Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Das bisschen Schönheit werden wir nicht mehr los.
Das bisschen Schönheit werden wir nicht mehr los.
Das bisschen Schönheit werden wir nicht mehr los.
Ebook106 pages51 minutes

Das bisschen Schönheit werden wir nicht mehr los.

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

"Einen Poeten nannten sie ihn abwertend, jedoch nicht ohne ein gewisses Augenzwinkern."

"Einst hat er ein Wort verloren. Gefunden hat er es bis heute nie wieder. Fortan wollte er also achtsamer mit der Sprache umgehen."

"Manche erzählen gar nichts."

Patrick Salmen schon.

In "Das bisschen Schönheit werden wir nicht mehr los" blickt Patrick Salmen durch die Spalten von Tüllgardinen und sieht einsame Menschen vor Kaffeetassen, belauscht in Routine erstickte Frühstückskonversationen und erzählt von entzauberten Momenten der Zweisamkeit. Seine Helden klettern auf Kräne und auf Hochsitze, sind Kleingartenkartenspieler und Baustellenbesetzer, Kunstliebhaber und Vaterfiguren, und immer wieder sind es die verlorenen Seelen der Gesellschaft, die er eindringlich mal in lyrischer, mal in prosaischer Form beschreibt. Patrick Salmen erzählt Geschichten, die ihre ganz eigene intensive Stimmung erzeugen und beim Leser mehr als einmal in der Erinnerung nachklingen.

Nach seinem erfolgreichen Debüt "Distanzen" und dem Nachfolger "Tabakblätter & Fallschirmspringer" ist "Das bisschen Schönheit werden wir nicht mehr los" Patrick Salmens dritte Buch-Veröffentlichung bei Lektora.
LanguageDeutsch
PublisherLektora
Release dateMar 4, 2014
ISBN9783954610211
Das bisschen Schönheit werden wir nicht mehr los.

Read more from Patrick Salmen

Related authors

Related to Das bisschen Schönheit werden wir nicht mehr los.

Titles in the series (18)

View More

Related ebooks

Performing Arts For You

View More

Related articles

Reviews for Das bisschen Schönheit werden wir nicht mehr los.

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Das bisschen Schönheit werden wir nicht mehr los. - Patrick Salmen

    Nelken

    Niemand, jemals

    Zwei Wohnwagen

    Weit vor den Toren der Stadt

    Schneerelikte

    Als einzelne Farbtupfer

    Auf der grünen Leinwand

    Dort stehen sie

    Als vergessene Requisiten

    Vor dem Kernkraftwerk

    Gundremmingen

    Hier haben sie beschlossen zu bleiben

    Im Hintergrund, heuschreckengleich

    Das Surren und Zirpen

    Der Strommasten

    Auf dem Wohnwagen

    Eine umgeknickte Antenne

    Hinter ihnen

    Salutierende Schornsteine

    Ihren mattgrauen Atem in die

    Wolken hauchend

    Wartende sind sie

    Jemand wird kommen

    Und sie abholen

    Womöglich möchten sie bleiben

    Grün sei es doch

    Hier auf der Wiese

    Vor den Kühltürmen

    Des Kraftwerks

    Und in der Landschaft

    Liegt ein roter Plastikball

    Irgendwann wird man sie finden

    Niemand, jemals

    Die Armee der gescheiterten Gleitflieger

    Eine Militärparade. Aufgereiht in symmetrischen Abständen. Mit strammen, gestreckten Körpern, erhobenen Hauptes, stehen sie in der Landschaft. Sie wirken bedrohlich und doch strahlen sie eine gewisse Ruhe auf mich aus. Eine Konstante. In Briefen und Notizen. Ein immer wiederkehrendes Motiv. Zentral. Zwanghaft. Sie wachen am Gleisrand. Auf den Feldern. Mit breit ausgestreckten Armen. Manchmal zeigen sie in die Höhe, strecken sich nach oben.

    Manchmal erinnern sie mich in ihrem Stolz und in ihrem entschlossenen Ausdruck an einen kleinen Jungen aus einem vergangenen Traum. Mit festem Willen und dem absoluten Glauben an sich rennt er mit ausgebreiteten Armen über die Landebahn eines alten stillgelegten Flughafens und versucht zu fliegen. Ja, die Strommasten, sie scheinen jederzeit abheben zu wollen.

    Aufgereiht in den stets gleichen Abständen, parallel zu den Zugschienen verlaufend, bilden sie die Armee der gescheiterten Gleitflieger. Zu schön, um sie während einer Reise ungesehen am Fenster vorbeirasen zu lassen. Zu symmetrisch und gleichmäßig, als dass sie das unberührte Bild der Natur in irgendeiner Weise stören würde. Abertausende Strommasten. Und in allen Ländern sehen sie verschieden aus.

    Dann gibt es noch die mit den hängenden Armen. Sie wirken kraftlos und verbraucht, scheinen sich mit ihrem Schicksal abgefunden zu haben. Bewegungslose Starre. Nicht mehr als Kabelhalter in einem riesigen Filmstudio.

    Wie Bäume sprießen sie. Überall in der Welt. Ihre Stahlstämme bohren sich aus dem Erdreich. Ob sie auch eine Art Wurzelsystem besitzen? Kleine Stromleitungssprossen, die sich durch das Erdreich schlängeln?

    Manchmal glaube ich, einen kleinen, vergessenen Bahnhof wahrzunehmen. Doch es sind nur Gartenlauben oder Forsthütten. Weit hinten sitzt ein Mann auf seinem Hochsitz. Alles verschwindet irgendwann hinter Bäumen oder verzerrt sich im Rausch der Geschwindigkeit.

    Was bleibt, sind die Strommasten. Sie drängen sich auf, nicht vergessen zu werden. Irgendwann werden sie zusammenfallen. Die weltgrößte Kettenreaktion. Wie Dominosteine werden sie fallen. Einer nach dem anderen. Ich kann nicht in Worte fassen, was ich in ihnen erkenne, was sie für mich ausstrahlen. Vielleicht so etwas wie Würde.

    Die Möglichkeit eines Paradieses

    Ein Blechschild

    Heimat ist eine Bratwurst am Baumarktcontainer

    Das Paradies dann womöglich

    Ein Gewächshaus

    Am Stadtrand oder das Gartencenter

    Im Industriegebiet mitsamt Hollywoodschaukel

    Rasenmähern und Geranien

    Auf Europaletten

    Und samstagmittags steigt man in sein Auto

    Fährt los, kauft sich eine Rostbratwurst

    Am Container auf dem Baumarktparkplatz

    Und überlegt, wer sich denn eigentlich

    Diese Blechschilderweisheiten

    Ausdenkt, und dann beißt man hinein

    Und denkt sich

    Heimat ist eine Bratwurst am Baumarktcontainer

    Irgendwann kaufe ich mir einen Rasenmäher

    Fahre nach Hause zurück und mähe und

    Mähe und mähe, bis die Nacht ein-

    Bricht und singe dabei ein

    Lied über das Glück

    Und Bratwurst

    Oder Heimat

    Lalalalala

    Lalalala

    Lalala

    Lala

    La

    Das Schachspiel

    Sie hat jetzt wieder regelmäßigen Besuch. Zunächst hat sie die Tischdecken und Vorhänge gebügelt, das gute Porzellangeschirr herausgeholt und das alte hölzerne Schachspiel auf den Küchentisch gestellt. Dann hat sie Schnittblumen gekauft. Sie hat Kaffee gekocht und den Bienenstich angeschnitten. Nun sitzt sie am Küchentisch und schaut nach draußen. Am Mittag gegen 13 Uhr stehen die Gerüstarbeiter und Maler vor ihrem Fenster. Und manchmal, so glaubt sie, werfen diese einen heimlichen Blick in ihre Wohnung. Dann stellt sie sich vor, wie die Männer am Abend heimkämen und ihren Frauen von ihr erzählen würden. Sie würden von ihrer Frisur erzählen, von dem schönen Geschirr und den alten Büchern in ihrer Wohnung. Sie würden erzählen, dass in der Wohnung eine attraktive Dame im mittleren Alter wohnt. Dass es schön wäre, sie doch eines Tages kennenzulernen und mit ihr eine Partie Schach zu spielen. Sie würden berichten, dass es nach frischgemahlenem Kaffee rieche. Nach Bienenstich. Und nach Schnittblumen. Nach zwei Wochen waren die Männer fort. Und wenn man das Fenster öffnet, dann riecht es nach frischer Farbe. Auf dem Küchentisch steht ein Schachspiel. Am

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1