Jede Wolke ein Traum: Eine Einwanderergeschichte
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About this ebook
In dieser Geschichte verleiht der Autor nicht nur den mit uns lebenden Haustieren eine Stimme, sondern auch den weniger geschätzten „grauen Mäusen“ unserer „Unterwelt“, die ein Dasein fristen müssen, das sie uns Menschen verdanken. Dabei ergibt sich die Frage, ob wir mit unserer Sicht der Welt nicht andere verdrängen oder sogar ausschließen. Was macht uns zu Freunden oder Fremden?
Welche Bedürfnisse teilen alle Wesen auf unserer Erde? Was ist der Stoff der Träume vom Glück? Erwachsen sie aus der Wirklichkeit? Welcher Wirklichkeit? Oder ist es gerade umgekehrt?
Große Fragen, die Toni und seine Freunde in ihrer kleinen Welt nicht beantworten
können. Sie suchen nur eine Heimat, in der sie willkommen sind.
Werden sie sie finden?
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Jede Wolke ein Traum - Ronald Hirsch
54
- 1 -
Piombino, Italien
„Luigi! brummte Toni. „Auf dem Kutter da drüben, siehst du die halbe Pizza in dem Fischkasten?
„Natürlich näselte Luigi „ich sehe auch noch ein paar Sardinen, auf die Bruno so scharf ist. Wo ist er eigentlich wieder hin?
„Er ist wieder unterwegs zum großen Pier. Dort soll ein Schiff aus Hamburg angekommen sein." antwortete Toni.
„Komm schon! Unser Abendbrot wartet da drüben auf uns. Oder willst du, dass die Hafenratten wieder schneller sind als wir? Hol’ es rüber. Ich habe Hunger."
Toni spielt gerne Chef und kommandiert Luigi herum. Luigi ist ein Floh. Toni sein Hund. Er lebt auf seinem Fell am Hintern, dicht am Schwanz, wo es am wärmsten und kuscheligsten ist. Fast so warm wie in Kalkutta, wo er herkam. Als „blinder Passagier mit einer Ratte, ebenfalls „illegal
, auf einem Frachter von Indien nach Piombino. In Kalkutta hat er eine Menge Überlebenstricks gelernt. So hat er das Blutsaugen aufgegeben; fast alle seine Brüder und Schwestern waren dabei umgekommen, zerquetscht, vergiftet. Jetzt gönnt er sich nur ab und zu einen Schluck von Katzen oder Hunden, lebt aber vornehmlich von Allerweltskost, von Pizza und was sonst so von Menschen häufig in Resten weggeworfen wird. Aber das Beste hat er von seinem Flohguru gelernt: Tief einatmen, Luft anhalten, konzentrieren - und zack ist er von 2mm auf 20cm gewachsen.
Sein Talent in Weit – und Hochsprung gibt ihm damit ungeahnte Möglichkeiten im praktischen Alltag. Wie jetzt: Konzentration, und mit einem Sprung landet er auf dem Schiff in dem Fischkasten mit der Pizza und den Sardinen, packt sie unter seinen Arm und – Hops – ist er auch schon wieder zurück bei Toni auf der Hafenmole.
„Sollen wir auf Bruno warten?" fragte Luigi.
„Ach was, antwortete Toni „Lassen wir ihm die Sardinen, die riechen sowieso schon.
„O.K. fiepte Luigi „und schmatz nicht wieder so!
Bruno ist eine Katze, (sorry ein Kater), und alle drei sind ganz gute Freunde, eher ein gutes Team, das sich gegen all die anderen Bewohner des Hafenviertels, die Hundebanden, die Rattencliquen und die betrunkenen Hafenarbeiter zu wehren weiß.
Bruno hat angeblich noch einen Bruder in Deutschland, Genaueres hat er vergessen. Als er von Katzenfängern nach Italien verschleppt wurde, hatte er einen ziemlichen Schock erlitten. Damals war er noch sehr jung und zutraulich. Deswegen konnten sie ihn auch einfangen. Als er hier im Hafen auf ein Schiff nach China verladen werden sollte, konnte er im letzten Moment abhauen.
Ziemlich fertig war er.
Luigi fand ihn ausgehungert und verdreckt in einem alten Ölfass in einer Hafenscheune. Sie wurden Freunde – Bruno hatte einen tollen Pelz!
Seitdem zieht es ihn immer wieder dorthin, wo ihn etwas an Deutschland, seine Heimat erinnert, wie Schiffe im Hafen, wo er jetzt am Landungspier mit großen Augen auf die Massen der Passagiere starrt, in der Hoffnung, jemand würde ihn kennen und wieder zurück nach Hause nehmen. Kilian soll sein Bruder geheißen haben. Aber wer weiß schon, welche Fantasien der Schock seiner damaligen Verhaftung und Flucht verursacht hatte.
„Hallo, habt ihr schon alles aufgefressen?" Bruno kam gerade um die Ecke, als seine Kollegen sich noch die Finger leckten, nachdem sie wegen des Gestanks der Sardinen ihre Pizza mehr heruntergewürgt als gekaut hatten.
„Hm, riecht lecker hier!" brummte Bruno.
- 2 -
Witten, Deutschland
„Ich werde heute mal wieder bei Susanne schlafen, in der Parterre Wohnung. Bisschen rum schäkern", dachte er, „ein wenig frühstücken, dann erstmal ne' Runde pennen auf frischen Laken. Dieser Duft!
Die da oben soll erst wieder das Bett beziehen. Sibylle spurt zwar schneller beim Dinnerservice, auf den Punkt gebackene Hähnchenflügel mit Sauce... Klasse, aber ich muss meine beiden Sklavinnen irgendwie gleich auf Trab halten."
Etwas müde und ungelenk, aber voller Vorfreude auf sein gleich einzunehmendes Frühstück schlüpfte Bobbi durch die Katzenklappe der Haustür am Karl – Marx – Platz 10 in einer Kleinstadt im Ruhrgebiet.
Das Haus war schon 100 Jahre alt, hatte einen dicht bewachsenen Hintergarten mit Büschen und Bäumen, einen großen Parkplatz davor und eine endlose Industriebrache im Hinterland.
Dieses Revier musste nächtlich durchgecheckt werden. Bei Wind und Wetter. Ein anstrengender Job, der hungrig machte. Deshalb die Dienstordnung für Sibylle und Susanne: 5 Uhr Vorfrühstück, 7 Uhr Hauptfrühstück, 18 Uhr Dinner. Zwischenzeitlich natürlich kleine Snacks von einem sturen Typen, der auch da wohnte, der aber fast hypnotisiert werden musste, bevor serviert wurde. „Kullern wirkt aber sofort. Einfach auf den Rücken rollen, Katzenlächeln auflegen, ein paar Bauchtanzbewegungen, und „Zack
der Kühlschrank öffnet sich.
Jetzt aber – „was ist das? Seit wann ess' ich das? Das sind Sardinen in Garnelensauce! Ich ess' doch, wenn überhaupt Fisch, nur Ökolachs in Sahnedip."
Bobbi schüttelt den Kopf, gibt Susanne einen verächtlichen Hieb und verschwindet nach oben zu Sibylle. „Hallo Bobbi – Titti, komm ins Bett." säuselt es aus dem Schlafzimmer.
Bobbi richtet seinen Kommando – Starr – Blick auf Sibylle und schreitet in die Küche. Sibylle schält sich aus den Laken und folgt. Frühstücksservice!
Bobbi schläft, voller Bauch nach oben, und beginnt zu träumen: Erst von Schnecken, Würmern, Ameisen und Spinnen im Gras und Buschdschungel, von Auspuffrohren und Hundekot, von Mäusen und frechen Amseln, von der verdammten hinterlistigen Elster, von polternden Männerschuhen und den großen lärmenden Blechkisten, dann rollt er sich ganz klein, zuckt kurz mit Pfoten und Schwanz und findet sich in seinem schönsten Traumland aus seiner Kindheit: Alles ist weich und warm im Kuschelbett mit seinem Bruder und seiner Mama. Trinken, schlafen, schnurren, spielen – Tag ein, Tag aus in der Altbauwohnung von Frau Matussek. Sie ist Witwe, schon recht alt, und bekommt des Öfteren Besuch von Leuten vom Amt. Aber sie kümmert sich um sie, ihr Ein und Alles, wie um ihre Kinder, die sie nicht mehr besuchen. Dann wie immer – der Alptraum: Sie halten gerade ein Verdauungsschläfchen, da hört er es: Trapp, trapp, trapp... die Treppe hoch, bis zur Tür, das Schrillen der Wohnungsklingel, Stimmengewirr, Menschen in weißen Kitteln führen Frau M. aus der Wohnung, große Hände greifen nach ihm, sein Bruder beißt und kratzt und flitzt durch die Beine der Besucher