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Forscherfragen: Berichte aus der Wissenschaft von morgen
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Ebook163 pages1 hour

Forscherfragen: Berichte aus der Wissenschaft von morgen

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Wir können uns eine Welt ohne Wissenschaft kaum noch vorstellen: Das »Prinzip Forschung« hat unser Weltbild geprägt. Aber selten nur wissen wir, wer hinter den Erkenntnissen steht, die globale Probleme lösen helfen, hinter Forschungsergebnissen, die unseren Alltag angenehmer machen oder uns einfach klüger.

»Forscherfragen« stellt neun Wissenschaftler und ihre bahnbrechenden Arbeiten in unterschiedlichen Bereichen der Naturwissenschaften vor. Von der Suche nach den Anfängen des Universums bis zu einem Enzym, mit dem sich altersbedingte Krankheiten aufhalten lassen, vom Klimawandel bis zum Malariamedikament, vom Sonnenstrom aus der Wüste bis zur Erforschung der Druckverhältnisse im Erdinnern: Monika Rößiger führt in Berichten und Interviews durch das Spektrum naturwissenschaftlicher Erkenntnisse.

Doch »Forscherfragen« ist mehr als eine Passage durch die »Wissenschaft von morgen«: Es ist ein Ausblick auf das, was Forschung leisten kann, und es ist zugleich eine Ermutigung, in Zukunftsfragen auf die Expertise unabhängiger Wissenschaftler zu setzen.
LanguageDeutsch
Release dateOct 16, 2013
ISBN9783896844484
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    Forscherfragen - Monika Rößiger

    sein.

    Der ganz große Knall

    Rolf Landua produziert am Europäischen Kernforschungszentrum CERN Antimaterie

    Hollywoodfilme und Teilchenbeschleuniger haben normalerweise nicht viel miteinander zu tun. Und normalerweise arbeitet ein deutscher Physiker auch nicht an der Produktion eines US-Thrillers mit. Aber es gibt Ausnahmen. Etwa, wenn es sich um einen Antimaterie-Spezialisten wie Rolf Landua handelt – und um einen Kinofilm nach dem Roman des amerikanischen Bestsellerautors Dan Brown. Für Brown, Sohn eines Mathematikprofessors und einer Kirchenmusikerin, sind Wissenschaft und Religion keine Gegensätze, sondern die Grundlage für packende Geschichten. Zum Beispiel Illuminati: Der Vatikan soll durch eine gigantische Explosion ausgelöscht werden – nicht durch eine Atombombe, sondern eine »Antimaterie-Bombe«. Das Material dafür stammt aus einem Experiment am Europäischen Kernforschungszentrum CERN, bei dem der Urknall simuliert wurde. Das macht Rolf Landua auch.

    Der Physiker ist einer der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Antimaterie. Seit 1987 arbeitet er am CERN, in der Nähe von Genf, wo er heute die Abteilung für öffentliche Fortbildung leitet. Zuvor hat er die sogenannte »Antimaterie-Fabrik« mit initiiert und war Leiter des ATHENA-Experiments, das im Jahr 2002 erstmals Millionen von Antimaterie-Atomen produzierte. Das Europäische Kernforschungsinstitut, in den 1950er Jahren als Symbol einer neuen Zusammenarbeit in Europa gegründet, befindet sich im schweizerisch-französischen Grenzgebiet. Dort entstand die erste Internetadresse der Welt: www.info.ch. Heute wird sie allerdings von einer Weiterbildungsplattform genutzt. Pionierleistungen und Superlative kann das CERN auch sonst für sich beanspruchen: Es ist z.B. das weltweit größte Forschungsinstitut für Teilchenphysik; hier arbeiten mehr als 11.000 Wissenschaftler aus 98 Ländern. Und es birgt mit dem Large Hadron Collider (LHC) den größten Teilchenbeschleuniger der Welt.

    Abb. 1 (Quelle: picture-alliance/dpa-Grafik)

    Der hat einen Umfang von 27 Kilometern und verläuft 100 Meter unter der Erde. Er erstreckt sich an der Grenze zu Frankreich auf einer Fläche, die 600 Fußballfeldern entspricht. Mit Hilfe dieses Ringbeschleunigers versuchen Wissenschaftler nichts weniger, als die Bedingungen unmittelbar nach dem Urknall nachzustellen. Sie simulieren einen Moment kurz nach der Entstehung des Universums – das war vor 13,8 Milliarden Jahren. Davon erhoffen sie sich grundlegende Erkenntnisse, etwa in der Frage, warum es keine Antimaterie im Kosmos gibt. Und viel mehr noch: Wie kam es zu jener winzigen Verschiebung im Verhältnis von Antimaterie und Materie kurz nach dem Urknall, der wir überhaupt erst unsere Existenz verdanken?

    Abb. 2: Transport von LHC-Magneten im Ringbeschleuniger (Foto: CERN/Maximilien Brice)

    Natürlich lebt ein Film wie Illuminati von den Special Effects, doch nicht alles, was man auf der Leinwand sieht, stammt aus der FX-Trickkiste: Die leuchtend blauen Röhren etwa, die man in einer der ersten Einstellungen sieht, gehören wirklich zum LHC. Der Regisseur und sein Team haben das CERN besucht und sich von Rolf Landua über den wissenschaftlichen Hintergrund der Romanvorlage beraten lassen. Im Inneren dieser blauen Röhren liegen die Vakuumstrahlröhren, mit einem Durchmesser von etwa drei Zentimetern. Durch die sausen sogenannte Hadronen, Teilchen wie Protonen oder Blei-Ionen, in unvorstellbarer Menge. Sie werden durch viele extrem starke Magnete in ihrer Bahn gehalten und fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. »Sogenannte supraleitende Magnete erzeugen bei einer Betriebstemperatur von minus 271 Grad Magnetfelder, die 150.000-mal so stark sind wie das Magnetfeld der Erde. Dadurch halten sie die beschleunigten Teilchen in ihrer Bahn. Mehr als 9000 Magnete bilden zusammen mit dem Beschleunigungs-, Vakuum- und Kühlsystem das größte und komplexeste Forschungsgerät, das Menschen je erbaut haben«, erklärt Landua nicht ohne Stolz.

    Die Beschleunigung findet in zwei gegenläufigen Strahlen statt, die dort kollidieren, wo die sogenannten Detektoren stehen, im Prinzip riesige Kameras. Die Protonen kollidieren unvorstellbare 600 Millionen Mal pro Sekunde, dabei setzen sie jedes Mal eine Energiemenge frei, die dem 15.000-Fachen der Protonenmasse entspricht. Und es entstehen Hunderte von neuen Teilchen. »Mit diesen Kollisionen versuchen wir«, so Landua, »einen kleinen Ausschnitt kurz nach der Entstehung des Universums zu simulieren – das, was eine billionstel Sekunde nach dem Urknall passiert ist.« Von diesen Riesenkameras gibt es vier, zum Beispiel den ATLAS-Detektor, der ebenfalls in Illuminati zu sehen war (noch bevor er offiziell in Betrieb genommen wurde). Er nimmt Bilder auf, von denen jedes einzelne eine Auflösung von 100 Millionen Pixel hat. Und er ist unfassbar schnell – registriert er doch eine Milliarde Kollisionen pro Sekunde. Um diese ungeheure Menge an Bildern überhaupt verarbeiten zu können, ein »Daten-Tsunami«, wie Landua das nennt, brauche man hunderttausend modernste Computer sowie Hunderte von Doktoranden, die sich mit Akribie und detektivischem Spürsinn auf die Suche nach neuen Phänomenen, Teilchen und Anti-Teilchen begeben.

    Abb. 3: Nur in Shut-down-Phasen möglich: Wartungsarbeiten am ATLAS-Detektor (Foto: CERN/Claudia Marcelloni)

    So weit, so beeindruckend. Und einleuchtend. Aber zugleich fast schwindelerregend, wenn man sich zu fragen beginnt, was Materie eigentlich ist – und was dann Antimaterie sein muss.

    Alles um uns herum besteht aus Materie: unsere Umwelt, das Weltall und wir selbst. Materie lässt sich in immer kleinere Einheiten zerlegen, von den Molekülen bis zu den Atomen, die lange als kleinste Einheit galten. »Atom« stammt aus dem Griechischen und bedeutet »unteilbar«. Dass sich das scheinbar Unteilbare doch in noch kleinere Bestandteile zerlegen lässt, wissen Physiker etwa seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Atommodelle des Neuseeländers Ernest Rutherford und des Dänen Niels Bohr postulierten, dass ein Atom aus einem Kern und einer Hülle besteht. Für ihre bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der Atomstruktur bzw. zur Chemie der radioaktiven Strahlung erhielten Bohr und Rutherford später

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