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Terrorismus A/D: Wechselwirkungen zwischen analoger und digitaler Sphäre
Terrorismus A/D: Wechselwirkungen zwischen analoger und digitaler Sphäre
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Terrorismus A/D: Wechselwirkungen zwischen analoger und digitaler Sphäre

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Cyberterrorismus ist kein neues Phänomen: nicht erst seit der Hochphase des islamistischen Terrors rund um 9/11 dürfte allgemein bekannt sein, dass alle Beteiligten - Staaten wie Terroristen - versuchen, digitale Entwicklungen wie das World Wide Web massiv für ihre Zwecke zu nutzen, beispielsweise auf der Propaganda- und der Rekrutierungsebene. Aufgrund dieser Entwicklungen ist auch der Begriff des Cyberkrieges nicht neu: "Cyber”-Phänomene dieser Art wurden in den letzten Jahren teilweise sehr intensiv ausgeleuchtet, Begrifflichkeiten geprägt - und Szenarien realisiert.
Was bislang fehlte, war eine gleichberechtigte Analyse der Wechselwirkungen zwischen analoger und digitaler Lebensrealität, sprich: ein Ausleuchten der Pfade zwischen neuen Cyber-Phänomenen und „alter Welt". Das Digitale potenziert sowohl die Chancen als auch die Risiken, es löst sie jedoch nicht automatisch ab. Es erschien deshalb zwingend notwendig, den Terminus der Wechselwirkung besonders zu betonen und hier genauer hinzuschauen. Es geht nicht um Einbahnstraßen von analog nach digital, auch nicht um Ablösungen, sondern um permanentes Pendeln zwischen den Polen: Wie prägt eigentlich Digitalisierung ein kulturelles/rechtliches/soziales Bild von Terrorismus und wie prägt diese (erneuerte) Sichtweise wiederum die digitale (Anti-)Terror-Arbeit? Wie stark sind diese Wechselwirkungen in den unterschiedlichen Bereichen, welche Akteure dominieren bzw. werden dominiert, welche Faktoren spielen hier eine besondere Rolle und wann haben sich welche Wechselwirkungen überhaupt herausgebildet, manifestiert oder auch wieder aufgelöst? Seitdem klar geworden ist, daß man mit digitalen Möglichkeiten nun auch nicht-digitale Phänomene sehr präzise und wirkungsvoll analysieren kann (und nicht nur umgekehrt), erscheint die Ausleuchtung der Wechselwirkungen zwischen analoger und digitaler Sphäre geradezu unausweichlich.
LanguageDeutsch
PublisherCSW-Verlag
Release dateFeb 12, 2015
ISBN9783941287716
Terrorismus A/D: Wechselwirkungen zwischen analoger und digitaler Sphäre

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    Book preview

    Terrorismus A/D - CSW-Verlag

    2014

    Der YouTube-Negativeffekt:

    Das Schmähvideo The Innocence of Muslim als Problemfall und Symptom des Web 2.0

    Bernd Zywietz

    1. Der Fall The Innocence of Muslims

    Im Sommer 2012 wurde ein Video auf YouTube mit einer Länge von nicht ganz 14 Minuten zum Gegenstand der Erregung rund um den Erdball. The Innocence of Muslims (Die Unschuld der Muslime), Szenen-Zusammenschnitt bzw. „Trailer zu einem Langfilm, präsentierte mit bescheidenen Produktion- und schauspielerischen Mitteln Muslime nicht nur als christenhassenden Mob, sondern verunglimpfte auch den Propheten Mohammed, dessen „Lebensgeschichte der Film zu rekapitulieren vorgab. Ganz gleich, ob und wie sich die Heirat mit einer Minderjährigen und andere Affronts tatsächlich aus den Schriftquellen des Islam ableiten ließ: Allein die Art der Darstellung und das offenkundige Ziel der Verhöhnung des verehrten Religionsstifters als Hanswurst entfachte von Tunesien bis nach Indonesien eine Welle der Entrüstung, führte zu – bisweilen blutigen, freilich vor Ort mitunter geschürten und instrumentalisierten – Ausschreitungen. Auch der Sturm auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi am 11. September 2012, bei dem u.a. Botschafter Chris Stevens zu Tode kam, galt gemäß der amerikanischen Regierung eine Zeit lang als direkte Folge des Videos, ehe sich die Attacke als geplante Operation von al-Qaida herausstellte, die den Tod ihrer „Nr. 2, Abu Yahya al-Libi, rächen wollte (der Libyer war am 4. Juni bei eine US-Drohnenangriff in Waziristan ums Leben gekommen). Politik, Medien und Gesellschaft reagierten ebenfalls. In Ägypten, Pakistan, Bangladesch und andernorts wurde The Innocence of Muslims", wenn nicht gar der gesamte Zugang zu YouTube gesperrt.

    Im Westen waren der obskure Film und die Reaktionen darauf einmal mehr Anlass für Debatten um die Themen Meinungsfreiheit, weltanschauliche Toleranz und den „Kampf der Kulturen. US-Präsident Barack Obama verurteilte in der UNO-General-versammlung den Film als „Beleidigung nicht nur für Muslime, sondern ebenso für Amerika; das US-Außenministerium unter Hillary Clinton produzierte gar einem vom pakistanischen Fernsehen gesendeten TV-Spot, in dem jede Verbindung des „Hetzfilms" mit den USA bestritten wurde. Unzählige andere Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens kritisierten das Machwerk und distanzierten sich vehement von ihm und seinen Machern, deren Tod schnell von Islamisten gefordert wurde.

    Die deutsche rechtspopulistische Partei Pro Deutschland versuchten wiederum auf ihre Art, an der Provokation zu partizipieren, indem sie ankündigten, den Film öffentlich zeigen.

    Das Bemerkenswerte am Fall The Innocence of Muslims (im Folgenden „IoM") ist seine mehrdimensionale Asymmetrie.

    Zunächst sticht die Nichtigkeit des Videos selbst ins Auge, insbesondere, wenn man seine Folgen berücksichtigt. Die Art der Brüskierung selbst ist und war ebenso wie die resultierende Entrüstung und der Zorn sowie die sich anschließende Debatte um den Schutz vor religiösen Minderheiten und ihre Empfindungen nicht neu. Entsprechende Parallelen zum islamkritischen Kurzfilm Fitna von Geert Wilders (veröffentlich 2008 auf dem britischen Videoportal LiveLeak) oder Theo van Goghs Submission (2004) und die Ermordung des Regisseurs auf offener Straße lassen sich finden. Auch die dänischen Mohammed-Karikaturen der Zeitung Jyllands-Posten (2005) samt der sich daran entzündenden Kontroversen, die Proteste, Boykotts (vor allem 2006) und schließlich gar Attentate waren vielfach Referenzpunkt. Das Thema „IoM verschwand denn auch erstaunlich schnell wieder von der öffentlichen und politischen Agenda – eine Art Strohfeuer. Wichtig ist es jedoch gerade in seinen Eigentümlichkeiten und bei all seiner handwerklichen wie intellektuellen Dürftigkeit (trotz eines immerhin geschätzten sechsstelligen Budget) nichtsdestotrotz geblieben, kreuzen, überlagern und verstärken sich auf symptomatische Weise doch im Fall „IoM unterschiedlichste aktuelle und dringliche Problemfelder und Konfliktlinien, werden überdeutlich Fragen und Herausforderungen nicht zuletzt der digitalen Umbruchphase, die des Web 2.0-Zeitalters, konkret.

    Diese beinhalten u.a. jene der Kontrolle und Regulation von „Neuesten (sozialen) Medien und ihren Inhalten, die im weltweiten Netz nur mehr bedingt Staats- und nationale Rechtsgrenzen kennen, oder grundlegende Prozesse des inter- und transkulturellen Transfers und Austauschs sowie (nicht nur medien-)ethische Wertkonflikte und Dilemmas mit nicht nur mehr innergesellschaftlicher Relevanz. Spezifischere Aspekte sollen im Folgenden näher skizziert werden. Sie verweisen ebenfalls auf Dimensionen der genannten merkwürdigen Asymmetrie der Causa „IoM und betreffen unmittelbar die bedeutendste Videoplattform YouTube als „uneindeutiges Medium und ambivalente „populäre Alltagspraxis und Baustein eines multimedialen Anwendungsensembles neben Twitter, Facebook, Flickr, MySpace und LinkedIn (Schumacher/Stuhlmann 2011, S. 7).

    2. Der „YouTube-Effekt"

    Im renommierten Journal Foreign Policy prägte Chefredakteur Moisés Naím 2007 den Begriff des „YouTube Effects", der auf die Omnipräsenz von Handykameras und vor allem die Verbreitung von entsprechenden dokumentierenden Videoaufnahmen, aber auch Statements und Gegenpositionen auf dem Portal abzielte. [1] Naím spielte mit dem Terminus auf den in der Journalismusforschung etablierten, wenn auch nicht gänzlich nachgewiesenen bzw. belegten „CNN-Effekt an. „The phrase ‘CNN effect’ encapsulated the idea that real-time communications technology could provoke major responses from domestic audiences and political elites to global events (Robinson 1999, S. 301). Als Beispiel für die Wirkung der 24-Stunden-Berichterstattung auf die (Außen-)Politik eines Staates gilt etwa der Rückzug der Amerikaner aus Somalia nach der Schlacht von Mogadischu 1993, vor allem aber die Bilder des nackten, durch die staubigen Straßen geschleiften Leichnams eines US-Soldaten. „Citizen-produced and Web-distributed" (Naím 2007, S. 103) übertreffen jedoch die Informationsproduktion und die konstante Aufmerksamkeit der Web 2.0-Kultur jedoch noch die Möglichkeiten der Dauerberichterstattung etablierter TV-Nachrichtensender. Menschenrechtsverletzungen etwa von chinesischen Truppen an tibetanischen Flüchtlingen – so Naíms Beispiel – werden dank der neuen Techniken und Kanäle öffentlich, unterlaufen staatliche Zensur- und Vertuschungsbemühungen, drängen sogar in etablierte Nachrichtenmedien und setzen sich auf deren Agenda.

    Man muss freilich für Beispiele der demokratisierenden Macht von YouTube und Co. nicht bis ins entlegene Himalaya-Gebirge schauen: Die arabische Frühling oder vor allem die versuchte „Grünen Revolution" im Iran 2009 mit ihrer webversierten jungen Generation gelten als Zeichen für das positive, instrumentelle Politpotenzial von Videoplattformen, nach sozialen Netzwerken und Kommunikationsdiensten und -wegen wie Twitter.

    Allerdings hat die schöne Neue Medienwelt auch ihre Schattenseiten. Cori E. Dauber (2009) etwa spricht, freilich auch aus militärstrategischer Sicht, vom „YouTube War und verweist dabei auf die Unabhängigkeit von Extremisten und Terroristen, die zur Verbreitung ihrer Botschaften, Deutungen und zur Aufmerksamkeitserpressung von traditionellen Medien bedenklich unabhängig geworden sind. Und auch Naím konstatiert: „Some videos reveal truth. Others spread disinformation, propaganda, and outright lies. All are part of the YouTube effect (Naím 2007, S. 104). Diese umfassende Subsumierung ist aber bedenklich, zumindest, wenn man den YouTube-Effekt als begriffliche Ableitung und inhaltliche Weiterentwicklung bzw. Neuformung des CNN-Effekts versteht. Der Druck durch die – gerne auch sensationalistisch eingestellte – Berichterstattung auf politisches Handeln ist sicherlich geprägt durch eigene Nachrichtenwerte und „Frames (etwa der Personalisierung und der Emotionalisierung), doch handelt es sich stets und zentral um eben dies: Berichterstattung, also das Informieren von Lesern und Zuschauern über, bei allen konstruktivistischen Sichtweisen, realen, unabhängig vom Betrachter existenten Ereignissen und Gegebenheiten. „Disinformation und „outright lies setzen implizit einen Wirklichkeitsbezug voraus. Notwendigerweise auch „propaganda?

    Das Video The Innocence of Muslims jedenfalls zeigt, wie der YouTube-Effekt konzeptionell über das bloße Verständnis des „Pseudoevents (unter die man auch terroristische Aktionen fassen kann – s. Bowen 2005) hinausgeht: Nicht das für die Medien inszenierte Ereignis (ein Parteitagsauftritt, ein Anschlag etc.) ist Gegenstand, sondern das YouTube-Video selbst wird zum „Ereignis, zum Politikum und Skandal, der in den Redaktionen aufgegriffen, weiterverbreitet und kommentiert wird. Vieles spricht gegen den Vergleich, aber es lohnt sich, „IoM heuristisch mit einem terroristischen Attentat zu vergleichen, etwa hinsichtlich des Semiotisch-Symbolischen, der (hier doppelten) Indirektheit der Gewalt oder der Asymmetrie der Mittel und Wirkung – selbst wenn der begriffliche Verwendungszusammenhang eher Termini wie „Provokation oder „Hetze nahelegt. Danny Duncan Collum (2012) spricht in diesem Kontext jedenfalls zu Recht von „Free-Spreech Fundamentalism. Der Internet-„Troll" als User-Generated-Content- und Meinungsterrorist?

    Sicher, Kunst- und Meinungsäußerungen – etwa die erwähnten Mohammed-Karrikaturen oder Salman Rushdies Die satanischen Verse (1988) – haben zuvor schon für Aufregung gesorgt und zu Gewalt. Nicht zu vergessen ist zudem, dass die Aufmerksamkeit für „IoM mehreren Vermittlungsstufen geschuldet ist, dabei klassischer Medienformen und -kanäle bedurfte, um seine Wirkung zu entfalten. Das dubiose Filmchen wäre sicherlich nur eines von vielen gleichartigen fragwürdigen Beiträgen unterschiedlichster ideologischer Couleur gewesen (und relativ unbemerkt in der Masse untergegangen), die neben Musik- und Katzenvideos, TV-Ausschnitten, Werbeclips etc. Teil eines 48-Stunden-Videomaterialstroms ausmachen, das, kolportiert, der mittlerweile jede Minute auf YouTube hochgeladen wird. Tatsächlich fristete „IoM ein Nischendasein, ehe Prediger Terry Jones aus Florida, der 2010 zum „Internationalen Burn a Koran Day aufrief, in seinem Newsletter darauf hinwies und ehe vor allem Morris Sadek von der National American Coptic Assembly, ein notorischer Anti-Islamist, das Video auf seiner arabischsprachigen Website postete. Dank Sadek erregte es die Aufmerksamkeit des islamistischen TV-Einpeitschers Scheich Khaled Abdullah bzw. seiner Redakteure. Der kontroverse Salafist Abdullah moderiert die auf dem Satellitenkanal al-Nas („Volkskanal) ausgestrahlte „Neues Ägypten-Talkshow, zeigte Ausschnitte aus dem Trailer – und machte so „IoM im Nahen Osten bekannt.

    Zweierlei ist bemerkenswert. Zum einen die enge „kommunikative Kooperation extremer Akteure „verfeindeter Lager – hier koptische und freikirchlicher Islamfeinde, dort islamistische, anti-westliche Hardliner – die ihre Bedeutung je auseinander schöpfen, nachgerade aufeinander angewiesen sind:

    Die Äußerungen des einen werden bereitwillig, gar gierig für die eigene Position aufgegriffen, dabei als repräsentativ pauschalisiert und zur Waffe in der Durchsetzung der eigenen Weltanschauung gemacht. Es ist eine bizarre Kooperation, die sich zeigt, und die einmal mehr veranschaulicht, wie nahe sich Extremisten in ihrem Fundamentalismus unabhängig von „Glaubensinhalten und politische Ausrichtung sind. Eine bilaterale Eskalationstaktik, die sich übrigens in der Geschichte radikaler und auch militanter politischer Konflikte immer wieder findet. Es mutet denn auch wie höhere Gerechtigkeit (oder Ironie) an, dass in Ägypten – interne Macht- und Einflusskämpfe beiseite – nicht nur YouTube gesperrt wurde, sondern auch Scheich Abdullah in Kairo wegen Religionsbeleidigung (das Zerreißen und Verbrennen einer Bibel als Reaktion auf „IoM) verurteilt wurde. Damit verbunden zeigt sich – zum anderen – im Fall „IoM eine Zufallsfront der Nutzer „alter Medien über die ideologischen Grenzen hinweg gegen die „Digital Natives. Der damals 55-jährige Kopte „Sam Bacile alias Nakoula Basseley Nakoula als Produzent von „IoM (zu ihm später mehr) setzte auf den klassischen Spielfilm, seine dramaturgischen, affektiven Mittel und die entsprechende emotionale Valenz, um seine eindimensionale Botschaft zu verbreiten, derweil TV-Persönlichkeit Abdullah das in Nahost dominierende Massenmedium Fernsehen in seinem Sinne in Anschlag bringt. Abdullah ist denn auch stellvertretend als Gegenakteur zu den Aktivisten der Facebook-Generation zu sehen, die, wenn auch unwillig, aber eben mit einem gemeinsamen Gegner, Hand in Hand das Regime Mubarak stürzte – eine Mesalliance, die sich im „Ägyptischen Herbst, vor allem in den Unruhen und Konfrontationen im Sommer 2013, als eine solche offenbarte. Das „Web 2.0, so zeigt dies, ist nicht per se Sphäre und Mittel der Emanzipation, der Jugend, der Avantgarde, der aufklärerischen Subversion, sondern kann auch effektvoll zum Instrument der Engstirnigen und Gestrigen, der Konservativen, Antidemokraten und Verfechter eines Antimodernismus „degradiert werden.

    Angesichts der gängigen Positivstimmung bezüglich der Segnungen des Social Webs (von staats- und geheimdienstlichen Überwachungsskandalen und generellem Kulturpessimismus mal abgesehen) unterscheidet sich die Causa „IoM von vorherigen Fällen des Meinungs(äußerungs)terrorismus nun nicht nur im Webvideo-Verbreitungsweg für den zentralen Zugriff, etwa als Belegquelle, sondern auch als virtueller Ort – einer der Begegnung, des Austauschs wie des Seins. Wenn „IoM als Akt eines Meinungsterrorismus betrachtet wird, ist das Angriffsziel ein zweifaches: Neben jenen Strenggläubigen, die sich durch das relativ nichtige „IoM (wie gewollt und vorgeblich auch immer) provoziert und beleidigt fühlten, sahen sich westliche Vertreter und Ausgestalter „aufklärerischer Werteordnungen bedrängt und herausgefordert. Tatsächlich mögen die „Free-Speech"-Terroristen zwar die islamische Welt in Rage gebracht haben, unter Druck setzten sie mehr noch die westlich-liberalen Gesellschaften mit ihren Idealen, Werten und Grundrechten. Auch hierbei spielte YouTube an und für sich eine eklatante Rolle.

    3. Problematisches „Medium"

    Viele der „diskursiven Topoi, die Alexander Görlach (2009) in der Debatte um den Karikaturen-Streit in deutschen Printmedien ausmachte, lassen sich auch in den Diskussionen zu „IoM wiederfinden, etwa jene, zu den Ursachen der Proteste in der islamischen Welt oder resultierende Handlungsaufforderungen („Gegen-Selbstzensur-Topos). Doch selbst wenn es den Einpeitschern unter den Islamisten relativ gleichgültig ist, die laut Salman Rushdie nach „Scheingründen suchen, um beleidigt zu sein (Rushdie 2012), die immer wieder Anlässe zur Erregungsproduktion auftun und gelegentlich konstruieren, spielt es doch eine erhebliche Rolle, dass „IoM ein Textprodukt ist, welches seiner Gattung- und der medial-technischen Verbreitungsform nach keine solche Schutz- und Ehrwürdigkeit für sich beanspruchen konnte wie die dänischen Mohammed-Zeichnungen oder Rushdies Roman. Bei diesen handelte es sich um Satire und Zeitung, Genre und wertgeschätztes Medium, beides „aufklärerische nobilitiert, außerdem

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