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Junge Unternehmen: Charakteristika, Potenziale, Dynamik
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Junge Unternehmen: Charakteristika, Potenziale, Dynamik

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Stark unterschiedliche Entwicklungsverläufe machen die Beschäftigung mit jungen Unternehmen überaus spannend. Bedingt durch diffuse Konkurrenz- und Abnehmerstrukturen, ablehnende Kapitalgeber oder spontane Innovationen kommt es immer wieder zu rasanten Erfolgen oder aber zu raschem Scheitern. Ganz offensichtlich reicht das betriebswirtschaftliche Planungs- und Kontrollinstrumentarium nicht aus, um diese Entwicklungsverläufe zu erfassen. Dementsprechend soll dieses Buch Ansatzpunkte aufzeigen, wie die Charakteristika, Potenziale und Dynamik junger Unternehmen analysiert werden können. Dazu werden Typen junger Unternehmen differenziert und deren jeweils unterschiedliche Entwicklung systematisch beschrieben und erklärt. Ausgehend von unterschiedlichen Theorien und einer Fülle empirischer Studien werden inspirierende Anregungen für eine Auseinandersetzung mit jungen Unternehmen gegeben. Besonderer Wert wird dabei auf die theoretische Fundierung sowie die Einbindung von Fallstudien gelegt.
LanguageDeutsch
Release dateJul 26, 2007
ISBN9783170270084
Junge Unternehmen: Charakteristika, Potenziale, Dynamik

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    Junge Unternehmen - Michael J. Fallgatter

    Vorwort

    Die Entwicklung junger Unternehmen stellt ein spannendes betriebswirtschaftliches Gebiet dar: Unternehmer handeln geplant, kreativ oder chaotisch, Ideen entstehen zufällig, Geschäftskonzeptionen werden zu Innovationen, Unternehmen wachsen, Konkurrenten reagieren, mitunter werden sogar Monopole aufgebrochen und das alles ist reichlich schwer zu prognostizieren, wie es Insolvenzraten in regelmäßigen Abständen dokumentieren.

    Seit einigen Jahren liegt einer meiner Schwerpunkte in Forschung und Lehre auf diesem Gebiet. Dabei fällt mir seit Längerem auf, dass die angesprochene Faszination in der Lehre nicht leicht umsetzbar ist. Zwar existieren viele interessante wissenschaftliche Argumentationen und Studien, die einzelne Fassetten dieser Dynamik zum Gegenstand haben. Die Auswahl an Büchern, die die Dynamik des unternehmerischen Handelns und von Unternehmensentwicklungen umfassend analysieren, erklären und didaktisch aufbereitet transportieren, bleibt demgegenüber jedoch zurück. Diese Einschätzung des Literaturstandes hängt auch damit zusammen, dass mir die Zugrundelegung von verbreiteten, eher deskriptiven Entrepreneurship-Büchern oder von Büchern über Unternehmerpersonen und deren Eigenschaften für ein betriebswirtschaftliches Hauptstudium nur als begrenzt geeignet erscheint. Im »Substanz-Wettbewerb« mit etablierten Fächern wie Organisation und Personalmanagement zeigt sich hier ein Defizit. Nach meiner Überzeugung setzen diese etablierten Fächer den Maßstab für eine universitäre Lehre, die umfassende betriebswirtschaftliche Analyse- und Argumentationskompetenzen vermittelt.

    Möglicherweise gibt es aber einen Grund für die angedeutete Situation. Lassen sich Entwicklungen junger Unternehmen vielleicht gar nicht auf die beabsichtigte Weise bearbeiten und in der Lehre umsetzen? Derartige Gedanken hatte ich in den letzten Jahren auch häufiger. Ich habe sie jedoch immer wieder verworfen, da sie mir sehr »un-unternehmerisch« erscheinen und damit für das Thema »junge Unternehmen« ausscheiden. Entsprechend machte ich mich auf die Suche nach geeignetem Stoff, setzte ihn im Rahmen von Lehrveranstaltungen immer wieder bewusst einer Falsifikation aus und entwickelte darauf aufbauend Argumente weiter – dies entspricht recht genau dem unternehmerischen Handeln, wie es später beschrieben wird. Damit sind der Ausgangspunkt und die Entstehung dieses Buches skizziert.

    Das Ziel des Buches besteht darin, weitreichende Einblicke in die Entwicklung junger Unternehmen zu geben und ein grundlegendes Interesse an diesem Thema zu wecken. Dazu wird auf eine Vielzahl von Theorien, Argumentationen und Studien aus unterschiedlichen Zeiträumen zurückgegriffen. Die Integration von ergänzenden »Kastendarstellungen« und illustrierenden Beispielen soll die Zusammenhänge anschaulich machen. Es besteht dabei kein Anspruch auf eine abschließende Diskussion der einzelnen theoretischen Ausgangspunkte, denn diese sind zu verschiedenartig und vielfach zu komplex. Sofern jedoch Impulse zum Nachdenken von diesem Buch ausgehen und ausreichend Hinweise auf vertiefende Quellen auffindbar sind, ist das Ziel erreicht. Entsprechend versuche ich auch nicht, ein umfassendes Nachschlagewerk für unterschiedlichste Praktikerfragen zu präsentieren. Informationen etwa zum Aufbau von Geschäftsplanungen, zur Rechtsformwahl oder zu steuerlichen Fragen werden nicht systematisch behandelt. Das können andere besser und darauf bezogenes Wissen ist leicht verfügbar.

    Meine wissenschaftlichen Mitarbeiter Herr Dipl.-Kfm. Heiko Breitsohl, Frau Dipl.-Kffr. Siegrun Brink und Frau Dipl.-Psych. Franziska Pluntke gaben mir zahlreiche kritische Kommentare, steuerten Textbausteine bei, wiesen mich auf relevante Literatur hin und überarbeiteten unterschiedliche Versionen des Manuskripts. Frau cand. rer. oec. Nina Schuchert und Herr stud. rer. oec. Oliver Stein führten mit großer Sorgfalt Korrekturen, Literaturrecherchen und Bibliotheksarbeiten durch. Frau Barbara Stenzel erstellte akribisch einzelne Textstücke und wies mich auf etliche Fehler im Manuskript hin. Allen danke ich herzlich. Mein Dank gilt auch Herrn Dr. Uwe Fliegauf vom Kohlhammer Verlag; ich fühle mich gut aufgehoben.

    Hinweise auf Fehler, Unklarheiten und Verbesserungsmöglichkeiten nehme ich sehr gerne entgegen: sek.fallgatter@wiwi.uni-wuppertal.de

    Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

    Ergänzende »Kastendarstellungen«

    Illustrierende Beispiele

    Kapitel A Grundlegung

    1 Einführung

    1.1 Fokus des Buches

    Dieses Buch hat die Entwicklung junger Unternehmen zum Gegenstand. Im Vordergrund stehen dabei junge Unternehmen, die insofern »potenzialreich« sind, als sie Wachstumsperspektiven aufweisen. Wachstum offenbart sich durch verschiedene betriebswirtschaftliche Kriterien, beispielsweise Innovationen, Umsatz oder Mitarbeiterzahl. Diese Eingrenzung rückt jene jungen Unternehmen in den Hintergrund, die aufgrund ihrer Geschäftskonzeption oder Wettbewerbsposition offensichtlichen Entwicklungsgrenzen unterliegen. Dazu zählen vor allem viele Freiberufler, Kontaktdienstleister und Handwerksbetriebe. Die dort typische Kopie einer bewährten Geschäftskonzeption setzt das bereits erfolgreiche Agieren vieler ähnlicher Unternehmen voraus; dies führt oft zu einem scharfen Verdrängungswettbewerb. Zusammen mit den vielfach relativ geringen Markteintrittsbarrieren resultieren hieraus erhebliche Begrenzungen des Wachstums.

    Die Fokussierung auf potenzialreiche junge Unternehmen impliziert keine nachrangige Bedeutung von Freiberuflern, Handwerksbetrieben und Kontaktdienstleistern. Auch soll deren stets vorhandene unternehmerische Leistung nicht in Abrede gestellt werden. Eine betriebswirtschaftliche Analyse dieser Unternehmen erscheint allerdings angesichts ihrer wenig fassettenreichen Entwicklung als eher nachrangig. Vor allem volkswirtschaftliche, steuerrechtliche oder wirtschaftsgeographische Analysen haben für diese jungen Unternehmen eine besondere Bedeutung.

    Allerdings – und das sei gleich am Anfang betont – lässt sich eine eindeutige Zuordnung des Adjektivs »potenzialreich« immer erst ex post problemlos vornehmen. Damit muss der Analysegegenstand an dieser Stelle vage bleiben. Etwas anderes, beispielsweise eine Festlegung, ab welchem Umsatzwachstum oder ab welcher Mitarbeiterzahl ein junges Unternehmen »potenzialreich« ist, würde dem Kern von Innovationen (s. zu diesem Begriff Kasten 2, S. 21) und der Indeterminiertheit unternehmerischen Handelns widersprechen. Zudem ist es in vielen Fällen nicht möglich, Unternehmer, Produkte, Branchen oder anfängliche Kapitalausstattungen zu identifizieren, die besonders großes Wachstumspotenzial in sich tragen. Das Beispiel von Konosuke Matsushita belegt diese Schwierigkeit (s. Beispiel 1, S. 39).

    K. Matsushita gründete sein Unternehmen in einem Hinterhof und produzierte in einer kleinen Werkstatt Fahrradlampen. Daraus entwickelte sich ein Unternehmenskonglomerat mit Geschäftsfeldern wie Halbleiter, Netzwerke, Automotive Systeme, Haushaltsgeräte, Gesundheit, Leuchtmittel, Fabrikautomation und Relais. Die bekanntesten Marken sind dabei National, Panasonic und Technics. Nach allen gängigen Kriterien, wie Umsatzwachstum, Zahl der Kunden oder Diversifikation, übertrifft Konosuke Matsushita deutlich berühmtere Unternehmer wie Henry Ford, Soichiro Honda, Ray Kroc oder Bill Gates. Die Schilderung des Fallbeispiels (s. Beispiel 1, S. 39) – gerade auch im Unterschied zu Kiichiro Toyoda, Gründer der Toyota Motor Corporation – lässt kaum vermuten, dass es sich um den erfolgreichsten Unternehmer des 20. Jahrhunderts handelt (s. Kotter 1997, S. 15–18). Das Beispiel verdeutlicht, dass sich die bloße Orientierung an Kapitalvolumen, Ausbildungsstand, Zugang zu Vertriebskanälen, Konkurrenzsituation und ähnlichen Überlegungen nicht zur Einschätzung des Potenzials junger Unternehmen eignet.

    1.2 Grundlegende Begriffe

    1.2.1 Unternehmerisches Handeln, unternehmerische Handlungsfelder, junge Unternehmen

    Es finden sich in der Literatur vielfältige Definitionen des Begriffs »unternehmerisches Handeln«. Aus einer prozessualen Perspektive entspricht dieser in etwa dem angelsächsischen Begriff »Entrepreneurship«. Entrepreneurship steht des Weiteren für ein eigenständiges betriebswirtschaftliches Gebiet, das sich seit einigen Jahren zunehmend etabliert (s. Fallgatter 2004 sowie Kasten 1).

    Unternehmerisches Handeln bzw. Entrepreneurship wird hier definiert als das Verfolgen unternehmerischer Handlungsfelder durch Individuen – innerhalb oder außerhalb eines bestehenden Unternehmens – ohne Berücksichtigung der gegenwärtig verfügbaren Ressourcen (in Anlehnung an Stevenson/Jarillo 1990, S. 23). Diese Definition betont zum einen die hier im Vordergrund stehende prozessuale Perspektive und zum anderen die besondere Bedeutung von Ressourcen, die oftmals erst im Zeitablauf gewonnen werden können.

    Kasten 1: Betriebswirtschaftliche Disziplin »Entrepreneurship«

    »Entrepreneurship« steht zum einen für eine im angelsächsischen Raum so bezeichnete und sich in den letzten Jahren auch in Deutschland etablierende betriebswirtschaftliche Teil-Disziplin. In erster Linie geht es dabei um die Analyse des weit verstandenen Realphänomens Unternehmensgründung sowie dessen Integration in »hochschulische« Lehre. Zum anderen lässt sich »Entrepreneurship« auch als Aktivität auffassen und steht in diesem Sinne für Unternehmertum, unternehmerisches Handeln und das Gründen eines Unternehmens selbst.

    Für »Entrepreneurship« existiert im Deutschen kein Äquivalent und die Vielfalt an Begriffsverständnissen ist kaum noch zu überblicken (s. Bygrave/Hofer 1991, S. 13–14). Unter den Definitionen lassen sich zwei Schwerpunkte ausmachen: zum einen die Fokussierung auf konstitutive Entscheidungen, wie die Wahl der Rechtsform oder des Standortes, sowie zum anderen die Beschreibung von Entrepreneurship als Prozess, wobei die Autoren regelmäßig eine Zeitraumperspektive einnehmen und die verschiedenen Phasen von Unternehmensgründungen analysieren. Beide Schwerpunkte sind jedoch für die Tragweite des Gründungsphänomens recht eng, da wichtige Problemfelder des Entrepreneurship – wie die Infrastruktur für Unternehmensgründungen oder die Entdeckung, Bewertung und Ausschöpfung unternehmerischer Handlungsfelder – weitgehend unberücksichtigt bleiben.

    Deshalb bietet es sich an, zunächst eine »institutionelle« Perspektive zu wählen und Entrepreneurship als wissenschaftliche Disziplin einzugrenzen. In Anlehnung an Shane/Venkataraman (2000, S. 218) lässt sich definieren: Im Rahmen der Entrepreneurship-Forschung wird analysiert, durch wen und mit welchen Wirkungen unternehmerische Handlungsfelder zur Schaffung neuer Güter und Dienstleistungen entdeckt, bewertet und durch Unternehmen(sgründung) ausgeschöpft werden.

    Diese Definition integriert unterschiedliche Fassetten des Gründungsphänomens und fokussiert auf unternehmerische Handlungsfelder als zentralem Ausgangspunkt jeder Unternehmensgründung. … Im Mittelpunkt stehen damit jene Unternehmensgründungen, bei denen es nicht um die Anlage vorhandener, unter der eigenen Kontrolle stehender Ressourcen geht, sondern die durch eine erkannte marktliche Gelegenheit angestoßen sind (s. Stevenson/Jarillo 1990, S. 23). Dies ist für die Entstehung sowie Umsetzung der meisten Produkt- und Prozessinnovationen erforderlich, die sich oftmals erst durch knappheitsbedingte Improvisation herauskristallisieren. Entsprechend können auch erfolgreiche Unternehmensgründungen am besten als Akte kumulativer Variation und Selektion beschrieben werden (zu diesem Begriff s. Hesse/Koch 1998). … Insgesamt fordert diese Definition Forschungen sowohl zur Person des Unternehmensgründers, den Prozessen einer Unternehmensgründung, der Führung eines jungen Unternehmens sowie nicht zuletzt auch zur Entstehung, Entdeckung und Bewertung sowie Ausschöpfung unternehmerischer Handlungsfelder. Dies verdeutlicht die außerordentliche Bandbreite des Faches »Entrepreneurship«.

    [Fallgatter 2004, S. 24–25]

    Junge Unternehmen bearbeiten unternehmerische Handlungsfelder. Diese sind in einem schumpeterianischen Sinne (s. dazu Kapitel B 4) »marktliche Gelegenheiten«. Dabei handelt es sich um neue oder differente, zeitbezogene Produkt/Markt-Kombinationen mit jeweils hoher subjektiver Erfolgsaussicht (s. Fallgatter 2004, S. 32). Entsprechend lässt sich unternehmerisches Handeln weiter präzisieren als die Endeckung, Bewertung und Ausschöpfung unternehmerischer Handlungsfelder und damit die Schaffung neuer Güter und Dienstleistungen (zu dieser Klassifikation s. Shane/Venkataraman 2000, S. 218–219).

    Jegliches unternehmerisches Handeln, sowohl in jungen als auch in etablierten Unternehmen, wird von Unternehmern geleistet. »Unternehmersein« hängt also nicht vom Unternehmenstypus ab, sondern von einem breiten Verantwortungsbereich und der Bereitschaft, diesen zu nutzen. Ganz in diesem Sinne definierte bereits Schumpeter (1928, S. 485) »Unternehmer« und zählte neben dem »Fabrikherrn« oder Kaufmann den »Industriekapitän« sowie den Direktor eines Unternehmens dazu. Den Typus des Gründers hob er als besonderen Unternehmer hervor. J. A. Schumpeter weist dabei ausdrücklich darauf hin, dass Unternehmer kein Beruf und somit auch kein Dauerzustand ist. Als solche können nur die bezeichnet werden, die unstet ein Unternehmen nach dem anderen gründen ohne diese weiter zu betreiben. Alle anderen seien »Wirte« (s. Schumpeter 1934, S. 116–122).

    Die Begriffe »Unternehmensgründung« und »junges Unternehmen« gehen fließend ineinander über. Der Übergang könnte an den beginnenden marktlichen Austauschbeziehungen, an der Vollzeitbeschäftigung des Unternehmers oder an konstitutiven Entscheidungen wie der formalen Begründung eines rechtlich eigenständigen Unternehmens festgemacht werden (s. etwa Klandt 1991, S. 485–486). Derartige Kriterien ziehen jedoch Abgrenzungsschwierigkeiten nach sich und zudem bliebe der Präzisierungsgewinn einer solchen Unterscheidung für dieses Buch unklar. Entsprechend findet im Folgenden der Oberbegriff »junge Unternehmen« Verwendung und schließt »Unternehmensgründungen« ein.

    Die mit dem Begriff »junge Unternehmen« erfasste Zeitraumperspektive beginnt mit dem Entstehen sowie dem Bewerten unternehmerischer Handlungsfelder und reicht bis hin zu deren Ausschöpfung. Der Begriff »junges Unternehmen« steht damit für das, was in den verbreiteten prozessualen Definitionen und Beschreibungen von Entrepreneurship als »Nachgründungsphase« bezeichnet wird (s. bspw. Bygrave 1989, S. 8; Gartner 1993, S. 233). Es stellt sich die Frage, bis zu welchem Alter das Adjektiv »jung« für Unternehmen Berechtigung besitzt. Freilich kann der exakte Zeitpunkt, ab dem ein Unternehmen »etabliert« ist, nicht genau abgegrenzt werden. Hilfreich sind jedoch Ausführungen, die den Zeitpunkt der »Maturation« beschreiben. Dieser ähnelt dem Punkt der Stabilität, wie es in dem vierstufigen Modell von Kazanjian (1988, S. 262; s. Kapitel D 2) vorgeschlagen wurde oder aber, um es allgemeiner zu formulieren, wenn das betreffende Unternehmen die »Liability of Newness« im Sinne von Stinchcombe (1965; s. Kapitel E 3) überwunden hat.

    Die Zeitdauer bis zur Erreichung des Stadiums, ab dem ein Unternehmen als etabliert gilt, hängt von Variablen wie der Branche, den Ressourcen oder der Strategie ab; höchst unterschiedliche Ausprägungen sind dabei an der Tagesordnung. Als untere Begrenzung für diesen Zeitraum ist es üblich, von mindestens drei bis fünf Jahren auszugehen, während die obere Grenze auf zwischen acht und zwölf Jahre geschätzt wird. Um eine Präzisierung anzugeben, werden hier Unternehmen etwa bis acht Jahre nach der Gründung einbezogen. Dies ist ein Zeitraum, der in empirischen Studien häufig für junge Unternehmen verwendet wird und oftmals ungefähr den Übergang zu einer Etablierung abgrenzt (s. etwa Covin/Slevin 1990, Bantel 1998, Bhidé 2000). Zudem lässt sich diese Zeitspanne auch mit so genannten legitimatorischen Überlegungen begründen (s. Kapitel E 2). Mit der Etablierung gehen anders gelagerte Schwierigkeiten einher, die bei den meisten jungen Unternehmen keine zentrale Rolle einnehmen. Zu nennen sind beispielsweise Pfadabhängigkeiten, Organisationsentwicklungshürden oder eine Professionalisierung des Personalmanagements. Der benannte Zeitraum dient lediglich als Orientierung, um Untenehmen ähnlicher Entwicklungsstadien zu betrachten; in einigen Fällen sind freilich Abweichungen nach oben vorhanden. Eine genauere Beachtung einer Jahreszahl, ab der junge Unternehmen nicht mehr berücksichtigt werden, ist weder begründbar noch wäre damit ein Erkenntnisgewinn verbunden.

    1.2.2 Unternehmenserfolg, Renten, Ressourcen

    Wenn hier von »Unternehmenserfolg« die Rede ist, dann steht eine betriebswirtschaftliche Erfolgsperspektive im Vordergrund. Das heißt, es geht um die Möglichkeiten eines wirtschaftlich gerechtfertigten Fortbestandes junger Unternehmen. In den Vordergrund rückt damit nicht die bloße Insolvenzvermeidung, sondern der systematische Ausbau von Markt- und Wettbewerbspositionen.

    Der so definierte Unternehmenserfolg kann zum einen an finanzwirtschaftlichen Kennziffern und zum anderen an erwirtschafteten »Renten« festgemacht werden. »Produzentenrenten« erfassen den Unterschiedsbetrag zwischen einem Marktpreis sowie jenem Preis, zu dem ein Anbieter zum Verkauf bereit wäre. Da Anbieter aufgrund unternehmensspezifischer Grenzkosten zu verschiedenen Preisvorstellungen kommen, können sie Produzentenrenten realisieren. (Produzenten-)Renten stellen somit Differentialgewinne dar, die insofern relativ sind, als sie aus einer Leistungsüberlegenheit gegenüber anderen Anbietern resultieren oder auf dem Fehlen von Konkurrenten beruhen.

    Auch hier wird eine Gleichsetzung von Unternehmenserfolg und der Erwirtschaftung von Produzentenrenten zugrunde gelegt, da Unternehmenserfolg und -entwicklungen am ehesten relativ zu Konkurrenten oder alternativen Produkt- bzw. Dienstleistungsangeboten beschreibbar sind. Renten basieren also auf spezifischen Ressourcen oder spezifischen Ressourcenkonstellationen. In der Literatur werden regelmäßig vier Rentenarten unterschieden (s. Wolf 2005, S. 422–423):

    Der Begriff »Ricardo-Rente« verweist auf den Schöpfer des Begriffs »Rente«. David Ricardo beobachtete bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts die zum Teil erheblichen Gewinnunterschiede von Unternehmen der gleichen Branche. Er erklärte dies mit genereller Ressourcenknappheit. Erfolgreiche Unternehmen haben demnach eine Verfügungsmöglichkeit über knappe Ressourcen und können folglich kostengünstiger produzieren.

    Als »Monopol-Rente« bezeichnet man vor allem spezifische Absatzkonstellationen. Überdurchschnittliche Renten können dabei aufgrund spezifischer Markt- und Branchenkonstellationen abgeschöpft werden. Aus der Ressourcenperspektive liegt eine spezifische Bündelung beispielsweise von Einsatzgütern, Wissen, finanziellen Mitteln oder vertraglichen Beziehungen vor, die Wettbewerber vom Markteintritt abhält. Im Unterschied zu Ricardo-Renten handelt es sich nicht um knappe Ressourcen im eigentlichen Sinne, sondern um knappen bzw. begrenzbaren Marktzugang.

    Superiore Produkt- und Dienstleistungsinnovationen werden – Bezug nehmend auf Joseph A. Schumpeter – als »Schumpeter-Renten« bezeichnet. Zumindest zeitweilig ist das Ergebnis deckungsgleich mit Monopol-Renten. Die Ursache dafür ist jedoch auf Innovationen bezogen und entsprechend einem möglicherweise raschen Wandel ausgesetzt. Man spricht deshalb auch von innovationsbedingten temporären Monopolen.

    Als »Quasi-Renten« bezeichnet man jene relativen Vorteile gegenüber Wettbewerbern, die aus einem außerordentlichen Effizienzniveau des Ressourceneinsatzes bei ansonsten identischer Ressourcenverfügbarkeit resultieren. Hierbei rückt das unternehmerische Handeln in besonderem Maß in den Vordergrund.

    Bereits die kurze Skizze der vier Rentenarten deutet die Vielschichtigkeit sowie die sehr breite Bezugnahme von Ressourcen an. Entsprechend weit wird auch regelmäßig der Begriff »Ressource« definiert: »By a resource is meant anything which could be thought of as strength or weakness of a given firm. More formally, a firm’s resources at a given time could be defined as those (tangible and intangible) assets which are tied semipermanently to the firm (Wernerfelt 1984, S. 172)«. Zu den Ressourcen eines Unternehmens zählt somit alles, was wertvoll ist, in die Wertschöpfung eingeht, eine Stärke bzw. Schwäche darstellt oder was Wettbewerbsvorteile stiften kann. Als Beispiele für Ressourcen lassen sich Know-how, ein Stamm qualifizierter Mitarbeiter, unternehmenskulturelle Besonderheiten und dergleichen Heterogenes mehr benennen. Verständlich werden dann auch alternative Umschreibungen des Begriffs »Ressource« als »Organizational Capabilities«, »Tacit Knowledge« oder auch »Core Competences«. Zur Charakterisierung solcher »kritischer« Ressourcen lassen sich vier Bedingungen formulieren: (s. Barney 2002, S. 173–174): Erstens sind solche Ressourcen effektivitäts- oder effizienzsteigernd, zweitens knapp, drittens nicht substituierbar und viertens nicht oder nur schwer kopierbar.

    Genau eine solche sehr weit verstandene Ressourcenperspektive steht später im Rahmen des unternehmerischen Handelns (s. Kapitel D 2) sowie bei der Gewinnung von Legitimität junger Unternehmen und Branchen (s. Kapitel E 2) im Zentrum. Als relevante Ressourcen werden dabei vor allem Ressourcenaustauschpartner analysiert. Diese Sichtweise kennzeichnet somit die Ressourcen von Lieferanten, Abnehmern, Kapitalgebern sowie qualifizierten Mitarbeitern als erfolgsentscheidend. Die zentrale Frage für die Entwicklung junger Unternehmen lautet folglich: Wie kann es gelingen, Zugang zu Ressourcen zu bekommen? Der Erfolg junger Unternehmen zeigt sich dann vor allem in Schumpeter- sowie in Quasi-Renten; Monopol- und Ricardo-Renten werden für junge Unternehmen eher die Ausnahme sein.

    Diese Ausrichtung auf Ressourcen bzw. vor allem auf die Möglichkeiten einer Ressourcengewinnung entspricht weitgehend der eingangs benannten, sehr prominenten Definition des »unternehmerischen Handelns«. Diese so genannte »Harvard-Definition« lautet: »Entrepreneurship is a process by which individuals – either on their own or inside organizations – pursue opportunities without regard to the resources they currently control« (Stevenson/Jarillo 1990, S. 23). Diese Eingrenzung macht sehr präzise deutlich, dass unternehmerische Handlungsfelder ohne belastbare Ressourcenzugänge nicht ausgeschöpft werden können.

    1.3 Abgrenzungen

    1.3.1 Abgrenzung gegenüber Organisationsentwicklung

    Stellt man die Entwicklung junger Unternehmen in den Vordergrund, so taucht sofort der etablierte Bereich der Organisationsentwicklung auf. Eine grundlegende strukturelle Ähnlichkeit ist dabei nicht zu übersehen, wenngleich die Ansatzpunkte sehr unterschiedlich sind.

    Stehen bei Fragen der Organisationsentwicklung erkannte Veränderungsnotwendigkeiten etablierter Unternehmen im aufbau- und ablauftheoretischen Verständnis im Mittelpunkt, so geht es bei der vorliegenden Analyse junger Unternehmen um jene Einflüsse und Hintergründe, die eine Entwicklung zu einem etablierten Unternehmen erst prägen. Entsprechend sind auch die zugrunde liegenden Fragen anders gerichtet und beziehen sich gerade nicht auf die bei etablierten Unternehmen so bedeutsame Überwindung von Widerständen. Auch Überlegungen, wie Entwicklungen künftig in erster Linie durch Etablierung einer lernenden Organisation Bestandteil des Unternehmens werden können (s. dazu bspw. Schreyögg 2003, S. 508–514), besitzen hier keine Relevanz. Gleichwohl handelt es sich bei der vorliegenden Analyse potenzialreicher junger Unternehmen um eine Form der Organisationsentwicklung.

    Wenn von »Organisation« die Rede ist, dann geht es entsprechend nicht um Strukturen von Unternehmen oder Organisationen, sondern um die so genannte institutionelle Wendung des Begriffs »Organisation«. Dementsprechend finden sich auch etliche theoretische Ansätze und empirische Studien, die dem Bereich »Organisationstheorie« zuzurechnen sind (s. etwa Kieser 2006).

    1.3.2 Abgrenzung gegenüber Innovations-, F&E- und Technologiemanagement

    Das Analyseobjekt »junge Unternehmen« besitzt eine offensichtliche Nähe zu den betriebswirtschaftlichen Gebieten Innovations-, Forschungs- und Entwicklungs- (F&E-) sowie Technologiemanagement. Jeweils bilden grundlegende Neuerungen den Untersuchungsgegenstand. Eine kurze Abgrenzung sowie die Begründung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten sollen Unklarheiten vermeiden. Im folgenden Kasten wird zunächst der bislang nicht genauer besprochene Begriff »Innovation« skizziert (s. Kasten 2).

    Kasten 2: »Invention und Innovation«

    Invention und Innovation sind Begriffe, die auf identische Gegenstände Bezug nehmen jedoch eine unterschiedliche Reichweite besitzen. Während Inventionen Erfindungen, Neuerungen oder neuartige Konzeptionen umfassen, kennzeichnet eine Innovation darüber hinaus auch die betriebswirtschaftliche Umsetzung einer Invention – der finanzwirtschaftliche Erfolg ist dabei nicht ausschlaggebend. Innovationen umfassen entsprechend Inventionen.

    Zur Kennzeichnung von Innovationen und näheren Klärung des Begriffs werden unterschiedliche Vorschläge unterbreitet. Beispielsweise lässt sich die »Neuheit« unter anderem ausgehend von der jeweiligen Zweck/Mittel-Kombination bestimmen. Dies führt zu »mittelinduzierten« und »zweckinduzierten« Innovationen. Diese beiden Typen von Innovationen haben einen unterschiedlichen Ausgangspunkt: zum einen technologische Entwicklungen und zum anderen festgestellte Konsumentenbedürfnisse (s. Hauschildt 2004, S. 11).

    Zur Einschätzung von Innovationen ist auch das Ausmaß der Neuerung interessant. Häufig findet sich eine ordinale Skalierung neuer Zweck/Mittel-Kombinationen (s. Hauschildt 2004, S. 16): Produkt- oder Dienstleistungsdifferenzierung (bspw. eine Marmelade mit neuer Geschmacksrichtung), eine neue oder verbesserte Zusatzeinrichtung oder -dienstleistung (bspw. sicherer Kindersitz für ein Fahrrad), ein deutlich verbessertes Produkt (bspw. Laserdrucker mit Einzelblatteinzug) oder ein neues bzw. entscheidend geändertes Produkt (bspw. Mountain-Bike).

    Des Weiteren lassen sich unterschiedliche Quellen von Innovationen unterscheiden. Innovationsquellen mit unternehmensinternem Bezug sind unerwartete Ereignisse (bspw. die zufällige Entdeckung der Post-It-Zettel), erkannte Inkongruenzen (bspw. füllte Federal Express die Lücke zwischen dem Bedürfnis moderner Unternehmen nach Übernachtlieferungen von Paketen und den mehrtägigen Postlaufzeiten) oder erkannte Verfahrensbedürfnisse (bspw.zeitsparendes Kochen durch Convenience-Produkte). Innovationsquellen mit unternehmensexternem Bezug umfassen demografische Entwicklungen (bspw. Altersaufbau, Diskussion um Renten, Single-Haushalte), Wahrnehmungsveränderungen (bspw. Fitnessboom) oder wissensbasierte Konzepte (bspw. Nanotechnologie). Diese Systematik geht auf Peter F. Drucker zurück (s. dazu ausführlich Kapitel B 2).

    Innovationen als verschiedenartige und verschieden weitgreifende Variationen der Leistungserstellung und -verwertung von Unternehmen schaffen Erfolgspotenziale. Fragen des Innovationsmanagements richten sich auf jene arbeitsteilig zu bewältigenden Aufgaben, mit denen Unternehmen Produkt-, Technologie- und Sozialinnovationen hervorbringen sowie deren Einsatz in Produkten und Prozessen so vorantreiben, dass der Unternehmenserfolg langfristig gesichert wird (s. bspw. Gerpott 1999, S. 58–59; 2001, S. 241). In diesem Zusammenhang werden häufig auch die Begriffe Technologie- sowie Forschungs- und Entwicklungsmanagement verwendet, die mit Innovationsmanagement nicht deckungsgleich sind. Es lassen sich die in der folgenden Abbildung dargestellten Überlappungen aufzeigen (s. Abb. 1, S. 23).

    Die Entwicklung und Umsetzung innerbetrieblicher und nicht auf die Nutzung komplexer Technologien oder systematischer F&E-Resultate bezogener Neuerungen fällt ausschließlich in den Bereich des Innovationsmanagements (Feld 1). Zugleich bezieht sich Innovationsmanagement auch auf das Hervorbringen und die wirtschaftliche Verwertung neuer Technologien durch unternehmensinterne Forschung und Entwicklung (Feld 3). Da Innovationsmanagement oft auch auf die Einführung neuer Technologien gerichtet ist, die deshalb noch kein Gegenstand eines F&E-Managements sein müssen, geht es über dieses hinaus und weist in dieser Hinsicht (Feld 2) keine Unterschiede zum Technologiemanagement auf. Ein Beispiel für diese Schnittmenge (Feld 2) ist der Aufbau eines Online-Vertriebs. Wurde dieser Vertriebsweg bislang nicht genutzt, so handelt es sich um eine Produktinnovation, die zugleich eines Technologiemanagements bedarf. Als F&E-Management lässt sich dies aber keinesfalls fassen, da es bei den allermeisten Online-Vertriebsaktivitäten nicht um die Nutzung eigener Forschung und Entwicklung geht. Technologiemanagement umfasst zudem noch die Bewirtschaftung bereits vorhandener technologischer Anlagegüter, was deutliche Unterschiede sowohl zum F&E- als auch zum Innovationsmanagement kennzeichnet (Feld 4).

    Abb. 1 Innovations-, F&E- und Technologiemanagement [Quelle: Gerpott 2001, S.242]

    Jedes potenzialreiche junge Unternehmen berührt unweigerlich Fragen, die zum Innovationsmanagement gehören. Das Management von F&E sowie von Technologien bleibt dabei jedoch immer auf die Schnittmenge mit dem Innovationsmanagement (Felder 2 und 3) beschränkt, denn darüber hinaus reichende Fragen treten erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt und nach Etablierung der im Zentrum stehenden Geschäftskonzeption bzw. der zentralen Innovation auf. Versteht man unter unternehmerischem Handeln zudem die Entdeckung, Bewertung und Ausschöpfung unternehmerischer Handlungsfelder, so hilft die Einordnung in den Kanon des Innovations-, Technologie- und F&E-Managements nicht recht weiter und würde möglicherweise sogar wesentliche Fassetten der Entstehung und Entwicklung junger Unternehmen verdecken:

    So geht es bei jungen Unternehmen nicht um das Vorantreiben von Innovationen durch den gezielten Einsatz von Promotoren.

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