Nachgerufen: Elf Monologe und eine Novelle
By Jürg Amann
()
About this ebook
In elf Monologen kommen Frauen zu Wort, die von Dichtern geliebt, berührt oder auch nur gestreift worden sind, deren Namen ohne diese Berührung die Geschichte wohl nicht behalten hätte. Was haben diese Frauen zu sagen, an was erinnern sie sich, erinnern sie uns? Wir hören über Gottfried Keller, über Kafka, Kleist und Goethe, über Brentano, Mörike und Lenz. In fiktiven Briefen, in Gesprächen und Selbstgesprächen lassen sie ihre Begegnungen mit diesen Dichtern an sich vorüberziehen, rufen sie ""ihren"" Dichtern nach: Friederike Brion, Caroline von Lengefeld, Wilhelmine von Zenge, Susette Gontard, Karoline von Günderrode, Henriette Vogel, Bettina Brentano, Luise Riehter, Maria Meyer, Dora Diamant ...
Jürg Amann erzählt in einer behutsamen, eindringlichen Prosa von Frauen, die, von der Historie kaum beachtet, mit ihrer Verletzbarkeit und Stärke Männer begleitet und mitgeformt haben, die als Köpfe der Literatur fast unantastbar vor uns stehen - bis heute. Zart aquarellierend zeichnet Amann Frauenbilder in Augenblicken des Erinnerns, in Situationen, die menschliche Größe erhellen, Leid und Zuversicht in der Nähe und Ferne von Liebe.
Read more from Jürg Amann
Verirren oder Das plötzliche Schweigen des Robert Walser: Roman Rating: 4 out of 5 stars4/5Zimmer zum Hof: Erzählungen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWind und Weh: Abschied von den Eltern Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Baumschule: Berichte aus dem Réduit Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsKAFKA: Essay Rating: 3 out of 5 stars3/5Am Ufer des Flusses: Erzählung Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsPatagonien: Prosa Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsIkarus: Roman Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMutter töten Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Reise zum Horizont: Novelle Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsRondo: und andere Erzählungen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWohin denn wir: Roman Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSchöne Aussicht: Prosastücke Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsNichtsangst: Fragmente auf Tod und Leben Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGolomir: Roman Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHardenberg: Romantische Erzählungen nach dem Nachlass des Novalis Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Kunst des wirkungsvollen Abgangs: Erzählungen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsTod Weidigs: Acht Erzählungen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsFort: Eine Brieferzählung Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Vater der Mutter und Der Vater des Vaters: Zwei Erzählungen mit Klecksographien von Urs Amann Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsKein Weg nach Rom: Ein Reisebuch Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsUnd über die Liebe wäre wieder zu sprechen: Gedicht Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Rücktritt: Eine nationale Tragödie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsZwei oder drei Dinge: Novelle Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsIphigenie oder Operation Meereswind: Eine Tragödie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSternendrift: Ein amerikanisches Tagebuch Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Anfang der Angst: Aus einer glücklichen Kindheit Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Tod stirbt: Die Stücke Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Related to Nachgerufen
Related ebooks
Druckstaueffekt: Soundcheck: Berlin Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsLiebe und Tod in Leipzig Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas Leben: Gedichte Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsPatt Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie tragischen Talente des Jan-Nicklas H.: Psychothriller Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsIn der Kürze liegt die Würze: Gedichte und Kurzgeschichten von Dia Nigrew Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsEin Jahr November Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Bekenntnisse (Autobiografie) Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsRousseau's Bekenntnisse Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsZephyrs Spiele: Neues vom Draußenseiter - Gedichte Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsEine Reise zu mir selbst Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Bekenntnisse Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsEine grenzenlose Liebe Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAm Ende des Regenbogens: - an deiner Seite auf dem letzten Stück des Weges - Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Anglerin Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSeelenweg: Schlüssel der Zeit Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Stufe Fragment einer Liebe Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsZensus Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSeite an Seite ...mit Bob Dylan Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsProbeprobleme: Gedichte Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWidderhorn: Gedichte Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSo weit weg uns doch ganz nah: Lebbaren Weg finden nach einem schweren Schicksalsschlag Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Reise nach Samosch (eBook) Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Leiden des jungen Werther Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAn einem Ort, so weit und schön ...: Liebesgeschichten Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsEspresso mit Zitrone - Mein wechselvoller Weg als Unternehmerin Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAuf der Couch: Fünf Ärzte verhören den Autor Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAlles steht in Flammen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsLEUCHTKRAFT: LYRIK Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsKraft für den Weg: Spiegelbilder Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Literary Fiction For You
Ausweitung der Kampfzone Rating: 3 out of 5 stars3/5Das Verlorene Paradies (Illustriert) Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsJane Eyre (Deutsche Ausgabe): Eine Autobiographie oder Die Waise von Lowood Rating: 4 out of 5 stars4/5Intimes Geständnis: Erotik-Geschichten ab 18 unzensiert deutsch Hardcore Sex-Geschichten Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsI Love Dick Rating: 4 out of 5 stars4/5Der Prozess (Weltklassiker) Rating: 4 out of 5 stars4/5Tabu: Sexgeschichten - Heiss und Obszön: Erotik-Geschichten ab 18 unzensiert deutsch Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas gute Buch zu jeder Stunde Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas Blütenstaubzimmer Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAmerika Rating: 4 out of 5 stars4/5Tschaikowskistraße 40 Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsRadetzkymarsch Rating: 4 out of 5 stars4/5Ehrlich & Söhne (eBook) Rating: 4 out of 5 stars4/5Yoga Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSex-Dates: Erotischer Roman Rating: 4 out of 5 stars4/5Reckless 4. Auf silberner Fährte Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Jakobsbücher Rating: 5 out of 5 stars5/5Der große Gatsby Rating: 4 out of 5 stars4/5Ich nannte ihn Krawatte Rating: 4 out of 5 stars4/5Das achte Leben (Für Brilka) Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Schatzberg Band 2: Eintritt in das Reich der Götter Rating: 5 out of 5 stars5/5Er und ich: Erinnerungen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSpätestens morgen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsBriefe an Milena: Ausgewählte Briefe an Kafkas große Liebe Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Duft von Schokolade (eBook) Rating: 4 out of 5 stars4/5Heiße Sexgeschichten: Ich liebe Sex: Sex und Erotik ab 18 Jahre Rating: 5 out of 5 stars5/5Schöne Welt, böse Leut: Kindheit in Südtirol Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Katze und der General Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsEin Lied über der Stadt (eBook) Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Reviews for Nachgerufen
0 ratings0 reviews
Book preview
Nachgerufen - Jürg Amann
H.
Elf Monologe
»Ich hatte gehofft, durch den Blumenstrauß meine Liebe zu ihr ein wenig zu befriedigen, es war ganz nutzlos. Es ist nur durch Literatur oder durch den Beischlaf möglich.«
Franz Kafka, 1911
Sesenheim,
Juni 1772
Sie sagen, Sie lieben mich, Lenz, und sehen Sie, das mag ja sein, und vielleicht liebe ich Sie ja auch, aber wie kann ich das wissen, da ich gar nicht mehr frei bin. Ich weiß sehr wohl, daß Sie ein guter Mensch sind und daß Sie auf Dauer noch besser werden wollen, wenn Ihnen das Schicksal nur gnädig ist und es Ihnen Ihr gestrenger Herr Vater erlaubt und wenn Sie Menschen finden, die Ihnen helfen dabei, die Ihnen wenigstens nicht im Weg stehen mit ihrem Unglauben und Zweifel, Sie brauchen mir Ihre Vorzüge nicht zu schildern, ich habe sie doch lebendig vor mir, jetzt und von Anfang an, als Sie hier draußen auftauchten, bei uns, auf dem Land, und meinem Vater den Antrag machten, ihm bei der Predigt unter der Woche zu helfen, und er kann Sie ja brauchen, Sie haben das ja studiert, er will Sie ja bei sich behalten, anders als Ihr eigener Vater, wie Sie mir sagten, der da oben im kälteren Norden auch Pfarrer ist, der Sie in die Welt hinaus jagte als seinen so gar nicht nach ihm, sondern mehr nach der Mutter, die freilich gestorben ist, geratenen unbrauchbaren Sohn.
Mein Vater findet Sie brauchbar. Das wissen Sie selbst. Und ich ... Sehen Sie, ein anderer, der vor Ihnen hier war, vor einem Jahr, in ähnlicher Absicht, nur leider untreu, schrecklich untreu, hat, was gut ist an mir, gefangen, sorgfältig umgarnt und an sich gebunden und endlich entführt. Sie kennen ihn ja, ein früherer Freund von Ihnen, ein glücklicherer Kollege, in dessen Fußstapfen Sie gehen und stehen, auch hier vor mir nun, mit hängenden Schultern und hängendem Kopf, wie angewurzelt, mir gegenüber, von der Sie das Urteil erwarten, den Richtspruch, der Sie wieder fortjagt, weiter jagt in die Welt hinaus, Ihrem sauberen Freund nach, der aber von vornherein größer als Sie gewachsen ist, wissen Sie, größer, so daß Sie sich doch ganz jämmerlich abzappeln müssen, in Ihren feinen Gelenken, um seinem festen, weit ausgreifenden Schritt auch nur einigermaßen und aus der Ferne zu folgen.
Nein, gehen Sie nicht. Ich möchte ja, daß Sie bleiben. Sie sind mir ja lieber als er. Sie sagen, Sie lieben mich. Er liebt nur sich. Er ist seiner selbst so ungemein sicher. Er bildet sich so viel ein. Man wird so klein neben ihm. Vor Ihnen, Lenz, kann man sitzen, wie ich jetzt hier auf der Bank sitze vor Ihnen, in dieser Laube, in der wir so oft zusammen gesessen sind, man ist Ihnen noch immer gewachsen. Sie können auch schweigen. Sie bringen einen zum Reden. Während er nur immer selber geredet hat. Geredet, gescherzt, geredet. Sie sind der ernstere Mensch. Sie sind so versonnen. Sie haben die zarteren Züge. Sie passen viel besser zu mir. Sein Gesicht verlöscht mir hinter dem Ihren. In Ihrem Rücken entfernt er sich immer mehr.
Setzen Sie sich. Setzen Sie sich da neben mich. Treten Sie mir aus dem Blick. Ich kann gar nichts mehr sehen. Da hinten, am Waldrand, in jener Lichtung ... Aber es dämmert ja. Die Sonne liegt nun schon hinter den Hügeln und schläft. Sagen Sie etwas. Es wird so still.
Ich weiß ja, daß Sie mich lieben. Erzählen Sie mir von Ihrem Freund. Haben Sie ihn noch kürzlich gesehen? Ist er wohlauf? Denkt er noch manchmal an mich? Hat er von mir gesprochen? Nein? Oder doch? Warum sagen Sie nichts? Warum höre ich seine Stimme? Warum habe ich seine gehauchten Worte im Ohr?
Halten Sie mich, damit ich nicht plötzlich forteile, der versunkenen Sonne nach, über die Hügel. Ich hänge so sehr an ihr. An langen Fäden. Am Licht. An der Wärme. Und wie ich mit Ihnen hier sitze, auf dieser Bank, unter dem Baum, in der Nische, im ersten Winkel der Nacht, bin ich ganz kalt, ganz leer, ganz erloschen. Was Sie sehen von mir, ist nur die Hülle, der Schal, das Kleid, das ich zurückgelassen habe, weil es zur Reise nicht taugte. Obwohl es nun nicht mehr getragen wird, wird es alt, zeigt es schon Flecken und Falten und dünne Stellen.
Streichen Sie es glatt, Lenz, streichen Sie mein Kleid glatt, mit Ihrer schmalen Hand, legen Sie es sorgsam in Ihren Arm und lassen Sie es beim Gehen nicht fallen. Ich friere. Sie halten mich nicht fest genug. Sie geben nicht warm.
Wo sind Sie denn, Lenz? Bleiben Sie hier. Wohin laufen Sie denn? Es ist Nacht. Was ist denn mit Ihnen? Lassen Sie mich doch nicht fallen. Sie sagen mir nichts? Er hat mir immer so viel gesagt.
Rudolstadt,
März 1790
Schiller, Freund, noch einmal wähle ich Deine Anschrift, noch einmal erlaube ich mir diese Anrede, die mir in den letzten zwei Jahren auf der Welt die liebste geworden ist. Wie meiner Schwester auch.
Was hat sich geändert, daß ich in Zukunft darauf verzichten muß? Was hat sich am Himmel verschoben? Was zwischen den Menschen, das mir die Welt zu einer anderen Welt macht? Nichts. Alles. Es ist gar nicht zu sagen.
Denn Du liebst mich ja noch, wie Du mich immer geliebt hast. Und meine Schwester auch. Du liebst uns beide. Auf Deine Weise. Warum kann ich damit nicht zufrieden sein? Warum macht mich diese Weise der Liebe nicht glücklich? Wie sie es Dich macht? Es ist nicht meine. Du hast die Übermacht der Empfindungen gedämpft, das Übermaß des Glücks in Grenzen gehalten, die Gewalt der Gefühle gebändigt, indem Du die Summe all dessen auf uns verteilt hast. Von Anfang an. Auf die Schwester und mich. Wir hatten diese Möglichkeit nicht. Wir konnten die Liebe nicht teilen. Weil Du der einzige warst. Für jede von uns. Mein Mann zählt ja nicht, leider.
Aber ich war ja zufrieden, konnte zufrieden und glücklich sein mit den Dingen, so wie sie waren. Könnte es noch. Könnte. Ja, könnte. Wenn alles so wäre, wie es vor einem Monat noch war. Solange Du keiner von uns gehörtest, gehörtest Du beiden. Das ist vorbei. Das ist Geschichte. Das ist einmal gewesen.
Warum lebst Du jetzt mit der andern, der Jüngern, der Schwester, dem klaren Wasser? Nicht mit dem Strom? Warum mußtest Du seßhaft werden? Warum Dich bergen? Warum die Wohnung nehmen in einem einzigen Leib? Der mir zwar verwandt ist? Verwandt bis aufs Blut? In einem einzigen Kopf? In einem einzigen Herzen?
Ich kann Dein Geschöpf freilich nicht sein. Nicht erst werden. Mich nicht erst empfangen aus Deiner Hand, in der ich kein Wachs bin. Kann Dir die Freude nicht machen, die Dir wichtiger ist als die anderen Freuden: mich