Eros und Agape: Geschichten und Gedichte über die Liebe
By Patrick Rabe
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About this ebook
In der Kurznovelle "Eros und Agape" und in vielen weiteren Geschichten und Gedichten umkreist Patrick Rabe das Geheimnis der Liebe, das er ihr lässt, jedoch nicht ohne hie und da den Schleier zu lüften...
Die Kurzgeschichten bewegen sich im urbanen Umfeld und zeigen Menschen im Glück und in Krisen. Die Sprache ist einfach und poetisch. In den Gedichten eröffnet Rabe das gesamte Spektrum von Liebe und Leidenschaft und öffnet sich gegen Ende des Bandes der spirituellen Dimension von Liebe. Spannung und Humor kommen auch nicht zu kurz.
„Patrick Rabe sucht in seinen Kurzgeschichten und Gedichten teils melancholisch, teils frech humorvoll, immer sehnsüchtig nach Verwirklichung des Eros im Irdischen, im Ringen um die allumfassende, verzeihende Liebe.“ (Irene Beddies)
„Die Erzählung ‚Eros und Agape‘ gehört zu den Besten, die ich hier jemals gefunden habe!“ (Christa Astl im Literaturforum e-stories)
Patrick Rabe
Patrick Rabe wurde 1976 in Hamburg geboren. Nach 14-jähriger Schulzeit auf einer Waldorf- und einer Staatsschule, die bereits geprägt war von künstlerischen Projekten im schriftstellerischen, musikalischen und Theaterbereich, ging er 1997 ins Ruhrgebiet, um Krankenpfleger zu werden, und seine Studien über das Leben zu betreiben. Eine Krise führte ihn bereits 1998 wieder nach Hamburg, wo er sich einer Künstlergruppe anschloss und sich anschickte, seine alten Talente neu zu entdecken. Die Entscheidung für ein Leben als Künstler fällte er bewusst. Von 2001 bis 2015 war er Mitglied des Theaterlabor 82 und war außerdem an mehreren Performances von Andreas Leuze beteiligt. Er war Straßen-und Kneipenmusiker, veranstaltete Konzerte und Lesungen. Zwischen 2005 und 2018 ist er als Mitgründer an der Literaturgruppe SeelenPFlug beteiligt, und gab die Ochsenzoller Patientenzeitung 'Durchblick' federführend mit heraus. Mit ihrem Chefredakteur Stefan Goreiski veranstaltete er auch mehrere Solo-bzw. Duolesungen, mit Stefan Goreiski am Akkordeon. Er wurde in mehreren Anthologien veröffentlicht und gewann 1998 den Sommer-Poetry-Slam im Fools Garden in Hamburg und 2006 den März-Poetry Slam in der Ponybar, heute 'Slam the Pony', der beliebteste Slam der Slamszene von Hamburg. Er ist seit 1993 auch Singer-Songwriter und Übersetzer von Songs, Gedichten und Prosa und nahm im Jahr 2017 das Album 'Rotblond' zu Ehren seiner verstorbenen Lebensgefährtin auf.
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Book preview
Eros und Agape - Patrick Rabe
Rabe
licht
ein licht kam in die welt. gleißend heiß und hell gleich einem
kometen nur dass es immer scheint. mirjam ritt schon lange auf
ihrem esel durch die wüste heiß war es so heiß. das maultier
schnaubte unter der last der jungen frau ihr bauch wölbte sich
im achten monat.ein präsident stand auf: das treiben der
homosexuellen wird mir zu bunt wir müssen die familie wieder
stärken. im 21. jahrhundert eine fatwa gegen schwule in
russland eine fatwa gegen salman rushdie wegen der satyrischen
verse eine fatwa gegen cat stevens, weil er moslem wurde 1979
als bob dylan den heiland jesus christus predigte. der i.s. köpft
guy fawkes puppen gunpowder treason and plot das empire
streikt back und die jediritter sind die spirituelle hoffnung des
universums während peter jackson an der vorgeschichte des
hobbits spinnt. schläfenlockige juden rufen muzzletov schmeißt
noch n paar raketen auf den gazastreifen wählt tevje den
milchmann vielleicht ist er der messias er hat doch immer gute
sprüche auf lager. mario barth beerdigt michael mittermaier
unter tosendem gelächter die comedywelle kommt tsunamiartig
über europa wie die evangelikalen die strahlen wie tschernobyl
seit 28 jahren und matiath rost? der landet auf dem
popelgrünen platz während udo linden berg das mikro schüttelt
nina hagen ist jetzt kristin der arabische frühling war kein strauß
blumen und kein sesam öffne dich und der syrienkrieg ist keine
muppetshow. graf (rübe-) zahl lacht irre: eine eins hahahaha,
eine zwei hahaha, eine drei nosferatu ist klaus kinski der hat
seine tochter missbraucht was für eine welt.
tausende sind traurig einsam verzweifelt wissen keinen ausweg
sitzen in der psychiatrie sterben vor angst oder vor seelischem
hunger mitten in der westlichen zivilisation wer reicht ihnen
seine hand?
schenke ein lächeln streichel ein gesicht ergreife eine hand
wisch eine träne ab gib hoffnung gib glauben gib liebe.…
Ein Licht kam in die Welt, gleißend heiß und hell, gleich einem
Kometen, nur dass es immer scheint.
für Jan
Eros und Agape
Wilde Träume peinigten Roman Hallström. Gerade saß er in einem dunklen Keller inmitten einer in Leder gekleideten Rockerbande. Der Anführer zog ein Taschenmesser hervor und ließ die Klinge aufschnappen. Der glänzende Stahl blitzte im Licht der roten Seemannslampe, die von der Decke des Kellers hing. „Lasst uns spielen!, lachte der Anführer. Er warf das Messer mit der Schneide nach vorne in die Runde. Jemand fing es auf und warf es weiter. Roman begann zu schwitzen. Was wäre, wenn das Messer ihm zugeworfen würde? Was, wenn er sich an der Klinge verletzen würde? Kaum, dass er dies dachte, wurde das Messer in seine Richtung geworfen. Roman Hallström wich aus, und das Messer fiel zu Boden. „Was soll `n das!?
, bellte der Rockerchef, „Willst wohl nich mitspielen? Bist wohl was Besseres? Roman stand auf und blickte voll Ekel auf das Messer herab: „Ihr habt sie doch nicht alle! Ich gehe!
„Nee, nee, so einfach is dat nich!, grunzte der Rocker und stand nun seinerseits auf. „Pass mal auf, du Lusche! Mitgehangen is mitgefangen, klar? Du kommst hier nich raus. Wenn du nich freiwillig mitspielst, wirst du eben gefickt!
Der Rockerchef packte Roman am Arm und drehte ihn hinter seinen Rücken. Dann presste er ihn zu Boden, bis er auf den kalten Fliesen des Kellers lag. Er riss ihm die Hose vom Leib und schlug ihm auf den Po. „Nen geilen Arsch hast du Lusche!, schrie er mit heiserer Stimme. Dann ließ er seine Lederhose fallen und fickte Roman Hallström dampfhammermäßig durch. Dabei knallte sein Kopf immer wieder auf die kalten Fliesen. „Nein, aufhören!
, schrie Roman. Aber je länger dieser Vorgang dauerte, desto geringer wurde sein Widerstand. Schließlich ergab er sich und ließ sich fallen. Und da war es ihm für einen Moment so, als empfinde er Lust. Eine brennende, unbändige Lust.
Roman Hallström erwachte. Erschauernd schüttelte er den Kopf. Was war das wieder für ein schrecklicher Traum gewesen? Er tastete nach seinem Schlüpfer. Der war feucht. Er hatte tatsächlich im Traum einen Samenerguss gehabt, wie meist bei solchen Albträumen. Er würgte. Vielleicht war er pervers. Er schob einen Psychologentermin schon wochenlang vor sich her. Herr Seibold war ein alter Freund seiner Familie, und er hielt trotz seines stets vollen Wartezimmers schon seit Wochen einen Platz für Roman frei, der ihn stockend und stammelnd gebeten hatte, ihn mal auf seinen Geisteszustand hin zu untersuchen. Denn es waren nicht nur die Träume. Es waren auch gelegentliche Panikattacken, die ihn immer und überall heimsuchen konnten und jedes Mal völlig lahmlegten, das schleichende Gefühl, sein Gehirn würde ihm gar nicht gehören, und die ständige Angst, verfolgt und abgehört zu werden. Aber warum sollte er deswegen zum Psychologen gehen? Er kannte das Urteil doch: Schizophrenie. So viel verstand er von Psychologie, dass ihm das klar war. Und dennoch – vielleicht hatte Dr. Seibold ja auch noch eine andere Erklärung…
Roman stand auf. Claudia drehte sich kurz in den Kissen, stöhnte leise und schlief dann weiter. Roman betrachtete sie. Sie sollte von all dem nichts wissen. Jedenfalls nicht im vollen Ausmaß. Es war schon genug, dass er ihr sein unstetes Künstlerleben mit seinen ständigen Launen und Schwankungen zumutete. Roman Hallström war Schriftsteller und Claudia war seine Muse. Das war sie schon vor ihrer Beziehung gewesen. Sie war der Engel, der ihn gerettet hatte vor den Schatten, die immer wieder nach ihm griffen, vor den Selbstzweifeln und dem ewigen Hadern um die eigene Person. In ihrem Ozean war sein Höllenfeuer versiegt, Haut an Haut mit ihr war er sicher vor den Dämonen. Hatte er geglaubt. Fünf Jahre lang war es gut gegangen. Er war ein beinahe spießiger Lover von Claudia geworden, lebte in Gleichmut und Harmonie – in ihrer Beziehung hatte es nur selten Streit gegeben – und schrieb auch hauptsächlich vom Seelenfrieden, von der Liebe, der menschlichen und der göttlichen. ‚Eros und Agape‘, so hieß das Buch, an dem er gerade arbeitete. Der Titel war ihm plötzlich gekommen, er nannte dies eine Inspiration, in Wirklichkeit war es aber naheliegend, denn es war das Thema, das ihn ständig beschäftigte. Als er das Wort ‚Eros‘ im Kopf hatte, durchrieselte ihn ein wohliges Gefühl am Geschlechtsteil und ihm wurde bewusst, dass es um seinen Eros nicht mehr allzu gut bestellt war. Vor fünf Jahren waren Claudia und er sehr liebeslustig gewesen, hatten täglich mehrmals miteinander geschlafen. Doch das hatte sich längst auf einmal in der Woche eingependelt. Zunächst empfand Roman das nicht als Mangel, denn es war ohnehin die emotionale Beziehung zu Claudia, die ihm am wichtigsten war, doch je weniger sie Sex hatten, desto mehr waren die Schatten wieder in sein Leben eingedrungen, desto mehr manifestierten sie sich in psychoseähnlichen Symptomen, in Angstzuständen und Albträumen.
Roman beschloss, Claudia schlafen zu lassen und vorm Frühstück schon an seiner neuen Novelle zu arbeiten. „Eros und Agape, murmelte er. Er ging in sein Arbeitszimmer und setzte sich an seinen Schreibtisch aus Eichenholz. Das hatte nichts mit „deutscher Eiche
und seinem Los als deutscher Schriftsteller zu tun. Roman Hallström pfiff auf seine Nationalität, er sah sich als Kosmopolit, der den ewigen Werten verpflichtet war. Einer konservativen Journalistin, die ihn einmal als hoffnungsvollen jungen Schriftsteller des neuerwachten Deutschland porträtieren wollte, hatte er das Interview verweigert. Bei ‚deutscher Schriftsteller‘ den Schwerpunkt auf ‚deutsch‘ zu legen, wäre das falsche Signal gewesen. Er schrieb, um seinen Lesern die Universalität der Liebe nahezubringen, die Tatsache, dass vor ihr, vor der Agape, der göttlichen Liebe, alle gleich waren. Die Eiche war für ihn der Baum des Lebens.
Roman schlug seinen Schreibblock auf. Er wusste genau, was er mit seinem neuen Werk aussagen wollte, jedoch noch nicht, wie er es umsetzen sollte. Er wollte zeigen, wie der Eros aus der Agape hervorging, wie sich beide Formen der Liebe ständig durchdrangen und befruchteten, aber auch im Widerspruch und in Feindschaft zueinander standen, ja; wie der lustvolle, körperbetonte Eros immer wieder die rein geistige Agape befleckte. Schon mit Siebzehn hatte er sich darüber Gedanken gemacht und mit seinem Klassenkameraden Kai darüber debattiert, damals auf dem Zeltplatz auf Amrum.
‚Merkwürdig‘, dachte Roman. Merkwürdig, dass ihm gerade jetzt dieser Urlaub einfiel. Wie lange war das jetzt her? 18 Jahre! Vielleicht sollte er diese Sommerferien als Ausgangspunkt für seine Novelle nehmen? Immerhin hatte er damals seine Studien über Eros und Agape begonnen. Roman drehte seinen Bleistift zwischen Zeigefinger und Daumen. Irgendwie widerstrebte ihm dieser Gedanke, obwohl er naheliegend war. Die Zeit auf Amrum war nicht konfliktfrei gewesen. Aber – musste er über die Konflikte schreiben? Nein! Er konnte sich tragen lassen von den schönen Erinnerungen, von der Unbeschwertheit seiner Jugend, von der wärmenden Sonne auf seiner nackten Haut, von Tinas schöner, androgyner Gestalt…
Mit vielen anderen waren Kai, dessen Schwester Tina und er in jenem Sommer durch Sand und Dünen auf dem Weg zu ihrem Zeltplatz gewesen, die Sonne brannte und Kai, der vorneweg ging, zog das Zelt auf einem Fahrradanhänger hinter sich her. Roman schlenderte neben Tina, die er sehr anziehend fand. Schon während der Überfahrt nach Amrum hatte er dauernd Phantasien