kleinen Stadt am Main nicht nur die abergläubischen Seelen einig, galt als Ort, dem man besser fernbleiben sollte.

    Aus welchen Gründen auch immer.

    Doch den Badersohn fochten solche Ängste in keinster Weise an. Obwohl noch jung an Jahren, war er der eiskalten Vernunft jenes radikal säkularisierten Weltbildes erlegen, das seine Wurzeln in der französischen Revolution hat und im Tross der Armeen Napoleons durch ganz Europa gezogen ist. Unheimliche, weil nach dem Stand der Wissenschaft unerklärliche Vorkommnisse und Erscheinungen hatten darin absolut keinen Platz.

    An dieser fast schon mathematisch nüchternen Lebensphilosophie konnte auch das fahle Mondlicht nichts ändern, das die säulengestützte Eingangshalle in ein gespenstisches Halbdunkel tauchte. Entspannt wie beim Nachmittagskaffee im heimischen Wohnzimmer holte Bartel eine Handlaterne aus der Ledertasche, zündete die Kerze an und leuchtete, das Messinggehäuse am ausgestreckten linken Arm weit vor sich haltend, mit dem trüben Flackerschein seinen weiteren Weg ins Innere des Fluchpalastes aus.

    Der führte den jungen Mann über schier endlose Flure, Zimmerfluchten und Treppen ins Kellergeschoss. Das war alles andere als ein Spaziergang, denn überall lauerten Gefahren. Keine dämonischen Angriffe aus dem Reich des Übersinnlichen, sondern ganz reale Fallen, die schlicht und einfach auf den desolaten baulichen Zustand der Halbruine zurückzuführen waren. So gerieten von ihren Angeln nur noch mühsam gehaltene verrottete Türen beim Vorbeigehen knarrend in Bewegung und drohten, auf den Eindringling zu kippen. Scharfkantige Holztrümmer, die überall auf den Sandsteinfliesen herumlagen, verwandelten sich in der Dunkelheit ebenso zu heimtückischen Waffen wie die immer wieder von der Decke herabstürzenden Stuckfragmente.

    Doch mit einer für seine Körperfülle bemerkenswerten Geschicklichkeit war Bartel allen Gefährdungen seiner Gesundheit oder gar seines Lebens wieder mal erfolgreich aus dem Weg gegangen. Der diffuse Schein der Handlaterne zeichnete jetzt einen schwachen Lichtkegel auf eine Tür, deren massive Eichenbohlen und schmiedeeisernen Beschläge dem jahrzehntelangen Verfall souverän getrotzt hatten. Sie versperrte den Weg in ein Kellergelass, das ganz am Ende eines engen, höhlenartig gemauerten Ganges lag.

    Seine Schatzkammer!

    Welchen Zweck die Erbauer diesem Raum ursprünglich zugedacht hatten, wusste niemand mehr. Auf jeden Fall eignete er sich perfekt für die geheime Aufbewahrung heikler Diebesbeute. Bartel jedenfalls kannte keinen Menschen, der sich bis hierher in die unterirdischen Gewölbe des Fluchpalastes wagen würde. Zusätzlichen Schutz garantierte die solide Eichentür mit ihrem immer noch bestens funktionierenden Sicherheitsschloss. Der jugendliche Kriminelle hatte Stunden mühevoller Arbeit damit zugebracht, einen passenden Nachschlüssel zurechtzufeilen. Damit ließ sich die sorgfältig geölte Eisenkonstruktion geräuschlos aufsperren. Auch die gut eingefetteten Angeln gaben beim Öffnen der Tür keinen Ton von sich.

    Dafür aber Bartel.

    Es hörte sich an wie ein halb ersticktes Gurgeln.

    Wie schockgefroren stand der Badersohn reglos im Türrahmen und starrte fassungslos ins Innere seiner Schatzkammer. Er konnte einfach nicht glauben, was er da im Funzellicht seiner Handlaterne sah.

    Einen Mann ganz in Schwarz.

    Gekleidet wie im vorigen Jahrhundert mit Dreispitz, seidenem Gehrock, bodenlangem Lodenumhang und Degen. Am auffälligsten aber war die mit Schuppen aus Blattsilber besetzte Gesichtsmaske, deren Kinnpartie nach venezianischer Art weit nach vorne ragte. Hundertfach glitzernd reflektierte die Larve den schwachen Kerzenschein.

    Stumm blickte die seltsame Gestalt Bartel direkt in die Augen.

    Der konnte sich immer noch nicht rühren.

    Auch nicht, als der Maskierte langsam einen ledernen Stulpenhandschuh aus dem Umhang zog, ihn über seine linke Hand streifte, diese dann zur Faust ballte und hoch in die Luft reckte.

    II

    Freitagmorgen, sieben Uhr.

    Wochenmarkt!

    Missmutig blinzelte Professor Johann Jakob Fürchtegott Froebius aus dem Erdgeschossfenster seines Fachwerkhauses Am Marktplatz Nr. 5. Direkt davor versperrte eine undurchdringliche Wand aus Verkaufsständen, Stapeln

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