Wir haben hier keine bleibende Stadt: Das Buch zur Jahreslosung
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Ulrich Parzany macht sich in diesem Buch Gedanken zur Jahreslosung 2013 "Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir". Er zeigt, welcher Schatz in diesem Bibelwort steckt. Dabei beleuchtet er nicht nur den biblischen Hintergrund, sondern erzählt auch aus seinem eigenen Leben und zeigt nicht zuletzt ganz praktisch, was dieser Vers heute für uns bedeuten kann.
Ulrich Parzany
Jahrgang 1941, war Leiter der Projektarbeit von ProChrist. Er war Vikar in Jerusalem, Jugendpfarrer in Essen und Generalsekretär des CVJM-Gesamtverbandes in Deutschland. Mit seiner Frau Regine lebt er in Kassel, hat drei Kinder und fünf Enkel.
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Wir haben hier keine bleibende Stadt - Ulrich Parzany
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Unterwegs zum letzten Umzug
Wenn ich alle Studentenbuden mitzähle, bin ich in meinem Leben bisher sechzehnmal umgezogen. Ist das viel oder wenig – verteilt auf sieben Jahrzehnte? Es gibt wahrscheinlich Leute, die sind mobiler, andere sind sesshafter. Man sucht es sich nicht immer aus. Wem es Spaß macht, der zieht wie ein Nomade durch die Welt. Andere sind wie Eichen im Heimatboden verwurzelt.
Meine Frau und ich wohnen zur Miete und sprechen gelegentlich darüber, ob und wann ein weiterer Umzug nötig ist. Bisher wurden Ortswechsel durch Studium und Beruf verursacht. Im Alter stellen sich die Fragen anders. Die Kinder sind selbständig. Wie viel Raum ist noch nötig? Was kann man bezahlen? Wie ist es mit den Treppen? Und wohin mit den vielen Sachen, die man im Laufe des Lebens angesammelt und nicht rechtzeitig entsorgt hat? Bei Bücherwürmern wie mir gibt es da auch noch die Bücherwände …
Der englische Theologe John Stott, der 2011 im gesegneten Alter von 90 Jahren gestorben ist, hat in seinem letzten Buch das Leben als eine Pilgerreise zwischen zwei Zuständen der Nacktheit beschrieben. Man kommt nackt auf die Welt und kann im Tode nichts mitnehmen. Den Anfang finden wir ganz nett, weil wir, wenn es gut geht, den Zustand der Nacktheit und Hilflosigkeit überwinden, wenigstens teilweise. Je länger, desto weniger gefällt es uns, hilflos und auf andere angewiesen zu sein. Wir werden selbständig und unabhängig. Wenigstens möchten wir das gern werden.
Im Alter stellt sich dann heraus, dass wir noch hilfsbedürftiger werden, als wir trotz der behaupteten Selbständigkeit schon immer waren. Wer seine Menschenwürde in der Selbständigkeit und Unabhängigkeit sieht, muss folglich die zunehmende Schwäche und Hilfsbedürftigkeit im Alter als schweres Problem ansehen.
Dank der verbesserten Lebensbedingungen ist das zu erwartende Lebensalter in unseren Breiten stark angestiegen. Mädchen, die heute geboren werden, sollen eine durchschnittliche Lebenserwartung von 92 Jahren haben. Jungen einige Jahre weniger. Damit ist aber automatisch verbunden, dass diese alten Menschen auch schwächer und hilfsbedürftiger werden. Gegenwärtig werden 1,3 Millionen Demenzkranke in Deutschland gezählt. Im Jahr 2050 sollen es doppelt so viele sein. Es ist nicht zu bestreiten, dass das Alter sehr beschwerlich sein kann. Im Buch des Predigers Salomo lesen wir in 12,1:
Denk an deinen Schöpfer in deiner Jugend, ehe die bösen Tage kommen und die Jahre sich nahen, da du sagen wirst: »Sie gefallen mir nicht.«
In jedem Fall ist es hilfreich – egal, wie alt wir sind – wenn wir uns nicht in Illusionen wiegen, als könnten wir ohne die Hilfe anderer leben. Es ist unmenschlich, die Würde des Menschen von seiner Leistung und Leistungsfähigkeit oder gar von seiner Selbständigkeit und Unabhängigkeit abhängig zu machen. Unser Leben ist Gottes Geschenk. Wir leben von Anfang bis Ende vom Empfangen und vom Beschenktwerden. Alles wirklich Wichtige im Leben können wir weder kaufen noch erarbeiten. Vom leiblichen Leben angefangen über Vertrauen und Liebe, die Zeit und die Ewigkeit – wir bekommen alles geschenkt. Die Rechnung der Leistungsgläubigen geht nicht auf. »Nur Arbeit war sein Leben«, ist ein passender Spruch für eine Maschine, nicht einmal auf ein Pferd passt er.
Es mindert die Würde des Menschen nicht, dass er auf Empfangen und Hilfe angewiesen ist. Im Gegenteil: Es gehört gerade zu seiner Würde. Darum ist es menschlich, wenn wir uns mitsamt unserer Hilfsbedürftigkeit ansehen, annehmen und wertschätzen. Wenn wir das nicht lernen, werden wir in einer älter werdenden Gesellschaft unmenschliche Zustände erleben. Dann wird die Organisation der Beihilfen zum sogenannten menschenwürdigen Sterben, bei der es doch nur um möglichst problemlose Entsorgung der alten Menschen geht, im Vordergrund stehen.
Die Frage nach dem letzten Umzug stellt sich unausweichlich. Wir haben hier keine bleibende Stadt. Geht es dabei nur um die Frage »Wie viel Erde braucht der Mensch?«, die Tolstoi in seiner Erzählung von dem Bauern Pachom stellt? Der Landwirt erhält die Möglichkeit, so viel Land zu erwerben, wie er von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang umwandern kann. In seiner Habgier will er immer noch weitergehen, überschätzt seine Kräfte und bricht kurz vor Sonnenuntergang tot zusammen – und kurz, bevor er den Ausgangspunkt erreicht. Am Schluss heißt es: »Der Knecht nahm die Hacke, grub Pachom ein Grab, genauso lang wie das Stück Erde, das er mit seinem Körper, von den Füßen bis zum Kopf, bedeckte – sechs Ellen –, und scharrte ihn ein.«
Es befördert durchaus unsere Lebensweisheit, wenn wir uns des Umzugs unseres Körpers in Sarg und Grab bewusst sind – und das nicht erst, wenn wir im Seniorenalter sind. Aber es ist noch eine ganz andere Sache, wenn wir uns des Umzugs in Gottes neue Stadt gewiss sein können. Davon redet die Jahreslosung 2013: Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Wir werden in diesem Buch nach der Stadt der Zukunft Ausschau halten. Ich schreibe es mit der Absicht und dem Wunsch, dass das Leben der Leser von einer zukunftsträchtigen Vorwärtsbewegung erfasst und einer brennenden Hoffnungsfreude erfüllt wird. Wir werden aber nicht versäumen, auch über das notwendige Loslassen und Verabschieden nachzudenken. Auf diese Weise wollen wir die Jahreslosung durchbuchstabieren. Wir wollen sie in ihrem biblischen und geschichtlichen Zusammenhang bedenken und manchen Beobachtungen und Gedanken Raum geben, die dadurch ausgelöst werden.
Ich wünsche Ihnen Gottes Segen bei dieser Entdeckungsreise!
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Eine politische Frechheit
Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Der Satz war und ist eine politische Frechheit.
Die ganze damalige Welt bewunderte das ewige Rom – »Roma Aeterna«. Die Welthauptstadt hatte im 1. Jahrhundert nach Christus etwa eine Million Einwohner und konnte prachtvolle Bauten, vierstöckige Häuser für Mietwohnungen, eine ausgezeichnete Wasserversorgung und sogar ein funktionierendes Abwassersystem vorweisen. Vor allem war sie das Zentrum der Macht in der Welt. Rom, die ewige Stadt, war selbstverständlich die bleibende, also auch die zukünftige Stadt. Niemand wagte das zu bezweifeln, jedenfalls nicht ausdrücklich und öffentlich.
Nur diese jüdische Sekte, die daran glaubte, dass mit Jesus von Nazareth der verheißene Messias Gottes bereits gekommen sei, ließ sich vom ewigen Rom nicht besonders beeindrucken. Sie benahmen sich nicht aufrührerisch. Im Gegenteil. Sie zahlten brav ihre Steuern, von denen Rom eine Menge erhob. Sie respektierten die Arbeit der Regierung, soweit sie halbwegs für Recht und Gerechtigkeit, für Frieden und wirtschaftliches Auskommen sorgte. Sobald die Machthaber aber den Bogen überspannten und sich als die höchsten Autoritäten über das Gewissen der Menschen aufspielten, stießen sie bei den Jesus-Leuten auf Granit. Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen (Apostelgeschichte 5,29). So schlicht und einfach war ihre Überzeugung. Aber dafür ließen sie sich prügeln, köpfen und aufhängen.
Nein, Rom war nicht die Vision dieser Leute, die man seit einiger Zeit nach ihrem Glauben an Jesus Christus »Christen« nannte. Sie waren keine Mitläufer und Speichellecker der Mächtigen. Rom war für den Missionar Paulus nur eine Durchgangsstation. Dort gab es eine große Christengemeinde, die er in einem Brief ausführlich über die Grundlagen und Konsequenzen des Glaubens an Jesus Christus informierte. Paulus wollte in Rom Station machen, um von dort aus nach Spanien weiterzureisen und die Botschaft von Jesus in diese unerreichte Gegend Europas zu tragen. Rom war nichts weiter als ein Etappenziel.
Die ganze Welt sollte die Botschaft von der Rettung durch Jesus Christus hören. Erst dann würde Gottes Herrschaft in Herrlichkeit aufgerichtet. So hatte Jesus es angekündigt: Und es wird gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kommen (Matthäus 24,14).
Dann wird Gott die Hauptstadt der neuen Welt Gottes, das neue Jerusalem, errichten. Die wichtigtuerische Welthauptstadt Rom schrumpft auf das Maß eines Zwischenlagers.
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Eine religiöse Respektlosigkeit
Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Dieser Satz war auch eine religiöse Respektlosigkeit.
Die meisten Mitglieder der Jesus-Gemeinschaft waren Juden. Sie hatten nie die Absicht, etwas anderes zu sein oder zu werden. Im Gegenteil, durch ihren Glauben an Jeschua ha-Maschiach, Jesus, den Messias, waren sie zur Erfüllung