Lehrbuch für das Uhrmacherhandwerk - Band 1: Arbeitsfertigkeiten und Werkstoffe
By HEEL Verlag
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Der Beruf beinhaltet weiterhin die Fehlersuche, Wartung, Pflege, Prüfung und Justage von modernen und historischen Uhren aller Art. Dies ist dann auch heute der Schwerpunkt der niedergelassenen Uhrmacher. Aber auch Musikwerke, Messgeräte, Barometer u.a. gehen durch ihre Hände.
Da der Uhrmacher seine Arbeiten weitgehend selbstständig durchführt, muss er umfassend technologisch ausgebildet sein.
Dieses Lehrbuch für die Uhrmacherausbildung aus dem Jahre 1951 gibt Zeugnis von den Ansprüchen an den Handwerksnachwuchs und beschreibt detailliert die zu beherrschenden Fertigkeiten und Arbeitstechniken sowie die mechanische Ausbildung, die Uhrmacher absolvieren.
Inhaltlich umfasst das Lehrbuch die Grundlagen der Uhrmacherlehre, beginnend mit der Werkstoffkunde/-behandlung über wichtige Arbeitstechniken (Drehen, Bohren, Gewindeschneiden, Schleifen, Polieren, Feinstellen der Uhren usw.) bis hin zum konstruierten Fachzeichnen. Aber auch die Grundlagen zum Regulieren von Groß- und Kleinuhren finden sich in diesem didaktisch aufgebauten Lehrbuch
Ältere Fachbücher sind oft in ihren Bezeichnungen und Normen nicht mehr aktuell und deshalb in der heutigen Zeit nur schwer verständlich. Darum wurden in diesem kommentierten Reprint alle physikalischen Einheiten auf den neusten Stand gebracht und viele Anmerkungen verweisen auf heute gültige Normen und Bezeichnungen. Mit seiner Überarbeitung sorgt Uhrenfachbuchautor Michael Stern dafür, dass das "Lehrbuch für das Uhrmacherhandwerk" auch in der heutigen Zeit noch voll und ganz den Anspruch als Lehrbuch erfüllt und sich als aktuelles Fachbuch für Auszubildende präsentiert.
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Lehrbuch für das Uhrmacherhandwerk - Band 1 - HEEL Verlag
Lehrbuch für das
Uhrmacherhandwerk
Hrsg. Michael Stern
Lehrbuch für das
Uhrmacherhandwerk
Arbeitsfertigkeiten und Werkstoffe
Bearbeitet von
Gewerbeoberlehrer O. Böckle
und
Gewerbeoberlehrer W. Brauns
mit 226 Abbildungen, 23 Tab./Tafeln, 520 Stichwörtern
HALLE (SAALE) 1951
+
BERLIN 2010
Impressum
HEEL Verlag GmbH
Gut Pottscheidt
53639 Königswinter
Telefon 02223 9230-0
Telefax 02223 923026
Mail: info@heel-verlag.de
Internet: www.heel-verlag.de
© 2010 HEEL Verlag GmbH, Königswinter
Herausgeber der Neuauflage: Michael Stern
Überarbeitung des Reprints: © Michael Stern, Berlin 2010
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Alle Rechte, auch die des Nachdrucks, der Wiedergabe in jeder Form und der Übersetzung in andere Sprachen, behält sich der Herausgeber vor. Es ist ohne schriftliche Genehmigung des Verlages nicht erlaubt, das Buch und Teile daraus auf fotomechanischem Weg zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer bzw. mechanischer Systeme zu speichern, systematisch auszuwerten oder zu verbreiten.
Alle Angaben ohne Gewähr!
Layout u. Satz: M. Stern, Berlin
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Print ISBN: 978-3-86852-288-4
E-Book ISBN: 978-3-95843-002-0
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Hinweise des Herausgebers
Das zweibändige „Lehrbuch für das Uhrmacherhandwerk" ist das letzte in Deutschland erschienene Schulbuch für Uhrmacher. Mit diesem wurden Generationen von Uhrmacherlehrlingen ausgebildet und es befand sich in fast jeder Uhrmacherwerkstatt. Der guten Lesbarkeit halber wurden die Texte neu gesetzt, wobei die alte Rechtschreibung beibehalten wurde.
Der Herausgeber hat zusätzlich einige Anmerkungen gemacht (neue deutsche Rechtschreibung), damit das Buch mehr Aktualität erhält und auch für die Uhrmacherausbildung besser nutzbar ist. Die entsprechenden Anmerkungen sind gekennzeichnet (kursiv gesetzt). Auch physikalische Einheiten wurden den heutigen Normen entsprechen angepasst und stehen dann kursiv. Kleinere Fehler wurden getilgt.
Wir hoffen, so die Verbindung zwischen der alten Uhrmachersprache und den heutigen Erfordernissen und Erkenntnissen hergestellt und damit zu besserer Verständlichkeit beigetragen zu haben.
Die Rechtsinhaber des Buches waren trotz größter Bemühungen leider nicht zu ermitteln. Sollten Rechte bestehen, bitten wir um Benachrichtigung.
Haftungsausschluss
Die in diesem Buch enthaltenen Informationen wurden von den Autoren damals nach bestem Wissen zusammengetragen. Allerdings haben sich im Laufe der Zeit Arbeitsverfahren, physikalische Einheiten und Begriffe geändert. Das Buch gibt den Verfahrens- und Technologiestand um 1940 wieder. Die an diesem Buch Beteiligten übernehmen keinerlei Verantwortung bzw. Haftung für mögliche Schäden. Dies gilt auch für durchgeführte Arbeiten gemäß den hier vorgestellten Beschreibungen und Darstellungen – diese sind immer nur als Anregungen zu verstehen und entsprechen nicht immer den heute gültigen Vorschriften.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
I. Teil
Grundlagen der Werkstoffkunde
Rohstoffe – Werkstoffe – Hilfsstoffe
Aufbau der Stoffe
Molekel (Molekül) – Atom
Kristall
Zustandsformen der Körper
Zusammenhangskraft – Kohäsion
Mechanische Eigenschaften der Körper
Festigkeit
Zugfestigkeit
Dehnbarkeit
Härte
Spannkraft
Zähigkeit und Sprödigkeit
Anhangskraft – Adhäsion
Reibung
Haarröhrchenanziehung (Kapillarität)
Wichte (Dichte)
Der Einfluß der Wärme auf den Werkstoff
Ausdehnung durch Wärme
Wärmemessung
Das Verhalten der Stoffe zueinander
Das Wesen der Stoffe
Chemische Verbindung
Chemische Zerlegung
Mischungen, Lösungen
Chemische Verwandtschaft
Einige für den Uhrmacher wichtige Stoffe
Sauerstoff (O)
Wasserstoff (H)
Kohlenstoff (C)
Stickstoff (N)
Schwefel (S)
Chlor (Cl)
Natrium (Na)
Kalium (K)
Säuren, Basen, Salze
Einige vom Uhrmacher verwendete Säuren
Salzsäure (HCl)
Schwefelsäure (H2SO4)
Salpetersäure (HNO3).
Was sorgfältig zu beachten ist
Über Normung zur Leistungssteigerung
Werkstoffe
Eisen
Vom Eisenerz zum Stahl
Vorkommen
Vorbereitung des Erzes
Ausschmelzen im Hochofen
Roheisen
Stahlgewinnung
Umwandlung des Roheisens zu Stahl
Normung des Stahls
Weiterverarbeitung des Stahls
Tiegelstahl
Legierte Stähle
Elektrostahl
Für den Uhrmacher wichtige Stahl- und Eisensorten
Kohlenstoffstähle
Das Glühen
Das Härten
Das Anlassen
Fehler beim Härten und Anlassen
Edelstähle
Gußeisen
Temperguß
Eigenschaften und Verwendung der verschiedenen Eisensorten
Nichteisenmetalle
Kupfer
Zink
Zinn
Blei
Quecksilber
Nickel
Leichtmetalle
Aluminium
Magnesium
Edelmetalle
Gold
Silber
Platin
Metallegierungen
Kupferlegierungen
Nickel-Stahl-Legierungen
Zinklegierungen
Leichtmetallegierungen
Berylliumlegierungen
Nichtmetallische Austauschstoffe
Kunstharze und Preßstoffe
Härtbare Kunstharze und Preßstoffe
Nicht härtbare Kunststoffe aus Zellulose
Nicht härtbare Kunststoffe aus Kohlenwasserstoffen
Hilfsstoffe
Schmiermittel
Pflanzen- und tierische Öle
Mineralöle
Synthetisches Öl
Schleif- und Poliermittel (Wirkung, Arten)
Natürliche Schleif- und Poliermittel
Künstliche Schleifmittel
Verwendung
Reinigungsmittel
Fettlösende Wirkung
Oxydentfernende Wirkung
Nachbehandlung durch Spülen
Trocknen
Edelsteine
Rubin und Saphir
Synthetischer Rubin
Diamant
Granat
Achat
Leuchtfarben (Wirkung, Verwendung, Gewinnung)
II. Teil
Allgemeines über Grundforderungen
1. Grundforderung: Biegen, Sägen, Scheren, Feilen
Das Biegen
Das Sägen
Das Scheren
Das Feilen
1. Das Feilen an sich
2. Das Flachfeilen
3. Neigung der flachgefeilten Flächen
4. Bedingung des Messens
Übungsarbeiten
2. Grundforderung: Das Bohren
Bohrerarten und Bohreranfertigung
Spitzbohrer
Härten und Anlassen der Bohrer
Härten sehr kleiner Bohrer
Spiralbohrer
Die Schleifarbeit
Umdrehungszahlen des Bohrers
Senken
Übungsarbeiten
3. Grundforderung: Das Drehen
1. Das Drehen an sich
2. Das Runddrehen
3. Das Formdrehen
4. Bestimmte Abmessungen
Das Drehen mit dem Handstichel
Schnittgeschwindigkeit
Antriebsvorrichtung
Das Drehen mit dem festen Stichel (Support)
Drehübungen mit dem Support
Beispiele
Plandrehen
Durchmesser drehen
Das Spannen der Werkstücke
Anwendung der Lackscheiben
1. Rundsetzen
2. Plandrehen
3. Umfang drehen
4. Lochaufdrehen
5. Kantenbrechen an Loch und Umfang
6. Kegeldrehen
4. Grundforderung: Gewindeschneiden
Das Schneideisen und seine Anwendung
Die Anfertigung eines Gewindebohrers
Die Schneidkluppe
5. Grundforderung: Glühen, Härten, Anlassen
Das Glühen
Das Härten
Das Härten (Kaltverfestigen) von Nichteisenmetallen
Das Härten von Stahl
Härteprüfung
Anlassen
6. Grundforderung: Messen, Anreißen, Einpassen
Messen
Die Schieblehre (Messschieber)
Das Tastermaß (Zehntelmaß)
Das Mikrometer
Die Mikrometerschraube (Bügelmessschraube)
Die Fühlerlehre
Der Federtaster
Die Maßzapfen (Kalibermaße)
Winkelmesser mit Gradeinteilung
Anreißen (Reißnadel, Körner, Lineal, Spitz- und Kegelzirkel und Eingriffszirkel)
Der Eingriffszirkel
Einpassen
7. Grundforderung: Schleifen und Polieren
Schleif- und Poliermittel
Arbeitsverfahren
Schleif- und Polierplatten
Schleif- und Polierfeilen
Schraubengewinde (Ausschleifen und Polieren des Kopfes)
Druckpolitur
Behandlung der Schleifsteine
8. Grundforderung: Abgleichen (Regulieren), Feinstellen
I. Normalzeit
II. Stand und Gang der „Uhr"
III. Aufschreiben der Beobachtungen
IV. Fehlerbeseitigung
Winke, um das Abgleichen der Uhren zu beschleunigen
Abhorchen
Hilfstabelle für das Abgleichen
Abgleichen mit der Zeitwaage
Lagerung der Gangregler
Die Drahtösenaufhängung
Die Fadenaufhängung
Die Schneidenaufhängung
Die Federaufhängung
Stellung und Lage der Aufhängung
Die Lagerung der Federkraftpendel (Unruh)
Die Spiralfeder
Kompensation
9. Grundforderung: Fachzeichnen
I. Allgemeine Kenntnisse vom technischen Zeichnen
Zusammenstellung der wichtigsten Bezeichnungen und Kurzzeichen
Das Zeichengerät
Geometrische Hilfen, um Winkel genau aufzuzeichnen
II. Darstellendes Zeichnen (Projektion)
III. Aufbauendes Zeichnen (Konstruieren)
A) Verzahnungen (Zahnradgetriebe)
B) Hemmungen
a) in Großuhren
b) in Kleinuhren
C) Schaltvorgänge
Schaltwerke
Feststellwerke
1. Bremsen
2. Rastwerke
3. Verriegelungen
4. Gesperre
Stichwörterverzeichnis
Verzeichnis der Tabellen
Das gute Fachbuch ist ein unentbehrliches Unterrichtsmittel für Lehrer, Meister und Lehrling.
Vorwort
Das vorliegende Lehrbuch für Uhrmacher ist in Anlehnung an den fachlichen Ausbildungsplan entstanden. In planmäßiger Zusammenarbeit von Praktikern, Wissenschaftlern und Fachlehrern wurde hier erstmalig bewußt ein neuer Weg beschritten.
Von der Auffassung ausgehend, daß ein Lehrbuch niemals den ganzen Beruf erfassen kann, soll es nicht ein vielbändiges Handbuch werden, vielmehr wurde eine klare Scheidung zwischen dem wirklich grundlegend Notwendigen und den in der Praxis anfallenden Arbeiten gemacht.
Nachdem bereits seit 1938 die „Fachlichen Vorschriften zur Regelung des Lehrlingswesens im Uhrmacherhandwerk" angewandt werden, ist es unerläßlich, sowohl dem Lehrmeister als auch den Innungen eine klare Grundlage zu geben, auf der die Durchführung des Berufsausbildungsplanes der Meisterlehre für Lehrlinge gesichert wird. Die für den Uhrmacherberuf aufgestellten Grundforderungen werden in diesem Buch erstmalig zusammenhängend und einander ergänzend herausgestellt. Damit soll eine einheitliche Ausrichtung der Lehrmeister in der Benennung der Werkzeuge, Maschinen und Werkstoffe für den ganzen Beruf erreicht werden. Eine besondere Arbeitskunde, die alle wichtigen Instandsetzungsarbeiten, Überholungen, Feinstellungen und das Fachrechnen umfaßt, enthält der zweite Band.
Der erste Band will dem Lehrmeister gerade für das erste Lehrjahr eine Hilfe sein, den Lehrling planmäßig in den notwendigen Kenntnissen und Handfertigkeiten auszubilden, damit im weiteren Verlauf der Lehre die erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten nutzbringend für beide Teile weiter ergänzt, vertieft und gesteigert werden können. Wenn die Grundforderungen (Feilen, Bohren und Drehen) einen breiteren Raum in der Behandlung einnehmen, so deshalb, weil in der Beherrschung dieser Forderung die ganze Stärke des Uhrmachers liegt. Die sichere Beherrschung dieser Grundforderungen läßt die vielen Anforderungen der Werkstatt leicht überwinden. Deshalb muß auch die Übung dieser Grundforderungen vorzugsweise im ersten Lehrjahr liegen. Bei der Behandlung der einzelnen Grundforderungen wurde besonders Wert darauf gelegt, die Zusammenhänge zwischen der Arbeitstechnik und den Eigenschaften der Werkstoffe aufzuzeigen, um Mißerfolge möglichst auszuschließen. Die Kenntnis des Aufbaus der Werkstoffe und ihres Verhaltens unter den verschiedenartigen Verhältnissen hilft weiterhin, ein bewußteres und sicheres Arbeiten zu gewähren. Gleichzeitig wurde überall eine Anpassung an die DIN-Normen vorgenommen, um auch im Uhrmacherberuf zeitgemäß zu bleiben. Daher mußte auch das Fachzeichnen als Grundforderung abweichend von dem bisherigen Gebrauch normgerecht aufgebaut werden, zumal der Uhrmacher oftmals in Betriebe kommen wird, in denen er nach Zeichnungen und Arbeitsanweisungen arbeitet.
Somit will das „Lehrbuch für das Uhrmacherhandwerk" grundlegend in der Begriffsbildung der einzelnen Arbeitstechniken sowie deren Anwendung auf die mannigfaltigen Instandsetzungsarbeiten sein. Die Auswahl der anfallenden Arbeiten bleibt dem Lehrmeister überlassen, da jeder Betrieb mit seinen Besonderheiten Möglichkeiten dazu reichlich bietet.
Auch der Lehrling wird eine Fülle wissenswerter Anregungen finden, so daß dieses Buch auch für ihn eine reiche Fundgrube praktischer Anweisungen darstellt.
Die Neuauflage des ersten Bandes ist nochmals eingehend durchgesehen und die achte Grundforderung „Abgleichen (Regulieren), Feinstellen" eingefügt worden. Damit sind die Grundforderungen, wie sie die praktischen Werkstattarbeiten verlangen, im ersten Band vereinigt. Gleichzeitig wurde der Inhalt auf den Berufsschulunterricht abgestimmt und dürfte damit auch für den Fachunterricht eine willkommene Grundlage sein.
In Gemeinschaftsarbeit wurde das vorliegende zweibändige Werk geschaffen. Gedankt sei den beratenden Herren Dr. Keil, Stuttgart, und Uhrmachermeister O. Firl, Erfurt, die wertvolle Anregungen gaben.
Die Verfasser
I. Teil
Grundlagen der Werkstoffkunde
¹
Mit den immer weitergehenden Forderungen an die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Zeitmessung wächst die Verantwortung des handwerklichen Uhrmachers für die von ihm erstellten oder reparierten, d. h. wieder gebrauchsfähig gemachten Uhren. Dies bringt es mit sich, daß von jedem Berufsangehörigen eine umfangreiche Fachkenntnis sowohl des Aufbaus der Uhr als auch der Beschaffenheit und des Verhaltens der zu ihrer Herstellung verwendeten Werkstoffe gefordert werden muß (Abb. 1).
Abb. 1
Jedes einzelne Teil muß den vielfältigen Anforderungen gewachsen sein. Die Feder soll z. B. genügend Kraft entwickeln, die sie allmählich und gleichmäßig abgibt, ohne dabei zu ermüden, die Gleitflächen der Lager sollen der Bewegung geringsten Widerstand entgegensetzen, keine Abnutzung zeigen, das Öl nicht ungünstig beeinflussen; während von diesem wieder ein kleiner Tropfen jahrelang frisch bleiben, seine Schmierfähigkeit behalten und im Lager zusammenbleiben soll. So muß jedes einzelne Teil eine größere Zahl von wertvollen Eigenschaften aufweisen, von denen keine zu entbehren wäre.
Rohstoffe – Werkstoffe – Hilfsstoffe
Der Vielseitigkeit der Anforderungen entspricht es, daß wir für die Herstellung jedes Teiles nur den geeignetsten Baustoff verwenden. In der Hauptsache sind es Stahl, Messing, Leichtmetalle und Zinklegierungen, auch Edelmetalle und Rubin. Diese und die zur Bearbeitung notwendigen Stoffe liefert uns die Natur aus ihren reichen Bodenschätzen, die in Form von Erzen, Erden, Kohle, Salzen und anderen zutage gefördert werden. Es sind dies die natürlichen Stoffe oder Rohstoffe. Durch umfangreiche Weiterverarbeitung und Veredlung werden sie für unsere Zwecke brauchbar gemacht und ergeben hierdurch die Werkstoffe. Alle Stoffe, die nun nicht zum eigentlichen Aufbau der Uhr Verwendung finden, sondern bei der Arbeit Hilfe leisten, bezeichnen wir als Hilfsstoffe (Reinigungsmittel, Öl, Schleif- und Poliermittel usw.).
Aufbau der Stoffe
Da die Eigenschaften der Werkstoffe in der Hauptsache von ihrem Aufbau und ihrem Zustand abhängen, wollen wir im folgenden ein Stück Metall näher betrachten. Lassen wir auf dieses einen Druck (eine Kraft) einwirken, so wird es etwas kleiner werden, vermindern wir den Druck (die Kraft), so wird es sich wieder ausdehnen. Das gleiche geschieht, wenn wir das Stück abkühlen bzw. erwärmen. Dies beweist, daß das Metall vorher nicht den ganzen Raum ausgefüllt haben kann, sondern daß Zwischenräume vorhanden sein müssen, die durch den Druck (die Kraft) oder die Temperaturänderung vergrößert oder verkleinert werden können.²
Molekel – Atom
Trotz des scheinbar vollkommen dichten Gefüges, so wie wir das Stück beim Betrachten mit bloßem Auge erkennen, besteht es aus einer großen Zahl kleinster Massenteilchen, aus Molekeln³ (molecula = Teilchen; Verkleinerungsform von moles = Masse) und Atomen (atomos = unzerschneidbar). Von diesen können wir uns erstere als solche kleinste für sich bestehende Massenteilchen vorstellen, die wir aus dem anscheinend zusammenhängenden Stoff durch Feilen oder Zerstampfen und nachfolgendes Zerreiben, also auf mechanischem Wege, in die kleinstmögliche, für uns nur in der Vorstellung erreichbare Größe zerteilt haben und von denen jedes Teilchen noch alle kennzeichnenden Eigenschaften des Ausgangsstoffes besitzt. Das vom Uhrmacher verwendete Polierrot z. B. ist Ferritoxyd = Fe2O3 (Verbindung von 2 Teilen Eisen mit 3 Teilen Sauerstoff). Das einzelne Kleinstteilchen dieses roten Pulvers besitzt den Durchmesser von etwa 1 µm⁴. Auch durch die äußerste Zerkleinerung haben diese Teilchen ihre ursprüngliche chemische Zusammensetzung jedoch nicht geändert. Entsprechend der Art des Stoffes bilden die Molekeln immer noch chemische Verbindungen aus zwei oder mehreren der bekannten Grundstoffe oder Elemente. Ein Molekel Wasser besteht immer aus zwei Atomen Wasserstoff und einem Atom Sauerstoff – H2O –. Zersetzen wir aber angesäuertes Wasser durch den elektrischen Strom (Elektrolyse, Abb. 2), so erhalten wir immer zwei Raumteile Wasserstoff – 2H – und einen Raumteil Sauerstoff – O –. Es müssen also auch in jeder Molekel – H2O – zwei Stoffteilchen Wasserstoff und ein Stoffteilchen Sauerstoff enthalten sein. Diese durch Trennung auf chemischem Wege erhaltenen kleinsten Einheiten der Molekel heißen Atome.
Die Elektrolyse des Wassers. Das Wasser wird durch den elektrischen Strom in doppelt soviel Wasserstoff als Sauerstoff zerlegt.
Abb. 2
Sie nehmen infolge ihrer Ausdehnung in Länge, Breite und Höhe einen Raum ein und sind daher Körper. Jede Molekel ist aus Atomen zusammengesetzt. In den Atomen erkennen wir somit die kleinsten chemischen Bausteine aller Molekeln und damit auch aller Körper.
Kristall
Nach Feststellungen im Röntgenbild zeigen die Stoffe im festen Zustand durch die gegenseitige Bindung der Molekeln (Kohäsion = Anziehungskraft zwischen den Molekeln ein und desselben Körpers) eine vollkommen regelmäßige Anordnung. Es haben sich beim Aufbau infolge der jeweiligen chemischen Zusammensetzung Kristalle gebildet. Diese sind durch ebene Flächen gesetzmäßig begrenzte Körper, deren Form in erster Linie von der chemischen Zusammensetzung des Stoffes abhängt.
Eines der einfachsten Beispiele hierfür ist der Steinsalzkristall, bestehend aus dem Metall Natrium und dem Gas Chlor – Natriumchlorid – NaCl –. Die Atome liegen nebeneinander, immer ein Chlor- neben einem Natriumatom in regelmäßigem Abstand, einen Würfel bildend (Abb. 3). Ein Na-Atom ist immer von sechs Cl-Atomen umgeben. Dieser Atomfeinbau wird als Raumgitter oder Kristallgitter bezeichnet. Die gegenseitigen Spannungen der Atome halten das Ganze im Gleichgewicht zusammen. Es verbleibt jedem Atom nur noch der Raum, um geringe Schwingungen um seinen Ort ausführen zu können.
Steinsalzgitter
Abb. 3
In dieser Weise ist jeder feste (Metall-) Körper⁵, der Wertigkeit seiner Grundstoffe entsprechend, symmetrisch in den verschiedenartigsten, oft kompliziertesten Kristallformen aufgebaut. Die Wertigkeit ist die Fähigkeit eines Elementes, eine gewisse Zahl andersartiger Atome an sich zu binden. Beim Wasser – H2O – besitzt der Sauerstoff doppelt soviel Bindekraft wie der Wasserstoff; O ist also zweiwertig, H ist einwertig (H – O – H). Natriumchlorid = Steinsalz – NaCl –. Natrium ist einwertig, Chlor ebenfalls, Na – Cl. Andere Stoffe sind dreiwertig, vierwertig usw. Einige Elemente jedoch sind mehrwertig, d. h. sie können sowohl ein als auch zwei oder drei andersartige Atome binden.
Bei den uns in der Hauptsache interessierenden Metallen ist dieser Aufbau bis ins Große nicht so vollkommen durchgeführt wie etwa bei Quarz (Abb. 4), Diamant und anderen Edelsteinen, sondern die Kristallstruktur ist durch gegenseitige Behinderung der Kristallbildung während der Abkühlung, durch Unterbrechung und Neubeginn des Baues verwischt. Es liegen kleine abgetrennte Gebiete unregelmäßig durcheinander (Abb. 5).
Quarzkristalle
Abb. 4
Messing mit 40 % Zn (nach dem Walzen bei 850° C geglüht)
Abb. 5
Infolge der den Atomen innewohnenden Energien geht im Innern des Kristalls ein ständiges Schwingen vonstatten. Es wird mit Wahrscheinlichkeit angenommen, daß das Atom wiederum in sich aus einem positiv elektrisch geladenen Kern, dem Atomkern, und einer der Ordnungszahl des Elementes entsprechenden Anzahl um diesen Kern kreisender Elektronen (negativ elektrisch geladen) besteht, also aus einer größeren Zahl kaum vorstellbar kleiner Teilchen, die, den sie beherrschenden Kräften folgend, unaufhörlich mit ungeheurer Geschwindigkeit um den Kern des Atoms schwingen (Abb. 6). Zwischen diesen kleinsten Teilen bestehen die schon erwähnten Zwischenräume, die ein Durchdringen der Masse ermöglichen. Diese wahrnehmbaren Zwischenräume dürfen wir aber nicht mit den Hohlräumen eines durch Gießfehler porös gewordenen Gußstückes verwechseln.
Wasserstoffatom bestehend aus dem Kern und dem Elektron.
Kohlenstoffatom; Ordnungszahl 6 = 6 Elektronen in 2 Schalen.
Abb. 6
Die innerhalb jedes Atoms wirkenden elektrischen⁶ Kräfte bewirken nun durch ihre Spannung, daß der Körper einer Verformung, Trennung oder einem Zusammenpressen Widerstand entgegensetzt. Durch Erwärmung werden die Zwischenräume infolge des energetischen Schwingens und damit der ganze Körper fast immer vergrößert, durch Abkühlung verringert. Dies können wir beispielsweise in der Gesamtwirkung an einer Metallpendelstange bei Temperatursteigerung gut beobachten; sie wird länger, dagegen bei Abkühlung kürzer. Erhitzen wir Metallkristalle sehr hoch und steigern dadurch die Schwingungen immer mehr, so bricht bei einer ganz genau bestimmten Temperatur (Schmelztemperatur) das Kristallgefüge zusammen, und der Kristall ist geschmolzen; der vordem feste Stoff ist in den flüssigen Zustand übergegangen.
Zustandsformen der Körper
In der Werkstatt verbrauchen wir die Metalle als Stangen, Blech oder Draht, die Hilfsstoffe in der Hauptsache als Flüssigkeiten (Öle, Brennen, Beizen, Reinigungsmittel, Lötwasser usw.) und auch als Gas (Leuchtgas).
Zusammenhangskraft – Kohäsion⁷
Je nach der Art des Zusammenhanges der kleinsten Massenteilchen unterscheiden wir feste, flüssige und gasförmige Körper (Abb. 7). Bei den festen Körpern sind die Kräfte, die die Massenteilchen zusammenhalten (Kohäsion = Zusammenhangskraft), so stark, daß nur die Einwirkung größerer Kräfte, wie Druck, Zug und andere, eine Verschiebung der Teilchen und damit Formveränderung herbeiführen kann. Der Zusammenhang der flüssigen Körper ist jedoch so gering, daß sie schon unter der Einwirkung der Schwerkraft ihre Form verändern und, wenn ihnen kein Halt durch ein Gefäß gegeben wird, unter Annahme einer waagerechten Oberfläche auseinanderlaufen.
Jedoch finden wir auch unter ihnen solche, bei denen infolge größerer innerer Spannungen die Massenteilchen der Verformung, dem Verlaufen, einigen Widerstand entgegensetzen und sie im Tropfen zusammenhalten (fettes Öl).
Abb. 7
Bei den gasförmigen Körpern haben die Massenteilchen das Bestreben, sich nach allen Seiten möglichst weit voneinander zu entfernen. Sie sind leicht verschiebbar und gestatten keine feste Form. An der Luft verdunstendes Quecksilber, die Dämpfe von Säuren und Brennen, die Benzingase entweichen nach allen Seiten und können überall hingelangen, daher Vorsicht – die Lungen. In vielen Fällen liegt es in unserer Hand, den Zustand der Körper zu ändern. Wärme macht die Metalle flüssig und gießbar (Eisen- und Messingguß), Kälte läßt Flüssigkeiten erstarren; Gase können verflüssigt werden, wie auch feste Körper durch Wärme verdampft, d. h. in den gasförmigen Zustand übergeführt werden können (Feuervergoldung).
Mechanische Eigenschaften der Körper
Wie schon gesagt, halten die Massenteilchen je nach dem Zustand des Körpers mehr oder weniger zusammen, oder sie versuchen, im flüssigen oder gasförmigen Zustand oder unter besonderen Verhältnissen (Wärme), sich voneinander zu entfernen. Aus der besonders den festen Körpern eigenen Zusammenhangskraft – Kohäsion – ergibt sich die für das sichere Arbeiten der Uhr wertvolle Festigkeit des Werkstoffes.
Jeder Stoff setzt den auf ihn einwirkenden Kräften mehr oder weniger Widerstand entgegen.
Abb. 8
Festigkeit
Hämmern wir einen Messingdraht, so verändert er unter der Einwirkung des Hammerschlages seine Form, er wird dünner, breiter und länger, je nachdem die Festigkeit des Messings es zuläßt (Abb. 8)⁸.
Als solche bezeichnen wir den Widerstand, den der Werkstoff jeder Formveränderung gegen Trennung oder Verschiebung seiner Massenteile durch eine von außen wirkende Kraft entgegensetzt. Unter der Einwirkung äußerer Kräfte erfolgt stets eine Formveränderung, die entweder bleibend oder nur vorübergehend, d. h. nach Aufhören der Einwirkung in den alten Zustand zurückkehrend, sein kann.
Nach der Art und Richtung, wie diese Einwirkung auftritt, unterscheiden wir unter anderem Zug-, Druck-, Biegungs-, Knickungs- und Verdrehungs-Festigkeit (Abb. 8). So muß z. B. die Zugfeder eine hohe Zug- und Biegungs-Festigkeit besitzen. Wenn ein Werkstoff in der einen Beanspruchung hohe Werte aufweist, so ist es nicht immer sicher, daß er auch bei anderen Beanspruchungen gleichwertig ist (Gußeisen: Druck ≈ 800 N/mm², Zug ≈ 150 N/mm²).
Außerdem wird die Festigkeit, besonders bei gewalztem Material, nicht nach allen Richtungen gleich sein. Beim Zuschneiden von Blattfedern z. B. müssen wir unbedingt die Walzrichtung beachten. Quer zur Walzrichtung ausgeschnitten, würde sich die Feder verbiegen. Um sicherzugehen, daß ein Werkstoff auch den Anforderungen genügt, die von ihm verlangt werden, wird er schon während der Herstellung einer Reihe von mechanischen und chemischen Untersuchungen unterzogen.
Zugfestigkeit⁹
Die mechanischen Prüfungen beziehen sich in der Regel auf Zug-, Druck- und Faltfestigkeit (DIN 1605 Blatt 1–4). Um einen Wert für die Zugfestigkeit eines Werkstoffes, also den Widerstand gegen Zerreißen, festzustellen, wird ein daraus hergestellter Stab (200 mm Meßlänge, 20 mm Ø, Querschnitt = 314 mm² = großer Normalstab) an beiden Enden in eine Zerreißmaschine eingespannt und einer hohen Beanspruchung durch Zug ausgesetzt (Abb. 9). Der Zug wird immer weiter gesteigert; das Material fängt an, sich zu strecken, wird länger und dünner, bis sich plötzlich unter fließender Bewegung des Werkstoffes der Probestab weiter dehnt, ohne daß sich die Zugspannung steigert. Nach weiterer Zunahme der Zugspannung bildet sich plötzlich beim Erreichen der höchsten Zugspannung eine Einschnürung, und unter Dehnung und Zugabnahme zerreißt darauf der Stab mit einem Knall. War z. B. die höchste Belastung kurz vor dem Reißen 132.000 N, so besitzt der Stoff dieses Probestabes 132.000 N / 314 mm² = 420 N/mm² Zugfestigkeit.
Bei der Markenbezeichnung des Stahls wird die Zugfestigkeit in Kilogramm je Quadratmillimeter hinter dem Kurzzeichen für Stahl = St angegeben. St 34¹⁰ bedeutet also, der Stahl kann mit mindestens 34 kg/mm²¹¹ des Querschnittes belastet werden. Aus der Längen- und Durchmesseränderung und dem aufgewendeten Zug können ebenfalls die Dehnung prozentual zur ursprünglichen Länge berechnet und die Güte und Verwendbarkeit des Werkstoffes ersehen werden. Lassen wir auf ein Stück Material nur einen geringen Zug einwirken, so wird es sich unter seinem Einfluß etwas dehnen.
Zerreißprobe an einem Stahlstab
Abb. 9
Die Dehnung verschwindet jedoch wieder vollständig, wenn wir die Einwirkung entfernen. Das Material ist auf seine ursprüngliche Ausdehnung zurückgegangen, es ist elastisch. Steigern wir aber die Zugkraft weiter, so tritt eine bleibende Dehnung auf, die nicht wieder zurückgeht; die Elastizitätsgrenze ist überschritten.¹²
Der plötzliche Knick in der Kurve der Abbildung 9 zeigt uns, daß das Gefüge in diesem Augenblick bei erheblicher Dehnung seine innere Spannung, die Zusammenhangskraft und damit an Festigkeit verliert. Es ist selbstverständlich, daß in der Technik die Beanspruchung des Materials noch unterhalb der Elastizitätsgrenze liegen muß.
Festigkeit und Dehnung einiger Metalle
Abb. 10
Dehnbarkeit
Wollen wir einen Werkpfeiler in der Werkplatte befestigen, so kann dies unter anderem durch Vernieten geschehen. Das überstehende Material des Zapfens müssen wir in die kegelige 60°-Senkung der Bohrung derart vertreiben, daß der Hohlraum ausgefüllt wird und der Pfeiler den unlösbar festen Sitz erhält (Abb. 11).
Abb. 11
Hierbei muß der Werkstoff so dehnbar sein, daß die Nietung bei der notwendigen Dehnung keine Risse zeigt. Die Molekel dürfen trotz der starken Verschiebung ihren Zusammenhang nicht verlieren.
Diese Dehnbarkeit der Werkstoffe ist wichtig für viele unserer Arbeiten. Die Ausformung der Gehäuse ist meist nur möglich bei Verwendung eines dehnbaren, zähen Materials; auch bei allen Treib-, Niet-, Zieh- und Prägearbeiten