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Der doppelte Professor
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Der doppelte Professor

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About this ebook

Taschengeld ist eigentlich immer knapp. Glücklicherweise kann Tim sich etwas dazu verdienen. Am Rande des kleinen Eifeldorfs, in dem er lebt, wohnt der alte Professor Sutorius, ein zerstreuter Wissenschaftler, der in seinem Labor tagein, tagaus abenteuerliche chemische Experimente durchführt. Tim fegt das Laub von seinem Gehweg und wäscht seinen alten, verbeulten Wagen.
Eines Nachts schlagen aus dem Labor des Professors grelle Flammen. Der ganze Ort ist in heller Aufruhr, die Feuerwehr löscht, und das Feuer ist rasch unter Kontrolle. Allem Anschein nach ist der Schaden gering, aber von diesem Tag an benimmt sich der Professor höchst merkwürdig. Warum kann er plötzlich ohne seine Lesebrille die Absender auf den Briefen entziffern? Wie kommt es, dass er plötzlich Auto fahren kann, ohne den Motor fortwährend abzuwürgen? Seit wann trinkt er schwarzen Kaffee statt süßem Tee? Das schwarze Kleeblatt beschließt, ihn genauer unter die Lupe zu nehmen. Und da ist noch jemand, der den Professor nicht aus den Augen zu lassen scheint: ein geheimnisvoller Fremder mit Maßanzug und Sonnenbrille, der aussieht wie James Bond persönlich. Bevor Tim, Steffi, Olli und Fiete sich's versehen, wird die Beschattung des Professors für sie gefährlich!
LanguageDeutsch
Release dateOct 17, 2014
ISBN9783954412204
Der doppelte Professor
Author

Ralf Kramp

Ralf Kramp, geb. 1963 in Euskirchen, lebt in einem alten Bauernhaus in der Eifel. Für sein Debüt »Tief unterm Laub« erhielt er 1996 den Förderpreis des Eifel-­Literatur-Festivals. Seither erschienen zahlreiche Kriminalromane und Kurzgeschichten. In Hillesheim in der Eifel unterhält er zusammen mit seiner Frau Monika das »Kriminalhaus« mit dem »Deutschen Krimi-­Archiv« (30.000 Bände), dem »Café Sherlock«, einem Krimi-Antiquariat und der »Buchhandlung Lesezeichen«. Im Jahr 2023 wurde er mit dem Ehren-­Glauser für »herausragendes Engagement für die deutschsprachige Krimi­szene« ausgezeichnet.

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    Book preview

    Der doppelte Professor - Ralf Kramp

    Hunger

    Flaute im Portemonnaie

    Das mit dem Taschengeld ist natürlich immer so eine Sache. Wenn der Monat anfängt, und meine Eltern öffnen mit gerunzelter Stirn das Portemonnaie, um mir ein paar lausige Kröten in die Hand zu drücken, kommt fast immer gleichzeitig der Satz: »Denk dran, der Monat ist lang. Teil es dir ein, Tim!«

    Ich könnte ihn auswendig mitbeten. Tue ich natürlich nicht. Ich winke dann immer gleich ab und murmele so etwas wie »Na klar« oder »Wird gemacht« oder »Aye aye, Sir«, das dazu dienen soll, meinen Eltern die Sorgen zu nehmen. Ich möchte natürlich, dass sie mich auch weiterhin für ein besonders helles Köpfchen halten.

    Aber in meinem Kopf wirbeln dann im selben Augenblick schon die bunten Bilder von all den Dingen umeinander, die ich mir unbedingt noch kaufen muss und die ich schon so lange dringend brauche, wie auf einem riesigen Karussell. Das sind immer sehr viele Dinge.

    Es dauert meistens anderthalb Wochen, bis mein spärliches Sümmchen aufgebraucht ist, aber das brauche ich euch ja wohl nicht zu erzählen. Einmal hat es tatsächlich zweieinhalb Wochen gedauert! Das war mein persönlicher Rekord, auf den ich heute noch sehr stolz bin. Fairerweise muss ich dazu sagen, dass ich in diesem Monat beinahe anderthalb Wochen mit einer fürchterlichen Grippe im Bett gelegen habe.

    Nun gut, so hat es die Natur nun einmal eingerichtet, und meine Freunde Steffi und Olli beteuern mir stets, dass es bei ihnen kein bisschen besser läuft.

    Was kann einem also Schlimmeres passieren, als dass der Monat bereits halb verstrichen ist, dass einen das leere Portemonnaie angähnt und dass urplötzlich etwas ganz und gar Unvorhergesehenes eintritt? Etwas, das Geld kostet. Etwas, das mein Vater gerne als »Unvorhergesehene Ausgabe« bezeichnet.

    Es war April. Der Frühling hüpfte durch die Eifel und kitzelte mit seinen warmen Sonnenstrahlen überall die Blümchen aus dem Boden.

    Ich machte gerade auf Anraten meiner Eltern eine Fernseh-Diät. Das heißt, meine gemütlichen Stündchen vor der Mattscheibe waren vorerst gezählt. Dabei hatte ich erst zum Geburtstag im März die Star-Trek-DVD-Sammlung geschenkt bekommen. Würde das jetzt bis zum nächsten Winter dauern, bis ich mir die angucken konnte?

    Missmutig machte ich mich also mit dem Fahrrad und mit meinem Hund Fiete auf Tour.

    Fiete war offensichtlich begeistert, dass endlich der Frühling einzog. Er hatte im Garten bereits einen Schokoladennikolaus ausgebuddelt, den er zu Weihnachten vom Knabberteller gemopst und dann heimlich vergraben hatte. Der Schnee hatte ihn eine ganze Weile davon abgehalten.

    Fiete trabte neben mir her, und wir drehten eine gemütliche Runde durchs Dorf. Er kläffte gut gelaunt an jeder Straßenecke, als wolle er rufen: »Wir haben Vorfahrt!«

    Die Sonne lockte viele Menschen aus ihren Häusern hervor. Omas schwatzten, Kinder plärrten, Katzen brachten sich vor Fiete auf der nächsten Mauer in Sicherheit.

    Man hörte Kreissägen und Traktoren. In so einem Eifeldorf ist eine Menge los.

    Ich glitt gerade hinter der Kirche in die Kurve, dort, wo nur noch der alte Bauernhof von dem alten Opa Juchems und zwei, drei andere alte Häuschen stehen, als mich plötzlich etwas am Kopf traf.

    Es knallte, und Sternchen sausten durch die Luft, als ich im selben Moment mit dem Fahrrad ins Schlingern geriet, einem am Straßenrand geparkten Lieferwagen auswich und mit voller Wucht rechter Hand gegen die Böschung prallte.

    Mein rechtes Ohr brannte wie Feuer. Gott sei Dank war dem Fahrrad nichts passiert, und auch nicht Fiete, auf den ich beinahe draufgestürzt wäre.

    Als ich mich aufrappelte und umdrehte, sah ich einen ollen Fußball, der gemächlich über die Straße kullerte und langsam im Rinnstein zur Ruhe kam.

    Von irgendwoher hörte ich Kinderstimmen und Kichern und hallende Schritte, die sich rasch entfernten. Mich packte die Wut.

    Auch Fiete war offensichtlich empört. Er trabte kläffend auf den Ball zu, der es gewagt hatte, sein Herrchen auf dem Fahrrad anzugreifen. Dass der Ball zuvor von einem menschlichen Fuß zu dieser Tat überredet worden war, interessierte Fiete wenig. Er knurrte und wuffte und regte sich unglaublich auf. Vermutlich, weil der tolldreiste Ball sich nicht regte oder zitterte, sondern ganz cool liegen blieb.

    Ich rieb mein dröhnendes Ohr, während ich zu dem Ball hinstapfte und ein paar wütende Flüche vor mich hinmurmelte, die man hier unmöglich wiedergeben kann.

    »Blöde Rotznasen«, knurrte ich. Wohin war diese Bande von Feiglingen verschwunden?

    Ich hob den Ball auf und wendete ihn in den Händen. Ein oller, zerlumpter Lederball, mehrfach geflickt und vom Dreck verkrustet.

    Los, beiß ihn!, schien mir Fiete mit seinem Bellen sagen zu wollen.

    Aber ich ließ das alte Ding nur einmal lässig auf dem Kopfsteinpflaster auftitschen, holte weit mit dem rechten Fuß aus und verpasste ihm mit dem Innenrist einen echten Hammer, der ihn mindestens bis zum nächstgelegenen Planeten hätte befördern müssen.

    Leider flog er nicht ganz so weit.

    Es klirrte laut durch die Frühlingsluft, und Fiete verstummte augenblicklich. Er drückte sich flach auf den Boden und begann betrübt zu winseln.

    Das Haus, dessen Fenster ich getroffen und in einen Scherbenhaufen verwandelt hatte, stand etwas abseits. Es war klein, schmucklos und hatte einen reichlich verwilderten Vorgarten. Das Dach war grün bemoost, weil sich ein gewaltiger Nussbaum darüber in die Höhe streckte und Schatten warf. Angrenzend an das Haus gammelte eine Garage vor sich hin, deren metallenes Garagentor fleckig und zerbeult aussah.

    Im Rahmen des zerborstenen Fensters erschien jetzt ein Kopf, und schlagartig wurde mir klar, wer hier wohnte.

    Der Mann war etwa siebzig Jahre alt. Er hatte eine wie poliert glänzende Glatze, um die ein Kranz dünner, weißer Haare lag. Auf seiner scharfgeschnittenen Adlernase saß eine kleine, randlose Brille. Sein Hals war dünn und faltig, und seine langen, weißen Finger zappelten durch die Luft wie Spinnenbeine.

    Das war der Professor.

    Im Dorf hatte kaum jemand Kontakt zu ihm. Er war ein scheuer, älterer Herr, der mit seinem klapprigen, alten Opel mehr über die Landstraßen kroch als fuhr, und er war so zerstreut, dass er oft genug im Dorfladen seine Einkäufe stehen ließ, nachdem er bezahlt hatte.

    Olli hatte ihn kürzlich im Fernsehen gesehen. Irgendeine schnarchlangweilige Wissenschaftssendung. Olli guckt solche Sachen ganz gerne. »Das ist ein hochintelligenter Mann«, hatte Olli gesagt.

    Und jetzt hatte ich diesem hochintelligenten Mann die Scheibe zertrümmert, und er stand nur da und schnappte mit dem Mund nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.

    Ich kenne einige, die jetzt an meiner Stelle gleich Reißaus genommen hätten. Aber ich versuche seit jeher für den Mist, den ich ab und an fabriziere, geradezustehen. Zum Beispiel auch für einen glänzenden Pass mit einem Fußball, der gar nicht mir gehört.

    Also ging ich mit hängenden Schultern zu dem Professor hinüber. Ich öffnete das Gartentörchen, das schief in den Angeln hing und schrecklich quietschte, und bummelte schuldbewusst über die bemoosten Gehwegplatten zum Haus.

    Der Professor kriegte immer noch keinen Ton heraus. Würde jetzt endlich das Donnerwetter kommen? Oder musste ich irgendwo den Ton lauter drehen?

    »Entschuldigung«, murmelte ich. »Das hab ich nicht gewollt.«

    »Das will ich aber auch … Du kannst doch nicht … wenn so was … also wirklich …«

    Er verschwand und ließ ein dunkles Loch zurück, umrahmt von ein paar gefährlich aussehenden Glaszacken.

    Im nächsten Augenblick öffnete sich die Haustür. Sie schrubbte mit einem fiesen, knirschenden Geräusch über den Holzboden des dahinterliegenden Flurs. Das Haus machte wirklich einen verkommenen Eindruck. Der Professor hielt jetzt den Ball in der Hand und rückte sich mit dem Finger die Brille auf dem Nasenrücken zurecht. Sein Körper steckte in einem weißen Kittel, und um seinen Hals baumelte eine zerknitterte Krawatte, auf der man deutlich erkennen konnte, was er in den letzten drei, vier Tagen alles zu Mittag gegessen hatte.

    »Ist das … ist das deiner?«, stammelte er und zeigte auf den Ball.

    »Nein. Der gehört mir nicht.«

    »Aber mein … na ja, mein Fenster, das ist … das ist …«

    »Kaputt«, half ich ihm. »Ja, ich habe es versehentlich kaputtgeschossen. Aber der Ball gehört nicht mir.«

    »Und … und nun? So ein … so ein Fenster ist teuer.«

    Natürlich sind meine Eltern gegen solche Unfälle versichert. Das Drama ist nur, dass ich in diesem Moment

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