Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Zeit der Pflaumen
Zeit der Pflaumen
Zeit der Pflaumen
Ebook445 pages5 hours

Zeit der Pflaumen

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

Wieder einmal erzählt Patrice Nganang die Geschichte seiner Heimat Kamerun mit literarischen Mitteln neu. Zeit der Pflaumen setzt im August 1940 ein, als für Kamerun der Zweite Weltkrieg beginnt und erzählt, wie sein Beben das Land im Zentrum Afrikas erschüttert und das Leben der Menschen tiefgreifend verändert.
An verschiedenen Schauplätzen verfolgt der Roman das turbulente Schicksal der Bewohner des Dorfes Edea im Süden Kameruns. Da ist zum einen die abenteuerlich-absurde Geschichte von vier jungen Männern, die sich als Soldaten von der französischen Armee anwerben lassen und im Wüstenkrieg gegen Italiener und Deutsche als Kanonenfutter verheizt werden. Zum anderen das wechselhafte Schicksal dreier Freunde, ihrer Frauen und Familien, deren Alltag heimgesucht wird von Gewalt und Verlust und in dem doch auch fortlebt, was immer war: Lebenslust, Erotik, Freundschaft und das Weiterspinnen der eigenen Träume.
Wie die Menschen von Edea hineingeraten in die Ereignisse des Krieges und wie sie im Verborgenen ihre Ideen von Protest, Hoffnung und Unabhängigkeit vorantreiben, erzählt Patrice Nganang mit grimmigem Humor und in einer burlesken und bilderreichen Sprache, die in ihrer Meisterschaft dem großen literarischen Vorbild Ahmadou Kourouma ebenbürtig ist.
LanguageDeutsch
Release dateAug 25, 2014
ISBN9783779505099
Zeit der Pflaumen

Related to Zeit der Pflaumen

Related ebooks

Action & Adventure Fiction For You

View More

Related articles

Related categories

Reviews for Zeit der Pflaumen

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Zeit der Pflaumen - Patrice Nganang

    PATRICE NGANANG

    Zeit der Pflaumen

    ROMAN

    Aus dem Französischen übersetzt von

    Gudrun und Otto Honke

    Peter Hammer Verlag

    Diese Geschichte von Männern und Frauen, einer Handvoll roter Heimaterde gleich, ist meiner Mutter gewidmet, Kemi Rebecca.

    Ich stelle klar: In der ganzen Welt bin ich zu Hause, Kamerun ist mein Thema und Jaunde mein Definitionsbereich.

    Wenn es viele Gesetze gibt, können die Menschen nicht folgsam sein.

    Sultan Ibrahim Njoya,

    Saan’gam, 1921

    Diese Geschichte beginnt nicht 1939

    In Jaunde legt die Pflaumenzeit das Herz des Landes frei. Dacryodes edulis, die afrikanische Pflaume, malt rote Tupfer in das Laub des Safubaums. Dann steigt sie in kleinen Haufen zu fünft oder zu zehnt in die Straßen hinab, füllt Säcke auf den Lebensmittelmärkten, verteilt sich auf die Grillstände an den Kreuzungen, lässt sich behutsam neben Kochbananen oder auf Holzkohle geröstetem Mais nieder, deren ideale Beilage sie ist. In Zementpapier gewickelt oder in ein Stück Zeitung, werden jeweils drei zu einhundert Francs verkauft, ein Preis, den niemand infrage stellen könnte, ohne ausgeschimpft zu werden. Am Ende des Tages wird sie manchmal auf die Straße geworfen, einfach so, in Bergen von Abfall, den Fliegen überlassen. Auch platzt sie unter den Autoreifen auf oder heftet sich an rutschige Schuhsohlen. Weil ihre Lebensdauer recht kurz bemessen ist und sie im sanften Sonnenlicht reif wird, verkaufen die Bayamsallam sie am Abend zu Schleuderpreisen, sehen vormittags ihren Preis aber ungern fallen, wenn sie auf der Auslage der Grillfrauen nicht ihren Platz gefunden hat. Denn sie kommt zu ihnen, wie sie in die Stadt kommt: lawinenartig.

    Während der Erntezeit ist sie also überall, die Pflaume. Selbst Ongola, das Zentrum Jaundes, überzieht sich mit ihrem würzigen Geruch. Verspeist wird sie hauptsächlich des Abends. Sicher, sie ist nicht die Mango, denn, oh, sie hat nicht den Geschmack, den die Gewitterlaune in der kleinen Regenzeit der Stadt spendiert, die den Überfluss an Früchten bereitwillig annimmt. Die Pflaume treibt Handel mit den Menschen, mit den Stadtteilen. Sie verströmt ihr rotes Leuchten im Schatten der Bäume, bevor sie es unter dem Einfluss der Sonne sanft in ein Blau-Schwarz verwandelt. Man muss nur den Safubaum schütteln, ein bisschen nur, dass sie ringsumher abfällt. Es ist das Fest der Kinder, die sie in einen Sack stecken und in einer Handvoll Asche rösten, und das ist alles. Sie benötigt nur ein klein wenig Hitze, damit sich ihre Haut in Öl hüllt und ihr zart gewordenes üppiges Fleisch den einzigartigen Geschmack bekommt, der sie zum Lieblingsdessert der Straße, ja der Stadt macht. Man isst sie unterwegs, die Pflaume, schnell, denn auf der Auslage der Bars öffnet sich ihr der Magen der Stadt. Wenn die Saison vorbei ist, bleibt ihre Farbe einem jeden im Gedächtnis, blutig zuerst und dann schwarz, ebenso die Süße ihres Fleisches. Niemand kann ihrem köstlichen Geschmack entkommen.

    Beim Schreiben dieser Geschichte denke ich an die Männer, die sich an den Straßenkreuzungen eine Pflaume in den Mund stopfen und den Kern im hohen Bogen auf den Gehsteig spucken, und ich weiß, dass darin alles liegt: der Festschmaus der Sinne zum kleinsten Preis; die Unbekümmertheit einer Stadt, die ihre Pflaumen in Zementpapier isst, als würde sie sich im Magen die Häuser bauen, die sie ihren Straßen verweigert; die Heftigkeit einer Geste, so unnütz letzten Endes, nur um sie in Zeitungsfetzen einzuwickeln, die sich der Welt öffnen, Vorspiele für all die Geschichten, die man mit Füßen tritt; die Fahrlässigkeit jener, die den Safubaum oder das Leben wie eine banale Tatsache hinnehmen; doch, ja, doch auch das Moment der zarten Schwärze der Pflaume, die jedem ihre Köstlichkeit zu geringem Preis anbietet. Ich denke an Makénéné, an Tonga, an Edea, lauter Pflaumenstädte auf dem nicht enden wollenden Weg – vor allem aber denke ich an Jaunde. Warum, sagt mir, warum denke ich, wenn die Zeit der Pflaumen beginnt, an diese Vergeudung in der Hauptstadt – die sich wirklich nicht darum schert, ob es Pflaumen gibt oder nicht, sie aber so vergöttert. Ach, diese so kurze Saison erinnert mich immer an die Zeit, in der unser Land, wenn nicht den Ausgangspunkt seiner eigenen Gewalttätigkeit, so doch jene der Welt entdeckt hatte, und um dem zu entsprechen, seine Söhne, die man tirailleurs sénégalais, Senegalschützen, nannte, auf die Wüstenstraßen geworfen hatte, so wie die Straßenverkäuferinnen abends die Pflaumen wegwerfen, die sie nicht dem Grill haben überantworten können. Für uns Kameruner ist nicht 1939 der Beginn des Zweiten Weltkriegs, sondern das Datum, das vorn an der Hauptpost geschrieben steht. Dieser Roman gehört uns ebenso wie unserer Stadt, vor allem ist er der Roman von Pouka, dem Poeten. Im Vergleich zur Welt beginnt er also mit Verspätung. Freilich hat die Heimatfront ihren eigenen Kalender und damit ihre eigenen Geschichten.

    DER PUTSCH VON ONGOLA, 1940

    1

    Juniferien auf dem Dorf

    »Um es kurz zu machen«, fasste M’bangue zusammen, und er verschränkte seine Hände auf den Knien, »so und nicht anders hat sich Hitler umgebracht.«

    Er beschrieb den toten Diktator, sein blaues Sakko, seine schwarze Krawatte, die verschlossene Toilette, deren Tür man hatte eintreten müssen, um ihn herauszutragen. Alle schauten ihn an, mit offenem Mund, besonders Pouka. Er erkannte seinen Vater nicht wieder, der nun mit den Händen bizarre Zeichen, weite Bögen malte. Das Gesicht des Sehers blieb einen Augenblick lang erleuchtet, bald aber verschwanden seine Augen in den Fraktalen, die seine Finger auf den Boden gezeichnet hatten, im geomantischen Mysterium der Zeichen, in den Konturen seiner Stimme. Niemand hatte seine Behauptung in Zweifel gezogen, denn wer hätte seinem Traum widersprechen mögen? Im Grunde genommen war das Gesagte bisher nur Monolog, Geflüster, Gemurmel: Auswurf entfernter Töne, die in seiner Magengrube ihre Wörter fanden.

    »Auf der Toilette«, fuhr er fort, »ich sage es euch.«

    Nein, Pouka erkannte seinen Vater nicht wieder. Für alle, und besonders für ihn, war diese Behauptung unmöglich ernst zu nehmen. Im Übrigen war der Monat Juni ohnehin schon recht merkwürdig. Warum hätte Hitler Selbstmord begehen sollen, nachdem er halb Europa besetzt hatte? Der Alte sagte es nicht, nur war das genau die Frage. Ach, sein Sohn drängte ihn nicht: Er, er wollte sich erholen. Dieses nebulöse Versprechen barg das Dorf für jeden Städter. Jaunde konnte einen Mann in einen Hund verwandeln, pflegten manche zu sagen. Und das fassten sie als Spott auf. Diesmal hatten sie recht. Das Dorf hingegen, mit den Safubäumen, von denen die Pflaumen herabfielen, mit den Tannen ringsum, den Reihen Flamboyants, den Feldern voller Margeritenbüsche und dem immerwährenden Geruch nach Weihnachten enthielt ein Versprechen von Glück, dem er sich nicht verweigerte.

    »Er hat ein wohlschmeckendes Würstchen gegessen«, kam M’bangue zum Schluss, »und dann hat er sich umgebracht …«

    Hier prusteten einige los, doch er, Pouka, er lachte nicht.

    Kaum zu glauben, dass wir uns schon im Jahre 1940 befanden! Drei Jahre waren vergangen, ohne dass er seine Füße auf den Boden Edeas gesetzt hatte; ja, drei Jahre war er nicht hergekommen. Deshalb vielleicht betrachtete er die Gesten des Alten mit noch größerem Erstaunen als die anderen; deshalb zuckte er bei seiner Wahrsagung zusammen. Wissen muss man, dass er nicht mehr der Heranwachsende war, den man damals von seinem Cousin, dem Boxer, an dessen Fersen er sich geheftet hatte, getrennt und dann der Missionsschule anvertraut hatte. Er war nicht nur zwischenzeitlich katholisch geworden; er war zum Schreiber aufgestiegen, zum Schreiber-Übersetzer! Und das wollte viel heißen. Wenn nämlich das Zurechtlegen von Zeichen auf der Erde, um die Zukunft zu lesen, das Geschäft seines Vaters ausmachte – das Jonglieren mit Worten und das Anlegen von Akten war das seine. Auch er war in der Gestaltung von Zukunft zu Hause, wenigstens glaubte er das.

    Oder vielmehr nein: Es war das, was er sich erhoffte. Wie sonst die akribische Sorgfalt erklären, mit der er sich seit seiner Ankunft jeden Morgen kleidete? Er, Pouka, hätte gut darauf verzichten können, seine blank gewienerten Schuhe zu tragen, seine Trevirahose, sein zeitloses Oberhemd, seine bunte Ballonmütze und was sonst nicht noch alles? Doch dann wäre er wieder zu dem Jungen geworden, der einst seine Vergangenheit abgestreift hatte, mit nackten Füßen. Ein Knabe. Ein Eingeborener. Seitdem hatte er sich ein Ziel gesetzt, vielleicht noch ein wenig zittrig. Von dorther war er zurückgekommen. Unterwegs hatte er sich einen Grund ausgedacht: Seinem Vater hatte er gesagt, er wolle eine Frau nehmen. Das war sicher ein Ablenkungsmanöver, eine Möglichkeit, den Zusammenstoß zu vermeiden, den er kommen sah.

    »Ich habe dich nicht zu den Weißen geschickt, damit aus dir ein …«

    Wer war er geworden? Was? Geduld, geneigter Leser, denn diesen Auftritt hatte er sich immer wieder vorgestellt. Niemals hatte er es fertiggebracht zu sagen, was er inzwischen geworden war. Doch man konnte es sehen. Ein hochgewachsener Mann, dessen Kopf alle überragte, ein Kopf, auf dem, ob es regnete oder die Sonne brannte – Edea würde sich an den Anblick gewöhnen müssen –, eine Ballonmütze saß, die mit dem Kopf verwachsen schien. Das, was er sah, war Respekt, den er auf den Gesichtern der Dorfbewohner ablas. Neid auch. Manchmal Eifersucht. Oder Neugier. Was war er geworden? Und überhaupt, warum nahm er nie seine Mütze ab, wenn er die Leute grüßte? Bumste er auch, ohne sie vom Kopf zu nehmen? Was Mädchen angeht, nein, nicht nötig, von Mädchen zu sprechen. Trotzdem erzählte man sich allerlei Dinge, unanständige Dinge. Dinge, die seinen Alten beunruhigten, das wusste er.

    »Wann wirst du dich verheiraten?«

    Pouka hatte noch keine passende Antwort gefunden auf die Frage, die er damals, als er fortging, im inquisitorischen Blick seines Vaters gelesen hatte. Er war der älteste Sohn, der älteste von gut fünfzig Nachkommen, von denen viele schon selbst eine Kinderschar hatten, die sie dem Vater zeigen konnten. Ohne seine Freunde zu erwähnen – hier eine Anmerkung: Fritz. Wir kommen darauf zurück, denn dieser Name sagt alles. Im Augenblick betrachtete Pouka seinen Vater, dessen Augen sich von den fernen Erleuchtungen abwandten, und der Gedanke ging ihm durch den Kopf, dass der Krieg hier in dem friedlichen Wald eine ziemlich üble Abwechslung darstellte.

    »Hitler …«, setzte M’bangue wieder an.

    Diesmal jedoch beendete er seinen Satz nicht.

    2

    Der Zusammenbruch

    Für Pouka war die Rückkehr ins Dorf unverhofft gekommen, jedoch notwendig gewesen. Nach dem 14. Juni hatte ein Wind plötzlicher Entbehrlichkeit durch die Amtsstuben der Hauptstadt geweht. Die Veränderung war nur eine Woche nach den Schulferien und den bei ihrem Beginn ausschwärmenden Kindern erfolgt. Das ganze Land schien, als hätte man es in die Ferien geschickt. Und dennoch! Ongola, das Stadtzentrum, war von einem eigentümlichen Fieber ergriffen worden; das unendliche Verharren eines Augenblicks, die Verwandlung eines Punkts in eine Zickzacklinie. Nicht, dass kein Papierkram mehr abzuheften gewesen wäre oder dass kein Rundschreiben mehr hätte in Umlauf gegeben werden müssen. Seit Kriegsbeginn verbrachten die Leute in den Behörden ihre Tage mit dem Ohr am Rundfunk und den Rest der Zeit mit dem Austausch zweifelhafter Nachrichten aus Paris – aus Frankreich. Neu war an jenem Tag der dramatische Ausdruck in ihren Gesichtern.

    »Ich habe es immer gesagt«, erhob sich eine Stimme, »Le­brun ist ein Trottel.«

    Wenn die Niederlage verschiedene Konturen annehmen kann, so ist die Ohnmacht von immer gleichem Zuschnitt.

    »Ein Verräter, willst du sagen!«

    Überflüssige Worte, entbehrliche Münder, schmächtige Hän­de, die unaufhörlich gestikulierten, gefangen in einer schnat­­tern­­den Verschwörung zahnloser Männer.

    »Die Roten haben Paris eingenommen.«

    »Die Kommunisten?«

    »Hitler, willst du sagen.«

    »Das ist der Gipfel!«

    »Wie wahr!«

    »Lieber Freund, lieber die Braunen als die Roten.«

    Die Augen des Mannes, der gesprochen hatte, schweiften umher, sein Blick fiel plötzlich auf Pouka, seinen einheimischen Assistenten, den er mit einer brüsken Geste verscheuchte.

    »Die Regierung ist auf der Flucht«, sagte jemand zum wiederholten Mal.

    Der Mensch ist nur dann wirklich gefallen, wenn er schon zerschmettert am Boden liegt; andernfalls gibt es Hoffnung auf ein Aufstehen. Und dennoch: »Auf der Flucht?«

    Es gab sehr wenige glaubhafte Nachrichten. Das Gerücht entzündete die Geister, die gewöhnlich nach Neuigkeiten aus der Metropole hungerten, und die Hoffnung befeuerte die Fantasie.

    »Ins Exil«, sprach man hier.

    »In Gefangenschaft«, berichtigte man dort.

    »In Bordeaux«, wurde gesagt, »aber nicht geschlagen.«

    »Aber nicht geschlagen.«

    »Niemals geschlagen!«

    Die Hoffnung ist die Droge der Gemarterten.

    »In Afrika!«, verkündete am nächsten Tag der Gefängnisdirektor. »Mein Bruder sagt mir, dass die Regierung sich ab sofort in Afrika befindet.«

    »In Afrika?«

    Alle Kolonisten schauten sich verblüfft an.

    »Wo in Afrika?«

    Tage des Zweifels; Tage des Argwohns. Die Stimmung war wahrlich unerträglich geworden. Der Jähzorn seines Vorgesetzten hatte Poukas Urlaub dringend notwendig gemacht. Sein Gesuch war übrigens auf keinerlei Bedenken gestoßen. Die Amtsstuben waren leer, die Entscheidungen hinkten den Ereignissen hinterher. Der Krieg hatte der Stadt seinen Rhythmus der dehnbaren Nichtigkeit aufgedrückt. Irgendwann hatte Pouka darum gebeten, dass ihm ein Monat gewährt würde, denn was bedeutete das schon – Zukunft? Ungewisse Tage. Welche Entschuldigung hatte er gefunden? Nein, er hatte nicht gesagt, dass er sich eine Frau suchen wollte, denn was für eine lächerliche Idee, nicht wahr, in diesen Zeiten eine Frau zu nehmen?

    Was für Augenblicke!

    Die Wahrheit wäre, wenn nicht für lächerlich, dann jedenfalls für dumm gehalten worden und hätte ihm die Ablehnung seines Gesuchs eingebracht. Stellt euch vor, er hätte einfach gesagt, was er zu tun gedachte: »Ich will in meinem Dorf einen kleinen Literaturkreis gründen.«

    Zunächst, wer hätte ihm geglaubt? Denn er, Verfasser zahlreicher Manuskripte, für die er keinen Verleger gefunden hatte – »noch nicht, noch nicht«, sagte er zu seinen Freunden –, er, der meistausgezeichnete Poet seiner Generation, dessen Texte in der Kameruner Gazette und im Kameruner Weckruf erschienen waren, er war es leid, dass niemand in seinem Dorf ihn kannte, dass sein Cousin Hebga, der Boxer, allein durch die Kraft seiner Muskeln, der Schwarm der Gegend geworden war, wo er, Pouka, doch Ehrungen überseeischer Akademien und Orden für poetische Verdienste in der Kolonie erhalten hatte. Das war zwar nicht der Prix Goncourt, aber immerhin. Letztendlich hatte er begriffen, dass es den französischen Institutionen, die ihm Preise verliehen, völlig egal war, ob seine Landsleute jemals eines seiner Bücher sehen, ob die Einheimischen jemals erfahren würden, was ein Rondo war, und er hatte beschlossen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.

    Die Revolte? Nein, nicht mit ihm, der sich für einen französischen Untertan hielt. Das Bedürfnis nach Anerkennung gebiert manchmal Verrücktheiten, und die Revolte war eine Verrücktheit, die ihn bestürzte, wenn er daran dachte. In Wirklichkeit verachtete er seine Brüder, ja, das tat er. Trotzdem, der Gedanke, dass sie seine Werke nicht lesen konnten, erzürnte ihn. Kurz, in Wahrheit wollte er in seinem Dorf den Leser seiner Gedichte heranbilden, und er hätte euch gesagt, dass er sich darin nicht von Hugo, von Mallarmé und noch weniger von Gautier unterschied, dem er sich näher fühlte. Den Zweck seiner Reise konnte er seinem Vorgesetzten natürlich nicht anvertrauen. Doch war er zu ehrlich, um einen Trauerfall in seiner Familie vorzutäuschen, die glaubwürdigste Entschuldigung. Außerdem wusste man nie, welche Katastrophe man anrichten könnte, wenn man erzählte, der Vater wäre tot, oder wenn man seinen Großvater, der seit einigen Jahren unter der Erde lag, noch einmal sterben ließ.

    Im Bus, der ihn nach Edea brachte, dachte er über einen Grund nach, der seinem Vater seine plötzliche Ankunft erklären würde – oder vielmehr seine dreijährige Abwesenheit. Er wäre nicht der Erste gewesen, der sich eine Geschichte ausdachte, der gute Pouka: Gerade in solchen Zeiten hatte die Welt mehr als alles andere Angst vor der Wahrheit. Denn wer gab schon zu, dass das, was geschah – wie die Zeit auf einer Schweizer Uhr verging, der Wind über die neuen Blechdächer strich, ein Säugling in einem verschlossenen Zimmer wimmerte –, wirklich geschehen war? Auch unser Held, dieser eher hochmütige, aber schüchterne, häufig zaudernde junge Mann, der dem Duft der Frauen einen Tempel errichtet hatte, entdeckte plötzlich, was es hieß, allein zu sein – dass man in einem überfüllten Bus die stumme Illusion eines jeden Mitfahrenden teilte. Die Ferien! Das Dorf!

    In dem Augenblick, als sein Vater ihn im Hof des Familienanwesens umarmte, verstummte das Geschrei, das ihm vom Busbahnhof aus gefolgt war. Eine Verkäuferin gegrillter Kochbananen, die ihn wiedererkannt hatte, hatte den Hügeln der Bassa seine Ankunft verkündet. Sie hatte ihn übrigens begleitet und mit ihr die kleinen Jungen, die die Missionsschule für vier Monate auf den Spielplatz geschickt hatte.

    3

    Die vier Augen des Alten

    In Edea drehte sich die Welt in ihrem Rhythmus, der in diesem Moment den ehrwürdigen Gesten des Alten folgte. M’bangue besaß eine Macht, die ihm alles vor die Füße warf, was sich in der Gegend irgendeiner Autorität erfreute – außer den Franzosen natürlich, die niemals vergaßen, dass er früher Deutsch gesprochen hatte. Dafür gab es vielleicht andere Gründe, keine unzweideutigen, muss man sagen, denn wer hätte sonst in Zweifel gezogen, dass seine Vorhersagen richtig waren? Einmal war er nachts quer durch den Wald gelaufen, um seinen Bruder zu wecken, und hatte so mit knapper Not verhindert, dass dem das Dach seines eigenen Hauses auf den Kopf fiel. Jene, die seinen Worten keinen Glauben schenkten, hatten dafür teuer bezahlen müssen: zum Beispiel sein Schwager, der Holzfäller, der trotz seiner Warnungen aufgebrochen war, um Bäume zu fällen, und dann mit ansehen musste, wie einer der Bäume, an den er keine Hand angelegt hatte, sich auf merkwürdige Weise drehte und auf ihn fiel. Die unbestrittenste Begabung des Alten und die alltäglichste, nebenbei gesagt, war das Voraussagen von Regen, auf diesem Gebiet war er unschlagbar. M’bangue nannte euch die Stunde, zu der der Sturm kommen, seine Dauer und den Ort, wo er am heftigsten wüten würde, die Zahl seiner Opfer dort und deren Gesichtsausdruck in dem Fall, dass einige sich starrköpfig zeigten und seinen Rat, am Vortag nicht mit ihrer Frau zu schlafen, missachteten.

    »Hat er gebumst?«, fragte er bei einem Toten, der vom Blitz erschlagen worden war und den er genau davor gewarnt hatte.

    Vor Scham zog die Frau des Toten es vor zu schweigen, oder sie verbarg sich aus Angst vor Vergeltung. Niemand äußerte den Träumen des Alten gegenüber Skepsis, außer bei seinen Vorhersagen in Bezug auf Hitler, die zugegebenermaßen eher ungereimt waren. Das war aber nicht die erste Überspanntheit, die M’bangue sich leistete. Dass sein Sohn, wie einige wenige Jungen aus dem Dorf, es von der katholischen Schule bis in die französische Verwaltung geschafft hatte, ohne jemals sein Einverständnis einzuholen, lieferte, wie es hieß, die Erklärung dafür, dass er so lange nicht nach Hause gekommen war. Ein Traum von kommendem Unglück? Ein Schmollen des Vaters? Was? Von heute aus betrachtet, wäre es einfach, zu schreiben, dass M’bangue vorhergesehen hatte, was aus seinem Sohn werden würde! Schaut jedoch genauer auf die Streitereien zwischen einem ältesten Sohn und seinem Vater! Man sagte, dass man eines Abends oder doch an einem Nachmittag und warum nicht an einem Morgen laute Stimmen im Haus gehört hatte … Weinen der Mutter im Halbschatten eines Zimmers, Verwünschungen, die mitten im Salon ausgestoßen wurden. Aber was wird nicht alles erzählt!

    4

    Gedankenflüge ferner Unterhaltung

    Seine Séancen hatten für M’bangue die gleiche Bedeutung wie für seinen Sohn, den rechtzeitig Bekehrten, das Niederschreiben eines Gedichts. Der Alte hatte vor seinen Füßen einen Kreis gezogen. Er hatte eins, zwei, drei abgezählt, die Wahrscheinlichkeiten multipliziert und seine Gleichung neu aufgestellt. Er hatte sich mit beiden Händen das Gesicht getrocknet, als wolle er die Wahrheit seiner eigenen Prophezeiung in sich wachrufen, bevor er seine Vision darlegte und die Worte aussprach, die Pouka so aufgeschreckt hatten, dass er sich erhob und fortging. Eins wusste Pouka: Wenn er die väterliche Behauptung an seine Vorgesetzten weitergegeben hätte, die sich in der Hauptstadt dem Klatsch hingaben, sie wären aus dem Lachen nicht mehr herausgekommen. Sicherlich hätte es unangenehme Folgen gehabt, wenn die Kolonisten gelacht hätten, wenn Jaunde von dröhnendem Gelächter erschüttert worden wäre, besonders jetzt in den Tagen des Zerfalls, aber trotzdem, ja, trotzdem! Viele Visionen seines Vaters hatten sich nicht bewahrheitet, der Sohn konnte das bezeugen. Den Traum von Hitler wird er, Pouka, aber nicht vergessen, und gegenüber seinen Landsleuten, die ihn für einen großen Narren hielten, erinnerte er sich viel später der Worte, die damals in einem Salon in Edea beim Erwachen aus einer Trance, doch mit fester Stimme gesprochen worden waren, und in seinem Herzen dachte er: »Ich habe doch recht gehabt.«

    Ob man recht hat, misst sich am Fortschreiten der Geschichte, wie man weiß. Nun gehörte die Geschichte hier aber in das Reich des Unwahrscheinlichen, der Vorspiegelung falscher Tatsachen. Der junge Mann zuckte mit den Schultern wie jemand, der einen Namen vernahm, der zu gewichtig war, um glaubwürdig zu erscheinen, und erhob sich, indem er Luft an seinen Hintern brachte. Kurz danach im Hof seines Cousins, des Boxers, dachte er schon an etwas anderes. Er hatte keine andere Wahl: Die Worte seines Vaters trieben ihn fort.

    »Cousin«, rief der Boxer aus, als er die Tür seines Hauses geöffnet hatte, »du bist ja ein Weißer geworden!«

    Er drückte Pouka fest an seine Brust, fasste ihn an den Schultern, gleichzeitig betrachtete er sein Gesicht, nahm seine Kleidung unter die Lupe, musterte ihn bis auf die Knochen. Sein Ruf, weithin vernehmbar, rief herbei, was in der Gegend noch nichts von der Ankunft des Städters erfahren hatte, will heißen, einzig seine Freunde.

    »Sieh dir das an, Hebga!«

    »Das« erwies sich als jemand anders. Pouka war nicht mehr der kleine Junge im Schatten des Boxers, der ihm vor den Kämpfen die Hände bandagierte, ihm die Muskeln massierte, ihm auf den Bauch klopfte und die richtigen Worte wusste, die ihm den Mut gaben, seinen Gegnern das Gesicht zu zerschmettern. Er war nicht mehr der Pouka, der Hebga beim Boxen in Kampfstimmung brachte, doch war er deswegen gleich ein Weißer? Der Schreiber fand das amüsant, so wie er sich über die begehrlichen Blicke amüsierte, die seine Kleider verschlangen, seine Schuhe, und die auf seinen Schultern Paradiese zu sehen meinten, die der Amtsgehilfe, der er eigentlich war, dort niemals vermutet hätte. Das musste in der Bar der Trunkenbolde gefeiert werden, und der frisch Zurückgekehrte hätte das Dorf nicht von dem Bacchanal ausschließen können.

    Sein Glück: In Miningas Bar traf er Um Nyobè wieder, Schreiber wie er und wie er ein Sprössling der Missionsschule, der dann in die französische Verwaltung gegangen war, doch der Habitus des ewigen Jünglings und die Einfachheit von dessen Kleidung standen in krassem Gegensatz zu seiner eigenen stolzen Ausstattung. »Um sieht man den Seminaristen an«, sagte Pouka. Um Nyobè war vor ihm im Dorf eingetroffen, wegen eines plötzlichen Todesfalls in seiner Familie – »mein Onkel väterlicherseits« – und der Beerdigungsfeierlichkeiten, die seine Anwesenheit erforderten. Ihm blieben nur noch einige Tage, aber gut, aber gut.

    »Du auch nicht«, fiel Pouka über ihn her, »du besuchst mich nie. Man könnte meinen, ich sei ein Verbrecher geworden!«

    »Jaunde«, antwortete Um Nyobè, »du weißt ja selbst, wie es ist.«

    »Pouka wohnt in Madagaskar, hast du das vergessen?«

    Um Nyobè unterdrückte ein Lächeln. Nein, Pouka hatte sich nicht verändert. Die ganze Zeit … und seine Eitelkeit hatte sich um kein Jota verringert. Er sprach immer von sich in der dritten Person. Ach, Pouka! Dennoch, sein Viertel war ganz in der Nähe der Beamtensiedlung von Messa, wo Um Nyobè wohnte, wirklich nur ein bis zwei Kilometer entfernt.

    »Und dann, hast du vergessen, dass ich der Ältere bin?«

    Obwohl die Dorfbewohner sich wunderten, dass die beiden aus Jaunde sich nur hier in ihrem Dorf sahen, waren sie einer Meinung mit ihm: Es war an Um Nyobè, den ersten Schritt zu tun.

    »Oh, ich entschuldige mich«, räumte Letzterer ein und fügte hinzu: »Großer Bruder.«

    Pouka fand auch andere Freunde aus seiner Kindheit wieder, wie er es erwartet hatte. Fritz, zum Beispiel, hatte schon Familie. Seine Geschäfte führten ihn meist nach Duala, und er schien aufzählen zu wollen, welche Annehmlichkeiten das Leben bietet, »wenn man nicht für die Weißen arbeitet«, kurz, wenn man »sein eigener Chef« ist, wie er sagte. Hebga, wir müssen es zugeben, ließ ihm aber keine Zeit dazu.

    »Ach, meine Brüder«, rief der Boxer in eben dem Moment aus, »erzählt mir von Jaunde!«

    Heute würde man eher sagen: »Erzählt mir von Paris!« Mitte Juni 1940 hätte auch Hebga diesen Wunsch äußern können, wäre er nicht, wie alle in der Gegend, von den Volten der Geschichte abgeschnitten gewesen. Genau genommen hätte er fragen müssen, was Frankreich zugestoßen war, warum es so schnell kapituliert hatte, wie die Stadt des Lichts so leicht hatte fallen können, warum sie sich so schnell von den Deutschen hatte besetzen lassen, und dann vor allem, was unter diesen Umständen aus Kamerun werden würde. Ja, würde Kamerun in der Treuhandschaft eines besiegten Landes verbleiben? Die Burschen, die sich in Miningas Bar immer wieder umarmten, Bier tranken und Kochbananen mit Pflaumen aßen, würden bald auf diese Fragen kommen, glaubt mir. Wer den kühlen Blick Um Nyobès sah, ahnte es bereits, selbst wenn Hebgas inquisitorische Gedankensprünge die fröhliche Willkommensfeier bis spät ins Schnarchen der Nacht hinein überlagerten.

    5

    Wie Cousins aus der Sage

    Hebga war ein junger Mann in den Zwanzigern. Seine ausgeprägte Brustmuskulatur, auf der sich ein paar Haarbüschel unterscheiden ließen, stellte eine echte Herausforderung dar. Seine geflochtenen Haare, die durch einen Mittelscheitel geteilt wurden, ein Überbleibsel eines deutschen Haarschnitts, gaben ihm eine Eleganz, die das aufgebauschte Tuch unterstrich, das er großzügig zwischen seinen Beinen hindurch geschwungen und um die Hüften verknotet hatte. Für Pouka war er ein Adoptivbruder und war es immer gewesen. Was die beiden vereinte, hatte etwas von der mysteriösen Bindung im ländlichen Afrika, die stärker war als das Blut, das den Schreiber mit den fünfzig anderen Kindern seines Vaters verband, verdankte sich in Wirklichkeit aber der Hartnäckigkeit einer Frau. Denn Pouka war eigentlich von Sita erzogen worden, Hebgas Mutter, der ältesten Schwester seines Vaters, und für die Einwohner von Edea Mutter des Marktes. Sie hatte es nie ertragen können, dass sie nur ein Kind hatte, und den erstgeborenen Sohn ihres Bruders angenommen, als wäre er ihr zweiter. Dies geschah ganz im Sinne des jungen Pouka, der sich über seinen älteren Adoptivbruder freute, da er keinen leiblichen hatte.

    Die Verbindung zwischen beiden Jungen war in den Tiefen des Waldes geknüpft worden. Nach dem Tod des Vaters hatte Hebga Holzfäller werden müssen. Damals war er erst sechzehn Jahre alt. Dass ein Irokobaum ihn zur Waise gemacht hatte, hatte ihm, wie es schien, ein unstillbares Verlangen nach Rache eingegeben. Der Wald war von seinen zahllosen Feinden bevölkert. Allein stellte er sich dem Baumstamm gegenüber, dort, wo es normalerweise einer Legion von Männern bedurfte, um einen Stamm zu fällen. Pouka folgte ihm immer in die Wildnis, wobei er auf seinem Kopf Essen und Wasser trug, die Hebga Kraft gaben. Wenn Hebga seinen Kampf mit dem auserwählten Baum begann, rief Pouka ihm Worte der Ermutigung zu und stimmte manchmal Psalmen an, die seine Anstrengung verdoppelten. Ihre Verbindung stützte sich bald auf regelmäßige Gesänge und Seufzer, anfeuernde Worte und Mühen, und war bald so eng, dass man kaum sagen konnte, wer den anderen am meisten benötigte.

    Es war daher nur eine Frage der Zeit, dass die Tatkraft und der Schwung dieser Bruderschaft von Schweiß und Wort bekannt wurden. Edea wachte eines Morgens von lauten Stimmen auf, die ankündigten, dass Boxchampions ins Dorf kommen würden. Das war nichts Besonderes, denn mehrmals in der Trockenzeit fuhr die Eisenbahngesellschaft über Land, um ihr Spektakel vorzuführen und Geld einzusammeln. Die Beteiligten waren ebenso Schauspieler wie abgefeimte Sportler, die von einem durchtriebenen Manager trainiert wurden, einem Franzosen obendrein, der begriffen hatte, welchen Vorteil er aus der Inszenierung spektakulärer, doch vorgegaukelter Kämpfe ziehen konnte. Den Dorfbewohnern eröffnete er eine Gelegenheit, aus ihrem tristen Alltag auszubrechen. Zwei Kraftprotze schlugen sich unter dem Beifall der Meute die Köpfe ein, während die Frauen ihren Kindern die Augen zuhielten und die männliche Torheit verfluchten. Die Männer sahen lieber den Boxkämpfen zu als dem Wanderkino, das die katholische Kirche organisierte, denn mit der Zeit brachten Abbé Jeans Filme nur noch die Kinder zum Lachen. Also stieg die Nachfrage nach dem Boxen; die Gesellschaft machte sich die Kampfpausen zunutze und erhöhte die Wetteinsätze.

    Eines Tages passierte jedoch Folgendes: Einer in der Menge, ein Knabe, schüttelte sich vor Lachen, als der Ringrichter die Hand des von ihm zum Sieger Erklärten in die Höhe riss. Welches Insekt hatte Pouka gestochen? Er hörte nicht auf mit seinem despektierlichen Gelächter, der Flegel, als der Boxer, der zum Champion von Kamerun erklärt worden war, ihn mit seinen roten, blutunterlaufenen Augen ansah, ganz im Gegenteil! Wie elektrisiert davon, dass er plötzlich die Aufmerksamkeit der Menge auf sich gezogen hatte, rief der Junge, so laut er konnte: »Mein Cousin ist der Champion von Kamerun!«

    Die Boxer lachten schallend los. Sie waren aber die Einzigen in dem Nest, die Hebga nicht kannten. Gelegentlich hatten sie auf ihren Tourneen Dörfler angetroffen, bei denen die harte Feldarbeit schillernde Visionen gigantischer Siege heraufbeschwor und die aus Mangel an Bescheidenheit darin nicht den Größenwahn erkannten, der für den Ohnmächtigen charakteristisch ist. Vielleicht sah er eine Gelegenheit, noch mehr Geld zu verdienen, indem er der alltäglichen Routine einen Überraschungskampf hinzufügte – jedenfalls fragte der Manager die Menge: »Wer ist dieser Champion?« Niemand gab sich zu erkennen.

    »Wo ist er, dein Cousin?«, fragte er den Jungen.

    Pouka zeigte mit dem Finger auf ihn. Die Augen der Zuschauer richteten sich auf die stille Kraft, die wie alle dem Kampf ohne großes Interesse zugeschaut hatte. Von dem, was am Tag danach geschah oder eine Woche später, spricht man in Edea noch immer, jedoch nicht, weil der Sieger vom Vortag dem

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1