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Milchkaffee in New York
Milchkaffee in New York
Milchkaffee in New York
Ebook247 pages3 hours

Milchkaffee in New York

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About this ebook

Vom Liebeskummer geplagt erhält Sophia die Chance, ein Praktikum in New York zu absolvieren. Begeistert stürzt sie sich ins Abenteuer: als Co-Trainerin einer aufstrebenden Frauenfußballmannschaft. Doch das Chaos lässt nicht lange auf sich warten. Fußballerin Nina verliebt sich in Sophia, während Sophia Gefühle für Flo entwickelt ... Wird Nina tatenlos zusehen, wie die Beziehung zwischen Sophia und Flo immer leidenschaftlicher wird?
LanguageDeutsch
Publisherédition eles
Release dateApr 29, 2013
ISBN9783956090271
Milchkaffee in New York

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    Milchkaffee in New York - Jenny Green

    Jenny Green

    MILCHKAFFEE IN NEW YORK

    Roman

    Originalausgabe:

    © 2011

    ePUB-Edition:

    © 2013

    édition el!es

    www.elles.de

    info@elles.de

    Alle Rechte vorbehalten.

    ISBN 978-3-95609-027-1

    Coverillustration:

    © christine krahl – Fotolia.com

    Vier Wochen zuvor . . .

    »Bist du noch ganz bei Trost, Sophia? Du kannst doch nicht einfach deine Koffer packen und für ein halbes Jahr mal so mir nichts, dir nichts verschwinden. Und dann auch noch gleich nach New York! Wann wolltest du mir eigentlich davon erzählen? Hätte ich Anne nicht zufällig auf der Straße getroffen, hätte ich wohl nie etwas von deinem absurden Plan erfahren!« Mit verschränkten Armen stand Pia in der offenen Wohnungstür und verdrehte die Augen.

    Wie Blitze schossen ihre Worte durch den kahlen Flur, in dem sich zu beiden Seiten fertig gepackte Umzugskartons stapelten. Außer den braunen Kartons, die sich wie eine Pyramide bis an die Decke türmten, war die Wohnung bereits leergeräumt. Nur noch ein Tag, und dann war diese Wohnung Geschichte. Viele Erinnerungen waren fest mit dieser Wohnung verbunden, doch der Schritt nach vorn war nötig.

    »Ich wüsste nicht, dass ich dir irgendeine Rechenschaft schuldig bin. Denn falls du es vergessen hast, meine liebe Pia, warst schließlich du diejenige, die mich nach Strich und Faden betrogen hat. Hinters Licht hast du mich geführt und wochenlang belogen, um deine Affäre mit dieser Arbeitskollegin zu verbergen!« In mir stieg Wut auf. Wut darüber, dass Pia noch immer glaubte, über mein Leben bestimmen zu können. Nach allem, was sie mir angetan hatte. Sie glaubte, einfach hier auftauchen zu können, und alles wäre wieder in Ordnung.

    »Du weißt genau, dass es bei uns seit Monaten nicht mehr rosig lief. An manchen Tagen habe ich dich gar nicht zu Gesicht bekommen, da du wie besessen für diese dämliche Hochsprungprüfung trainiert hast.« Pia schüttelte den Kopf und lächelte bitter. »Du hast mich allein gelassen, nicht ich dich. Abend für Abend saß ich allein zu Hause, in der Hoffnung, du könntest doch noch jeden Moment vor meiner Tür stehen. Betti war in dieser Zeit halt für mich da. Es ist einfach passiert, wie oft soll ich mich denn noch dafür entschuldigen?«

    »Einfach passiert? Eine wochenlange Affäre?« Ich war fassungslos. »Wenn du meinst, deine geheuchelten Entschuldigungen können noch irgendetwas zwischen uns retten, dann hast du dich getäuscht. Ich bin nicht der Typ Frau, der Fremdgehen gutheißt. Nein, Pia, du bist für mich gestorben. Ein für alle Mal. Und jetzt lass mich endlich die Kartons ins Auto bringen!«

    Was fiel ihr eigentlich ein? Glaubte sie wirklich, sie konnte hier einfach so auftauchen und die Schuld für das Ende unserer Beziehung auf mich abwälzen? Glaubte sie denn allen Ernstes, ich würde zu ihr zurückkommen, nach allem, was war? Einfach ein Auge zudrücken und vergessen, was passiert war. Das stellte sie sich wohl so einfach vor. Als ob es nichts Leichteres gäbe, als einen Vertrauensbruch zu verzeihen. Eine wochenlange Affäre passierte ja auch einfach so. Schwupp – und da war sie.

    Das Ganze hier wurde mir echt zu bunt!

    Mit einer großen Kiste vollgepackt mit Büchern versuchte ich, mich an Pia vorbeizuschieben, die wie ein Fels zwischen dem Türstock der Wohnungstür stand und keine Anstalten machte, sich auch nur einen Schritt zur Seite zu bewegen. Doch sie würde mich nicht mehr aufhalten können. Dafür war es zu spät, egal, was sie auch anstellte.

    Das wütende Funkeln in ihren eisblauen Augen war seit der ersten Sekunde, als sie ungebeten meine Wohnung betreten hatte, nicht erloschen und ihr fester Wille, mich zu überzeugen, zu ihr zurückzukehren, ungebrochen. Über drei Jahre lang konnte ich in ihre eisblauen Augen eintauchen und alles um mich herum vergessen, doch nun erzeugte ein Blick in ihre Augen nur Wut und Abscheu. Die Gefühle, die ich für sie verspürt hatte, wenn ich nur in ihre Augen gesehen hatte, waren erloschen. Nichts davon war mehr übrig.

    Zornig aufgrund ihrer Dreistigkeit, hier aufzutauchen, und ihrer ungerechtfertigten Vorwürfe, ließ ich die schwere Kiste vor ihren Füßen fallen, so dass ein lauter Knall durch das Treppenhaus hallte und sie erschrocken einen Satz zur Seite machte.

    »Pia, wie oft muss ich dir noch sagen, dass es für uns keine zweite Chance gibt? Jetzt nicht und auch in einem halben Jahr nicht, wenn ich wieder nach Regensburg zurückkehre. Unsere Beziehung ist Vergangenheit. Finde dich damit ab, oder versprühe deinen Unmut anderswo, aber nicht mehr bei mir.« Ich merkte, wie mir die Hitze in die Wangen stieg. »Du hast eigenmächtig unsere Beziehung in den Sand gesetzt! Und jetzt mach’s gut, denn wie du sehen kannst, hab ich hier noch genug zu tun. Geh doch zurück zu dieser Betti!«

    Schnaubend machte Pia auf dem Absatz kehrt, warf mir ein letztes Mal einen abfälligen Blick zu und verschwand raschen Schrittes im Treppenhaus.

    »Glaub ja nicht, das letzte Wort sei schon gesprochen!«, hörte ich sie noch auf ihrem Weg nach unten wild schimpfen. So einfach kommst du mir nicht davon, Sophia.«

    Als ich die schwere Haustür endlich ins Schloss fallen hörte, ließ ich mich erleichtert neben einen der Kartons auf den Boden sinken und lehnte meinen, von der heftigen Diskussion heißgelaufenen Kopf gegen die kühle Wand. Dieses Aufeinandertreffen hätte ich mir gern erspart. Warum musste ich ihr auch die Tür öffnen? Da war der Ärger doch vorprogrammiert.

    War es nicht genug, die Demütigung ertragen zu müssen, die einem widerfährt, wenn sich herausstellt, dass die eigene Partnerin sich mit einer anderen Frau vergnügt? Konnte ein Beziehungsende nicht einfach ein endgültiger Schlussstrich sein? Und konnte es nicht endlich aufhören, wehzutun?

    All diese Fragen drehten sich wie ein Karussell in meinem Kopf. Und auch wenn die Beziehung mit Pia für mich abgeschlossen war und ich kein Zurück mehr sah, saß der Schmerz tief in mir. Es war mir nicht egal, nicht nach so vielen gemeinsamen Jahren. Aber es war der einzige richtige Weg, diese Beziehung zu beenden. Es wäre ohnehin nie wieder wie früher gewesen.

    Durch die noch offen stehende Wohnungstür wehte ein frischer Wind, der mich in ein kaltes Gewand hüllte und schaudern ließ. Bilder der vergangenen Beziehung mit Pia zogen an meinem inneren Auge vorbei. All die Höhen und Tiefen, die wir gemeinsam bestritten hatten, durchlebte ich erneut in Kurzfassung, und je mehr ich über unsere gemeinsame Zeit nachdachte, umso mehr schmerzte es mich, dass die Beziehung ein derartiges Ende gefunden hatte.

    Wir waren so glücklich und unzertrennlich in den ersten beiden Jahren. Musste ich mich jetzt dafür rechtfertigen, meinem Studium gewissenhaft nachgegangen zu sein? Sollte das eine intakte Beziehung nicht locker wegstecken können? Pia konnte doch nicht allen Ernstes mein Lernpensum für ihren Seitensprung verantwortlich machen. Ich hatte während ihrer Abschlussprüfung alles für sie getan, um ihr den Rücken freizuhalten. Ich hatte mich kein einziges Mal beschwert, es war für mich selbstverständlich sie zu unterstützen. Doch Pia war das egal.

    Sie hatte mir Betti vor ein paar Wochen als Arbeitskollegin und gute Freundin vorgestellt, und ich war froh, dass Pia Zeit mit ihr verbrachte und ich mich somit dem Lernen widmen konnte. Dass sie sich allerdings während der gemeinsam verbrachten Stunden im Bett vergnügten, hatte ich keine Sekunde lang geahnt. Ich fiel aus allen Wolken, als Pia mir ihre Affäre beichtete. Sie war mir in den Rücken gefallen und hatte alles kaputtgemacht, was wir uns zusammen aufgebaut hatten. Warum hatte ich nicht früher etwas bemerkt? Bin ich wirklich so blind gewesen?

    Und jetzt sollte ich auch noch die Verantwortliche dafür sein, dass unsere Beziehung in die Brüche ging? Ich war fassungslos.

    Eilige Schritte im Treppenhaus, die sich meiner Wohnung näherten, rissen mich aus meinen Tagträumen. Ich wusste nicht, wie lange ich schon auf dem kalten Boden kauerte. Die Kälte, die bereits in alle Fasern meines Körpers gekrochen war, lähmte mich. Ich hob meinen Kopf und sah zur Tür.

    »Sophia, meine Güte, warum um alles in der Welt sitzt du bei diesen Temperaturen und noch dazu bei offener Tür auf dem kalten Fliesenboden?«, wollte Anne entgeistert von mir wissen, als sie die Wohnung betrat. »Was ist los?«

    Anne, meine liebste und beste Freundin. Ich hatte ganz vergessen, dass sie vorbeikommen und mir mit den letzten Kartons helfen wollte.

    »Pia war hier«, entgegnete ich mit schwacher Stimme und kämpfte mit den Tränen. »Ja, ich weiß, dass es besser war, die Beziehung zu beenden. Aber, Anne, es tut einfach immer noch verdammt weh, sie zu sehen. Ich erkenne sie kaum wieder. Kann sich denn ein Mensch, dem man einmal blind vertraut hat, von einem auf den anderen Tag so verändern?«

    Mit besorgter Miene kniete Anne vor mir und hielt meine kalten Hände fest umklammert. Ihre Wärme tat gut und beruhigte mich etwas. »Sie hat dich nicht verdient. Sie hat es einfach nicht verdient, dass du ihr verzeihst. Ich weiß, es ist schwer zu akzeptieren. Aber glaub mir, Wunden heilen. Zwar nicht in ein, zwei Wochen. Es wird dauern, aber dann kannst auch du wieder lachen«, versuchte Anne mich mit ihrer liebevollen Art, die ich so sehr an ihr schätze, zu trösten.

    »Hey, freu dich einfach auf das, was vor dir liegt. Freu dich auf New York!«

    »New York«, murmelte ich und betrachtete den Berg Kartons, der sich vor mir befand. »Dann ist das alles hier Geschichte, Anne.«

    »Und es ist Zeit für etwas Neues«, fügte Anne hinzu und zog mich an den Händen, um mir aufzuhelfen.

    Schneeflocken und eisblaue Augen

    Ich hatte zweifelsohne das Talent, den Wecker zu überhören. Hektisch und aufgebracht stürmte meine Mum in mein altes Kinderzimmer, in dem ich schlief, seit ich meine Wohnung in Regensburg an den Nachmieter übergeben hatte. Sie weckte mich unsanft, indem sie mir die kuschelig warme Decke mit einem Ruck vom Körper zog und das Fenster sperrangelweit aufriss. Ein kalter Windstoß wirbelte durch das Zimmer und wehte einen Stapel Papier vom Schreibtisch, der sich über den kompletten Boden verstreute.

    »Sophia, in einer halben Stunde müssen wir los. Hast du denn deinen Wecker nicht gehört? Komm, mach schnell, sonst verpasst du deinen Flug.« Mahnend stand meine Mutter vor mir und stützte ihre Hände in die Hüfte. »Zieh dich an, dass du wenigstens noch frühstücken kannst. Wer weiß, wann du wieder etwas zu essen bekommst.«

    »Ihr Jugendlichen. Schlaft lieber, als dass ihr frühstückt«, seufzte sie kopfschüttelnd.

    Müde grummelte ich, dass ich schon nicht verhungern würde, folgte aber schlaftrunken den Anweisungen meiner Mum, die wie ein Wachhund vor meinem Bett wartete, damit ich auch sicher aufstand und mich nicht noch mal umdrehte. Da durch das Fenster eiskalte Luft strömte, brauchte sie mich kein zweites Mal bitten, und ich sprang schnell in die bereits am Vortag bereitgelegten Klamotten. Meine Lieblingsjeans und meinen grünen Kapuzenpulli, der schnuckelig warm gefüttert war. Schließlich herrschten auch Anfang März noch Temperaturen um den Gefrierpunkt. Ach, wie sehr ich mir den Frühling und warme Temperaturen herbeiwünschte! Ich war es leid, die dicken Klamotten aus dem Schrank zu ziehen und dick eingepackt, kaum bewegungsfähig, durch den Tag zu laufen. Es war endlich wieder an der Zeit für kurze Hosen und leichte T-Shirts. Und eigentlich war es auch noch viel zu früh, um aufzustehen.

    »Der frühe Vogel fängt den Wurm«, pflegten meine Eltern zu sagen.

    Aber der frühe Vogel konnte mich mal!

    Als ich aus dem Badezimmer und in die Küche kam, duftete es bereits herrlich nach frisch aufgebrühtem Kaffee. Meine Mutter hatte den Frühstückstisch in der großen Wohnküche schon gedeckt und natürlich auch eine extra große Tasse Kaffee für mich bereitgestellt. Sie kannte mich eben am besten und wusste, was ich morgens am dringendsten brauchte.

    Suchend schaute ich mich um, doch von meinem Dad fehlte jede Spur, obwohl er von uns allen den größten Wert auf ein gemeinsames Frühstück legte. Auf seinem Platz standen bereits eine benutzte Tasse und ein mit Krümeln bedeckter Teller. Er wollte wohl nicht so lange auf mich warten.

    Allein nahm ich auf der Eckbank Platz, während sich vor mir auf dem Tisch frische Brötchen und allerlei andere Leckereien türmten. Die Aufregung vor der anstehenden langen Reise über den großen Teich machte mir jedoch an diesem Morgen mehr zu schaffen als die ganzen letzten Tage zusammen, so dass ich nicht einmal eine halbe Tasse Kaffee hinunterbrachte. Und das, obwohl ich normalerweise ohne Kaffee nicht lebensfähig war und missmutig den Tag begann, wenn das Koffein, mein Starthelfer in den Tag, fehlte.

    »Mensch, Kind, iss doch etwas! Du kannst doch nicht mit leeren Magen aus dem Haus gehen. Wie sollst du denn die lange Reise überstehen?«, beschwor mich meine Mutter mit besorgtem Blick und hielt mir den Korb mit den Brötchen und Brezen unter die Nase.

    Ich tat ihr den Gefallen und rang mich noch dazu durch, wenigstens eine Butterbreze zu essen, als mein Dad plötzlich in die Küche gestürmt kam und wie wild mit dem Zeigefinger auf seine Armbanduhr tippte. In seinem sonst so besonnenen Blick lag Hektik.

    »Wenn du nicht wie eine aufgeschreckte Gans durch den Flughafen hetzen oder gar zu spät kommen willst, sollten wir jetzt los! Um deine Koffer und dein Handgepäck musst du dich nicht mehr kümmern, die habe ich schon im Auto verstaut. Also kommt endlich ihr zwei, bevor wir noch im Münchner Berufsverkehr stecken bleiben!«

    Angespannt, wie ich meinen Dad eigentlich gar nicht kannte, deutete er uns mit einem Blick auf die Wanduhr an, dass es wirklich höchste Zeit war, aufzubrechen. Wir sollten keine Zeit mehr verlieren, wenn ich nicht wollte, dass das Flugzeug ohne mich abhob.

    Eilig holte ich meine Jacke, die ich in meinem Zimmer vergessen hatte, und packte meine angebissene Butterbreze ein, um im Auto fertig zu frühstücken.

    Keine zwei Minuten später saßen wir alle drei im Auto, als auch Anne in allerletzter Sekunde auf dem glatten Gehweg um die Ecke in unsere Einfahrt schlitterte und sich mit einer fröhlichen Begrüßung auf die Rückbank des Autos neben mich setzte. Ihr Gesicht war hinter dem dicken Schal und der tief ins Gesicht gezogenen Mütze kaum zu erkennen.

    »Ich kann dich doch nicht einfach fliegen lassen, ohne mich persönlich von dir zu verabschieden«, sagte sie grinsend und versuchte verzweifelt, ihre von der Kälte tauben Hände wiederzubeleben.

    Kein Wunder bei diesem Wetter! Der Himmel war wolkenverhangen, und dicke Schneeflocken tanzten durch die Luft. Ich hoffte, in New York vom Schnee verschont zu bleiben, diesen Winter hatten wir ohnehin reichlich davon gehabt.

    Während Anne und ich über das kalte Wetter schimpften und von warmen Temperaturen träumten, verfolgte mein Dad aufgeregt die Staumeldungen im Radio. Erst als für unsere Strecke keine Verkehrsbehinderungen durchgegeben wurden, entspannte auch er sich und bog mit dem Wagen aus unserer Einfahrt in die mit einer dünnen Schneedecke gesäumte Hauptstraße ein.

    Während der gesamten Fahrt überhäuften mich meine Mutter und Anne mit gut gemeinten Ratschlägen. Anscheinend trauten sie mir beide nicht zu, in dieser großen Stadt allein über die Runden zu kommen. Andererseits fand ich es auch wieder rührend, wie sie sich um mich bemühten und es gut mit mir meinten. Es war schließlich das erste Mal, dass ich allein, und noch dazu für ein halbes Jahr, im Ausland war.

    »Gib ja gut auf dich Acht! Du weißt, in großen Städten wie New York wimmelt es geradezu von Taschendieben und komischen Gestalten«, beschwor mich meine besorgte Mum.

    »Und mach auf jeden Fall viele Fotos und schreib mir, so oft es geht. Ich will alles genau wissen, wenn ich schon nicht dabei sein kann«, fügte Anne hinzu und strahlte über das ganze Gesicht, also würde sie selbst das Abenteuer New York wagen.

    »Genau, melde dich ganz oft bei uns«, stimmte meine Mum Anne zu.

    Mein Dad quittierte dies alles nur mit einem zustimmenden Brummen und enthielt sich ansonsten unserer Frauengespräche, als er über die Autobahn Richtung München bretterte.

    Es reichte, wenn meine Mutter und Anne wild auf mich einredeten.

    Als wir nach einstündiger Fahrt endlich am Terminal 2 des Flughafens in München angekommen waren, schienen auch meine Mutter und Anne mit ihren Ratschlägen am Ende zu sein.

    Ungewöhnlich still, wie ich sie nur selten zuvor erlebt hatte, begleiteten mich die drei in das riesige Terminal zum Check-in, wo bereits zu früher Stunde hektisches Treiben herrschte.

    Als meine Koffer langsam auf dem Förderband verschwanden und ich mich Richtung Sicherheitscheck aufmachen musste, um den Flug nicht zu verpassen, nahm meine Mum mich schluchzend in den Arm und wollte mich gar nicht mehr loslassen.

    »Pass ja gut auf dich auf, und lass möglichst oft etwas von dir hören. Du weißt ja, ich habe extra gelernt, E-Mails abzurufen und zu schreiben. Also berichte uns bitte ganz oft, wie es dir geht und ob alles in Ordnung ist!«

    Mein Dad klopfte mir nur aufmunternd auf die Schulter. Wie die meisten anderen Väter war auch er kein Mann der großen Worte, wenn es um Abschied ging. Doch sein Blick verriet mir, dass auch er mich nur ungern für so lange Zeit gehen ließ.

    Auch Anne hielt mich fest an sich gedrückt, und mir fiel es äußerst schwer, sie in Deutschland zurückzulassen. Es war ungewohnt, Anne ein halbes Jahr nicht zu sehen. Eine kleine Ewigkeit in unseren Augen, da wir sonst jede freie Minute miteinander verbracht hatten. Mir wurde klar, dass sie mir alle fehlen würden in der großen fremden Stadt. Bevor ich endgültig aufbrechen musste, zog mich Anne etwas zur Seite.

    »Ich weiß, dass es dir schwerfällt. Aber sieh New York einfach als Chance, Pia zu vergessen.«

    »Glaubst du, sechstausend Kilometer Distanz zwischen uns machen die Sache leichter?«

    Anne zuckte mit den Schultern und nahm mich noch einmal in den Arm. »Ich weiß, du schaffst das«, flüsterte sie mir ins Ohr. »Mach das Beste aus diesem halben Jahr, und vergiss mich nicht.«

    »Wie könnte ich dich vergessen?«, erwiderte ich lächelnd und drückte sie noch mal eng an mich.

    Nach der ausführlichen und tränenreichen Verabschiedung und dem Versprechen, ihnen allen mindestens einmal wöchentlich zu schreiben, machte ich mich auf Richtung Flugzeug. Ein letztes Mal winkte ich meinen Eltern und Anne zum Abschied zu, und nur schwer konnte ich meine Abschiedstränen verbergen, als ich die drei in der großen Halle verschwinden sah.

    »Aber jetzt Schluss mit den Tränen«, flüsterte ich mir selbst Mut zu, »jetzt geht’s auf nach New York. Tschüss, Deutschland, dich werde ich erst mal nicht vermissen!«

    Nach etlichen Sicherheitschecks und

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