Erbarmen: Novelle
()
About this ebook
Dass Hermann Peter Piwitt eine Frau erzählen lässt, in IchForm, ist gewiss eine Überraschung. Und sie gelingt! Vielleicht weil der Autor sich selbst und seine Geschlechtsgenossen, so aus ironischkomischer Perspektive in den Blick nehmen kann. Nach einer eher leidenschaftslosen Ehe, die durch den Unfalltod des Ehemannes ihr Ende gefunden hat (nicht unbedingt ein glückliches, genau genommen), scheint nun alles anders zu werden. Henrik, ein Schriftsteller, ist ins Leben der Erzählerin getreten.
Für die beiden nicht mehr ganz jungen Menschen bietet sich endlich die große Chance, Waghalsiges zu riskieren, Phantasien auszuleben. Jeden Moment kosten sie aus, indem sie sich gänzlich einander hingeben. »Da wir aneinander verloren, verlor sich auch der Alltag in uns", wird sich die Erzählerin erinnern. Wenn nur dieser sonderbare Wunsch von Henrik nicht wäre, ein »Liebesbeweis", wie er es nennt. Hartnäckig hält er daran fest. Aber könnte er dessen Erfüllung überhaupt ertragen?
Piwitt zeigt sich einmal mehr als genauer Beobachter und virtuoser Erzähler zwischenmenschlicher Verstrickungen und leiser Momente. »Erbarmen" ist eine melancholische und bisweilen tragikomische Novelle über Sehnsucht, Täuschung und Selbsttäuschung.
Read more from Hermann Peter Piwitt
Jahre unter ihnen: Roman Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Granatapfel: Roman Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Gärten im März: Roman Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsEin unversöhnlich sanftes Ende: Miniaturen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsLebenszeichen mit 14 Nothelfern: Geschichten aus einem kurzen Leben Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDrei Freunde: Erzählungen Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Related to Erbarmen
Related ebooks
Von einer, die auszog, einen Büstenhalter zu stehlen: Erinnerungen eines Kindes Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSlumlords: Ihnen gehört die Stadt Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsLiebesgrüße aus Meißen: Ein Sachsen-Krimi Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsFangschuss: Vijay Kumars erster Fall Rating: 3 out of 5 stars3/5Dillinger sieht Gespenster: Hohenlohe-Krimi Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsBrendas Bekenntnisse Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsStadt der Sünder Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsPerlensamt Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsNacht überm Chiemgau: Kriminalroman Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie geheimnisvolle Trommel: Eine Detektivgeschichte für Menschen ab 8 Jahren Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsReisebriefe eines Artisten Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWiesnblues: Eine Kommissar Wengler Geschichte Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsEifel-Kreuz: Der 13. Siggi-Baumeister-Krimi Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHandkerchief Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsOperativer Vorgang: Seetrift Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsRosen brechen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWeihnachtslied gesucht Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsKlushund: Kriminalroman Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsChaos en France: Peter Pank in Avignon Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsNachsommer Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Tote vom Hauptmarkt: Mosel-Krimi Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas Mädchen und der Leuchtturm Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsEifel-Liebe: Der 11. Siggi-Baumeister-Krimi Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsPopcorn Melody Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDeckung wie ein Boxer: Gedichte Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHekates Erbe: Der Schlüssel zur Welt Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsNachklang: Ein Familienroman über die Unfreiheit in jedem Einzelnen und die Suche der Seele nach Raum Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Witwenwanderer: Erzählung Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSeelenzerrung Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsBisher Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Literary Fiction For You
Amerika Rating: 4 out of 5 stars4/5Jane Eyre (Deutsche Ausgabe): Eine Autobiographie oder Die Waise von Lowood Rating: 4 out of 5 stars4/5Heiße Sexgeschichten: Ich liebe Sex: Sex und Erotik ab 18 Jahre Rating: 5 out of 5 stars5/5Das gute Buch zu jeder Stunde Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Prozess (Weltklassiker) Rating: 4 out of 5 stars4/5Hotel Berlin Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsTabu: Sexgeschichten - Heiss und Obszön: Erotik-Geschichten ab 18 unzensiert deutsch Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAusweitung der Kampfzone Rating: 3 out of 5 stars3/5Briefe an Milena: Ausgewählte Briefe an Kafkas große Liebe Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsEhrlich & Söhne (eBook) Rating: 4 out of 5 stars4/5Das achte Leben (Für Brilka) Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSchöne Welt, böse Leut: Kindheit in Südtirol Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsI Love Dick Rating: 4 out of 5 stars4/5Radetzkymarsch Rating: 4 out of 5 stars4/5Wir ohne Wal: Roman Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas Verlorene Paradies (Illustriert) Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Duft von Schokolade (eBook) Rating: 4 out of 5 stars4/5Ein Lied über der Stadt (eBook) Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSommerfrische Rating: 3 out of 5 stars3/5Wo die Liebe ist, da ist auch Gott: Erzählungen Rating: 4 out of 5 stars4/5Der große Gatsby Rating: 4 out of 5 stars4/5Die Jakobsbücher Rating: 5 out of 5 stars5/5Kleider machen Leute: Die Leute von Seldwyla Rating: 3 out of 5 stars3/5Ich nannte ihn Krawatte Rating: 4 out of 5 stars4/5Arturos Insel Rating: 4 out of 5 stars4/5Enzyklopädie der russischen Seele Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsVon den Märchen: Eine lebenslange Liebe Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsV13: Die Terroranschläge in Paris Rating: 5 out of 5 stars5/5Das Tagebuch des Verführers Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Reviews for Erbarmen
0 ratings0 reviews
Book preview
Erbarmen - Hermann Peter Piwitt
978-3-8353-2187-8
Die Hortensien verblassen, werden braun und welken. Ich hatte sie im Herbst tief heruntergeschnitten, und sie waren darüber schöner und reicher aufgeblüht. Ich hatte den Ratschlag eines alten, fast hundert Jahre alten Gartenbuchs befolgt, das mir Henrik einmal geschenkt hatte. Henrik, er hieß so; bevor ich ihn noch so nannte. Henrik. Er bestand darauf. Er war schon etwas über sechzig, als wir uns kennenlernten. Ich hatte noch keine vierzig. Als er kaum ein Jahr später starb, ging ihm die Weissagung nicht in Erfüllung, an die er geglaubt hatte, nämlich dass er neunzig würde. Er nannte sie das ›Frau-Sauer-Projekt‹. Oder einfach das ›Sauer-Projekt‹. Er erinnerte mich noch einmal daran, ein paar Wochen vor seinem Tod. Mutter sei es gewesen, die den Kleinen eines Tages im Krieg mit der S-Bahn in die noch unzerstörte Stadt, nach Altona, mitgenommen habe zu einer Hellseherin, einer Frau Sauer eben. Sie habe in einer düsteren alten Wohnung gehaust mit schwarzen, vor sich hinbröselnden und knackenden Möbeln. Bröselnd und knackend, es waren seine Worte. Viele Jahre lang sei darin wohl nicht gelüftet worden, sagte er; so habe es darin gestunken, nach Katze und alter Frau unterm Arm; er drückte es so aus. Frau Sauer habe sie gebeten, Platz zu nehmen und Kaffee und Plätzchen dazugestellt. Dann habe sie nach des Kleinen linker Hand gegriffen, mit einer Nadel unterhalb des Daumenballens leicht hineingestochen und gesagt: Um Gottes willen, Ihr Sohn wird neunzig!
Er lachte. Aber das glaubst du mir wieder nicht, oder?
Die Bäume draußen sind kahl inzwischen und stehen wie eingeschweißt in Nebel. Die Hortensie wird ein paar Blüten über die ersten Nachtfröste retten. Die letzte Nachtkerze ist gegen Morgen erloschen. Und der Winter kann kommen in das alte Haus, das mir mein Mann hinterlassen hatte. Alexander; möge er denn so heißen. Auch er starb; bei einem Unfall auf der Autobahn, einem Unfall mit dem Motorrad, genau genommen. Ich hatte ihn im Taxi kennengelernt. Ich hatte, geistesabwesend, auf einen Doktor der Philosophie hin studiert. Ich hatte, noch als Schulmädchen, den ganzen Nietzsche gelesen. Die Bücher waren voll von Ausrufezeichen und an den Rand geschriebenen Entzückungsschreien. Später bestand ich darauf, dass es die ersten Bücher gewesen seien, die ich überhaupt gelesen hatte. Das stimmte nicht. Früher noch las ich die ›Hasenschule‹.
Zehn Jahre später verstand ich seinen Nachruhm als einen Akt der Wiedergutmachung durch das schlechte Gewissen an einem zu Lebzeiten unentdeckten Talent. Damals war der Nietzsche-Kult gerade wieder aufgeblüht, vor allem in Frankreich. Da war ein leibhaftiger Deutscher, rätselhaft und verworren, dunkel und seherisch, und die Franzosen flogen drauf; intelligent waren sie schließlich selbst. Ich erledigte die ganze Lebensphilosophie in seiner Nachfolge gleich mit; für mich fiel sie noch hinter Kant zurück. Wie immer der Jüngere recht hatte, den Älteren einen ›Begriffskrüppel‹ zu nennen.
Mein Professor, damals, war ein Milchbart. Er hatte sogar einen. Ein dünnes Bärtchen auf der Oberlippe. Wir trafen uns bei einem Wein. Er versuchte mir auszureden, was sich als Doktorarbeit ins Unermessliche auswuchs und eh nicht mehr zu beenden war. Er murmelte etwas von Assistentenstelle, für den Fall, dass ich ihm verspräche, mich bei einem andern Thema kurzzufassen.