Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Verpasste Siege: Tragische Niederlagen der österreichischen Kriegsgeschichte
Verpasste Siege: Tragische Niederlagen der österreichischen Kriegsgeschichte
Verpasste Siege: Tragische Niederlagen der österreichischen Kriegsgeschichte
Ebook248 pages2 hours

Verpasste Siege: Tragische Niederlagen der österreichischen Kriegsgeschichte

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

Militärische Missgeschicke und kuriose Feldherrenfehler

Als Weltmacht trug das Habsburger Reich nicht nur die Hauptlast der Verteidigung gegen die Türken im Osten, sondern wehrte über Jahrhunderte in wechselnden Allianzen auch Angriffe aus dem Westen ab. Lange Zeit galt die österreichische Armee als eine der besten der Welt und berühmte Feldherren wie Prinz Eugen und Leopold Graf Daun errangen auf dem Schlachtfeld glänzende Siege - aber sie erlitten auch verheerende Niederlagen.

Den glorreichen Siegen unter österreichischen Farben stehen militärische Missgeschicke gegenüber, gravierende Fehlgriffe und eklatante Fehleinschätzungen, die eine Schlacht gewendet oder sogar einen Krieg entschieden haben, in dem man sich schon als Sieger wähnte. Von solchen verpassten Siegen handelt dieses Buch, von Kämpfen, die tragisch endeten, von Schlachten, die für die Österreicher schon gewonnen schienen und die dann doch noch unerwartet verloren gingen.

In spannend und temporeich erzählten Fallstudien sucht Hans-Dieter Otto nach den Gründen. Bei seiner Spurensuche öffnet sich ein Panorama verschiedenster historischer Epochen und gibt den Blick frei auf Personen, die sie herausragend bestimmten. Es spannt sich ein faszinierender Bogen über mehrere Jahrhunderte der österreichischen Kriegsgeschichte.
LanguageDeutsch
Release dateOct 18, 2012
ISBN9783701743155
Verpasste Siege: Tragische Niederlagen der österreichischen Kriegsgeschichte

Read more from Hans Dieter Otto

Related to Verpasste Siege

Related ebooks

European History For You

View More

Related articles

Related categories

Reviews for Verpasste Siege

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Verpasste Siege - Hans-Dieter Otto

    Sprichwort

    »Wir sind nun alle gute Freunde!«

    Ein Vorwort

    In den belebten Wiener Kaffeehäusern der Kärntnerstraße zeigt das Kalenderblatt den 12. November 1805 an. Fast alle Tische sind besetzt. Aufgeregt nippen die Wiener an ihrer Melange und stellen sich die bange Frage, was nun aus ihrer geliebten Metropole werden wird. Denn im 3. Koalitionskrieg mit Frankreich stehen die Truppen Napoleons unmittelbar vor der Stadt, bereit, sie einzunehmen. Viele Adlige und wohlhabende Bürger haben die Stadt bereits verlassen und am 8. November hat sich auch Kaiser Franz II. mit seinem Hofstaat nach Olmütz abgesetzt. Das verübeln ihm die Wiener sehr. Wien ist zwar zur »offenen Stadt« erklärt worden, aber dennoch befürchten die Bewohner, dass es Kämpfe um und in Wien geben wird. Denn eine Art Bürgerwehr, ein aus 17 Bataillonen und 30 Schwadronen bestehendes Reservekorps unter dem Kommando von Generalleutnant Fürst Karl von Auersperg, steht mit rund 13 000 Soldaten am nördlichen Donauufer Wiens bereit, um die Franzosen aufzuhalten.

    Die Angriffsspitzen von Marschall Murats Kavallerie haben am 10. November bereits Sieghartskirchen erreicht. Wenn sie nach Wien hineinwollen, müssen sie erst einmal über die Donaubrücken, insbesondere über die Taborbrücke, eine wacklige Holzkonstruktion im Norden, auf der sich die Hauptstraße über einige verbindende Dämme und quer über ein paar dicht bewaldete Inseln und Kanäle lang hinzieht. Der letzte Brückenbogen überspannt von der großen Insel Wolfsau bis zum Nordufer bei Spitz nicht weniger als einen halben Kilometer. Auf der nördlichen Brückenausfahrt steht eine schwere Batterie. Der Wiener Magistrat schickt Abgeordnete mit der Bitte zu Murat, die Stadt zu schonen. Er werde Wien großzügig behandeln, lässt Murat antworten, wenn die Taborbrücke intakt bleibe. Am 12. November erreichen seine Truppen die noch unversehrte Brücke. Auersperg hat Befehl, sie sofort zu sprengen, wenn sich die Franzosen nähern, damit die österreichische Armee Zeit gewinnt, sich mit den verbündeten Russen im Raum Olmütz zu vereinen. Auf den Brückenplanken sind Pulverladungen, Brennholz und Stroh ausgebreitet. Aber der biedere, dem Kaiser treu ergebene hochbetagte Auersperg, der für die Verteidigung Wiens aus dem jahrelangen Ruhestand reaktiviert worden ist, zögert die Zerstörung hinaus, weil er die Lebensmittelversorgung aus dem Marchfeld möglichst lange aufrechterhalten möchte. Außerdem kursieren in der Stadt von französischen Geheimagenten verbreitete Gerüchte, ein Waffenstillstand stehe unmittelbar bevor.

    Am Morgen des 13. November hält Husarenoberst Geringer Wache am ersten Brückenbogen. Da nähern sich gemächlichen Schrittes vier hochrangige französische Offiziere in schmucken blauen Mänteln, die Marschälle Murat und Lannes, General Belliard sowie Generaladjutant Bertrand, der später einer der engsten Vertrauten Napoleons wird. Sie winken schon von Weitem mit weißen Tüchern, schütteln dem verdutzten Oberst die Hände und machen ihm mit freundlichen, nahezu herzlichen Worten weis, die Feindseligkeiten zwischen Frankreich und Österreich seien soeben durch einen Waffenstillstand beendet worden und die Brücke gehöre nun den Franzosen. Kaiser Franz habe sich bereit erklärt, Napoleon zu empfangen, und sie selbst wünschen den Fürsten Auersperg zu sprechen. Oberst Geringer ist derart perplex, dass er nichts unternimmt, als französische Pioniere beginnen, das geschlossene Holzgitter an der Brücke einzuhauen. Das Einzige, was er tut, ist, sich schnellstens zu entfernen, um seinem Vorgesetzten Meldung zu machen. Hinter ihm sprengen in gestrecktem Galopp französische Husaren auf die Brücke. Am Nordende der Brücke, am Ende des dritten Brückenbogens, steht Hauptmann Johannes Bulgarich von der Székler-Infanterie und sieht mit Entsetzen, wie eine starke Gruppe französischer Soldaten bereits die letzte Biegung des Dammes erreicht hat. »Die Franzosen kommen!«, schreit er den Kanonieren der Batterie zu. Aber bevor sie feuern können, sind die Marschälle Lannes und Murat bei ihnen und versichern ihnen, ein Waffenstillstand sei eingetreten und die Feindseligkeiten zwischen Franzosen und Österreichern seien vorbei. Murat, ein heißblütiger, mutiger Gascogner, setzt sich lächelnd auf ein Geschütz und ruft den österreichischen Kanonieren zu: »Wir sind nun alle gute Freunde!« Sie fallen auf den dreisten Bluff herein und lassen zu, dass Pioniere auf der Brücke die Zündschnüre durchschneiden und alles brennbare Material in die Donau werfen. Als ein Kanonier sich über die viele Bewegung auf der Brücke wundert, beruhigt ihn Lannes mit der Bemerkung, es sei doch ein kalter Tag, und da müssten die französischen Soldaten auf der Stelle treten und herumlaufen, um sich warmzuhalten.

    Als General Fürst Auersperg, der im Posthaus von Stammersdorf sein Hauptquartier aufgeschlagen hat, auf dem Weg zur Taborbrücke ist, wundert er sich, dass die Geschützrohre seiner Batterie landeinwärts, geradewegs auf ihn, gerichtet sind. Beim zweiten Brückenbogen trifft er auf Marschall Murat. Er gibt Auersperg sein Ehrenwort als Offizier, dass die Feindseligkeiten beendet seien und er den Österreichern gestatten würde, sich unbehelligt zurückzuziehen. Die Batterie müsse er jedoch behalten. Im Denken und Handeln von Fürst Auersperg hat der Begriff der Ehre einen hohen Stellenwert. Er fällt blindlings ebenfalls auf das schamlose Gaunerstück herein. Die Franzosen überqueren die Donau und ziehen kampflos in Wien ein. Auersperg wird später vor ein Kriegsgericht gestellt und zum Tode verurteilt, vom Kaiser jedoch begnadigt. Er stirbt im Gefängnis.

    Dieser dreiste Bluff – eine haarsträubende Begebenheit, die schon Leo Tolstoi in seinem 1896 fertiggestellten Roman »Krieg und Frieden« quellengetreu beschrieben hat – stellt sicherlich einen besonderen Tiefpunkt in der österreichischen Militärgeschichte dar. Aber es hat noch andere militärische Missgeschicke gegeben, gravierende Fehlgriffe und eklatante Fehleinschätzungen, die eine Schlacht gewendet oder sogar einen Krieg entschieden haben. Von solchen schlimmen Unglücken handelt dieses Buch, von Kämpfen, die tragisch endeten, von Schlachten, die für die Österreicher schon gewonnen schienen oder die sie zumindest hätten gewinnen müssen, und die dann doch noch unerwartet verloren gingen. So viele Gewinnchancen wurden aus der Hand gegeben, so viele Siege verpasst. Den Gründen hierfür werden wir in den ausgewählten, chronologisch aneinandergereihten Fallstudien näherkommen. Kann die Vielzahl der verpassten Siege zu der Annahme führen, dass die Ursachen hierfür vielleicht auch in der österreichischen Mentalität und generell eher gemütlichen Lebensart zu suchen sind? Die Österreicher waren ganz sicher immer ein friedliebendes Volk gewesen. Kriege sind ihnen im Grunde immer verhasst. Bei der Spurensuche öffnet sich in den nachfolgenden Kapiteln ein Panorama verschiedenster Zeitepochen der österreichischen Historie und gibt den Blick frei auf Personen, die sie herausragend bestimmten. Es spannt sich ein weiter Bogen über mehrere Jahrhunderte höchst interessanter österreichischer Geschichte.

    Von welchem Zeitpunkt an können wir eigentlich von einer eigenständigen österreichischen Geschichte sprechen? Die von Otto dem Großen nach der Schlacht auf dem Lechfeld und dem Sieg über die Ungarn 955 errichtete und von den bayrischen Herzögen dem Geschlecht der Babenberger als Lehen übergebene Ostmark wird erstmals 996 als »Ostarrichi« (Österreich) urkundlich belegt. Kaiser Friedrich I. Barbarossa hat das Gebiet dann 1156 von Bayern losgelöst und zum Herzogtum erhoben. Aus einem alten, 1463 entstandenen Bericht, der »Cronica Austriae« des Theologen und Geschichtsschreibers Thomas Ebendorfer von Haselbach, wissen wir, dass in dieser Zeit auch die österreichischen Landesfarben Rot-Weiß-Rot entstanden sind: Herzog Leopold V. »der Tugendhafte« hatte im Dritten Kreuzzug bei der Belagerung von Akkon im Jahr 1191 den ganzen Tag über so heftig und ausdauernd gekämpft, dass sein weißer Waffenrock überall mit Blut bespritzt war, »ausgenommen jener Teil, den das Wehrgehenk deckte«. Als Leopold seinen breiten Gürtel abnahm und ein weißer Streifen zum Vorschein kam, ordnete Kaiser Heinrich VI. »zum nie versiegenden Ruhme Österreichs« an, dass nach dem Muster dieses blutdurchtränkten Rockes künftig alle Kampfschilder und Banner rot sein sollten, mit einem weißen Streifen in der Mitte. Wenn wir heute eine österreichische Flagge friedlich im Wind flattern sehen, ist uns gar nicht bewusst, welch martialischen Ursprung sie hat. In der ersten Schlacht, mit der wir auf den folgenden Seiten konfrontiert werden, der blutigen Schlacht bei Sempach im Jahr 1356, wehen die rot-weiß-roten österreichischen Banner bereits auf dem Schlachtfeld. Seit 1278 ist Österreich habsburgisch, mit Rudolf von Habsburg an der Spitze.

    Zwei Jahrhunderte später ist das Habsburgerreich bereits eine Weltmacht und Österreich das Zentrum der katholischen Gegenreformation. Danach trägt es die Hauptlast der Verteidigung gegen die Türken und gegen die Hegemoniebestrebungen Frankreichs. Es ist Österreich und nicht Preußen, das das Reich 300 Jahre lang gegen den Angriff Frankreichs verteidigt. Dabei wird es oft genug von einzelnen Reichsfürsten verraten, auch von Preußen. Von da an gilt die österreichische Armee lange Zeit als eine der besten der Welt. Und berühmte österreichische Feldherren und Heerführer wie Prinz Eugen von Savoyen während der Türkenkriege oder Feldmarschall Daun während der kriegerischen Auseinandersetzungen mit Friedrich II. von Preußen erringen auf dem Schlachtfeld glänzende und glorreiche Siege. Aber keine Armee hat in der langen Menschheitsgeschichte immer nur gesiegt, auch die österreichische nicht.

    Nach dem Wiener Kongress 1814/15 und der Verbannung Napoleons auf die Insel St. Helena steigt der Vielvölkerstaat Österreich zur europäischen Großmacht auf. Doch schon 1866 erlebt er nach der Niederlage bei Königgrätz gegen das deutsche Heer und dem nachfolgenden Ausscheiden aus dem Deutschen Bund einen neuen Tiefpunkt. Zehn Jahre später macht das Land mit der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn einen hoffnungsvollen Neuanfang. Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg erfolgt 1919 die im Frieden von St. Germain festgelegte Aufteilung des Landes. Österreich wird eine selbstständige Republik. Von nun an schlägt es keine Schlachten mehr. Denn im März 1938 erfolgt der Einmarsch deutscher Truppen und der Anschluss an Hitlers Deutsches Reich, mit dem es bis zum Zusammenbruch 1945 vereint bleibt. Da dessen Schlachten im Zweiten Weltkrieg keine spezifisch österreichischen mehr sind, sind sie in diesem Buch auch nicht enthalten. Seit 1955 ist Österreich eine parlamentarische Demokratie und fortan als Mitglied der UNO und der EU Gott sei Dank in keinen Krieg mehr verwickelt worden. Das lässt uns zuversichtlich in die Zukunft schauen und eingedenk des in der obigen Überschrift wiedergegebenen Ausrufs von Murat hoffen, dass dies auch so bleiben möge. Dabei wollen wir uns stets der Worte Friedrichs II. des Großen bewusst sein, die er 1739/40 in seinem »Antimachiavell« niederschrieb: »Der Krieg ist ein solcher Abgrund des Jammers, sein Ausgang so wenig sicher und seine Folgen für ein Land so verheerend, dass es sich die Landesherren gar nicht genug überlegen können, ehe sie ihn auf sich nehmen.«

    »Retta, Östreich, retta!«

    Sempach, 9. Juli 1386

    Papst Gregor X. wird ungeduldig. Er braucht dringend einen König für einen Kreuzzug, denn das christliche Königreich Jerusalem liegt in den Jahren 1272/73 in den letzten Zügen. Doch im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gibt es seit dem Tod des Stauferkönigs Friedrich II. im Jahr 1250 keinen Nachfolger. Es ist die Zeit des sogenannten Interregnums. Papst Gregor drängt die deutschen Kurfürsten, umgehend einen neuen König zu wählen. Andernfalls würde er selbst einen bestimmen. Das wirkt. Das Kollegium der Reichsfürsten kommt schleunigst zusammen und wählt am 1. Oktober 1273 den 55-jährigen Grafen Rudolf von Habsburg zum deutschen König. Nach der damaligen Lebenserwartung ist er bereits ein alter Mann. Kaum sitzt Rudolf I. von Habsburg auf dem Thron, da zeigt sich, dass eine neue gesellschaftliche Gruppe immer mehr zum Machtfaktor wird: die wirtschaftlich unaufhaltsam aufsteigenden Städte. Rudolf ist nicht nur ein asketischer, nüchterner und schlichter Politiker mit einer beherrschenden Adlernase, der gern auf jeden Prunk verzichtet und auf dem Marchfeld in rostiger Rüstung erscheint. Er ist auch schlau und vorsichtig, berechnend und erfolgsorientiert. Und er hat Charisma. Da die Städte ihn finanziell unterstützen und seinen Hofstaat versorgen, revanchiert er sich, indem er ihnen nicht nur den Lehnserwerb erlaubt, sondern auch Städtebünde unter königlicher Führung gestattet. Außerdem ist er bestrebt, möglichst viele Städte zu freien, zu nur dem König unterstehenden Reichsstädten zu machen und sie so dem Zugriff der Bischöfe und Fürsten zu entziehen.

    Das gilt auch für die Bewohner der Gebiete um den Vierwaldstätter See. Rudolf I. behandelt die Schweizer Urkantone Schwyz, Uri und Unterwalden so, als wären sie selbstständig. Als er aber beginnt, auch hier die königliche Landfriedenspolitik durchzusetzen, wehren sich die Landgemeinden energisch gegen die Einsetzung landfremder Richter und königlicher Beamter. Überall erhebt sich der Gedanke der Selbstbestimmung, auch am Rhein, an Mosel und an Saar und in Lothringen und Schwaben. Nach dem Tod Rudolfs I. von Habsburg schließen sich die drei Schweizer Urkantone im August 1291 zum Schutz ihrer »alten Freiheiten« zum »Ewigen Bund« zusammen und sagen sich damit von der Herrschaft ihrer österreichischen Landesherren los. Die Beschwörung dieses Bundes soll auf dem Rütli erfolgt sein, so will es die Legende. Als daraufhin die Reichsacht über die Abtrünnigen verhängt wird und der österreichische Herzog Leopold I. sie vollziehen will, wird er 1315 von einem Schweizer Bauernheer bei Morgarten in einen Hinterhalt gelockt und entscheidend geschlagen. Unterstützt und begünstigt von allen Gegnern der Habsburger treten in den folgenden Jahren immer mehr Städte und Gemeinden dem in Brunnen erneuerten Bund der Schweizer Eidgenossen bei, nach Luzern 1351 Zürich, 1352 Glarus und Zug sowie 1353 auch Bern. Die habsburgischen Burgen in der Nähe werden angegriffen und zerstört und die Landgemeinden, die an der alten Herrschaft festhalten, werden verwüstet.

    Die Schweizer Eidgenossen haben die Unabhängigkeit von den Habsburger Landesherren erstritten, aber der Konflikt mit dem österreichischen Nachbarn ist damit keineswegs beseitigt. Im Gegenteil, er verschärft sich noch. Im Frühjahr 1386 entschließt sich der 35-jährige ehrgeizige und tatendurstige Herzog Leopold III. von Österreich, ein Neffe Leopolds I., Besitz und Ehre seines Hauses zu retten und den alten Zustand mit Gewalt wiederherzustellen. Um die treubrüchigen Schweizer zu bestrafen, ruft er die Ritterschaft seiner habsburgischen Länder zur Heerfolge auf und wirbt zusätzlich Söldner aus ganz Europa an. Da er nicht genug Geld dafür hat, muss er einige seiner oberitalienischen Besitzungen an das reiche Venedig verpfänden. Auch aus Tirol und Mailand erhält er Hilfe.

    Leopold versammelt seine Soldaten im Breisgau, nicht mehr als 3000 bis 4000 Mann. Hier setzt sich mit wehenden Bannern und von schmissigem Trompetenschall begleitet ein stolzer Heerzug in Bewegung und wälzt sich klirrend und stampfend nach Süden auf die Schweizer Kantone zu. Die schweren Plattenharnische, die kostbaren, wappengeschmückten Visierhelme der Ritter und die Panzerungen der Pferde blinken und glitzern in der Sonne. Die Ritter sind mit einem Langschwert bewaffnet, einem Dolch und einer eisenbewehrten, gut drei Meter langen Lanze. Jeder Ritter hat einige Knappen und Knechte um sich, die ihn bedienen. In der Schlacht kämpfen sie mit der Steinschleuder oder schießen mit der Armbrust. Während des Marsches reichen sie ihren adligen Herren ab und zu auf silbernen Gabeln delikate Bissen zu und in reich verzierten Pokalen köstlichen Wein. Die Ritter sind heiter und fröhlich gestimmt, denn es geht ja nicht in einen ernsthaften, ritterlichen Krieg, sondern sie sind zu einer Abstrafung unterwegs. Sie werden rauben und plündern, Äcker und Felder verwüsten, alles Vieh entführen, Frauen und Mädchen vergewaltigen und Bauern und Bürger köpfen oder an extra mitgeführten »Helsigen«, groben, derben Stricken, aufhängen. »Die Switzer wendt wir toeten, das junge und das alte bluot!« Das ist der Schlachtruf, mit dem sich die Ritter, wie uns der zeitgenössische Berner Chronist und Stadtschreiber Konrad Justinger in lebendigen Erzählungen überliefert hat, auf die untreuen Verräter stürzen werden. Einige Jünglinge haben ihren Helm abgenommen, sodass ihre nach Öl duftenden Haare in der Sonne glänzen. Hoch zu Ross tauschen sie galante Abenteuer aus, die sie mit hübschen Burgfrauen erlebt haben, und deftige, dröhnendes Gelächter auslösende Zoten machen die Runde.

    In Brugg an der Aare, nur etwas mehr als 20 Kilometer nordwestlich von Zürich entfernt, hält Herzog Leopold eine glänzende Heerschau ab. Um die Kampfkraft und Stärke seines Heeres zu demonstrieren, paradieren seine Ritter öffentlich auf ihren gepanzerten Pferden und stellen Waffen und Ausrüstung zur Schau. Der Herzog ist selbst ein hervorragender Reiter und kann wie alle seine Ritter gut mit Lanze und Schwert umgehen. Aber sie werden hier wohl gar nicht kämpfen müssen. Denn wer sollte sich ihnen entgegenstellen? Oder haben die vereinten Kantone erneut ein eigenes Heer? Der Herzog ist nachdenklich geworden. Wahrscheinlich haben sie eins. Aber wo ist es? Vielleicht ist es doch besser, nicht auf einen der Hauptplätze wie Luzern oder Zürich zuzumarschieren. Denn die Bürger werden ihre Städte befestigt und vor einem Handstreich geschützt haben. Eine Überrumpelung erscheint ausgeschlossen. Und eine Einschließung ist auch kaum möglich, denn es fehlt an Belagerungsgerät. Ein kleinerer Ort lässt sich viel leichter einschließen, viel leichter besetzen. Ein Ort wie Sempach zum Beispiel. Dieser Ort, etwa 20 Kilometer nordwestlich von Luzern am Sempachersee gelegen, erscheint viel geeigneter. Da kann fast das ganze Heer draußen auf freiem Felde bleiben. Sempach bietet sich auch deshalb an, weil es im Januar 1386 in das Burgrecht mit Luzern eingetreten ist, um mit ihm zusammenzugehen und sich so seinen Schutz zu sichern. Ja, Sempach soll für diesen schändlichen Abfall von Österreich büßen! Leopold ändert seinen ursprünglichen Plan, marschiert von Brugg aus schnurstracks nach Süden und sammelt sein Heer am Sonntag, dem 9. Juli 1386, bei Sursee, einem den Habsburgern noch treu gebliebenen Ort, der an der Nordseite des Sempachersees liegt. Leopold empfängt ein paar Abgesandte aus der Umgebung, die herbeigeeilt sind, um ihm zu huldigen.

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1