Unter Wittgensteins Löwen
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Thomas R. Diehl fühlt sich in religiösen Diskussionen wie unter Wittgensteins Löwen, die man nicht verstehen kann, auch wenn sie unsere Sprache sprechen. Dies ist ein Scheitern, sie zu verstehen, eine Suche nach dem Warum durch die Widersprüche und Sinnlosigkeiten religiösen Denkens.
Und eine vom Autoren beim Schreiben selbst nicht erwartete Antwort, warum Atheismus politisch aktiv auftreten muss, solange die Gläubigen die Ungläubigen nicht in Ruhe leben lassen.
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Book preview
Unter Wittgensteins Löwen - Thomas R. Diehl
Thomas R. Diehl
Unter Wittgensteins Löwen
Leben als Ungläubiger in einer gläubigen Welt
Wenn der Löwe sprechen könnte, wir könnten ihn nicht verstehen.
-
Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen
Inhalt
Vorwort
tl;dr
1. Wie bist du Atheist geworden?
2. Woran glauben Atheisten?
3. Aber was ist mit deinem Seelenheil?
4. Was ist der Sinn des Lebens?
5. Woher beziehst du deine Moral?
6. Hat die Religion nicht viele Verdienste?
7. Misst du Religion an ihren Extremen?
8. Stammst du vom Affen ab?
9. Warum bist du gegen Gott?
10. Und was ist mit all den atheistischen Regimes?
11. Ist Politik nicht das Gleiche?
Nachwort
Danksagung
Impressum
Vorwort
Ludwig Wittgenstein stellte 1953 in seinen Philosophischen Überlegungen die Behauptung auf: „Wenn ein Löwe sprechen könnte, wir könnten ihn nicht verstehen."
Ein Satz, der seitdem viel debattiert und auch gerne widerlegt wurde. In meinen Augen ist es ein nahezu perfekter Satz. Er beschreibt vollkommen das Gefühl, als dem Glauben Fremder, als religiöser Analphabet in einer Welt zu leben, in der es überall Gläubige gibt. Gläubige, die Fragen für lebenswichtig halten, die voller Begriffe und Ideen stecken, die mir so unendlich fremd sind, wie eben die Gedankenwelt eines Löwen (oder, wie ich es eigentlich bevorzuge, einer Seepocke, da mir ein Löwe so extrem fremd dann doch nicht scheint). Gläubige, die es für selbstverständlich erachten, dass alle die selben Fragen für wichtig halten wie sie selbst und die ihren Glauben als einzig glücklich machende Wahrheit betrachten.
Ausgerechnet den Löwen, eines der uralten Symbole des Christentums in der Kunst, wählte Wittgenstein für sein Gleichnis über die Schwierigkeit wahrhaft interkulturellen Dialogs. Ist das ein Zufall? Oder kannte Wittgenstein dieses Gefühl zumindest zeitweise, war doch sein Verhältnis zur Religion (jüdisch wie katholisch) ein sehr komplexes?
Die meisten Atheisten, von denen man Bücher über Atheismus und Glauben lesen kann, sind Konvertiten. Menschen, die in einem wie auch immer gearteten religiösen Glauben aufgewachsen sind und diesen später abgeworfen haben. Ihre Denkweisen sind teils weiterhin jene eines Gläubigen und so erklärt sich der seltsame Eindruck einiger Gläubiger, Atheismus sei eine Religion.
Doch wahrscheinlich Millionen von uns sind nicht so. Insbesondere in Ostdeutschland und der tschechischen Republik, den beiden ungläubigsten Regionen der Erde, wachsen sie auf, ohne je in erwähnenswerter Weise vom Glauben tangiert zu werden. Diese Menschen denken anders, für diese Menschen ist Religion etwas absolut fremdartiges, zu dem für sie kein Zugang besteht. Im Gegenzug können sich Gläubige oft nicht vorstellen, dass es echten Unglauben in Form von Nicht-Glauben gibt und dass solche Ungläubige die oft konstatierte „Lücke" nicht kennen, die sie so gerne unterstellen.
Die meisten religiösen Analphabeten ignorieren Religion schlichtweg als etwas, was in ihrem Leben keine Rolle spielt und spielen so ihrerseits als Unsichtbare kaum eine Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung. Andere treten als Teil atheistischer und humanistischer Bewegungen auf, ohne dass sie ihre besondere Betrachtungsweise dieser Dinge vorstellen würden. Einfach, weil schlichter Nicht-Glaube normalerweise kein Sendungsbewusstsein irgendeiner Form entfaltet. Und während diese Grundeinstellung der Nichteinmischung aus einem humanistischen Standpunkt heraus als Tugend erscheint, führt er doch auch zu einer Unsichtbarkeit in der Debatte und dazu, dass die sendungsbewussteren „gläubigen Atheisten" das Bild prägen. Vor allem aber bedeutet es, dass ein großer Teil der Ungläubigen die Umtriebe der Religionen ignorieren und ihnen das Feld politischer und gesellschaftlicher Einflussnahme überlassen.
Es scheint mir wertvoll, diesen anderen, oftmals unsichtbaren Atheismus anzusprechen und zu beschreiben, zu erklären, aus welchem Blickwinkel ich als Nie-Gläubig-Gewesener religiöse Debatten und Fragen sehe. Auch möchte ich Reibungspunkte aufzeigen, wo religiöse Werte, die Gläubigen als selbstverständlich erscheinen für Menschen wie mich als Grenzüberschreitung, als Eingriff in Privatangelegenheiten und unbotmäßige Einmischung erscheinen – und warum wir dort die Notwendigkeit sehen, uns zu wehren. Ich hoffe, es hilft, den Dialog zwischen Gläubigen und Nicht-Gläubigen zu erleichtern und zu versachlichen, wenigstens aber einige Menschen zum Nachdenken über das anzuregen, was sie unbewusst für die selbstverständlich einzige