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Gute Reise: Sag' mal, haben wir eigentlich den Herd abgestellt?
Gute Reise: Sag' mal, haben wir eigentlich den Herd abgestellt?
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Ebook131 pages1 hour

Gute Reise: Sag' mal, haben wir eigentlich den Herd abgestellt?

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"Der Herd ist abgestellt", sage ich, und meine Frau meint: "Bist du sicher? " Das kommt Ihnen bekannt vor? Dann hat das Gutmann'sche Gespür für die typischen Alltagssituationen wieder zugeschlagen. Ob sonderbare Urlaubserinnerungen, Chaos auf Bahnhöfen, merkwürdige Wegbeschreibungen oder eben jener vermeintlich vergessene Herd - Gutmann lässt nichts von dem aus, was uns allen vor oder in den Ferien schon passiert ist und zeigt damit einmal mehr, dass er uns alle besser kennt, als wir denken ...
LanguageDeutsch
Release dateAug 30, 2013
ISBN9783837880151
Gute Reise: Sag' mal, haben wir eigentlich den Herd abgestellt?

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    Gute Reise - Hermann Gutmann

    Hermann Gutmann

    Gute Reise

    Sag mal, haben wir eigentlich den Herd abgestellt?

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

    Titelillustration: Peter Fischer

    © Edition Temmen 2013

    Hohenlohestraße 21

    28209 Bremen

    Tel. 0421-34843-0

    Fax 0421-348094

    info@edition-temmen.de

    www.edition-temmen.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Gesamtherstellung: Edition Temmen

    E-Book ISBN 978-3-8378-8015-1

    ISBN der Printausgabe 978-3-86108-998-8

    Machen wir nur Urlaub, oder steigen wir aus?

    Manchmal träume ich davon, alle Klamotten hinzuwerfen und auszusteigen, wie man das heute so nennt, und wie es mein alter Freund Hubertus vorgemacht hat. Ich habe übrigens lange nichts mehr von ihm gehört.

    Ich meine jetzt allerdings nicht, dass ich etwa so aussteigen möchte, wie mein Großonkel Hermann, den ich infolge meiner späten Geburt nie kennen­gelernt habe.

    Der hatte nach einer ziemlich verlotterten Jugend mit Müh und Not gerade eine Anstellung bei der deutschen Reichspost bekommen, und die Post – das war lange vor dem Ersten Weltkrieg – hatte ihn vorsichtshalber gleich in ein winziges Kaff im hintersten Teil Ostpreußens versetzt, wo er, wie die Post meinte, nichts Gravierendes anrichten konnte. Das war aber ein Trugschluss. Im Jahre 1907 klaute mein Großonkel Hermann nämlich den Inhalt der Postkasse und ließ sich dabei natürlich, schusselig wie er war, erwischen.

    Daraufhin ist er von seinem Vater, meinem Urgroßvater, der damals Rektor eines Gymnasiums in Naugard in Pommern war, mit einem Zehrgeld versehen, nach Amerika expediert worden. Man hat nie wieder etwas von ihm gehört. Es wurde in der Familie allgemein angenommen, dass aus ihm ein stets unrasierter Tramp geworden sei.

    Also, so etwas Peinliches meine ich natürlich nicht für mich.

    Ich habe auch keine Lust, Hafenkapitän in San Francisco zu werden wie der Vetter meiner Großmutter mütterlicherseits, der dort allerdings eine Indianerin geheiratet hat, was ihm von der gesamten Familie, vor allem von den Frauen, übel vermerkt wurde. Denn die Indianerin war außerordentlich hübsch. So etwas Hübsches passte gar nicht in die Familie.

    Abgesehen von der hübschen Indianerin, wäre mir der Weg vom mittellosen Auswanderer bis zum Hafenkapitän in San Francisco auch zu beschwerlich gewesen.

    Aussteigen, wie ich es empfinde, hat eine verdammte Ähnlichkeit mit Urlaub.

    Dabei fällt mir ein älteres Ehepaar ein. Das saß in einem blauen Segelboot, mit dem es an einem wunderschönen Sommerabend den stillen Hafen von Rönne auf der dänischen Insel Bornholm verließ.

    Die Ostsee war spiegelglatt. Das blaue Segelboot fuhr schnurgerade nach Westen und wurde immer kleiner und kleiner. Und ich guckte hinterher, bis ich es nicht mehr sehen konnte.

    Oder denk doch mal an den alten Hasch. Der fährt in jedem Jahr, immer wenn die Sommersaison zu Ende ist, auf die Nordseeinsel Helgoland. Dort besitzt er eine Wohnung und verbringt seine Zeit unter anderem damit, dass er jeden Morgen, den der liebe Gott bringt, in den Südhafen stiefelt. Da befindet sich ein Schaukasten, dem man die Wettermeldungen entnehmen kann. Auf diese Weise erfährt der alte Hasch immer, wie das Wetter gerade ist. Anschließend setzt er sich auf eine Bank und guckt in den Hafen, in dem manchmal Fischkutter aus Fedderwardersiel oder aus Greetsiel liegen. Sie können aber auch aus Büsum sein.

    Doch ob man das nun als Aussteigen bezeichnen kann oder als Urlaub, das weiß ich auch nicht.

    Tatsache ist, dass ich in Vaison-la-Romaine in der Provence auf dem Marktplatz gesessen habe. Vor mir, oben auf dem Berg, die burgähnliche Altstadt, hinter mir und für mich in diesem Augenblick nicht zu sehen, die römische Stadt, von der vor allem Ruinen zurückgeblieben sind, und ich – wie gesagt – auf dem Marktplatz in einem kleinen Straßencafé gleich rechts an der Ecke.

    Bob, ein Amerikaner, erzählte von seiner Familie, die irgendwo im Westen der Vereinigten Staaten wohne und zurzeit gar nicht wisse, wo er stecke. Und Lisette aus Brüssel schilderte zum soundsovielten Male, wie sie ihrem Mann ausgerissen sei. Der habe das in seiner Denkfaulheit zuerst gar nicht gemerkt, wie sie von Verwandten erfahren habe. Jetzt allerdings sei er ständig am Jammern, weil er sich so allein fühle, und sie habe ihm einen freundlichen Brief geschrieben. Denn sie brauche Geld. Und davon habe er eine ganze Menge.

    Während sie noch redete und redete, kamen Jean-Marie und Philippe vorüber. Das sind die beiden dicken Brüder, die in Vaison-la-Romaine für die Stadtreinigung zuständig sind und an Markttagen aufpassen müssen, dass alles seine Ordnung hat.

    Sie setzten sich dazu und bekamen von Bob einen Espresso ausgegeben. Denn Bob hat Kredit beim Wirt, der in der Zeitung gelesen hatte, dass alle Amerikaner im Geld schwimmen.

    »Wie steht der Wein in diesem Jahr, Jean-Marie?«, wollte Bob wissen.

    Jean-Marie, der über alles informiert ist, kniff die Augen zusammen und sagte, indem er auf seinen Bruder deutete: »Für uns zwei wird’s reichen.«

    Aussteigen, das hat, wenn ich das mal so sagen darf, ein bisschen was damit zu tun, durch die Welt zu bummeln, Abenteuer zu suchen, die nicht gar so unbequem sind, und sie auch zu bestehen.

    Sie sehen daran: Aussteigen ist wirklich so eine Art Urlaub.

    Und es ist – wenn man so will – eine Flucht vor sich selbst. Denn wir woll’n mal ehrlich sein, von allen Menschen, die es gibt, kann man sich, bei aller Sympathie, selbst am meisten auf die Nerven gehen.

    Und so gesehen wollen wir uns vom Aussteigen wie auch vom Urlaub nicht allzu viel versprechen, denn wohin wir auch gehen, ob wir ins Segelboot steigen oder den Marktplatz von Vaison-la-Romaine bevölkern – wir bleiben doch immer bei uns selbst.

    Unter diesen Umständen ist es vielleicht billiger und weniger strapaziös, wir setzen uns zu gegebener Zeit auf die kleine Bank in unserem Garten, beobachten das Rotkehlchen, das immer zutraulicher wird, und die Amsel, die seit einiger Zeit einen Graukopf bekommen hat – sie ist auch nicht mehr die Jüngste.

    Und dann kommt einer vorbei, den wir kennen. Das ist der alte Willibald Meyer, der es ebenfalls aufgegeben hat, sich in Amsterdam, Budapest, Prag, Krakau und auf der chinesischen Mauer zu suchen, weil er sich inzwischen in seiner Eigentumswohnung im 13. Stock gefunden hat.

    Und wenn wir Glück haben, kommt auch noch Horst Nischan vorbei, leider ohne Akkordeon. Wir unterhalten uns über die alten Zeiten und wie es wäre, wenn wir jetzt ganz woanders säßen, in einer fremden Umgebung, und dann mit unseren Zipperlein und ohne unseren vertrauten Doktor, der uns seit Jahren kennt.

    In Vaison-la-Romaine wüssten wir nicht einmal, wo ein Doktor wohnt. Und finden Sie mal eine Arztpraxis mitten in der Ostsee – weit westlich von Bornholm.

    Alltägliche Reiseerinnerungen

    Es sind in den meisten Fällen nicht die spektakulären Sehenswürdigkeiten, die den Erlebniswert einer Reise ausmachen.

    Eine Reise lebt von Alltäglichkeiten.

    Wenn ich zum Beispiel an Straßburg denke, fällt mir ganz bestimmt nicht sofort das Europaparlament ein. Aber auch nicht das Münster, obwohl ich dort einmal beinahe hinausgeworfen worden wäre, weil ich, tief in mich selbst versunken, vergessen hatte, meine Mütze abzusetzen.

    Gerettet hat mich der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt. Denn ich trug einen Elbsailer, den der Straßburger Kirchenaufseher mit der Prinz-Heinrich-Mütze des Kanzlers verwechselt hatte. Er nannte mich freundlich »Helmut«, um mich dann allerdings in ernsten Worten an meinen »Fauxpas« zu erinnern,

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