Nelson Mandela (1918-2013): Ein SPIEGEL E-Book
By Jan Puhl
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Leben wird zu einer Legende - größer als der Mann selbst.
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Book preview
Nelson Mandela (1918-2013) - Jan Puhl
Inhaltsverzeichnis
Nelson Mandela
„Held der Freiheit"
Ein Nachruf von Jan Puhl. SPIEGEL ONLINE vom 5. Dezember 2013.
„Madibas Magie"
Nelson Mandelas Tod erschüttert Afrika. SPIEGEL-TITEL vom 9. Dezember 2013.
„Am Ende des Regenbogens"
Wie der Afrikanische Nationalkongress das Erbe Nelson Mandelas ruiniert. Kasten zum SPIEGEL-Titel vom 9. Dezember 2013.
„Vergitterte Freiheit"
Obama auf Robben Island. SPIEGEL ONLINE vom 30. Juni 2013.
„Die Regenbogen-Nation"
SPIEGEL-SPECIAL GESCHICHTE vom 22. Mai 2007.
„Mandelas langer Weg zur Freiheit"
Eine touristische Spurensuche. SPIEGEL ONLINE vom 15. Dezember 2003.
„Sieg der Knechte"
Stunde Null am Kap. Das einstige weiße Herrenvolk der Buren tritt seine Macht an die schwarze Mehrheit ab. SPIEGEL-TITEL vom 15. April 1994.
„Handschlag mit den Herrenmenschen"
Über den späten Triumph des Nelson Mandela. Report zum SPIEGEL-Titel vom 25. April 1994.
„Nie mehr so, wie es war"
In einem historischen Kompromiss einigen sich ANC-Chef Nelsen Mandela und Südafrikas Staatschef Frederik Willem de Klerk auf eine neue Verfassung. DER SPIEGEL vom 22. November 1993.
„Tag der Befreiung"
SPIEGEL-Gespräch mit Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela über das neue Afrika. DER SPIEGEL vom 22. November 1993.
„Rivalen und Verbündete"
Friedensnobelpreis für Nelson Mandela und Frederik Willem de Klerk. DER SPIEGEL vom 18. Oktober 1993.
„Weiße haben nichts zu fürchten"
SPIEGEL-Gespräch mit Nelson Mandela über die Zukunft Südafrikas. DER SPIEGEL vom 11. Juni 1990.
Impressum
Nelson Mandela
(1918 - 2013)
Gespräche und Artikel
aus dem SPIEGEL
mit einem Nachruf
von Jan Puhl
SPIEGEL ONLINE vom 5.12.2013
NACHRUF AUF NELSON MANDELA
Held der Freiheit
Mit Nelson Mandela hat die Welt einen der größten Kämpfer gegen die Unterdrückung verloren, einen Jahrhundertpolitiker, der für seinen Widerstand gegen die Apartheid in Südafrika jahrzehntelang im Gefängnis saß. Und der am Ende zusehen musste, wie die Nachfolger sein Werk gefährdeten.
Nelson Mandela wollte sich in das Land seiner Väter zurückziehen. Der Mann, der die Geschichte Afrikas wie kein anderer verändert hatte, liebte im Alter den Blick auf die ruhige Hügellandschaft der Provinz Ostkap. Doch statt in seinem beschiedenen Heim im Dorf Qunu sanft zu entschlafen, starb Mandela nach langem Kampf in seinem von Medien umlagerten Haus in Johannesburg.
„Sein Lebenslicht weicht langsam, hatte seine Frau Graça Machel schon vor einem Jahr betrübt mitgeteilt. Was dann folgte, war ein monatelanges Ringen mit dem Tod, ein altes Lungenleiden macht dem Helden zu schaffen. Mal durfte er nach Hause, mal musste er mit Blaulicht ins Krankenhaus, ein zermürbendes Hin- und Her. Am Donnerstagabend war es Südafrikas Präsident Jacob Zuma, der die Nachricht vom Tode Mandelas überbrachte: „Unsere Nation hat ihren größten Sohn verloren.
95 Jahre alt wurde Nelson Rolihlahla Mandela, den zuletzt alle Südafrikaner egal welcher Hautfarbe nur liebevoll „Madiba nannten. Madiba war schon zu Lebzeiten ein Heiliger, geliebt von der ganzen Welt, ein „Mahatma Gandhi Afrikas
(Bill Clinton), noch bis in die letzten Jahre gingen bei seinem Büro etliche Interviewanfragen und Einladungen ein. Die südafrikanische Regierung hat auf die Rückseite der Rand-Banknoten mit den „Big Five", Löwe, Elefant, Nashorn, Büffel und Leopard, Mandelas freundliches Gesicht setzen lassen.
Als er vor fünf Jahren seinen 90. Geburtstag feierte, kamen 46.664 begeisterte Gratulanten zu einem Benefizkonzert in London. 466/64 war auch die Nummer des berühmtesten Häftlings der Welt, jenes Mannes, der nach 27 Jahren ohne Groll das Gefängnis verließ, der seinen Gegnern am Verhandlungstisch das Ende der Apartheid abtrotzte, der verhinderte, dass die friedliche Revolution der Schwarzen und Farbigen gegen die Diktatur der Weißen doch noch in ein Blutbad mündete.
„Ein gewöhnlicher Mensch"
Doch es sind nicht allein die politischen Verdienste, die die weltweite „Mandelamania" begründen, sondern sein Charisma, seine Milde und gleichzeitig seine Beharrlichkeit. Mandela galt als Chiffre für Güte und Weisheit. Seine Aufrichtigkeit verlieh ihm Autorität. Jene, die ihn einmal trafen, berichten von einer entwaffnenden Fähigkeit, sich auf den Gegenüber einzulassen, von einer unerschütterlichen Selbstsicherheit.
Sogar seine bunten Batikhemden begründeten zumindest Afrika-weit einen Modetrend. Verehrung wurde ihm so selbstverständlich und umfassend zuteil, dass er immer wieder betonen musste, er sei „kein Messias, sondern „ein gewöhnlicher Mensch
.
Doch der Held Madiba hat auch eine tragische Seite: Sie besteht darin, dass seine Partei, der Afrikanische Nationalkongress (ANC), auf dem besten Wege ist, Mandelas politisches Erbe zu verspielen. Im August 2012 schossen vor der Marikana-Mine im Nordwesten des Landes überwiegend schwarze Polizisten protestierende schwarze Minenarbeiter zusammen - ein Fanal, das beklemmende Erinnerungen weckt an die Massaker des Apartheid-Regimes, zum Beispiel an Sharpeville 1960 als 69 Schwarze im Kugelhagel der weißen Polizei starben.
Nahezu unangefochten herrscht der ANC seit 1994 über Südafrika, und der Ruf der alten Kampforganisation ist schwer lädiert. Es ist dem ANC nicht gelungen, die enorme Kluft zwischen Arm und Reich zu schließen. Die Partei tut sich schwer mit der Demokratie, gilt als hochkorrupt. ANC-Funktionäre beherrschen den Staatsapparat und viele Wirtschaftszweige. Sie versorgen auch ihre Familien, Freunde und Seilschaften mit einträglichen Posten. Das neue Image des ANC überschattet allmählich den Nimbus des historischen Sieges über das rassistische Apartheid-Regime.
Mandelas Nachfolger als Präsident der Regenbogennation - wie sich das neue Südafrika gerne nennt - ist Jacob Zuma, ein Zulu-Traditionalist mit mindestens vier Frauen. Öffentlich bekannte er einst, eine heiße Dusche nach dem Sex für einen probaten Schutz vor Aids zu halten. Bei Auftritten vor Anhängern schreckte er nicht davor zurück, Schlachtrufe wie „Bringt mir mein Maschinengewehr" anzustimmen. Einer seiner Top-Berater war tief in eine Korruptionsaffäre um die Anschaffung von Rüstungsgerät verstrickt. Ein Verfahren gegen Zuma selbst wurde erst kurz vor seiner Wahl 2009 niedergeschlagen.
Dabei gehört Zuma zur alten Riege der Befreiungskämpfer. Wie Mandela saß er auf Robben Island, der Gefängnisinsel vor Kapstadt, ein. Zuma, ein junger Heißsporn, soll damals von den älteren Gefangenen überhaupt erst richtig lesen gelernt haben. Es war jene Zeit, als noch nicht abzusehen war, dass das eiserne Regime der Weißen über Südafrika jemals zusammenbrechen würde.
Der Aufstieg des Unruhestifters
Mandela, geboren 1918, ist in einem System aufgewachsen, in dem eine kleine weiße Minderheit die schwarze Mehrheit unterdrückte. Die totale Trennung der Menschen nach Hautfarben durchdrang alle Lebensbereiche. Die Weißen hatten sich zu Herren aufgeschwungen, die die Schwarzen in bestimmte Viertel verbannten, sie in Armut und Unwissenheit hielt und ihnen jede Aufstiegsmöglichkeit versagten. Mandela, Sohn eines Tembu-Häuptlings in der Transkei, hieß in der Stammessprache Rolihlahla, was umgangssprachlich „Unruhestifter" bedeutet - ein Name, dem er gerecht werden sollte.
Als einer der wenigen mit seiner Hautfarbe ergatterte er eine höhere Bildung, studierte zunächst an der einzigen Schwarzen erlaubten Universität in Fort Hare. Mandela geht nach Johannesburg, wird Praktikant in einer Anwaltskanzlei, studiert Jura und gründet später mit seinem Freund Oliver Tambo die erste schwarze Anwaltssozietät.
Und er kostet das Stadtleben aus: „Er war ein Township-Held, ein Mann der Frauen, ein Tänzer und ein Boxer, schreibt sein Biograf Anthony Sampson. Die Politik interessiert ihn erst allmählich, dank dem Einfluss seines langjährigen Freundes Walter Sisulu. Dafür ist Mandela ein Leben lang dankbar: „Von der Herkunft war ich zum Herrscher geboren, aber Sisulu half mir zu begreifen, dass meine wahre Berufung war, dem Volk zu dienen.
1944 gründen Mandela, Tambo und Sisulu die Jugendliga des ANC. Dessen Ziel ist, ein Südafrika zu schaffen, in dem die Hautfarbe keine Rolle spielt, nicht ein multirassistischer, sondern