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1200 Jahre deutsch-dänische Grenze: Aspekte einer Nachbarschaft
1200 Jahre deutsch-dänische Grenze: Aspekte einer Nachbarschaft
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1200 Jahre deutsch-dänische Grenze: Aspekte einer Nachbarschaft

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About this ebook

Im Jahre 811 wurde die Eider erstmals als Grenze zwischen dem Karolingerreich und Dänemark in den Quellen genannt. Beinahe ein Jahrtausend lang stellte dieser Fluß nicht nur die physische Grenze dar, sondern bildete ebenso Erinnerungsort wie später Gegenstand nationaler Debatten. Aber auch die nachfolgenden Grenzziehungen an der Königsau und nördlich der Stadt Flensburg konstituieren Orte der Abgrenzung wie auch der Schaffung kollektiver Identitäten - und sind es bis heute geblieben. Das Buch untersucht die lange Geschichte der deutsch-dänischen Grenze in ihrer zeitlichen und inhaltlichen Breite und will Impulse für einen neuen Blick auf das Thema liefern.

Mit Beiträgen von Martin Krieger, Alexander Drost, Hansjörg Küster, Ulrich Müller, Oliver Auge, Nils Hybel, Bjørn Poulsen, Kurt Villads Jensen, Wolfgang Burgdorf, Michael Bregnsbo, Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt, Torsten Fried, Jan Schlürmann, Lars Henningsen, Steen Bo Frandsen, Inge Adriansen, Frank Lubowitz, Karl Christian Lammers, Thomas Steensen, Katrin Leineweber, Martin Klatt und Manfred Bornewasser.
LanguageDeutsch
Release dateJul 19, 2013
ISBN9783529092053
1200 Jahre deutsch-dänische Grenze: Aspekte einer Nachbarschaft
Author

Martin Krieger

Studium der Mittleren und Neueren Geschichte, der Ur- und Frühgeschichte und der Skandinavischen Philologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (1987-1993) Promotion zum dänischen Handel auf dem Indischen Ozean (1993-1995) Wissenschaftlicher Assistent und Privatdozent am Lehrstuhl für Allgemeine Geschichte der Neuzeit der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald (1996-2005) Habilitation zum Patriotismus-Diskurs in Hamburg im Zeitalter der Frühaufklärung Forschungsaufenthalt in Indien und Bewirtschaftung eines Teegartens in Kotagiri (Nilgiris/Indien) (2006-2007) 2007-2009 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Forschungsförderung der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald ab April 2009: Inhaber der Lehrstuhls für Nordische Geschichte an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

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    Book preview

    1200 Jahre deutsch-dänische Grenze - Martin Krieger

    243.

    Die Grundlagen

    Historische Grenzräume und kognitive Grenzziehungen der Gegenwart

    Alexander Drost

    Einleitung

    Von der Friedhofsmauer bis zur Staatsgrenze schaffen Grenzen in unserem Alltag Ordnung. Sie können Menschen ein- und ausschließen, Rechte gewähren oder verweigern sowie Menschen- oder Warenströme verhindern. Grenzen schaffen auf diese Weise einen Raum, in dem sich Menschen verorten können und zusammen mit Kultur, Sprache und Traditionen bietet dieser Raum einen Identifikationspunkt, der von anderen Räumen getrennt ist. In der Beziehung zum „Anderen" bildet sich in diesem meist staatlich organisierten Raum eine spezifische Identität aus. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Grenzen trennt man sich zusehends von der Abschottung – Linien, Mauern, Zäune – und betont vor dem Hintergrund von Globalisierungsrhetorik und Integrationsprozessen mehr und mehr die Durchlässigkeit von Grenzen. Dabei werden nicht nur grenzüberschreitende Austauschprozesse und ihr Einfluss auf die Beschaffenheit von Grenzen diskutiert, sondern teilweise auch schon die Auflösung linearer Grenzen prognostiziert. Die Etablierung von Grenzräumen nimmt den Platz linearer Grenzkonzepte in der Forschung ein.

    Dieser Überblick zur Entwicklung der historischen und gegenwärtigen Grenzkonzepte widmet sich dem grundlegenden Wandel der Ordnungsprinzipien und -notwendigkeiten von Menschen und Gesellschaften bei der Schaffung und Bewahrung ihrer Lebensräume. Bereits die seit der Antike errichteten Mauern und Wälle hinterließen erste Exklusions- und Sicherheitsvorstellungen und schlugen sich in Wortbedeutungen und Denkmustern nieder. Im Folgenden wird der Fokus aber insbesondere auf dem Wandel der Bedeutung von Grenze und Grenzraum seit dem europäischen Mittelalter und im Kontext der Herausbildung moderner Staatlichkeit liegen. An die Stelle des mittelalterlichen Universalitätsgedankens tritt als Gegenkonzept zunehmend die Vorstellung von einem abgrenzbaren Raum, der nach innen zunächst vor allem religiös und dann auch sozio-kulturell eine Einheit bildet. Die Vorstellung einer Kongruenz von Territorium, staatlicher Souveränität und Gesellschaft bestimmt bis heute unser Denken, das stark vom Konzept der Nationalstaatsgrenzen geprägt ist. In der geographischen und politikwissenschaftlichen Forschung begründete dieses Denken in topografisch-territorial bestimmten Grenzkonzepten die sogenannte „territorial trap"¹, der man seit den 1990er Jahren mit einem symbolischen und metaphorischen Verständnis von Grenzen zu entkommen versucht.² Auch die historische Forschung folgte mit ihren Forschungsfragen zur sich verfestigenden Frontier³, zur Nationalstaatsgrenze⁴, zur Kontaktzone⁵ und zur Grenze als Resultat sozialer Praxis⁶ diesen sich wandelnden Manifestationen von Grenzen, bis sie heute – beeinflusst von einer scheinbaren Bedeutungslosigkeit von Grenzen – sich der Diskussion um die Notwendigkeit von Grenzen und deren Beschaffenheit neu stellen muss.

    Ordnung im Raum

    Grenzen sind Konstruktionen und sie unterliegen der Interpretation und Aneignung des Menschen, der mit ihrer Hilfe seine Welt konstituiert. Das heißt, mittels Grenzziehungen schafft der Mensch Ordnung in einem andernfalls unbegrenzten Raum. Henk van Houtum betont den Aspekt des Ordnens als eine Hauptfunktion der Grenze, die weder fest im Raum oder der Zeit verankert ist, noch nur als Trennlinie wahrgenommen werden sollte.⁷ Grenzziehungen (bordering) helfen auf verschiedenen Ebenen räumlich zu differenzieren. Dabei gewinnen insbesondere die Unterschiede zu anderen an Bedeutung. Hierbei kann es sich um Unterschiede zwischen Staaten und ihren Territorien, aber auch um Unterschiede zwischen kulturellen Gruppen innerhalb eines Territoriums handeln. Durch die Feststellung differenzierender Charakteristika zwischen „eigen und „fremd (othering) werden auch die Grenzen der eigenen Identität bestimmt und unterschiedliche Aktionsräume sowie Einflusssphären voneinander getrennt.⁸ Vor diesem Hintergrund kommt der multidimensionale Charakter von Grenzen zum Ausdruck. Grenzen strukturieren nicht nur geographische oder politische, sondern auch soziale, kulturelle oder wirtschaftliche Räume, in denen sich Menschen und Gesellschaften verorten. Gleichzeitig verweist van Houtum mit der Ordnungsfunktion von Grenzen auch auf die Gedächtnisleistung des Menschen, der in seinem tagtäglichen Dasein Grenzziehungen vornimmt bzw. bestehende Grenzen für sich interpretiert, insbesondere wenn es darum geht, seine Identität zu bestimmen.⁹

    Topographisch-räumliche Modelle boten bislang den besten Zugang, um die Bedeutung von Grenzen und der durch sie konstituierten sozialen Welt zu verstehen. Denn Grenzsteine, Stadtmauern, Befestigungsanlagen, Zollstationen, Kampflinien oder auf Karten verzeichnete Grenzlinien zwischen Territorien sind in der Wirklichkeit existente Produkte der menschlichen Gedächtnisleistung, die Schutz, Eigentum, Exklusivität und einen klar abgegrenzten Raum erfahrbar machen. Auch Küstenlinien, Wüsten oder Wälder können dieser Interpretation unterliegen. Sie sind dabei aber nicht per definitionem als sogenannte „natürliche Grenzen" zu verstehen, da Grenzen einem Denk- und Kommunikationsprozess entstammen, in dem Wasser, Wüsten und Wälder sowohl als Demarkation aber eben auch als nicht hinderlich angesehen werden können.¹⁰ Seit der Antike transportieren Manifestationen von Grenzen wie zum Beispiel der Limes oder die chinesische Mauer konkrete Vorstellungen von Exklusion und Schutz im Denken der Menschen. Das universale Denken des Mittelalters sukzessive überwindend, sind es dann vor allem die zwischenstaatlichen Konflikte im frühmodernen Europa, die die ansonsten losen Enden der kleinen und großen Reiche zu verfestigen halfen und einen Bedeutungswandel des Grenzkonzeptes andeuteten.

    Von der Frontier zur Staatsgrenze: Im Grenzraum

    Die Frontier des mittelalterlichen Europa wird hauptsächlich als Kampflinie verstanden. Mit diesem Begriff werden aber auch Randzonen von Machtbereichen bzw. nicht weiter bestimmbaren Grenzräumen fernab der Machtzentren eines größtenteils durch einen monarchischen Mittelpunkt gekennzeichneten Raumes bezeichnet. Es handelt sich bei diesen Räumen noch nicht um klar abgegrenzte Souveränitäten, Ethnien oder Kulturen. Vielmehr zeigen die Arbeiten von Naomi Standen, Daniel Power oder David Abulafia für die mittelalterlichen Grenzen eine große Ambiguität des Konzeptes, in dem die Grenze noch lange nicht als lineares Limit verstanden werden kann. Vielmehr ist die Grenze ein Raum, eine Grenzregion, in der Kulturen meist konfliktreich aufeinandertreffen, um auf diese Weise religiöse, machtpolitische oder die Souveränität betreffende Dispute auszutragen. Es geht dabei immer wieder um im Kampf errungene Machtpositionen über den Anderen, die Aneignung von Territorien und die Ausbreitung von gesellschaftlichen und kulturellen Mustern auf Kosten einer unterlegenen Macht.¹¹ Diese konfliktreichen Begegnungen führten immer wieder zu bisweilen starken Verschiebungen von Herrschafts- und Kulturräumen, insbesondere in der Auseinandersetzung mit Andersgläubigen an den Rändern Europas im Mittelmeerraum, in der Ostsee oder auch auf der Iberischen Halbinsel.¹² Diese Verschiebungen zogen außerdem vielfältige Überlagerungen von kulturell und politisch abgegrenzten Räumen nach sich. Vor diesem Hintergrund konnte die Frontier des Mittelalters keine lineare Grenze sein. Ihre Dimensionen reichten von einem offenem Raum, der – beispielsweise bewohnt von Nomaden – zwischen zwei Herrschaften lag, bis zu punktuellen Markierungen in Form von Festungen an der Peripherie eines Reiches. Sie hatte nicht nur politische Ordnungsfunktionen, sondern auch kulturelle in Form von Sprach- und Religionsgrenzen. Diese waren an kein festes Territorium gebunden und traten oftmals nur zeitweise in Konflikten deutlicher hervor. Hierin liegt auch der Charakter der Frontier als bewegliche Zone zwischen Kontrahenten begründet. Die Frontier konnte kaum räumlich und wenn dann nur zeitweise fixiert werden. Durch die Überwindung des Konflikts mittels Ausschaltung des Gegners konnte sie sogar aufgelöst werden.

    Das frühmoderne Europa blieb zunächst gekennzeichnet von der Unbestimmtheit und konfliktreichen Aushandlung seiner inneren und äußeren Grenzen. Administrative Zuständigkeiten, kulturelle Raumkonstruktionen sowie politische und religiöse Loyalitätsansprüche überlagerten einander und formten unterschiedlich komplexe Räume. In dieser Hinsicht geht es um Herrschaften (z. B. Grafschaft, Herzogtum, Königreich), nationale Kulturräume (z. B. französisch sprechender Kulturraum), maritime Handelsnetzwerke (Ostseeraum), Glaubensräume (z. B. katholisches Bayern, reformierte Pfalz, multikonfessionelles Polen-Litauen) und politische Räume und Enklaven, die dem Phänomen der Doppelpflichten¹³ entstammten, wenn einem Herrscher aufgrund imperialer Grenzen solche Pflichten (z. B. ist der König von Dänemark zeitgleich ein souveräner Herrscher über Dänemark und Reichsfürst in seiner Würde als Herzog von Holstein) auferlegt wurden. Ähnlich gestaltete sich die Herrschaft Phillips II. über die Provinzen des burgundischen Reichskreises sowie die Iberische Halbinsel. Dabei bietet die Loslösung der Niederlande vom spanischen Weltreich im Achtzigjährigen Krieg seit 1568 ein anschauliches Beispiel, wie sich eine zwischen Nord- und Südprovinzen etablierte Kampflinie sukzessive verfestigte und mit dem Westfälischen Frieden 1648 eine endgültige Bestätigung erfuhr. Gleichzeitig lösten sich hierdurch politisch-monarchisch-administrative Verschränkungen mit dem Spanisch-Habsburgischen, Österreichisch-Habsburgischen und dem Heiligen Römischen Reich für die sich zur Republik entwickelnden nördlichen Provinzen auf. Die Kampflinie zwischen Nord- und Südprovinzen verfestigte sich zu einer territorialen Grenze, die auch symbolisch für die Trennung zwischen Calvinisten im Norden und Katholiken im Süden stand sowie insbesondere im 17. Jahrhundert auch eine Wohlstandsgrenze bildete. Die nördlichen Provinzen stiegen zu einer weltweit agierenden Handelsmacht auf, während die südlichen Provinzen Teil des zerfallenden spanischen Weltreiches blieben.¹⁴ Am Beispiel des Niederländischen Aufstands zwischen 1568 und 1648 können deutliche Tendenzen der Veränderung des Grenzkonzeptes in der Frühen Neuzeit von einem sich bewegenden und unbestimmten Grenzraum zu einer sich verfestigenden, ein homogenes staatliches Territorium umgebenden Grenze aufgezeigt werden. Auch wenn sich dieser Trend in der Frühen Neuzeit fortsetzt, bleiben Grenzen in Form der sich bewegenden Frontier erhalten. Insbesondere in den überseeischen Gebieten, die während der europäischen Expansion nach Amerika und Asien verschiedene Siedlungsbewegungen erfuhren, wurde die Frontier als Kultur- und Zivilisationsgrenze zu einem bestimmenden Merkmal. Für Nordamerika entwickelte Frederick Jackson Turner vor dem Hintergrund der Siedlerkolonisation und Ausbreitung gen Westen seine Frontier-These, die der Überzeugung folgt, dass durch die kontinuierliche Interaktion zwischen Zivilisation und Wildnis den Vereinigten Staaten eine Position außerhalb der allgemeinen Regeln und Gesetze zukomme.¹⁵ James C. Scott und Willem van Schendel haben aber auch für Festlandsüdostasien ähnliche Interaktionsmuster zwischen „zivilisiertem Tal und „freiem Berg festgestellt.¹⁶ Außerdem spielt in Asien die Frontier europäischen Zuschnitts im zeitweiligen Errichten von Kampflinien zwischen den europäischen Kontrahenten im asiatischen Gewürzhandel eine Rolle. Auf diese Weise werden europäische Grenzkonzeptionen auch über die Grenzen Europas hinausgetragen, vornehmlich in Gebiete, in denen bis heute die indigene Bevölkerung Probleme mit der „Übersetzung" des Bedeutungshorizontes des Grenzkonzeptes in die eigenen Vorstellungswelten hat.¹⁷

    Neben der Kampflinie bilden die zahlreichen Überlagerungen von politischen, kulturellen und religiösen Bindungen der Menschen charakteristische Grenzräume, in denen klare lineare Trennungen nur schwer feststellbar sind. Zu diesen Grenzräumen gehörten auch Schleswig und Holstein. Seit 1460 äußerlich unter der Herrschaft von Christian I. vereint, war Holstein im Gegensatz zu Schleswig ein Reichslehen und unterstand dem Kaiser, der aber keinen Widerspruch gegen die Wahl Christians durch die Ritterschaft übte und 1474 Holstein sogar zu einem Herzogtum erhob. 1544 setzte Christian III. gegen die starken Ständevertretungen eine neuerliche Teilung durch und mit Schleswig-Holstein-Gottorf wurde eine weitere Landeshoheit geschaffen. Der König von Dänemark übte in diesem Konglomerat von Hoheiten die Oberhoheit über Schleswig aus, hielt Holstein aber nur als Lehen, das zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation gehörte.¹⁸ In dieser Grenzregion zwischen zwei Reichen wurden ganz eigene regionale Ordnungen geschaffen, die nicht nur einem entfernten König oder Kaiser untertänig waren, sondern in der auch noch starke Stände die wechselseitigen Spannungen für ihre eigenen Ziele auszunutzen versuchten. Hier entstehen, wie auch in vielen anderen Regionen Europas, lokale bzw. regionale Räume, die in Folge der nationalstaatlichen Konsolidierung fast ganz verschwinden. Zu diesen regionalen Räumen gehörte zum Beispiel auch der südliche Ostseeraum, der jahrhundertelang zahlreiche kulturelle und rechtliche Transferprozesse erfuhr. Zunächst stand er im Mittelalter insbesondere unter dem Einfluss der Hanse, dann beflügelten in der Frühen Neuzeit die schwedische Expansion im Ostseeraum und auch die Ausbreitung des Polnisch-Litauischen Großreiches regionale Transfers und integrative Prozesse, wobei diese sich immer auch durch Adaptionen an lokale Gegebenheiten auszeichneten.¹⁹ In den jüngsten Diskussionen über ein postnationalstaatliches Europa werden diese lokalen bzw. regionalen Räume als historische Grenzräume wiederentdeckt.²⁰ Außerdem machen diese Wiederentdeckungen deutlich, dass das nationalstaatliche Konzept von Grenzen, das unser heutiges Denken bestimmt, die Multidimensionalität von religiösen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Grenzen der Frühen Neuzeit kaum zu fassen mag und teilweise überdeckt. Vielmehr wird der Charakter eines Grenzraumes im Sinne des „borderland"-Konzeptes von Gloria Anzaldúa²¹ sichtbar, in dem sich Kulturen begegnen und durch Interaktion und Austausch gewachsene Kulturräume in unterschiedlichster Ausprägung mit jeweils eigenen sozialen Strukturen schaffen.

    Demarkation und Referenzrahmen: Die Nationalstaatsgrenze

    Mit der Krise des Ancien Régime Ende des 18. Jahrhunderts wurde ein ideologischer Freiraum geschaffen, in dem aufklärerisches Gedankengut und ein sich entwickelndes Wir-Gefühl nach neuen, sichereren Ordnungen suchten. Denn der „Wandel durch Vernunft" bedingte im Streben nach Freiheit eine Pluralisierung von Ideen und Modellen gesellschaftlicher Ordnung, die in ihrer Vielzahl nicht nur die alten Ordnungen monarchisch-despotischer Art substantiell hinterfragten, sondern auch ein Gefühl der Unsicherheit vermittelten.²² Diese Phase der Unbestimmtheit mündete in einen Prozess der räumlichen Neuordnung in Form von Nationalstaaten. Sie ist zeitlich grob im 19. und 20. Jahrhundert zu verorten. Es ist schwierig eine einheitliche Definition für den Nationalstaat in den historischen Diskursen zu finden. Dafür wurden aber hinreichende Merkmale bestimmt, die den Nationalstaat charakterisieren und auch unsere Vorstellungen einer nationalstaatlichen Grenze bestimmen. Otto Danns Definition des Nationalstaates, „in dem die Nation als die Gesamtheit der Staatsbürger der Souverän ist und „die gleichberechtigte Teilhabe aller Bürger an den Institutionen und Projekten des Staates²³ gewährleistet, kann nur im Idealfall zutreffen und ist nur schwer für die einzelnen Staaten zu einem festen Zeitpunkt zu bestimmen. Länder des Ostblocks oder Diktaturen würden im Sinne dieser Definition nicht als Nationalstaaten gelten. Deshalb sind alternative Beschreibungen für den Weg zum Nationalstaat, wie Jürgen Osterhammel sie aufzählt, hilfreicher, wenn es darum geht, den Raum des Nationalstaates und die ihn umgebende Grenze näher zu definieren. Er geht von der Idee eines politisch agierenden Kollektivs aus, das auf einer gemeinsamen Identität in Form einer Sprach- und Schicksalsgemeinschaft beruht. Es bildet die Grundlage für eine Weltordnung, in der die Nation als „natürliche Grundeinheit angesehen wird.²⁴ Nach Osterhammel hieße das: „Die Nation … ist der primäre Bezugspunkt individueller Loyalität und der maßgebliche Rahmen für Solidaritätsbildung. … Eine Nation erstrebt politische Autonomie auf einem definierten Territorium und benötigt zur Gewährleistung einer solchen Autonomie einen eigenen Staat.²⁵ Neben den Diskussionen um die Herkunft des Nationalstaates – nach Hagen Schulze nimmt sich im 19. Jahrhundert ein „Massennationalismus des Staates an²⁶, Wolfgang Reinhard sieht den Nationalstaat eher als ein Produkt von Machteliten, die diese Form des Staates von oben einzuführen versuchen²⁷ – interessiert uns im Kontext des sich herausbildenden Verständnisses von Nationalstaatsgrenzen vor allem die Leistung, die ein solches einheitliches Gebilde bieten soll. Hierzu gehört in erster Linie die Schaffung eines autarken Wirtschaftsraums, zusammen mit einer international wirksamen Diplomatie sowie einer homogenen Kultur mit identitätsstiftenden Symbolen und Werten. Dieses Ideal der Homogenität von Ethnie, Sprache, Kultur und Recht im Nationalstaat dominiert unsere Vorstellungen von diesem und von seinen Grenzen, obwohl Wolfgang Reinhard mit Recht behauptet, dass die meisten Nationalstaaten aufgrund der sich politisch organisierenden Minderheiten und ihrer Berücksichtigung in der Politik multinationale Staaten sind. Vor diesem Hintergrund wirkt die idealisierende Form des Nationalstaates aber sehr erfolgreich auf Gesellschaften weltweit, die an den Rändern ihrer Staaten eine feste, territorial fixierte Grenzlinie gezogen haben und nach innen eine Gemeinschaft von Staatsbürgern mit gleichen Rechten und Pflichten gegenüber dem Staat bilden. Die Nationalstaatsgrenzen werden durch strikte und weniger strikte Grenzregimes kontrolliert. Mittels Pass- und Zollkontrollen steuern Beamte Waren- und Menschenströme nach sozio-politischen Gesichtspunkten, die insbesondere den Prinzipien eines streng getrennten „Innen und „Außen sowie „Eigen und „Fremd" folgen. Diese Vereinheitlichung von kulturellem, wirtschaftlichem und politischem Raum durch die klare Definition der Nationalstaatsgrenze ließ den beweglichen Charakter der Frontier verschwinden und erlaubte Grenzräume nur noch als Form des Niemandslandes oder als Verteidigungszone. Darüber hinaus entwickelte sich die Randregion eines Nationalstaates aufgrund des Demarkationscharakters seiner Grenzen wirtschaftlich oft zu einer strukturschwachen Region.

    Vom Eisernen Vorhang zur Neuordnung der Räume: Im Grenzraum

    Eine Steigerungsstufe der Verfestigung setzte mit der ideologischen Teilung der Welt zwischen Ost und West ein, die die Undurchdringlichkeit mancher nationaler Grenze noch einmal verstärkte. Doch reichten der Begriff und das Konzept Grenze nicht mehr zur Beschreibung dieser Undurchdringlichkeit aus. Man benutzte den Begriff „Eiserner Vorhang, der bis heute zum Beispiel noch die „Nicht-Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea bestimmt. Mit seiner Auflösung in Europa setzte ein neuerlicher Diskurs zum Konzept der Grenze ein, der auch die Nationalstaatsgrenze betraf. Denn mit der Gründung der EG und später der EU wurden seit der Mitte des 20. Jahrhunderts transnationale Strukturen geschaffen, die zunächst insbesondere den Wirtschaftsraum aus dem homogenen Konstrukt des Nationalstaats heraushoben. Durch diese Entwicklung unterstützten zunächst vor allem die westeuropäischen Staaten die transnationale wirtschaftliche Interaktion, wodurch den wirtschaftlichen Grenzen zunehmend ein permeabler Charakter verliehen wurde. Gleichzeitig entließ man den Wirtschaftsraum aus der Einheit mit dem kulturellen und politischen Raum, deren Grenzen teilweise bis heute Bestand haben, allerdings in veränderter Form.

    Einen Schub erhielt die Diskussion um die Auflösung von Grenzen bzw. die Aufhebung der Kongruenz von Wirtschafts-, Sozial- und Kulturraum einer Nation mit dem Fall des „Eisernen Vorhangs und dem Globalisierungsprozess vornehmlich wirtschaftlicher Strukturen. Zahlreiche Migrations- und Transferprozesse bedingten einen intensiveren Austausch und regionale sowie transregionale Integrationsprozesse. Die größte Wirkung solcher Prozesse zeigte sich nach 1989/90/91 insbesondere in Europa. Der unmittelbare Verlauf des „Eisernen Vorhangs quer durch Europa sowie der Erfolg der US-amerikanischen Diplomatie und Kulturexpansion nach dem Fall der Sowjetunion bedingten eine Vorreiterrolle Europas in der nachhaltigen Veränderung seiner Grenzen und damit auch des Diskurses über Grenzen und Grenzkonzepte.

    Aber es ist durchaus falsch, im Zuge dieser Veränderungen von der Redundanz staatlicher und anderer Grenzen zu sprechen, wie Liam O’Dowd feststellt.²⁸ Die Permeabilität staatlicher Grenzen in einem sich zunächst wirtschaftlich und administrativ langsam integrierenden Europa bedingt eher einen Wandel in der Interpretation und Wahrnehmung von Grenzen, deren grundlegenden Konzepten sowie deren Bedeutungen. Nach einer Phase vermeintlicher Kongruenz von verschiedenen Räumen im Nationalstaat und der Überlagerung verschiedener Grenzen in einer Linie schaffen Warenströme, Migrationsbewegungen, grenzübergreifende Institutionen (EU, NATO) sowie gleiche kulturelle Werte und Normen im EU-Europa des 21. Jahrhunderts einen scheinbar grenzenlosen Raum, in dem zuvor unterschiedliche Grenzregimes wirkten. Diese Öffnung beflügelte in bedeutendem Maße die intellektuelle Wahrnehmung und Interpretation von Grenzen und Grenzräumen. Das Verlassen des nationalstaatlichen Referenzrahmens beflügelte die Wahrnehmung der Grenze als Brücke und löste damit die Interpretation der Grenze als Barriere im Denken der Menschen in Bezug auf bestimmte Räume – wie zum Beispiel den Wirtschaftsraum – ab. Insbesondere die Grenzregionen innerhalb der neuen EU-Außengrenzen – zuvor meist strukturschwache Regionen oder sogar Niemandsland – konnten vom gestiegenen wirtschaftlichen Austausch und einer erhöhten Migration profitieren.²⁹ Grenzräume avancierten unter diesen Bedingungen auch schnell zu Innovationszentren, weil die Auseinandersetzung mit fremden Ideen nach der Öffnung der Grenzen hier am intensivsten stattfand und Lösungen hervorbrachte, die den Gesellschaften beiderseits der Grenze zu einem besseren Auskommen miteinander verhelfen konnte. Darüber hinaus werden durch die Abschaffung tarifärer Grenzhemmnisse Anreize zur wirtschaftlichen Entwicklung gegeben.³⁰ Außerdem treffen in diesen Grenzräumen Kulturen aufeinander, die aus der Interaktion heraus hybride Strukturen schaffen, um so ihr Zusammenleben zu organisieren. Hierdurch wird ebenfalls das Verbindende von Grenzen gegenüber dem Trennenden betont. Richard White³¹ und Homi Bhaba³² haben mit ihren Konzepten zum „Middle Ground und „Dritten Raum Hybridisierungsvorgänge an den Grenzen zwischen kolonialen Eroberern und indigenen Bevölkerungen im 17. und 18. Jahrhundert beschrieben. Diese Konzepte haben erste Deutungsmuster für den Wandel europäischer und globaler Grenzen im Zuge verstärkten interkulturellen Austausches geliefert und beförderten so Kulturtransfernarrationen und die Beschreibung integrativer Muster auf verschiedenen Ebenen des europäischen Einigungsprozesses. Insbesondere historische Betrachtungen von Regionen wie dem Mittelmeer oder dem Ostseeraum haben die neuen Möglichkeiten und Strukturen von regionalem Austausch und regionaler Kohärenz vor dem Hintergrund traditioneller Verbindungen im Handel, in der Kunst, der Bildung und der Religion gespiegelt.³³ Hierbei gewannen Konzepte wie die „Croos-border-Cooperation oder „Global Governance zunehmend an Bedeutung, um grenzüberschreitende Phänomene der Zusammenarbeit zu beschreiben.³⁴

    Doch die Beschwörung eines offenen Raumes, in dem sich das menschliche Denken wieder in einen Fluss abseits des Nationalstaates begibt und so, wie Georg Schmidt³⁵ festgestellt hat, wieder Anklänge an die innovativen gesellschaftlichen Diskurse der Aufklärungszeit im vornationalstaatlichen Zeitalter deutlich werden, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Grenzen weiterhin eine große Bedeutung besitzen. Wenn man Grenzen wie Anssi Paasi als Prozess der sozialen Verhandlung versteht³⁶, dann wird deutlich, dass es den Menschen nun möglich geworden ist, über nationale Grenzen hinweg aufeinander zuzugehen, aber man in einem ständigen Aushandlungsprozess immer wieder damit konfrontiert ist, die Identität gegenüber dem anderen in einem kontinuierlichen Prozess abzugrenzen. Ethnische, religiöse, lokale oder regionale Verortungen rücken in den Vordergrund und es scheint, dass die hierdurch gezogenen meist kulturell-symbolischen Grenzen teilweise eine größere Undurchdringlichkeit entwickeln als sie nationalstaatliche Grenzen vorher besaßen. Die jüngsten Diskussionen in der aktuellen Politik über eine multikulturelle Gesellschaft und ihr angebliches Scheitern haben es gezeigt. Die zahlreichen „kulturellen" und ethnischen Enklaven in den Metropolen Europas – türkische Stadtteile in Berlin, die Romadebatte in Paris oder die nach ethnischen Gruppen getrennten Stadteile im Osten Londons – weisen auf die wachsende Bedeutung dieser Grenzen hin.

    So wird das „Borderland" bzw. Grenzland von Anzaldúa, in dem Tag für Tag verschiedene Identitäten ausgehandelt werden, zu einem gängigen Prinzip der gegenwärtigen Grenzwahrnehmung. Darüber hinaus gewinnen Wohlstandsgrenzen mit ihren strengen, fast militärischen Grenzregimes zunehmend an Bedeutung, wenn wir die östliche und südliche Außengrenze der EU betrachten. Die unmittelbare Schutzund Barrierefunktion der nationalstaatlichen Grenzen wurde im Zuge des Integrationsprozesses europäischer Staaten an die äußersten Enden verlagert, während die Gesellschaften innerhalb dieser Barriere versuchen, neue Modelle der räumlichen Ordnung und Governance zu schaffen und dabei die Grenzräume als Kontakt-, Entwicklungs- und Innovationsräume wiederzuentdecken. Das Modell des Nationalstaates wird also sukzessive von seinen Grenzen her verändert, aber nicht obsolet. Vielmehr zeigt sich in vielerlei Hinsicht eine Ambivalenz zwischen Integrationswillen und Identitätsbewahrung im Kontext von Globalisierung und postkolonialer Befreiung.³⁷

    Die feste Linie einer nationalstaatlichen Grenze mag in der Großräumigkeit Europas in wirtschaftlicher und touristischer Hinsicht an Bedeutung verloren haben – obgleich die Nationsbildungsprozesse im Osten Europas auch innerhalb der EU noch nicht abgeschlossen sind –, aber damit sind Grenzen nicht obsolet geworden. Sie gewinnen mit einem veränderten Konzept zunehmend wieder an Bedeutung, vor allem, wenn in einem Grenzland nicht hinreichend Klarheit darüber besteht, wo sich der Einzelne verorten soll und will. Vor diesem Hintergrund rücken symbolische und soziale Dimensionen der Grenzen in den Vordergrund und helfen, kleinräumigere Ordnungen zu entwerfen, um sich in der Pluralität eines sich langsam integrierenden Europas zurechtzufinden.³⁸ Dass mit den dänischen Grenzkontrollen im Sommer 2011 auch ältere nationalstaatliche Grenzregimes wieder Einzug hielten, ist kein Widerspruch in den hier aufgezeigten Entwicklungen. Gleichwohl es sich um ein populistisches Vorgehen der damals konservativen dänischen Regierung handelte, besteht die Möglichkeit, dass die EU-Außengrenze vielen in Mitteleuropa fern und abstrakt erscheint. Die Schutzfunktion dieser Grenze ist mancherorts nicht mehr zu „spüren". Kleinräumige Grenzziehungen und unmittelbarere Grenzregimes könnten dieses eher leisten. Die neue sozialdemokratische dänische Regierung hat im Herbst 2011 die Kontrollen bereits wieder aufgehoben. Diese kurze Episode zeigt einmal mehr, dass die Interpretation und Wahrnehmung von Grenzen und Grenzräumen in einer gewissen Abhängigkeit von Problemen und Bedürfnissen von Menschen und Gesellschaften in einem bestimmten Zeitabschnitt betrachtet werden müssen. Das Beispiel verdeutlicht auch die Unbeständigkeit von Grenzen.

    Dansk resumé

    Med afgrænsning skaber menneskene en rumlig orden, der skiller dem fra andre og bliver et identifikationspunkt for deres samfund. I videnskaben har interessen for afgrænsning været for nedadgående, mens der kan iagttages en stærkt voksende interesse for grænseoverskridende og grænsenedbrydende udviklinger. Her forbindes grænser i stedse højere grad med noget rumligt frem for noget lineært. Denne oversigt over historiske og nutidige grænseforestillinger drejer sig specielt om ordensprincipperne bag menneskenes indretning og bevaring af de rum, som de lever og udfolder sig i.

    Middelalderens grænser havde dybde og var ikke lineære i en senere tids forstand. Magten over grænseområderne var ofte uafklaret, og der udspandt sig mange konflikter om kontrollen over dem. Kulturer og religioner stødte sammen flere steder i Europa, og frontier-begrebet dækker en situation, hvor grænserne var bevægelige og genstand for konflikt. I det tidligt moderne Europa skete der en ændring hen imod mere faste grænser, men da administrative, kulturelle, politiske og religiøse grænser overlejrede hinanden, tegnede der sig ikke et afklaret men derimod et meget komplekst billede. Herskabsforholdene i hertugdømmerne eksemplificerer det. Her herskede den oldenborgske konge over Slesvig og Holsten trods deres forskellige status.

    Nationalstaterne skabte de klare og entydige lineære grænser. Bag dem opbyggedes stater med et betonet enhedspræg, idet opbygningen af et selvstændigt økonomisk system og en homogen kultur med identitetsskabende symboler og værdier blev denne statsforms kendetegn. Dette ideal af en stat præget af etnisk, sproglig, kulturel og juridisk homogenitet præger fortsat grænseforestillingerne, men i de seneste årtier er der sket mange forandringer. Efter Anden Verdenskrig forstærkede „jerntæppet" opfattelsen af en skarp grænse, men efter dets fald begyndte en ny rumlighed at gøre sig bemærket. Det understregedes af de transnationale strukturer, der i flere årtier havde været under opbygning i Vesteuropa. Grænseområder blev ikke mindst kontaktzoner. De afgrænsede nationalstater mistede deres rolle som altdominerende referencepunkter og ikke mindst i den økonomiske debat tabte de nationalstatslige grænser i betydning. Grænserne opfattes i en del af forskningen først og fremmest som resultat af en social praksis. De mange udviklinger, der har virket i retning af at flytte forestillingen om en grænse fra linje til rum, kan dog ikke skjule, at grænser stadig spiller en meget stor rolle i de enkelte samfund.

    Anmerkungen

    1 Agnew, Territorial Trap, S. 59.

    2 Paasi, Boundaries as Social Practice and Discourse, S. 118.

    3 Jackson Turner, Significance of the Frontier in American History, S. 27-37.

    4 Demandt, Deutschlands Grenzen in der Geschichte; François/Seifarth/Struck, Grenze als Raum, Erfahrung und Konstruktion; Duhamelle/Kossert/Struck, Grenzregionen; Kaplan/Carlson/Cruz, Boundaries and their Meanings.

    5 Krieger/North, Kultureller Austausch zwischen Westeuropa und dem Ostseeraum; Burke, Kultureller Austausch; White, The Middle Ground.

    6 Paasi, Boundaries as Social Practice and Discourse, S. 117-136; Houtum/Kramsch/Zierhofer, B/ordering Space, S. 1-13.

    7 Van Houtum/van Naerssen, Bordering, Ordering and Othering, S. 126.

    8 Ebd., S. 126; van Houtum/Kramsch/Zierhofer, B/ordering Space, S. 1-13; Migdal, Mental Maps and Virtual Checkpoints, S. 5f.

    9 Van Houtum/Kramsch/Zierhofer, B/ordering Space, S. 1-3; s.a. Paasi, Bounded Spaces in the Mobile World, S. 139-141.

    10 Berg/van Houtum, Prologue: A Border is Not a Border, S. 2.

    11 Abulafia, Introduction: Seven Types of Ambiguity, S. 5, 11, 17f., 20; Power, French and Norman Frontiers in the Central Middle Ages, S. 106ff.

    12 Moreno, Creation of a Medieval Frontier, S. 32-54; Mažeika, Granting Power to Enemy Gods in the Chronicles of the Baltic Crusades. Hintergrundinformationen zu Osteuropa und die Ostsee liefern die Kapitel 2.6 und 2.7 bei North, Europa expandiert 1250-1500, S. 196-249. Für das Mittelmeer siehe Abulafia, The Great Sea, S. 318-333.

    13 Duchhardt, Der Herrscher in der Doppelpflicht.

    14 Van Deursen, De Republiek der Zeven Verenigde Nederlanden, S. 205; Israel, The Dutch Republic, S. 254-259, 311f., 316-327, 516ff., 533f., 541-545; North, Geschichte der Niederlande, S. 22-36.

    15 Turner, The Significance of the Frontier, S. 2f.

    16 Scott, The Art of Not Being Governed, S. 54; van Schendel, Geographies of Knowing, S. 282, 284f.

    17 Drost, Grenzenlos eingrenzen.

    18 Bohn, Geschichte Schleswig Holsteins, S. 39ff., 50f.

    19 North, Europa expandiert, S. 157, 196-199, 203ff.; ders., Geschichte der Ostsee, S. 66-77, 136-143.

    20 Thormählen, Entwicklung europäischer Grenzräume.

    21 Anzaldúa, Borderlands, Preface.

    22 Schmidt, Wandel durch Vernunft, S. 11-14.

    23 Dann, Nation und Nationalismus in Deutschland, S. 17.

    24 Osterhammel, Die Verwandlung der Welt, S. 582.

    25 Ebd.

    26 Schulze, Staat und Nation in der europäischen Geschichte, S. 189-208; s.a. Dann, Nation und Nationalismus. S. 149-158.

    27 Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, S. 447f.

    28 O’Dowd, Changing Significance of European Borders, S. 13.

    29 Schack, Grenzen und Grenzregionen, S. 9-17.

    30 Morehouse, Theoretical Approaches to Border Spaces and Identities, S. 26-32; Clement, Economic Forces Shaping the Borderlands, S. 41f.

    31 White, Middle Ground.

    32 Bhabha, Location of Culture.

    33 Krieger/North, Land und Meer; North, Geschichte der Ostsee; Abulafia, The Great Sea.

    34 Anderson/O’Dowd/Wilson, New Borders for a Changing Europe.

    35 Schmidt, Wandel durch Vernunft, S. 14.

    36 Paasi, Boundaries as Social Practice and Discourse.

    37 Morehouse, Theoretical Approaches to Border Spaces and Identities, S. 26f.

    38 Zur symbolischen Dimension von Grenzen: Migdal, Mental Maps and Virtual Checkpoints.

    Natürliche Grundlagen von Grenzen in Schleswig-Holstein

    Hansjörg Küster

    Einführung

    Wer Verbindungen zwischen natürlichen, wirtschaftlichen und politischen Grenzen erkennen will, hält wohl am ehesten Flüsse für grenzprägend. Sie können nur an wenigen Stellen gequert werden, jede Brücke, die eine solche Grenze überwindet, ist ein aufwendiges Bauwerk. Fremde Armeen können an Flüssen aufgehalten werden. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass ein solcher Blickwinkel vergleichsweise modern ist und sich erst in den letzten Jahrhunderten entwickelt hat, in denen Landwege an Bedeutung gewannen. Im Mittelalter wurden hingegen Wasserwege stärker zum lokalen Warentransport genutzt als heute. Im Einzelfall ist es nicht einfach zu entscheiden, ob Flüsse eher trennten oder verbanden.¹

    Aufgezeigt werden sollen hier natürliche Voraussetzungen, die zur Herausbildung von Grenzen führen konnten oder hätten führen können. Die aktuellen Grenzen sind von diesen natürlichen Voraussetzungen häufig nicht oder nur nur in geringem Maße abhängig, weil beispielsweise politische Aspekte bei ihrer Herausbildung eine stärkere Rolle gespielt haben.² Allerdings liegen die Zusammenhänge zwischen naturräumlichen Bedingungen und der Ausbildung von Grenzen nicht immer klar auf der Hand, sondern sie ergeben sich erst, nachdem verschiedene Evidenzen miteinander in Verbindung gebracht worden sind.

    Eine solche Annahme soll in diesem Beitrag verdeutlicht werden, der nicht auf Studien in Archiven bzw. historischen Quellen in eigentlichem Sinne beruht. Vielmehr geht der Verfasser von Landschaftsanalysen aus, in deren Folge Archivstudien die geäußerten Gedanken sicher präzisieren könnten.

    Die landschaftliche Gliederung Schleswig-Holsteins

    Wenn heute von Schleswig-Holstein als einem Grenzland die Rede ist, so denkt man an die Staatsgrenze zwischen dem nördlichsten deutschen Bundesland und dem nördlich davon liegenden Dänemark; diese Grenze wurde im Zusammenhang mit Kriegen der letzten zwei Jahrhunderte mehrfach verschoben. Doch aus natürlicher Sicht bestehen ganz andere Grenzen. Die jütische Halbinsel, auf deren südlicher Hälfte das Bundesland Schleswig-Holstein liegt, bildete sich aus einem Moränenwall, der in der zweiten Hälfte der Saale-Eiszeit, der vorletzten Vergletscherungsphase, vor etwa 150.000 Jahren gebildet wurde. Diese Vereisungsphase wird als Warthe-Phase bezeichnet. Der damals von Gletschern abgelagerte gewaltige Wall aus lockerem Sediment trennte die beiden Schelfmeere Nord- und Ostsee voneinander, die zuvor miteinander verbunden gewesen waren. Jütland also ist die Grenze zwischen diesen beiden Meeren, deren völlig unterschiedliche Charaktere unter anderem von ihren verschiedenen Salzgehalten hervorgerufen werden. Die Wassermassen der Nordsee befinden sich in stetigem Austausch mit denjenigen der anderen Weltmeere, und daher trifft man dort auf den gleichen Salzgehalt des Wassers wie in den Ozeanen. Zwischen Nord- und Ostsee findet hingegen nur ein geringer Wasseraustausch statt, und das meiste Wasser der Ostsee stammt aus Süßwasserzuflüssen. Ostseewasser hat daher einen sehr viel geringeren Salzgehalt als das Wasser anderer Meere, und die Ostsee enthält auf diese Weise die größte Brackwassermenge auf der Erde.³

    Vor allem seit dem frühen Mittelalter, als das Netz überregionaler Handelswege über die südliche Nordsee in den Ostseeraum erweitert wurde, erwies sich die jütische Halbinsel als markantes Verkehrshindernis. Die Halbinsel konnte zwar im Norden umfahren werden, doch sind die dortigen Gewässer bis heute gefährlich. Noch im 19. Jahrhundert strandeten an der dänischen Nordseeküste deutlich mehr Schiffe als anderenorts.⁴ Daher wurden diese gefährlichen Gewässer erst recht in früheren Jahrhunderten gemieden, und man suchte eher verbindende Verkehrswege, die über die Halbinsel hinweg führten. Dabei mussten in früherer Zeit auch Landwege in die Handelswege einbezogen werden, um die Wasserscheide zwischen den Flüssen Schleswig-Holsteins, die überwiegend zur Nordsee entwässern, und jenen Buchten der Ostsee zu überwinden, die sich durch Gletschervorstöße der letzten Eiszeit, der Weichsel-Eiszeit, und Schmelzwasser gebildet hatten, das unter dem Eis nach Westen ablief.

    Das Land im Osten der Halbinsel, das erst in der letzten Eiszeit von Gletschern deponiert worden war, ist reich an Mineralstoffen; in der Nacheiszeit wurden diese Stoffe noch nicht aus dem Boden ausgeblasen oder ausgewaschen. Das hügelige Jungmoränengebiet im Osten Schleswig-Holsteins ist daher ein exzellentes Ackerland. Weniger gut sind hingegen die Bedingungen für den Feldbau auf den Böden, die bereits in der vorletzten Eiszeit abgelagert worden waren. Besonders in der Zeit, in der sie während der Weichselvergletscherung im unmittelbaren Vorfeld des Eises lagen, wurden die fruchtbaren Mineralstoffe ausgewaschen und ausgeblasen, so dass vielerorts nur unfruchtbarer Sand zurückblieb. Dieses Land ist der sogenannte „Mittelrücken" der jütischen Halbinsel, die trockene Geest. Sowohl das Hügelland im Osten als auch die Geest waren in der Nacheiszeit komplett bewaldet und ihre Böden sind arm an Steinen; daher konnten sie nach Rodungen von Wald bereits in der Kupferzeit (seit etwa dem 4. Jahrtausend vor Chr.) bäuerlich bewirtschaftet werden.

    Völlig andere Bedingungen herrschen im Westen Schleswig-Holsteins vor. Dort stieß in den letzten Jahrtausenden die Nordsee immer wieder bis an den Geestrand vor und schuf dort ein markantes Kliff. Das Meer trug ehemaliges Geestland ab. Die Komponenten des lockeren Abtragungsmaterials wurden von den Strömungen sortiert. Steine der Moränen blieben an Ort und Stelle liegen; sie wurden vor allem in Küstennähe von anderen Meeresablagerungen überdeckt. Sand blieb dort liegen, wo die Meeresströmung nachließ,

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