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Abraham
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Ebook105 pages1 hour

Abraham

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About this ebook

Das Stück "Abraham" von Felix Mitterer wurde dem Sammelband "Stücke 3" entnommen.

Zu "Stücke 3":
Ein dritter Band ergänzt die bisher gesammelten Stücke von den Anfängen bis 1991. Der neue Band enthält seine Theaterarbeiten von 1992 bis 1998: "Abraham", "Krach im Hause Gott", "Das Fest der Krokodile", "In der Löwengrube", "Die Frau im Auto", "Die drei Teufel", außerdem Informationen und Bilder zu den für spezielle Aufführungsorte geschriebenen Stücken "Das Spiel im Berg" und "Geierwally".
Zu jedem Werk ist ein Statement des Autors abgedruckt, zahlreiche Aufführungsfotos von verschiedenen Inszenierungen geben einen Eindruck von ihrer Realisierung auf den unterschiedlichsten Bühnen.
LanguageDeutsch
PublisherHaymon Verlag
Release dateJun 3, 2013
ISBN9783709976159
Abraham

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    Abraham - Felix Mitterer

    Felix Mitterer

    Abraham

    Die Herausgabe der Werksammlung wurde vom Land Tirol und von der Gemeinde Telfs gefördert.

    © 2001

    HAYMON verlag

    Innsbruck-Wien

    www.haymonverlag.at

    Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

    Aufführungsrechte für alle Stücke beim Österreichischen Bühnenverlag Kaiser & Co., Am Gestade 5/II, A-1010 Wien

    Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

    ISBN 978-3-7099-7615-9

    Umschlaggestaltung:

    hœretzeder grafische gestaltung, Scheffau/Tirol

    Dieses Stück wurde dem Sammelband »Stücke 3«, erschienen 2001 im Haymon Verlag, entnommen. Den Sammelband »Stücke 3« erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.haymonverlag.at.

    INHALT

    Abraham

    Biographische Daten und Werkverzeichnis

    ABRAHAM

    Stück über eine Liebe

    Ich kannte einen Mann in einem Dorf irgendwo in Österreich. Eines Tages ließ er mir über einen Dritten mitteilen, er sei homosexuell, habe Aids, würde mir gerne seine Geschichte erzählen, wünsche sich von mir ein Theaterstück darüber. Da viele Menschen sich vom Schriftsteller Erlösung, Rehabilitation, Rechtfertigung und manchmal sogar Rache für ausgestandenes Unrecht erhoffen, häuft sich derartige Post.

    Man schreibt an die Zeitungen, an den Bundespräsidenten, an den Schriftsteller. Letzterer kann konkret am wenigsten tun, er kann nur im allgemeinen ein „Rächer der Enterbten sein, nicht im einzelnen, besonderen Fall. Dann kommt hinzu, daß ich nicht über alles und jedes schreiben kann und mag, daß ich nicht ein gesellschaftliches Problem nach dem anderen auf meiner Werkliste abhaken will. So antwortete ich erst nach Monaten, daß ich kommen werde, sobald es meine Zeit erlaubt. Wieder vergingen Monate, es kam eine Karte: „Ich bin jederzeit für Sie bereit. Nur meine Tage, Wochen, Monate (?) scheinen mir davonzulaufen. Es kann aber auch noch länger dauern. Zwei Wochen später rief ich endlich an, seine Mutter war am Apparat: „Tut mir leid, Herr Mitterer, vor ein paar Tagen ist er gestorben."

    Ich fühlte mich schuldig, war wütend auf mich. Und fühlte mich verpflichtet, jetzt erst recht verpflichtet, das Stück zu schreiben. Ich sprach mit den Eltern. Da sie vom Wunsch ihres Sohnes wußten, gaben sie mir Auskunft. Aber ich merkte, daß sie Angst hatten. Wenn ich zu den Ärzten kam, zu den Krankenschwestern, zu den Freunden, waren jedesmal schon die Eltern dagewesen, hatten erklärt, sie seien fertig mit den Nerven, könnten nicht mehr schlafen, weil der Mitterer ein Stück über den Sohn schreibt. Ich warf also weg, was ich schon geschrieben hatte, und versicherte den Eltern, daß ich nicht daran interessiert sei, ihr Leid noch zu vergrößern, und daß der Sohn und sie nicht erkennbar sein werden in meinem Stück.

    Im Laufe meiner Recherchen stieß ich auf ein Phänomen, das mir in diesem Ausmaß nicht bewußt gewesen war. Die meisten Homosexuellen, die ich kenne — vor allem im Theatermilieu — können zu sich stehen, haben kaum Probleme mit sich und der Umwelt. Überhaupt ist in den Städten die Existenz erträglicher für sie, obwohl man auch dort — außerhalb der Gettos — selten schwule Liebespaare sieht, die sich öffentlich als solche zu erkennen geben, obwohl auch dort die meisten — ob Politiker, Manager, Angestellte — sich aus gutem Grunde hüten, ihre Homosexualität zu offenbaren. Am Land aber ist die Lage immer noch viel prekärer, viel schlimmer, als ich glaubte. Und nicht nur den Druck von außen gibt es, sondern vor allem den Druck von innen, aus sich selbst heraus. Das heißt, ich stellte fest, daß viele Homosexuelle am Land mit großen, übergroßen Schuldgefühlen zu kämpfen haben, daß viele sich selbst für abnormal, für „pervers" halten, daß sie auch dann, wenn sie in die Stadt flüchten, viele Jahre brauchen, um mit sich selbst zu Rande zu kommen. Die Erziehung, die Normen der Kirche, das ganze Weltbild sitzen ihnen schwer und unabschüttelbar im Nacken.

    Ich stieß auf einen, der — schon todkrank — die Behandlung in der Aids-Station verweigerte, weil er die Krankheit selbst als Strafe Gottes ansah. Ich stieß auf einen, der den Krankenhauspfarrer, der ihn trösten wollte, wüst beschimpfte und eine Strafpredigt, die Androhung der Verdammnis von ihm verlangte. Ich stieß auf Väter — mehr Väter als Mütter, die Mütter sind verständnisvoller —, deren Welt zusammenbrach, die psychisch und manchmal auch physisch zugrunde gingen, wenn sie von der Homosexualität des Sohnes erfahren. So ist also „Abraham kein sogenanntes „Aids-Stück geworden, sondern ein Stück über eine homosexuelle Liebe, und darüber, wie ein Mensch mit sich zu kämpfen hat, der an Gott glaubt und an die Gesetze der Kirche, der seine Veranlagung selbst für eine Sünde hält. Und es ist ein Stück über die Liebe zwischen Vater und Sohn geworden. Trotz dieser Liebe setzt der Vater den Sohn mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln unter Druck. Sein Motiv ist Angst. Die Angst, Ansehen, Macht und Ehre zu verlieren, in Schande zu fallen. Das Stück endet in einem Alptraum, in einer biblischen Apokalypse. Der Vater, der den Sohn schon längst auf dem Altar der gesellschaftlichen Konvention geopfert hat, tut dies

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