Gewöhnlicher Alltag - außergewöhnliche Gnade: Mein geistlicher Weg ins Opus Dei
By Scott Hahn
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Erfrischend offenherzig schildert Scott Hahn auf den Seiten dieses Buches seinen Weg ins Opus Dei, das ihm zum geistlichen Zuhause in der katholischen Kirche wurde. Was zog ihn - den Ehemann, Familienvater und Professor für Biblische Theologie - am Opus Dei an? Es war der schlichte Gedanke, dass dies alles in seinem Leben Wege Gottes werden können. Die seit der Reformation weitgehend in Vergessenheit geratene christliche Wirklichkeit der Gotteskindschaft fand er im Opus Dei zu neuem Leben erweckt. In diesem Bewusstsein geht man anders durch die Welt, und der gewöhnliche Alltag öffnet sich wie ein Fächer für die Gegenwart Gottes bis in die letzten Fältelungen des menschlichen Lebens. Das Leben gewinnt so eine ganz neue heilswirksame Dynamik in der Heiligung des Alltäglichen. So kann die Arbeit zu Gebet werden, zu Lobpreis und Anbetung des Schöpfers. Der heilige Josemaría Escrivá, Gründer des Opus Dei, hat den Lebensstil der Urchristen - Heiligkeit inmitten der Welt - wiederbelebt: die Einladung Gottes an jeden Getauften, an der Seite des Sohnes die Welt zu verwandeln.
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Gewöhnlicher Alltag - außergewöhnliche Gnade - Scott Hahn
Hahn
Kapitel 1
Eine persönliche Vorbemerkung
Wären doch dein Verhalten und deine Worte so,
dass jeder, der dich sieht oder mit dir spricht,
unwillkürlich dächte:
Der da beschäftigt sich mit dem Leben Jesu.
Der Weg, Nr. 2
Bisher war ich noch nicht einmal ein Möchtegern-Katholik – selbst davor hatte ich Angst. Als presbyterianischer Pastor hatte ich mir ein Sabbatjahr genommen, denn ich brauchte Zeit, um mein theologisches Wissen zu vertiefen, zu beten, nachzudenken. Im Laufe mehrerer Jahre – und sehr im Widerspruch zu meiner gründlichen calvinistischen und evangelikalen Ausbildung – hatte ich mich in eine katholische Denkweise hineingelesen. Je intensiver ich die Bibel sowie Theologie und Geschichte studierte und je mehr ich betete, um so unvermeidlicher zog es mich zum Katholizismus hin.
Allerdings kam meine Kenntnis des Katholischen hauptsächlich aus Büchern. Ich hatte meine Jahre seit der Teenager-Zeit im wesentlichen in begeisterten protestantischen Lebenswelten verbracht, zunächst als Student an einem kleinen Privat-College, dann an einem namhaften evangelikalen Seminar und schließlich als Pastor und Lehrer an kleinen Bekenntnisschulen und in Kirchengemeinden. Hier hatte ich freudige Jüngerschaft, inspirierende Leitung und glühende Gottesdienste erlebt.
Hingegen war (von Büchern abgesehen) mein Kontakt zu überzeugten Katholiken zu selten gewesen, um Früchte zu bringen. Die meisten dieser Begegnungen hatten in meinen Jugendjahren stattgefunden, und zwar mit jungen Leuten, die desinteressierte Christen waren wie ich selbst, bevor ich Jesus Christus als meinen Herrn und Retter akzeptierte.
Und nun befand ich mich als Erwachsener vollends in einer Glaubenskrise. Ich war frommer Protestant und ordinierter Pfarrer und doch fand ich die katholischen Argumente mehr als überzeugend, ja, um genau zu sein: ich fand sie einfach zwingend.
Ich hatte die Qual der Wahl und musste mich entscheiden zwischen dem, was mir in meiner protestantischen Vergangenheit lieb und teuer geworden war, und dem, was ich vom katholischen Glauben zu verstehen begann. Unter den evangelikalen Christen hatte ich tiefe Hingabe an Jesus Christus gefunden, Demut und Leichtigkeit im Gebetsleben, eine erstaunliche Arbeitsethik, wahren Eifer, die Kultur zu christianisieren, und ein leidenschaftliches Interesse an der Heiligen Schrift. Gerade diese letzte Eigenschaft war ganz wichtig für mich, den Prediger und jungen Bibeltheologen. Was ich jedoch an der katholischen Lehre schätzte, waren ihre überwältigende Stimmigkeit, Authentizität und Kraft.
Es war die Bibel selbst gewesen, die mich in diese Krise geführt hatte. Anfangs wollte ich die »Bundestheologie« der frühen Reformatoren verstehen. Dabei entdeckte ich, dass die Reformatoren – besonders Johannes Calvin und Martin Luther – in ihrer Lehre weitaus katholischer waren als ihre modernen Nachfahren. Calvin und Luther führten mich zu speziellen Schriftstellen, welche die Sakramente, die kirchliche Hierarchie und Maria behandelten. Doch ebenso wichtig war es, dass mich Calvin und Luther zu den Kirchenvätern führten, jenen ältesten Kommentatoren der Heiligen Schrift. Und sie waren es, die mir zu einem Kirchenverständnis verhalfen, das ich eben nur als katholisch verstehen konnte. Es war liturgisch, hierarchisch, sakramental. Obwohl katholisch, enthielt es doch alles, was ich an der reformatorischen Tradition ebenfalls liebte: tiefe Verehrung für Jesus, spontanes Gebetsleben, großen Eifer, die Kultur nachhaltig zu prägen, sowie eine brennende Liebe zur Bibel.
Doch weiterhin existierte die Kirche für mich nur zwischen den Seiten der staubigen Bücher, die ich las. Wo, so wollte ich wissen, wo waren die normalen katholischen Gläubigen, die auf diese Weise lebten?
Es zeigte sich, dass sie in Milwaukee auf mich warteten!
Immer zur Hand
Mit hochgespannten Hoffnungen und dennoch mit nicht allzu großen Erwartungen kam ich an die Marquette University für ein Aufbaustudium. Doch bald widerfuhr mir Gnade um Gnade. Ich traf einen freundlichen und brillanten Priester, der gewillt war, bis in den frühen Morgen mit mir über Theologie zu reden. Er erzählte mir von seiner Kindheit in einem polnisch-katholischen Elternhaus, in dem sich die Familienmitglieder mit Worten aus der Bibel zu begrüßen pflegten. Doch ein normaler Katholik, so sagte ich mir, war er wohl nicht. Er hatte an einer römischen Universität promoviert, eine Zeit lang als Offizial im Vatikan gearbeitet, und man munkelte (zu Recht, wie sich herausstellte), dass er im Begriff war, Bischof zu werden.
Dann begann ich, andere Katholiken kennen zu lernen – einer von ihnen war ein politischer Philosoph, ein anderer Zahnarzt –, die beide gleiche Eigenschaften zeigten. Am meisten beeindruckte mich, dass sie beide eine kleine Bibelausgabe bei sich trugen. Zu ungewöhnlichen Tageszeiten konnte ich diese Männer dabei ertappen, wie sie in der Kirche saßen und in der Heiligen Schrift lasen. Wenn ich sie bat, mir zu helfen, einen bestimmten Punkt der katholischen Lehre zu verstehen, dann zogen sie ihre Taschenbibel zur Unterstützung heraus. Ich dachte bei mir: Hier sind Männer, die das Leben Jesu Christi lesen – und das allen Ernstes.
Ich erwähnte meinem priesterlichen Freund gegenüber, ich hätte ein paar Leute getroffen, die das Neue Testament bei sich trügen und es anscheinend auch wirklich kennten.
Er antwortete: »Oh, sie müssen vom Opus Dei sein.«
Opus Dei: Ich konnte genug Latein, um die Bedeutung zu verstehen: »das Werk von Gott« oder »Gottes Werk«. Fast im selben Augenblick, als ich die Worte des Priesters hörte, wurde das Opus Dei für mich zum Orientierungszeichen – einem Leuchtturm, der das Ende meiner langen Reise in Aussicht stellte, zu einem ersten flüchtigen Blick in ein Land, das ich bisher nur aus Büchern kannte. Es war keineswegs so, dass es ein zu kleines Land war, um wahrgenommen zu werden. Und andererseits war das Opus Dei natürlich nicht das gesamte Land, denn die katholische Kirche ist viel größer als alles, worauf mich meine eigene konfessionelle Herkunft vorbereitet hatte, und es gab damals wie jetzt so viele andere große Institutionen und Bewegungen in der Kirche. Doch aus vielen Gründen war das Opus Dei ein Ort, an dem ich anfangen konnte, mich zu Hause zu fühlen.
Was waren meine Gründe dafür?
Zuallererst: die spürbare Bibelfrömmigkeit der Mitglieder.
Zweitens: der warmherzige ökumenische Geist. Das Opus Dei war die erste katholische Institution, die Nichtkatholiken zur Mitarbeit in ihren apostolischen Aufgaben willkommen hieß.
Drittens: das aufrechte Leben der Mitglieder.
Viertens: das normale Leben seiner Mitglieder. Sie waren keine Theologen, sondern Zahnärzte, Ingenieure, Journalisten – aber die Theologie, über die sie redeten und die sie lebten, fand ich attraktiv.
Fünftens: Sie vertraten mit heiligem Ehrgeiz eine hingebungsvolle Arbeitsethik.
Sechstens: Sie pflegten wahre Gastfreundschaft und begegneten meinen vielen Fragen großzügig und aufmerksam.
Und siebtens: Sie beteten. Sie nahmen sich jeden Tag Zeit für das persönliche Gebet – Zeit für ein echtes Gespräch mit Gott. Dies gab ihnen eine heitere Gelassenheit, wie ich sie selten gefunden hatte.
Als sich meine Freundschaft mit diesen Gläubigen des Opus Dei vertiefte, begann ich, die reiche biblische Theologie und biblische Spiritualität als die Herzmitte ihrer Berufung zu schätzen. Ich eignete sie mir an, lange bevor mir Gott die gleiche Berufung wie ihnen schenkte – ja, bevor mich Gott zu den Sakramenten der katholischen Kirche führte. Mir wurde sofort klar, sie bargen ein enormes Potential, um mein eigenes Leben zu erneuern, aber auch das Leben der Kirche Christi und das Leben der ganzen Welt. Dieses Buch soll von der biblischen Theologie und biblischen Spiritualität des Opus Dei handeln.
Im Schnelldurchgang
Meine Lieblingsdefinition des Opus Dei habe ich Mitte der achtziger Jahre auf einem Gebetszettel gefunden: Das Opus Dei ist, so heißt es da, »Weg der Heiligung durch die berufliche Arbeit und durch die Erfüllung der täglichen Pflichten als Christ.« Es ist nicht einfach eine Gebetsmethode oder eine kirchliche Organisation oder eine theologische Richtung. Sondern es ist ein »Weg«, und dieser Weg ist breit genug, um jeden aufzunehmen, dessen Tage mit redlicher Arbeit angefüllt sind – zu Hause mit den Kindern, in einer Fabrik oder einem Büro, in einem Bergwerk, auf einem Bauernhof oder in der Armee. Der Weg ist auch breit genug, um sich freien, unterschiedlichen Gebetsmethoden und theologischen Stilen anzupassen. Gott ruft manche Menschen auf diesen geistlichen Lebensweg, indem sie Mitglieder des Opus Dei werden. Darüber hinaus erhalten viele andere Menschen geistliche Orientierung durch das Opus Dei und durch die Schriften seines Gründers.
Wie entstand das Opus Dei? Es wurde 1928 von einem jungen spanischen Priester gegründet, dem heiligen Josemaría Escrivá de Balaguer. Jahre zuvor hatte er im Gebet bereits Vorahnungen und Hinweise empfangen, dass Gott etwas von ihm wollte, doch noch wusste er nicht was. Dann plötzlich an einem Oktobertag, als er in seinen Tagebuch-Notizen las, sah er es. Gott zeigte dem heiligen Josemaría, was er tun sollte.
Der Gründer sprach nur selten über das, was er in jenem Moment »gesehen« hatte, aber er gebrauchte immer das Verb »sehen«, um deutlich zu machen, dass er das Opus Dei als Ganzes gesehen hatte, wie es sich im Laufe der Zeit entwickeln würde. In einem vatikanischen Dokument heißt es: »Es war nicht ein Pastoralprojekt, das allmählich Form gewann, sondern es war wie ein plötzlicher Ruf, der in die Seele des jungen Priesters drang.«¹ Was hatte er gesehen? Vielleicht geben uns seine persönlichen Aufzeichnungen eine Ahnung von seiner Vision: »Normale Christen. Sauerteig. Das Unsere ist das Alltägliche, mit Natürlichkeit. Die Mittel: die berufliche Arbeit. Alle Heilige!«² Als zu seinem ersten Bildungskreis lediglich drei junge Männer kamen, gab er ihnen zum Schluss den Segen mit dem Allerheiligsten. Später sagte er: »Ich segnete die drei Teilnehmer … und dabei sah ich dreihundert, dreihunderttausend, dreißig Millionen, drei Milliarden … Weiße, Schwarze, Gelbe, in allen Hautfarben, in allen Schattierungen, die die menschliche Liebe hervorbringen kann.«³
Der heilige Josemaría sah, dass jeder nach Jesu Willen heilig werden kann, jeder ohne Ausnahme. Unser Herr wandte sich an eine große Menge, nicht nur an seinen inneren Kreis, als er sagte: »Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist« (Mt 5, 48). Dies ist das unverkürzte Evangelium, die gute Nachricht, welche die Apostel predigten. Wie der heilige Paulus verkündet, hat Gott uns in Jesus »erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott« (Eph 1, 4). Überdies hat Gott uns seinen »Plan« kundgetan, »das Geheimnis Seines Willens«. In der Fülle der Zeit – jetzt also, heute – sollen wir »in Christus alles … vereinen« (Eph 1, 9-10).
Der Gründer des Opus Dei lehrte, dass jede menschliche Tätigkeit – ob politisches Leben, Familienleben, soziales Leben, Arbeit und Freizeit – vereint mit Christus Gott als ein wohlgefälliges Opfer dargebracht werden soll, verbunden mit dem Kreuzesopfer, verbunden mit dem Messopfer. Er sehnte den Tag herbei, da »es an jedem Ort in der Welt Christen in persönlicher und freier Selbsthingabe geben wird – Christen, die ein anderer Christus sein werden«⁴.
Der heilige Josemaría verstand die Schöpfung als eine große kosmische Liturgie, die dem Vater von denen dargebracht wird, die in Einheit mit Christus, dem Hohenpriester, »ein anderer Christus« sind.
Die Welt anders gesehen
Wir können dieses Opfer vollziehen, denn wir sind »eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm« (1 Petr 2, 9). Wir haben Anteil am Priestertum und Königtum Christi, denn durch die Taufe haben wir Anteil an seiner Natur (vgl. 2 Petr 1, 4). Der heilige Josemaría forderte die Christen dazu auf, eine »echt priesterliche Seele und wahre Laienmentalität« zu haben. Dies ist kein Widerspruch. Denn sowohl als »Priester« wie auch als »König« haben wir eine Berufung, die zugleich sakral und säkular ist. Wir haben Anteil am Königtum Christi und wir haben Anteil an seinem Priestertum. So heiligen wir die zeitliche Ordnung und bringen sie Gott dar, wir stellen sie »in Christus« wieder her, denn wir leben in Christus. Wir stellen sie wieder her, jedes Mal ein wenig mehr, beginnend mit dem Zentimeter, Meter oder Kilometer, das unserer Verantwortung anvertraut worden ist. Wir sind gerufen, in