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Galaktische Vorstellungen
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Ebook330 pages4 hours

Galaktische Vorstellungen

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Kurzgeschichten sind die hohe Kunst der Erzählung. Einen Roman schreiben, mit langen Erklärungen, kann jeder. Eine Kurzgeschichte prägnant auf den Punkt bringen, ist hingegen nicht Jedermanns Sache. Manfred Christiansen, seines Zeichens Autor und Zeichner aus Dänemark, mehrfach für den Niels Klim Preis vorgeschlagen, zeigt wie es geht. Seine vierzehn spannenden Erzählungen, zum ersten Mal in deutscher Sprache veröffentlicht, kommen schnell zur Sache.
LanguageDeutsch
Release dateOct 1, 2014
ISBN9783943948363
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    Galaktische Vorstellungen - Manfred Christiansen

    Christiansen

    Sonnenfinsternis

    Drei kluge Herren machen einen Ausflug aufs Land. Ein schwarzes Schaf grast auf einer Weide.

    „Hier auf dem Lande sind Schafe schwarz", bemerkt der erste kluge Herr.

    „Nein!, verbessert ihn der Zweite. „Auf dem Lande gibt es mindestens ein schwarzes Schaf.

    „Nein!, berichtigt sie der Dritte. „Auf dem Lande gibt es mindestens ein Schaf, dass auf mindestens einer Seite schwarz ist.

    Es war während des Melkens am Morgen des 18. Juli 1851 bei Rutsker auf Bornholm, dass meine Milchkuh Rosa plötzlich anfing zu sprechen. „Mmmmiiiilch" sagte sie, und ich war so verblüfft, dass ich vom Melkschemel fiel und dabei den Milcheimer umkippte sodass die ganze Milch in die Weide floss. Danach war sie stumm, obwohl ich sie mehrere Male fragte, was sie zu sagen habe.

    „Rosa sprach mich heute an", sagte ich zu meiner Frau, als ich vom Melken zurückgekommen war.

    „Die Hinke-Rosa unten aus Hasle?", fragte meine Frau.

    „Nein. Rosa, unsere Kuh, antwortete ich. „Sie sagte „Mmmmmiilch. Darauf stieß ich den Milcheimer um."

    „Herrjemine", rief meine Frau, lief in unsere Schlafdiele hinein und schloss sich ein. Erst um Mitternacht schloss sie die Türe wieder auf.

    Verrücktes Frauenzimmer.

    Am nächsten Tag ging ich aufs Feld um zu sehen wie das Korn stand, da sah ich einen Fremden auf dem Steinzaun sitzen in der Nähe der Schlossheide, auf dem Weg von Rutsker nach Allinge. Erst glaubte ich er sei Soldat. Er trug eine Uniform und eine schwarze Schirmmütze. Ich versteckte mich hinter einem Baum und hoffte, dass er mich nicht gesehen hatte, denn ein Soldat, der ganz allein am Feldweg sitzt, kann nicht immer Gutes im Sinne haben.

    Ich hatte eine Hacke mitgenommen und überlegte mir, ob ich ihn in die Flucht schlagen sollte, jedoch konnte er bewaffnet sein, mit Gewehr oder auch mit einem Säbel. So stand ich jetzt auf der Lauer hinterm Baum und beobachtete ihn. Die Uniform, die er trug, sah keiner Uniform die ich kannte ähnlich. Sie war schwarz und glänzte wie Seide. Auf dem Rücken trug er einen silbernen Tornister mit vielen Rädchen, der aussah wie das innere meiner Taschenuhr, die ich beim sonntäglichen Kirchengang in meiner Weste trage. Seine Schirmmütze war mir auch ganz neu. Diese war flach und schwarz wie die Uniform. Er trug auch eine schwarze Maske, die sein ganzes Gesicht abdeckte, möglicherweise ein undurchsichtiges Visier. Er saß nun da, ohne sich zu rühren mit gesenktem Kopf wie die Apostel aus Stein am Altar in der Kirche.

    Seine Augen waren hinter dem schwarzen Visier nicht sichtbar, und ich war mir sicher, dass auch niemand hinaussehen könnte, darum schlich ich mich näher. In seinem Schoß hatte er ein schwarzes Buch in dem er las, und daher glaubte ich, er sei der neue Pfarrer zu Rutsker, der das Gepäck seines Soldatenbruders geliehen hatte.

    So trat ich näher und sagte höflich: „Grüßgott mein guter Pfarrer. Ich bin Lars Jensen und der Besitzer dieser Äcker", und ich zog meinen Hut, so wie es sich gehört wenn der Bauer den neuen Pfarrer begrüßt. Er wandte seinen Kopf in meine Richtung und mit einem Mal wurde das Visier klar wie Glas. Nur gut, dass er ein Visier als Maske trug, denn seine Visage war entstellt wie die des Teufels, der arme Mann. Seine Haut war schuppig wie die einer Schlange, aber weder schwarz noch braun sondern grün wie Kupferdach. Seine Augen waren blau wie Tinte und dort, wo sie gewöhnlich weiß sein sollten, waren sie kornblumenblau. Er hatte weder Augenbrauen, Wimpern noch Augenlider und auch keine Lippen, und sein Maul war zahnlos wie das eines alten Weibes.

    Er winkte mich freundlich zu sich und machte Zeichen, dass ich mich neben ihn setze. Seine Bewegungen waren imposant und übertrieben, so wie die der Schauspieler am Wochenmarkt oder des Pfarrers auf der Kanzel, wenn er sich hatte mitreißen lassen. Aber friedlich war er, wie es sich für einen Diener des Herrn gehört, also setzte ich mich an seine Seite. Zu meiner eigenen Überraschung fing ich an über das Wetter zu reden und wann ich damit rechnete, die Ernte einzuholen. Gewöhnlicherweise rede ich nicht so schnell mit Fremden, aber dieser Mann war seiner Visage zum Trotz freundlich und angenehm.

    Ich warf einen langen Blick auf sein Buch. Es war auf keinen Fall die heilige Schrift in der er las, denn in diesem Buch waren viele Bilder, aber keine Seiten in denen man blättern konnte. Pfarrer war er also auch nicht.

    Im seinem Buch waren Bilder von Landschaften aus der Umgebung, und er hatte auch ein Bild von meiner Kuh Rosa, dass so fein gezeichnet war, als könne man glauben eine kleine Kuh wohne in seinem Buch.

    „Das ist aber eine schöne Kuh, die du da gezeichnet hast, sagte ich und fragte: „Bist du Kunstmaler? Und wenn er Maler wäre, war er mit Sicherheit sowohl berühmt als auch begabt, und verdiente gutes Geld, denn seine Kleidung schien mir wertvoll.

    Er schaute mich bloß an und es erschien mir, als nickte er mit seinem Kopf. Und ich konnte schwören, dass er auch lächelte, aber so ganz ohne Lippen sah es aus als lächelte er die ganze Zeit. Ich sprach die ganze Zeit, während er mir mehr Bilder zeigte in seinem seitenlosen Buch. Er hatte auch ein Bild von mir und meinen Pferden vor dem Pflug. Folglich konnte ich annehmen, dass er schon viele Monate auf meinen Feldern gewesen war. Da seitdem nichts von den Feldern gestohlen oder der Zaun zerstört worden war, war er auch kein Dieb.

    Ich habe in meinem Leben schon viele schöne Spieluhren gesehen und gehört, und würde mir selbst eine anschaffen, wäre es nicht des Geldes wegen. Mein neuer fremder Freund aber hatte eine Spieluhr, die wohl vornehmer war als alle Spieluhren von ganz Dänemark zusammen – ja sogar von der ganzen Welt. Er nahm die Spieluhr aus der Hosentasche und zog sie auf. Und mit einem ganz feinen Klang sagte die Spieluhr mir: „Morgen wiederkommen, ich will dir etwas zeigen." Ich war vom Klang der Spieluhr so verblüfft, dass ich alle Höflichkeit vergaß und ganz ohne Abschied aufstand und ging.

    Ich hatte meine Zweifel, ob ich ihm am nächsten Tag einen Besuch abstatten wollte. Er wusste jetzt viel über mich und ich nichts über ihn. Und den ganzen vorigen Tag hatte ich nichts anderes gemacht als zu reden, und er hatte kein einziges Wort über die nicht vorhandenen Lippen gebracht. Vielleicht war er einer der Unterirdischen, denn obwohl ich nicht selbst daran glaube, darf man sich nicht zu sicher fühlen.

    Das Buch und Spieluhr waren vornehm und schön, und vielleicht würde er sie mir verkaufen. Sie waren aber höchstwahrscheinlich so teuer, dass ich mir sie nicht leisten konnte, obwohl der Hof mir allein gehörte. Es kostet aber nichts zu fragen, sagte ich immer, und deshalb ging ich am nächsten Tag heraus zum Feld.

    Da saß er wieder. An genau der gleichen Stelle am Steinzaun wie am Tag zuvor.

    „Grüß Gott mein guter Lars Jensen und der Besitzer dieser Äcker", sagte er sehr langsam, mit einer hellen und heiseren Stimme. An diesem Tag trug er weder Visier oder Schirmmütze, sodass seine hellgrüne Glatze in der Sonne glänzte.

    „Guten Tag", erwiderte ich, denn ich kannte weder Namen noch Metier. Ich wollte ihn gleich nach der Spieluhr fragen, aber schon bevor ich ein Wort sagen konnte, hatte er ein Buch wie seines in meine Hand gelegt, das ein wenig kleiner war.

    „Für dich, sagte er langsam. „Lesen. Geheim halten.

    Er konnte sich darauf verlassen, dass ich das Buch geheim halten würde, wenn ich es bloß leihen durfte, dachte ich und sagte: „Das verspreche ich hoch und heilig."

    Dann stand er auf und ich sah, dass er einen Kopf größer war als ich, aber dünn wie eine Bohnenstange. „Komm, sagte er und winkte mir zu. Ich folgte ihm über die Felder hinaus zu den Klippen vom Hammerknoten an der Nordküste von Bornholm. Während wir gingen war es wieder ich der sprach, aber nun antwortete er mit Worten wie „ja und „nein und „wie wahr und sprach sehr langsam und geduldig.

    An einem Felsen am Rand des Waldes hinter dem Fischerdorf blieb er stehen.

    „Was ist das?", fragte er und zeigte auf geritzte Linien und Figuren im Felsen.

    „Das sind Felszeichnungen. Manche meinen, dass sie von den Unterirdischen geritzt worden sind sagte ich. „Aber ich meine nicht, dass es sich so verhält, fügte ich hinzu, weil ich dachte, er sei gelehrt, und Gelehrte glauben nicht an Unterirdische und Aberglaube. Und wenn Sie mich fragen, ich habe auch nie, und nicht einmal ein Jota, an das Übernatürliche geglaubt.

    Dann zeigte er auf eines der Löcher, die zur Felsenzeichnung gehörten. „Und was bedeutet dieses?"

    Ich schaute das Loch an, auf das er mit seinem grünen Finger zeigte. Erst jetzt bemerkte ich, dass er keine Fingernägel hatte, nur drei Finger an der Hand, dafür aber fünf Glieder an jedem Finger.

    „Habe keine Ahnung", sagte ich, und schaute ihm in sein Gesicht. Ich könnte schwören, dass er mich anlächelte.

    Mit einer Handbewegung ließ er mich verstehen, dass ich ihm das Buch, das er mir gegeben hatte, reichen sollte. Mit einem Finger berührte er kurz den Umschlag, und wie Zauberei schlug das Buch sich von selber auf. Auf der aufgeschlagenen Seite waren Zeichnungen von Sonne, Mond und Sternen. Das Buch war nicht aus gewöhnlichem Papier, denn die Himmelskörper bewegten sich ganz langsam in der Zeichnung.

    Er zeigte nun auf den Felsen und danach auf die Zeichnung und sagte langsam: „Lesen. Verstehen. Wir sehen uns morgen." Dann reichte er mir wieder das Buch.

    Ich konnte fast nicht die Zeit abwarten, nach Hause zu kommen und in das Buch zu sehen und vielleicht auch vorsichtig den Mechanismus zu untersuchen, neugierig wie ich immer gewesen bin, und war auch drauf und dran einfach mit dem Buch unterm Arm davonzulaufen. „Wie heißen Sie?", fragte ich stattdessen, denn ich wollte auch gerne den Namen meines neuen Freundes kennen.

    „Sie können mich Clavis nennen", sagte er, und ich war mir nun ganz sicher, dass er ein Gelehrter war.

    Ich nahm das Buch mit nach Hause zum Hof. Es war Sommer und die Ernte sollte erst ein par Wochen später eingefahren werden, somit hatte ich reichlich Zeit im Buch zu lesen, bevor es dunkel wurde. Ich kletterte auf den Heuboden und suchte mir einen Platz mit reichlichem Licht, wo ich ungestört sitzen und mein neues Buch studieren konnte.

    Dann berührte ich das Buch genau wie Clavis und wartete darauf, dass es sich aufschlug. Es vibrierte angenehm in meiner Hand und ein leuchtendes Bild mit Linien und Zirkeln erschien auf dem glatten Umschlag. Es zeigte sich, dass es gar nicht notwendig war, das Buch bei Tageslicht zu studieren, denn die Seiten leuchteten wie von selbst. Dazu kam, dass eine lautlose Stimme anfing, mir geheimnisvolle Sachen aus dem Buch vorzulesen, als ob sie mitten in meinem Kopf zu sprechen begann. Anfangs konnte ich die Worte nicht verstehen, aber je länger ich horchte, desto mehr verstand ich. Wie gesagt glaube ich weder an die Unterirdischen noch an Magie, mittlerweile war aber irgendetwas Übernatürliches an meinem neuen Freund und seinen wunderlichen Apparaten.

    Anfangs erzählte mir die Stimme viel Verschiedenes, aber nach und nach sprach sie nur über Rechnen und Zahlen, welches mich erfreute, denn als ich noch zur Schule ging, war ich ein guter Schüler und der Beste im Multiplizieren und Dividieren. Die Rechenstücke, die mir vorrechnete wurden, waren viel schwerer als die von der Schule und ich musste all meine Konzentration aufbieten, um doch noch zu folgen. Doch das Buch war ein geduldiger Lehrer und zeigte mir neue und spannende Fertigkeiten mit Zahlen, sodass ich sowohl die Zeit als auch die Mahlzeit vergaß. Ich vergaß sogar, dieses wunderliche Buch zu untersuchen. So wurde es späte Nacht, bevor ich zur Gattin in den Alkoven kroch.

    „Wo warst du den ganzen Tag?", fragte sie.

    Ich konnte ihr ja weder von meinem neuen Freund noch von dem wunderlichen Buch erzählen, also sagte ich ihr, sie könne sich um ihre eigene Geschäfte kümmern soviel und wo immer sie es für gut befand, solange sie mich mit ihren dummen Fragen in Ruhe lasse, denn Weiber sollen wissen wo sie ihren Platz haben. Den Rest der Nacht konnte ich dann für mich alleine liegen, wie ich es gewohnt war, wenn sie in der Laune war. Aber schlafen konnte ich trotzdem nicht, denn ich dachte unentwegt an all die neuen Sachen, die ich an dem Tag gelernt hatte.

    Am nächsten Tag kam es mir so vor, als ob auch Clavis seine Hausaufgaben gemacht hatte, denn er sprach jetzt schneller und deutlicher als je zuvor, als hätte er schon viele Jahre auf Bornholm gewohnt. Ich fing gleich an, ihn über das Buch auszufragen, und wie es funktionieren konnte ganz ohne Zauberei.

    „Das Buch, wie Sie es nennen, ist kein magisches Objekt. Ich komme von weit her, und dort sind Geräte wie dieses für uns das gleich wie Bücher für euch. In ihnen haben wir all unser Wissen gesammelt. Wenn Sie es noch einige Tage länger benutzen, werden Sie mehr erfahren, sowohl über dieses Gerät, als auch über alles andere, was Sie für wissenswert halten."

    „Werde ich auch etwas über Sie erfahren?", fragte ich

    „Alles was sie für wissenswert halten."

    Ich war erleichtert, dass er meine Sprache jetzt so gut beherrschte, sodass ich nicht ständig selbst das Wort ergreifen musste, und er nur nickte und einsilbig antwortete. „Und wo kommen sie denn her?" fragte ich.

    „Lassen Sie mich noch ein bisschen warten, bevor ich Ihre Frage beantworte. Da ist so viel mehr dass Sie wissen sollen um die Antwort richtig zu verstehen. Aber machen sie sich keine Sorgen: Bevor ich meine Mission durchgeführt habe und ich Sie wieder verlasse, werden Sie wissen, wer und was ich bin und von wo ich komme."

    Ich war nun ein wenig darüber enttäuscht, dass er mir nicht zutraute, dass ich die Antwort gleich verstehen würde, denn welche Antwort konnte so schwer zu verstehen sein? „Können Sie mir dann zumindest erzählen, was Sie hier auf Bornholm zu tun haben?"

    „Ich bin hier auf Besuch, um einem außergewöhnlichen kosmischen Ereignis beizuwohnen. Dann schaute er mich an, mit seinen blau-in-blauen Augen. „Können Sie sich an einen Tag erinnern, als sie sehr viel jünger waren, wo die Sonne mit einem schwarzen Schatten teilweise zugedeckt wurde?

    Ich konnte mich nur teilweise daran erinnern. Ich wohnte noch zuhause auf dem Familienhof bei Halse. „Unser Lehrer in der Schule erzählte uns, dass der Mond auf seiner Bahn über den Himmel die Sonne verdunkeln würde. Er erklärte uns wie Sommer und Winter entsteht, und Ebbe und Flut und dass beim nächsten Neumond die Sonne für eine Zeit verschwinden würde. Fast keiner glaubte ihm. Und am Tag vom nächsten Neumond wanderten wir zum Hammershus, um die Sonne anzusehen. Aber Ach und Weh – der Himmel war bewölkt und das einzige, was wir sahen, war eine Dämmerung mitten am Tag, als ob ein Unwetter vorübergezogen war."

    „Das war eine partielle Sonnenfinsternis. Zum nächsten Neumond wird das gleiche geschehen und diesmal wird sich nicht nur eine Dämmerung über das Land senken, sondern die Dunkelheit der Nacht. Ich bin von weither gekommen, um mir diese kosmische Vorstellung anzuschauen, und ich habe mir erzählen lassen, dass es auf dieser Welt ein ganz besonderes Erlebnis ist." Sein Maul war breit, und es kam mir vor, als ob er versuchte zu lächeln.

    Er schaute hinauf auf die Sonne, die auf seine grünlich-gelbe Glatze schien, und ich musste lachen, denn sein Kopf sah aus wie der Dotter eines hartgekochten Eis. Dann schaute er mich an und sagte: „Lies mehr in deinem Buch und lerne über den Weltenraum. Wir werden uns morgen wiedersehen."

    Diesmal war es er, der aufstand und sich auf seinen Weg begab. Ich folgte ihm mit meinem Blick, während er über die Hügel ging, und es war, als ob er ganz einfach zwischen den Hügeln verschwand.

    Am selben Abend saß ich dann mit dem Buch auf dem Heuboden und wollte mehr über Sonnenfinsternisse wissen und wie ganz von selbst zeigte das Buch mir alles, was ich gerne wissen wollte. Ich erfuhr alles Wissenswerte über Planeten, Sonnensysteme und die Bewegung von Körpern im Raum nach den mathematischen Formeln, die ich in der Nacht zuvor gelernt hatte. Dass alle Sterne Sonnen waren genau wie unsere, sowohl ganz kleine als auch riesengroße, und dass die Milchstraße, die ich vom Firmament her ganz gut kannte, weder weißer Rauch noch eine Wolke war, sondern aus tausenden und abertausenden fernen Sternen bestand, die sich in einer Galaxie gesammelt hatten. Dass Millionen Galaxien in einem Galaxienhaufen waren, dass zigmal so viele Haufen im ganzen Universum wären, und dass das Universum vermutlich ohne Grenzen sei. Ich war ganz benommen vom Denken an alle die Sterne, die ich unmöglich würde zählen können, und wie groß das Universum demnach sein müsse.

    Ich legte das Buch zur Seite und starrte in die helle Sommernacht. Sterne so fern, dass sie mir wie Staubkörnchen erschienen, die aber in Wirklichkeit ganze Welten waren, mit Sonne, Mond und Planeten. Meine alte Vorstellung, dass Sterne nichts anderes wären, als kleine weiße Fleckchen auf einem schwarzen Samtteppich, verschwand in dieser Nacht, um nie mehr wieder zurückzukehren. Und ich wunderte mich darüber dass es einen Gott geben konnte, der groß genug sein konnte für das ganze Universum.

    Als ich die Nacht zum ehelichen Alkoven zurückkam, warf meine Gattin meine Decke vor die Tür und sagte, ich sei ein Taugenichts, der lieber seine Arbeit verrichten sollte, als es mit den Mägden auf dem Heuboden zu treiben. Natürlich protestierte ich, aber da ich keine vernünftige Erklärung hatte, an die sie glauben wollte, nahm ich meine Decke und zog ein auf dem Heuboden. Danach las ich die ganze Nacht weiter in dem Buch und lernte mehr über die Sterne und was sie zum leuchten brachte.

    Als ich am nächsten Tag Clavis wiedersah, hatte er seine Uniform abgelegt und sich stattdessen wie ein Bauer gekleidet. Der Stoff war stattlicher als der von meinem Sonntagsanzug und in den neuen Kleidern sah er recht lustig aus mit seinen viel zu langen Armen und Beinen, aber vornehm war er, als wäre er auf dem Weg zum Sonntagsgottesdienst. Anstelle seines Tornisters auf dem Rücken hatte er nun ein ledernes Futteral unterm Arm.

    „Wäre es nicht wegen Ihres grünen Kopfes, könnten Sie als einer von uns passieren", sagte ich und lachte, und ich war mir sicher, dass der Laut den Clavis ausstieß auch ein Lachen war.

    Während der Nacht war ich noch neugieriger geworden herauszufinden, wie das Buch funktionierte, denn es kam mir vor, dass es schon im Voraus wusste was ich gerne wissen wollte. Darum fragte ich ihn.

    „Wie können Sie wissen, wann es Zeit ist, die Weizenernte einzuholen?", fragte er mich.

    „Ich sehe mir die Farbe der Halme an, befühle die Kornähren, nehme das Wetter wahr und nicht zuletzt schaue ich auf den Kalender und wo der Mond steht. Und wenn alles richtig ist, weiß ich, dass es Zeit ist", antwortete ich.

    „Das Buch tut es auf gleicher Weise. Es registriert alles, was Sie sich vornehmen, auf dem Umschlag und in den Seiten, und so kann es mit ein wenig Erfahrung berechnen, was der Benutzer zu wissen benötigt. Indem es immer nur vermittelt woran man am meisten interessiert ist in dem Augenblick, in dem es benutzt wird, lernt man immer das, was einem am meisten interessiert. Dadurch wird ein maximaler Lernerfolg in kürzest möglicher Zeit gewährleistet, und macht das Gerät zu einem effektiven Lehrmittel, sagte er und öffnete sein Futteral. „Aber um zu funktionieren, muss es selber erst ausgebildet werden.

    In seinem Futteral hatte er eine Reihe kleine und große Gläser, wie die, die der Apotheker hat. In die kleinsten Gläser hatte er Sachen wie Erde, Steine, Blätter und Grashalme hineingelegt. In einigen waren auch Insekten. In den größeren Gläsern hatte er Mäuse, Schlangen und Eidechsen. „Diese Proben sind für das Buch, sagte er. „Ich lerne es alles übers Leben auf diesem Planeten. Natürlicher gibt es da so viel Neues zu wissen, dass nicht alles mitgenommen werden kann, deshalb habe ich auch eine Art von mehrdimensionalen Daguerreotypien von einigen eurer größten Tiere gemacht, das waren die Abbildungen, die ich Ihnen am ersten Tag zeigte. Und nun wird dies alles ein Teil vom Inhalt dieses Buches.

    Er zeigte mir eines seiner Gläser. „Diesen fand ich auf einer Weide, im Süden dieser Insel. Im Glas krabbelte ein unansehnlicher Käfer, ungefähr so groß wie der Nagel meines kleinen Fingers, mit kupferfarbenen Beinen und Vorderkörper und einem metallisch-blau scheinenden Hinterkörper. Ich war schon auf viele verschiedene Krabbeltiere auf meinen Feldern gestoßen, und dieser Käfer sah einem der Nützlichen ähnlich, die Jagd auf schädliche Blattläuse machten, aber ich war mir sicher, dass ich diesen niemals gesehen hatte. „Ein bemerkenswertes Tier, fuhr Clavis fort. „In

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