Eine Antwort des Glaubens: Im Gespräch mit Paul M. Zulehner und Petra Steinmair-Pösel
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Das Bestreben der Autoren ist es, die Hintergründe des gegenseitigen Unverständnisses zwischen den so genannten konservativen Gläubigen und ihrem progressiven Gegenüber aufzudecken und eine engagiert-gelassene, auf ein gemeinsames Ziel hin ausgerichtete Diskussion anzustoßen.
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Book preview
Eine Antwort des Glaubens - StudienVerlag
Martin Kolozs (Hrsg.)
Eine Antwort des Glaubens
Im Gespräch mit Paul M. Zulehner
und Petra Steinmair-Pösel
© 2012 by Studienvelag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck
E-Mail: order@studienverlag.at, Internet: www.studienverlag.at
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
ISBN 978-3-7065-5704-7
Buchgestaltung nach Entwürfen von Kurt Höretzeder
Umschlag und Satz: Studienverlag/Karin Berner
Coverfoto: Angelika Handle
Diesen Titel erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.studienverlag.at.
„Wir sehnen uns nach einer pfingstlichen Kirche, in der der Geist waltet, nicht der Buchstabe; nach einer Kirche, in der die Weite des Verstehens die Grenzen sprengt, die die Menschen gegeneinander aufrichten. Wir sind ungeduldig mit der Kirche, die uns so unpfingstlich, so ungeistlich, so eng und so ängstlich erscheint." (Joseph Ratzinger, aus: Predigt zu seiner Bischofsweihe am 28. Mai 1977)
Denkt nicht mehr an das, was früher war; / auf das, was vergangen ist, sollt ihr nicht achten. Seht her, nun mache ich etwas Neues. / Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht? Ja, ich lege einen Weg an durch die Steppe / und Straßen durch die Wüste. (Jes 43,18f.)
Inhalt
Vorwort
1. „Geistliche"
2. Gesellschaftliche Bedeutung
3. Jüngere Generation
4. Niedergang
5. Verlust „geliehener Macht"
6. Eine neue Sozialgestalt der Kirche ist im Kommen
7. Polarisierung wegen der Moderne
8. Fundamentalismus und Relativismus
9. Die vom Konzil angestoßene Entwicklung ist unaufhaltsam in Gang
10. Bruch zwischen Evangelium und moderner Kultur?
11. Was ist Benedikt XVI. zuzutrauen?
12. Ein Gottesmann, der nicht moralisiert
13. Wie die Aufgabe einen Menschen verändert
14. Die zwei Kernanliegen der Pfarrerinitiative
15. Frauen in der katholischen Kirche
16. Polarisierung und Brückenbauen
17. Position in Zeiten der Diffusion
18. Verheutigung
19. Perspektivenwechsel
Anhang
Glossar
Literatur
Biographien
Vorwort
Das vorliegende Buch ist das Ergebnis einer langen persönlichen wie diskursiven Entwicklung, die ihren Ausgang vor bald zwei Jahren genommen hat. Damals beendete ich gerade die Vorbereitungen zu dem Interviewband „Bildung ist ein Lebensprojekt" mit dem Philosophen Prof. Konrad Paul Liessmann, als – zum wievielten Male eigentlich? – die Kritik an der römisch-katholischen Kirche laut an die breite Öffentlichkeit getragen wurde.
Nun war mein Interesse am Thema „Glaube" schon immer groß und ich entschloss mich deshalb, jenen scheinbar offenen Fragen nachzugehen, die vordergründig gestellt wurden und welche meiner Meinung nach die allgemeine Misslage mitverursacht hatten.
Bald wandte ich mich mit meinem Anliegen an Prof. Paul M. Zulehner, der mir durch seine vielen Bücher und als meinungsbildender Pastoraltheologe bekannt war, und bat ihn um ein Gespräch, welches sich in den darauffolgenden Monaten wiederholte und mir auch Gelegenheit bot, mich mit der Theologin Dr. Petra Steinmair-Pösel auszutauschen und wertvolle Impulse von Seiten einer geschlechtersensiblen Theologie zu erhalten.
Im Rahmen dieser Diskussionen und des anschließenden Schriftverkehrs war es unser aller Wunsch und Bestreben, nicht nur die Fragen der Kirchengegner und die Antworten der Kirchenvertreter darzustellen, sondern auch die Hintergründe und die tradierten Quellen des gegenseitigen Unverständnisses zu entdecken und im besten aller Fälle aufzuhellen. Ob dieser Ansatz schlussendlich gelungen ist, möge die interessierte Leserin/der interessierte Leser nun selbst beurteilen.
Martin Kolozs
1. „Geistliche"
In „Salz der Erde umreißt Kardinal Joseph Ratzinger – Papst Benedikt XVI. – den Pfarrerberuf folgendermaßen: „[…] ein Pfarrer, ein einfacher Landpfarrer, ist sehr tief gefordert, indem er die Menschen verstehen und ihnen in Krankheit, Leid, Freude, bei der Hochzeit wie bei den Begräbnissen, in Krisen und in Freuden beistehen muss. Er muss versuchen, mit ihnen zu glauben und das Schiff der Kirche am Fahren zu halten.
(SdE, S. 11) Erkennen Sie darin noch den Auftrag an die Geistlichen von heute, gerade im Hinblick auf die hartnäckige Weigerung der Amtskirche, sich der lauten Kritik von Seiten der Gläubigen auszusetzen bzw. dieser nachzugeben?
Petra Steinmair-Pösel:
In seinem Buch „Nimm sein Bild in dein Herz" deutet der große geistliche Schriftsteller Henri Nouwen Rembrandts Gemälde vom barmherzigen Vater und seinen zwei (verlorenen) Söhnen und zeichnet dabei gleichzeitig seinen eigenen geistlichen Weg nach. Seine Einsicht: Es geht darum, nicht in der Position des jüngeren oder älteren Sohnes stehenzubleiben, sondern wie der Vater zu werden: bedingungslos segnend, vergebend, Versöhnung, Heilung, Geborgenheit, Ruhe, Daheimsein ermöglichend und schenkend. Damit zeichnet er ein wunderbares Bild dessen, was geistliche Vater- und Mutterschaft heute bedeuten könnte.
Wichtig scheint mir, dass die geistlichen (spirituellen) Mütter und Väter selbst einen geistlichen Weg gegangen sind: ohne billige Abkürzungen. Sie müssen gelernt haben, ihre eigenen dunklen Seiten und Schatten zu sehen, auszuhalten und anzunehmen. Nur dann können sie kundige BegleiterInnen sein. Sie sollen Erfahrene sein, die die Wege, auch die Umwege und Abwege des Lebens aus eigener Erfahrung kennen und auf diesem Weg Barmherzigkeit und Warmherzigkeit, Mitleiden und Mitfreude gelernt haben, die der des Vaters in Jesu Gleichnis nahekommen. Solche Erfahrene, solch spirituelle Meisterinnen und Meister, sind auch heute (vielleicht mehr denn je) sehr gefragt und können modernen Menschen seelsorglich gute Ratgeber sein. Mit ihrem authentischen Zeugnis und ihrer Ausstrahlung gewinnen sie zunehmend an Bedeutung in einer Zeit, in der die großen Institutionen mit ihren immer auch bürokratischen Strukturen unter Generalverdacht geraten sind, mehr für ihren Bestand zu sorgen denn auf der Seite der Menschen zu sein.
Nicht jeder Priester ist freilich automatisch mit der Weihe schon ein spirituell gereifter Mensch, wie auch Eheleute nicht allein durch ihre Hochzeit schon wirklich beziehungsfähige Menschen sein müssen. Dazu muss vielmehr ein Weg gegangen werden, der nicht selten über Um- und Abwege führt, auch Brüche und Erfahrungen des Scheiterns miteinschließt. Spirituelle Meister wie Johannes vom Kreuz haben diese Erfahrung als „dunkle Nacht bezeichnet, die durchlitten werden muss. Auf diesem Weg kann sich niemand vertreten lassen. Es ist ein Weg, der erst im Gehen entsteht. Erfahrene, mutige und ermutigende Begleiterinnen und Begleiter auf dem spirituellen Weg – und dieser ist ja nichts anderes als der ganz „normale
Lebensweg, der in seiner Tiefendimension erkannt und gedeutet wird – zu sein, scheint mir gegenwärtig eine der wichtigsten und vielleicht am meisten vernachlässigten Aufgaben der „Geistlichen" heute.
Paul M. Zulehner:
Nicht wenige Menschen suchen bei einem Priester, einer Pastorin oder einem Pastor oder einem Iman Rat. Es sind nahezu 39 %, die in religiösen Fragen, 38 % in persönlicher Verzweiflung, 32 % in Gewissensnot gern die Möglichkeit einer Beratung durch einen Amtsträger ihrer Religionsgemeinschaft haben möchten. Diese wären heillos überfordert, würden alle diesen Wunsch auch praktisch realisieren. Dazu kommen die Dienste der Religionsgemeinschaften, wenn ein Angehöriger stirbt, ein Kind geboren wird, eine Hochzeit gefeiert werden will.
Das erklärt auch, warum die Amtsträgerinnen und Amtsträger ein wenngleich sinkendes, aber dennoch beachtliches Ansehen bei den Menschen genießen.
Die Menschen wünschen sich, das zeigen diese Daten auch nachdrücklich, Amtsträger in „Ruf- und Reichweite. Erwartet wird von ihnen „Seelsorge
im besten Sinn dieses Wortes, auch wenn sie diese heute mit professionell gut ausgebildeten Therapeuten teilen und die Besten aus beiden Berufsgruppen auch eng zusammenarbeiten.
Pfarrer wurden in den letzten Jahrzehnten auch dazu gut ausgebildet: im seelsorglichen Gespräch, in der ars celebrandi und praedicandi, also der Kunst des Predigens und Gottesdiensten vorzustehen. Bei allen diesen Aufgaben lassen sie sich vom anvertrauten Evangelium oder Imame vom Koran leiten. Das macht sie zu Personen, die sich in heiligen Belangen gut auskennen und den Horizont des Lebens der Ratsuchenden unter den offenen Himmel stellen und auf diese Weise den Horizont weiten und nicht zuletzt Leid erträglicher und Solidarität belastbarer machen.
Die katholische Kirche leidet just in einer Zeit, in der die Menschen bei der Kirche vor allem bergende Rituale und heilende Beratung suchen, unter einem dramatischen Mangel an Priestern. Zwar stehen in geldstarken Kirchen den Priestern bestausgebildete nicht ordinierte Seelsorgerinnen und Seelsorger zu Seite: in Krankenhäusern, in der Ehe-, Familien- und Lebensberatung. Aber die Nachfrage vieler Menschen, vor allem derer, die mit dem kirchlichen Leben und dessen Entwicklung nicht eng verbunden sind, richtet sich auf den