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Jeder Tag ein Muttertag: Satiren aus dem alltäglichen Familienchaos
Jeder Tag ein Muttertag: Satiren aus dem alltäglichen Familienchaos
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Jeder Tag ein Muttertag: Satiren aus dem alltäglichen Familienchaos

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Warum ein Liptauer Anlass für einen versteckten Mutter-Tochter-Konflikt ist, sich Großväter oftmals betrinken müssen und die schönsten Weihnachten mit dem Hund in der Badewanne gefeiert werden, beschreibt die Autorin mit viel Witz und einer großen Portion (Selbst)Ironie. Das vielzitierte Mutterglück entlarvt sich als emotionale Hochschaubahn, ein Leben zwischen Beruf, Küche, plärrenden Kindern, genervten Pädagogen und hysterischen Verwandten.
Pfiffig gewürzt und zubereitet sind die zwanzig Kurzgeschichten von einer Frau, die es wissen muss. Die Autorin ist Mutter von vier aufgeweckten Kindern. Eines ist gewiss: Nach zwanzig Jahren ist das Schlimmste überstanden. Hoffentlich!
Ein Buch für Männer, Frauen, Väter, Großväter, Großmütter, Mütter und all jene, die es nach dieser Lektüre trotzdem noch werden wollen.
LanguageDeutsch
Release dateJun 6, 2013
ISBN9783902862297
Jeder Tag ein Muttertag: Satiren aus dem alltäglichen Familienchaos

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    Jeder Tag ein Muttertag - Katharina Grabner-Hayden

    Ein Vorspiel

    Nicht schon wieder ein Familienratgeber!

    Dieses Buch ist keiner. Versprochen! Nur eines vorweg: Das vorliegende Buch ist gefährlich, denn entweder stürzen Sie sich nach Beendigung dieser Lektüre mit Ihrem Partner ins Bett und zeugen zehn Kinder, oder Sie greifen zitternd zum Telefon und vereinbaren einen Termin bei Ihrem Gynäkologen – zur baldigen Sterilisation.

    Bei mir ist es zu spät, ich habe vier Kinder. Und was für welche!

    Ich lebe mit der Rasselbande auf dem Lande, aus Liebe zur Natur. Der wahre Grund aber ist, wir wären aus unserer Mietwohnung in Wien schon hundertmal delogiert worden. Nicht aus Geldmangel, sondern wegen der Lärmbelästigung, die meine kleinen Lieben täglich produzieren. Denn das Alter meiner Kinder erstreckt sich von Windelträgern bis pubertierende Jugendliche. Wobei manches Mal nicht klar ist, welche Lebensphase einer Mutter angenehmer erscheint: schreiendes Kleinkind oder jugendlicher Besserwisser.

    Uns zu beschreiben fällt mir besonders schwer. Subjektiv gefärbt, als stolze Mutter von vier Söhnen, würde ich sagen: »Es gibt nichts Schöneres!«, obwohl mir schon das erleichterte Aufatmen mancher Gäste beim Verlassen unseres Hauses aufgefallen ist, die einen baldigen Besuch versprachen und dann nie wieder kamen.

    Ein Freund des Hauses, von Beruf Priester, hat es einmal trefflich formuliert. Bei jedem noch so kleinen Zweifel an seinem zölibatären Leben würde er uns aufsuchen, bereits nach zwei Tagen sehne er sich wieder ins Kloster zurück.

    Schön, dass wir ihm dabei immer wieder helfen können.

    Eine Familie ist ein komplexes und kompliziert zu durchschauendes soziales Gewebe, ein Strickpullover mit bunten, teils dünneren, teils dickeren Fäden, mit geraden und ungeraden Maschen, nie fertig und doch immer mit vollem Enthusiasmus gestrickt.

    So ist auch meine Familie, ich liebe sie und bei all den Mühseligkeiten und schwierigen Situationen, die die Lieben jeden Tag bereiten, würde ich heute mit Edith Piaf singen: »Non, je ne regrette riens« – Nein, ich bereue nichts.

    In keinem noch so teuren Seminar über Organisationsentwicklung, Prozessmanagement, Rhetorik, Gruppenführung oder Motivation kann man so viel lernen und auch effizient umsetzen, wie in einer Familie.

    Ein ständiges Auf und Ab, ein Sich-Lieben und Zeitweise-aus-dem-Weg-gehen, ein Aufraffen, ein Diskutieren, ein Streiten und Wiederfinden in einem Meer von ungelösten Problemen, neuen Handlungsperspektiven und Heiterkeiten. Unterschiedliches Alter, unterschiedliche Generationen mit ihren Meinungen und Visionen können blühen oder auch welken, dem ständigen Risiko ausgesetzt, dass das System kippt.

    Ich habe in den vorliegenden Geschichten versucht, humorvoll Alltäglichkeiten zu beschreiben, die außerge-wöhnlicher nicht sein können, und doch werden sich viele Frauen, besonders Mütter, darin wiederfinden. Allein, eines steht fest: Frauen leisten Unvorstellbares!

    Ich habe Geschichten über dieses bunte, undurchdringliche Gewebe an geraden und ungeraden Maschen geschrieben, das sich Familie nennt. Kurzgeschichten, die auch noch abends gelesen werden können, bevor der Schlaf die ewig müden Glieder übermannt.

    Ein kleiner Trost für alle Mütter: In zwanzig Jahren ist das Ärgste überstanden! Hoffentlich!

    Ich danke vielen meiner Freundinnen, deren Erfahrungen und Erlebnisse als Mütter in dieses Buch eingeflossen sind, meinen Kindern, die mir die besten Alltagsgeschichten lieferten und meinem geduldigen Ehemann, der, während ich dieses Buch schrieb, die Kinder versorgte, kochte, sich um den Haushalt kümmerte und mich einfach so sein ließ, wie ich bin.

    Eine schreibende Mutter.

    Das Geheimnis

    »Mama, schläfst du schon?«

    »Fast.«

    Es ist halb elf Uhr in der Nacht. Johannes ist unter meine Bettdecke gekrochen und schmiegt sich zärtlich an meine Seite.

    Stille.

    »Mama?«

    »Ja.«

    »Bist du noch gar nicht aufgeregt?«

    »Warum sollte ich aufgeregt sein?«

    »Na, weil in zwei Tagen Muttertag ist!«

    »Warum sollte ich da aufgeregt sein?«

    »Weil du so tolle Geschenke bekommst, aber ich darf dir nichts verraten!«

    »Dann sag bitte nichts. Es soll ja eine Überraschung werden.«

    Stille.

    »Mama?«

    »Ja?«

    »Ich habe dich ganz super lieb!«

    »Ich dich auch, mein Schatz. Willst du Wasser trinken oder musst du aufs Klo?«

    »Nein, ich muss nicht.«

    »Dann schlaf jetzt, mein Kind. Gute Nacht!«

    »Gute Nacht, Mama!«

    Stille.

    »Mama?«

    »Johannes, du darfst heute bei mir schlafen, also sei bitte still. Weck die anderen nicht auf und mach die Augen endlich zu.«

    »Okay.«

    Stille.

    »Mama?«

    »Pst!«

    »Willst du gar nicht wissen, was Papa dir zum Muttertag schenkt?«

    »Nein, mein Schatz, es soll ja eine Überraschung werden.«

    »Er schenkt dir eine neue Kette, so eine, die du dir immer schon gewünscht hast.«

    »Echt?«

    »Ja, eine mit Glasperlen, die so schön glitzern, wenn die Sonne drauf scheint.«

    »Da freu ich mich aber sehr, mein Schatz! Sei jetzt ganz still und versuche zu schlafen.«

    »Okay.«

    Stille.

    »Mama, die anderen haben auch ganz tolle Geschenke für dich.«

    »Das glaube ich dir, aber sag jetzt nichts mehr, sonst verratest du mir ja alles.«

    »Wir haben dich aber alle so lieb!«

    »Ich euch auch! So, und nun schlaf endlich!«

    »Okay.«

    Stille.

    »Mama?«

    »Ja?«

    »Meines hab ich so gut versteckt, dass du es nie finden kannst.«

    Ich bin schon so müde, dass ich kaum mehr antworten kann. Ich lege mich zur Seite, und wir liegen Körper an Körper gekrümmt im Bett. Ich rieche an seinen Haaren, sie duften wie ein Weizenfeld im Sommer.

    »Ich liebe dich«, hauche ich ihm in sein kleines Ohr.

    »Ich dich auch.«

    Stille.

    »Mama, von Ferdinand bekommst du einen selbstbemalten Bilderrahmen.«

    Stille.

    »Und von Constantin einen Topflappen.«

    Stille. Ich schlafe bereits.

    »Mama?«

    Stille.

    »Mama!!!«

    »Ja, mein Schatz.«

    Ich bin nun munter, der Kleine hat es endlich geschafft.

    »Mein Geschenk habe ich so gut in der Speisekammer hinter dem Mehl versteckt, darauf wärst du nie gekommen!«

    »Spann mich nicht mehr auf die Folter!«

    »Nein, das kann ich dir nicht sagen, ist ja eine Überraschung!«

    »Sag schon!«

    »Nein!«

    »Sei nicht so, bitte!«

    »Schlaf jetzt endlich, Mama!«

    »Nein, jetzt kann ich nicht mehr!«

    »Pst, du weckst ja alle anderen auf!«

    »Sag schon, was ist es?«

    Johannes hat mich nun wirklich neugierig gemacht.

    »Nein, kann ich nicht, das soll ja eine Überraschung werden!«

    Stille.

    »Johannes?«

    »Mmhh?«

    »Johannes!!«

    »Mama, lass mich endlich schlafen!«

    »Du hast mich ganz aufgeregt gemacht! Sag schon, was ist es denn?«

    »Das darf ich dir nicht sagen. Aber sei jetzt endlich ruhig, zwei Mal noch schlafen und dann ist eh Muttertag, gute Nacht!«

    »Gute Nacht!«

    Eine fast perfekte Familie

    Wir sind eigentlich eine ganz normale Familie. Vater, Mutter und vier aufgeweckte Buben.

    Ein Mittelding aus bekannten amerikanischen Erfolgsserien, die bei uns in Europa im Vorabendprogramm laufen und bei denen man sich immer denkt: Gott sei Dank, das gibt’s nur im Fernsehen!

    Stimmt nicht ganz, meine Familie ist ein Verschnitt aus Malcom mitten drin und der Addams Family.

    Wobei mir als Mutter der Teil der keifenden, schreienden Horrormutter zukommt, die Kinder immer arm sind und der Vater zwischen beruflicher und persönlicher Überforderung hin und her pendelt.

    Eltern sind immer im Unrecht, Kinder immer im Recht. Und zwischen diesen Welten leben und lieben wir uns.

    Vielleicht sind wir am besten über unseren Kühlschrank zu beschreiben.

    Als eines Tages ein lieber Freund zum Abendessen erschien, wollte er sich in der Küche etwas nützlich machen. Er fragte, wie er mir helfen könne.

    Ein Gläschen Prosecco wäre nun das Richtige für mich. Den fragenden Augen meines Freundes antwortete ich kurz: »Im Kühlschrank«.

    Zum besseren Verständnis ist zu erwähnen, dass er unverheiratet und kinderlos ist.

    Andreas machte unbekümmert den Kühlschrank auf und erstarrte zur Salzsäule.

    Neun Liter Milch, zwölf Joghurts, vier Packungen Butter, ein halber Kilo Käse, sechs Flaschen Bier, drei Stangen Wurst, Gläser mit Gurken und Mais. Vierundzwanzig Eier, zwei Hühnchen und eineinhalb Kilo Schweinskarree für den nächsten Tag.

    »Um Gottes willen, was ist denn das?«, konnte ich ihn nach Luft ringend noch stöhnen hören.

    »Das ist der Vorrat unserer Familie für die kommenden zwei Tage.«

    Für eine Woche ergibt das eine Rechnung von vierzehn Litern Milch, vier Kilo Brot, fünfzig Dekagramm Schinken, einem halben Kilo Käse. Umgelegt auf ein Jahr, wenn wir nur bei Wurst, Käse und Milchprodukten bleiben, 728 Liter Milch, 208 Kilo Brot, 26 Kilogramm Schinken, 26 Kilo Käse und tausende Joghurts.

    Da soll mir nun ein Wirtschaftswissenschafter erzählen, Familien würden eine Volkswirtschaft belasten, ganz im Gegenteil! Je kinderreicher ein Haushalt, desto mehr wird das Bruttoinlandsprodukt angekurbelt.

    Kindergartenpädagogen, Lehrer, Ärzte, Bekleidungs- und Sportfachgeschäfte, Beamte der Sozialversicherung, Physiotherapeuten und – für Mütter im späteren Alter – Psychotherapeuten. Viele Wirtschaftszweige leben von solchen Großfamilien, wie wir eine sind.

    Sah man mich vor wenigen Jahren mit meinen Liebsten in Großmärkten und Billigstores einkaufen, so war ich die Mutter, die mit zwei Wägen bewaffnet durch die kilometerlangen Flure fuhr. In einem Einkaufswagen saß bequem mein Jüngster, wie ein König thronend, daneben Windeln, Öltücher, zwei Kisten Mineralwasser und Bier, Fleisch, Nudeln, Kartoffeln, Salat und kiloweise Karotten, Mehl im Zehnerpack und für die übermüdete Mutter sieben Dosen Energydrinks, für jeden Tag eine, gleich zum Frühstück.

    Irgendwann war Manuel unter den Bergen an Klopapier und Nudelsäcken verschwunden. Er liebte dieses Versteckspiel, konnte er doch unbemerkt die Reissäckchen öffnen und seinen Brüdern, die irgendwo im Geschäft zwischen beladenen Einkaufswägen anderer genervter Mütter ihre Späßchen trieben, mittels einer Reis- oder Semmelwürfelspur zeigen, wo wir uns gerade befanden. Hätte ich ihm doch nie die Geschichte von Hänsel und Gretel erzählt!

    Von einem Einkaufserlebnis konnte da keine Rede mehr sein.

    Wenn die Kassen klingelten, störte es auch niemanden, dass sich Ferdinand, Johannes und Constantin ständig an den Regalen vergriffen, da mussten noch Fruchtzwerge oder tonnenweise Chips in den Wagen.

    Mühselige Verhandlungen und Dispute folgten. Chips seien reine Chemie und machen nur dick, Mami würde so etwas nie essen, versuchte ich ihnen zu erklären.

    »Warum bist du dann so dick?«, konterte unschuldig Johannes. Das tat weh.

    »Weil Mamis starke Frauen sein müssen, damit sie das alles schleppen und heben können«, antwortete ich in sein unschuldiges Gesicht.

    »Dazu brauchst du nur Muskeln, aber keinen so großen Hintern«, grinste mich Ferdinand an, während er sieben Stangen Schokolade in den Einkaufswagen legte.

    Ferdinand ist der Älteste und zugleich der Wortgewandteste der Rasselbande.

    Was anfänglich entzückend auf die Erwachsenenwelt wirkte, stellte sich im späteren Alter immer mehr als verbaler Bumerang heraus, der uns Eltern traf und uns zur Weißglut trieb. Von klein auf haben wir uns intensiv um ihn gekümmert, er stellte tausend Fragen, die wir als junge, naive Eltern sehr gewissenhaft und ehrlich beantworteten.

    So war Ferdinand ein Kind, das man wahrscheinlich als frühreif bezeichnen konnte. Seine Rhetorik war beeindruckend. Nicht so sein Verhalten.

    Denn als er sauber werden sollte, der Kindergarten stand vor der Türe und man nahm nur Kinder, die keine Windeln mehr trugen, sahen wir uns veranlasst, den ganzen Sommer an seinem Zwang, eine »Windel haben« zu müssen, zu arbeiten. Der eigentliche Grund seiner Vorliebe für Windeln war die Eifersucht auf seinen jüngeren Bruder Johannes, aber das verstanden wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, denn wir dachten, wir würden liebevolle Eltern für beide sein. Ferdinand strafte uns daher mit dem Tragen von Windeln. Oft erklärte ich ihm die Zusammenhänge, so viel Plastik sei schlecht für die Umwelt, er könnte in seinem Alter auch schon einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Er verstand, aber seine Geschäfte musste er trotzdem in das warme kleine Ding verrichten.

    Wie es in pädagogischen Lehrbüchern über Kindererziehung steht, belohnten wir ihn und versprachen ihm hunderte Dinge. Nichts half.

    Bis die beste Schwiegermutter eines Tages mit einer liebreizenden Plastikschildkröte auf Besuch kam. Man konnte ihren braunen Panzer heben und das kleine Ding als Klo benutzen. Stolz präsentierte sie mir ihre neue Idee, die ich zweifelnd Ferdinand vorstellte. Dieser war sichtlich entzückt und uns glänzten die Augen vor Freude, jetzt hatten wir ihn überlistet. Plötzlich stand er auf, holte sich eine Windel, zog sie sich fachmännisch selbst an, wie er es gewohnt war, und versteckte sich wie üblich hinter dem Vorhang.

    Auf meine Aufforderung, er bräuchte keine Windel mehr, weil er nun einen kleinen Plastikfreund hätte, der mit ihm seine Intimitäten teilen könnte, meinte er lapidar: »Mama, das ist ja reizend von Omi, mir dieses Geschenk zu machen, aber ich kann doch nicht in so eine liebe Schildkröte scheißen, da ist mir die Windel lieber und auch hygienischer!«

    Ich hatte verloren. Irgendwann löst sich aber bekanntlich jedes Problem, wenn man nur nicht so verbissen daran arbeitet.

    Nun wieder zurück in den ganz normalen Einkaufswahnsinn.

    »Ferdinand, du bist aber heute wieder rasend charmant, gewöhn dir das bitte ab, das kommt nicht gut bei Frauen an!«

    Er hatte ja Recht, so wie Kinder in ihrer unbekümmerten Art meist die Wahrheit herausplappern. Meine Kleidergrößen wuchsen überproportional zu den Jahren. Mayer-, Müller- und Montagsdiäten hielten nicht lange. Abends, wenn ich erschöpft am Sofa saß und angenehme Ruhe im Haus herrschte, konnte ich kulinarischen Versuchungen aus dem Kühlschrank oder irgendwelchen halb geöffneten Chipspackungen aus dem Kinderzimmer nicht widerstehen.

    Ich war schwach und leicht verführbar. Wie wäre ich sonst zu so vielen Kindern gekommen?

    Jetzt musste ich nur mehr die Hürde mit den Süßigkeiten an der Kasse nervlich überstehen. Klein Manuel war nun der Kopf der Bande, während ich zentnerschwer die Großpackungen auf das Laufband legte, versorgte er stillschweigend seine Brüder mit Schleckereien, die auch sofort geöffnet wurden.

    Wenn ich nervlich stark war und ausgiebig geschlafen hatte, war ich Meisterin im dualen Arbeiten.

    Eine Hand legte die Waren auf das Laufband, die andere nahm Manuel die Dinge wieder weg und steckte sie in die höheren Regale, währenddessen erklärte ich den Kindern den Zusammenhang von Diabetes, Leberfunktionsstörungen und Gallenproblemen im Alter.

    War ich unausgeschlafen, also nervlich am Ende, besorgte der Kleine den süßen Einkauf. Und schwach war ich oft, weil leider immer unausgeschlafen.

    Liegt es an Hormonumstellungen nach den Schwangerschaften, meinem Beruf, den ich nur mehr marginal ausüben kann oder wirklich nur am Schlafmangel? Ich bin immer müde.

    Im Laufe der Zeit aber habe ich nach unzähligen durchwachten Nächten bei verschnupften Kleinkindern oder pubertätsgeschwängerten Gesprächen mit meinem ältesten Sohn den Sekundenschlaf als Notlösung gelernt.

    Ich stehe in der Küche beim Herd – wo sonst – und schließe für ein paar Minuten die Augen. Tief falle ich in einen todesähnlichen Schlaf, aus dem ich nach ein paar Sekunden unsanft durch die aufsteigenden Gerüche verbrannter Zwiebel oder lautes Geschrei aus dem Kinderzimmer erwache. Schlafen ist eine äußerst wichtige Tätigkeit für Mütter. Es dient nicht nur der Entspannung und Erholung, sondern ist Hingabe an einen Zustand unbeschwerten Träumens. Ein kurzes Abtauchen in eine andere Wirklichkeit.

    Johannes zwickte mich spürbar in meinen Oberschenkel. Weg waren sie, die Träume.

    Er war hochrot im Gesicht und schrie mich vorwurfsvoll an, er fühle sich

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