Paradoxe der Stoiker: Philosophie, Ethik und Selbstdisziplin der Stoiker
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Paradoxe der Stoiker (Paradoxa Stoicorum) ist der Titel einer kleinen philosophischen Schrift, die Cicero im Frühjahr 46 v. Chr. verfasste. Es ist eine Erörterung einiger der moralphilosophischen Lehrsätze, die von den Anhängern der Stoa als Paradoxa bezeichnet wurden, weil sie 'im Widerspruch zum herrschenden Bewusstsein des Durchschnittsmenschen standen. Cicero befasst sich in seinem umfangreichen Gesamtwerk mehrmals mit der Ethik der Stoiker, wobei er kontroverse Standpunkte einnimmt. In der Rede Pro Murena im Jahr 63 v. Chr. greift er den Stoiker Cato den Jüngeren mit überspitzt formulierten Thesen an. In den Paradoxa Stoicorum stellt er positive Aspekte der Lehre dar. Danach schreibt er in De finibus im Bücherpaar III/IV eine Verteidigung der Lehre, die er Cato dem Jüngeren in den Mund legt und eine Widerlegung durch sich selbst.
Cicero (106 v. Chr.- 43 v. Chr.) war ein römischer Politiker, Anwalt, Schriftsteller und Philosoph, der berühmteste Redner Roms und Konsul im Jahr 63 v. Chr. Cicero war einer der vielseitigsten, aber auch wankelmütigsten Köpfe der römischen Antike. Als Schriftsteller war er schon für die Antike stilistisches Vorbild, seine Werke wurden als Muster einer vollendeten, "goldenen" Latinität nachgeahmt.
Marcus Tullius Cicero
Marcus Tullius Cicero wird 106 v. Chr. geboren. Seine Ausbildung in Rom umfaßt Recht, Literatur, Philosophie und Rhetorik, was ihm den Weg zu einer politischen Karriere ebnet. Nach kurzem Militärdienst geht er nach Griechenland und Kleinasien, um seine Studien fortzusetzen. Er kehrt 77 v. Chr. nach Rom zurück und beginnt eine politische Laufbahn. Der Durchbruch als Anwalt und Politiker in Rom gelingt ihm 70 v. Chr. im Prozeß gegen Verres. Während seiner Amtszeit als Konsul verhindert er 63 v. Chr. die Verschwörung des Catilina, muß jedoch auf Grund der herrschenden Machtverhältnisse 58 v. Chr. für kurze Zeit ins Exil gehen. Phasen politischer Abwesenheit nutzt Cicero zur Vertiefung seiner Studien und zur literarischen Produktion. In den folgenden Jahren entstehen die rechtsphilosophischen Hauptwerke wie Vom Gemeinwesen und Von den Gesetzen. Im Jahr 50 v. Chr. kehrt er nach Rom zurück und schließt sich nach Beendigung des Bürgerkrieges Caesar an. Die Akademischen Abhandlungen entstehen etwa vier Jahre später. Cicero kommt hier das Verdienst zu, die Übertragung großer Teile des griechischen philosophischen Vokabulars ins Lateinische geleistet und damit die Rezeption der griechischen Philosophie in Rom befördert zu haben. Die Frage nach der Gewißheit der Erkenntnis und der Unterschied zwischen der dogmatischen und der skeptischen Akademie auf dem Gebiet der Erkenntnistheorie steht im Mittelpunkt des Dialoges Lucullus. Cicero wird Opfer der in den politischen Unruhen des zweiten Triumvirats beschlossenen Proskritptionen. Er wird im Dezember 43 v. Chr. auf der Flucht ermordet.
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Paradoxe der Stoiker - Marcus Tullius Cicero
Paradoxon
Einleitung zu den Paradoxen
Inhaltsverzeichnis
I. Beurtheilung der Schrift. – Zeit der Abfassung.
1. Cicero's Abhandlung, welche Paradoxe der Stoiker überschrieben ist, bildet eine Ergänzung zu der Schrift von dem höchsten Gute und Uebel, wo er im III. Buche §. 15 in der Erörterung der Stoischen Lehre die Paradoxe erwähnt. Was dort kurz berührt ist, wird hier ausführlich entwickelt. Paradoxe werden von den Stoikern kurze Lehrsätze genannt, welche einen Gedanken aussprechen, der gegen die Meinung (παρὰ δόξαν) der großen Menge streitet oder zu streiten scheint. Aus der großen Anzahl der Stoischen Paradoxe hat Cicero nur sechs wichtigere zum Gegenstand seiner Betrachtung gemacht, da sich auch die übrigen nach den gegebenen Erörterungen leicht beurtheilen und erklären lassen.
2. Ueber die Absicht, die er bei Abfassung dieser Schrift gehabt hat, spricht sich Cicero in dem Vorworte zu derselben deutlich aus. Er will die Wahrheit dieser Lehrsätze darthun und sie durch eine klare und blühende Sprache der großen Menge annehmbar machen. An diesen Sätzen, sagt er (§. 4), die der gewöhnlichen Ansicht widersprechen, wünsche er einen Versuch zu machen, ob man sie nicht an's Tageslicht, das heißt auf das Forum, hervorziehen und so vortragen könne, daß sie annehmbar befunden würden, und zwar habe er diese kleine Schrift mit um so größerem Vergnügen abgefaßt, weil jene Sätze, näher betrachtet, ächt Sokratisch und durchaus wahr zu sein schienen. Es war ihm daher in dieser Abhandlung weniger darum zu thun diese Lehrsätze in streng philosophischer Weise zu entwickeln als vielmehr dieselben für das Leben fruchtbar zu machen. Sowie in der Schrift von der Freundschaft, so nimmt er auch hier weniger den Standpunkt eines Philosophen ein als den eines praktischen Staatsmannes, indem er mit der ganzen Kraft eines Redners gegen die damals mehr und mehr um sich greifende Lasterhaftigkeit der Römer, und zwar besonders vieler hochgestellter Staatsmänner, kämpft. Zugleich hat er aber auch, wie einerseits aus dem Vorworte, andererseits aus der Darstellungsweise, deren er sich bedient hat, deutlich hervorgeht, die Behandlung der sechs Paradoxe als eine Redeübung betrachtet. Die sechs Abhandlungen tragen ganz das Gepräge von rednerischen Prunkreden an sich; daher auch die so häufige Anwendung der Apostrophe, einer rhetorischen Figur, deren sich der Redner bedient, wenn er sich von der Sache abwendet und eine Person als anwesend anredet.
3. Aber die Ansicht derer ist zu verwerfen, die da meinen, die Schrift sei eigentlich weiter Nichts als Redeübungen, und man dürfe daher keineswegs aus derselben schließen, daß Cicero die darin enthaltenen Ansichten als eigene Ueberzeugung ausgesprochen habe. Denn Cicero selbst sagt zu Anfang des ersten Paradoxon: »Ich befürchte, daß Mancher von euch glaubt, diese Abhandlung sei aus den Untersuchungen der Stoiker, nicht aber aus meiner eigenen Ueberzeugung geschöpft; doch ich will sagen, was ich denke«. Allerdings sucht Cicero die Stoischen Paradoxe in der Rede für Lucius Murena (Kap. 29 und 30) lächerlich zu machen und in der Schrift von dem höchsten Gute (IV. 27 und 28) vom philosophischen Standpunkte aus zu widerlegen. In Betreff der erwähnten Rede sagt Cicero selbst an der angeführten Stelle der Schrift von dem höchsten Gute: »Ich will jetzt mit dir nicht so scherzen, wie ich es über dieselben Gegenstände (die Paradoxe) that, als ich Lucius Murena gegen deine (Cato's) Anklage vertheidigte«. Daß er aber in dem vierten Buche der Schrift von dem höchsten Gute die Sätze der Stoiker zu bekämpfen sucht, darf keineswegs auffallen, da er hier als Neuakademiker auftritt. Aus einer Vergleichung der moralischen Schriften Cicero's erhellt S. unsere Schrift: Ciceronis in philos. merit. p. 222 sqq.. In dem Wesen der neuen Akademiker aber lag es bei der Untersuchung einer Frage alle Gründe und Momente, welche für und gegen dieselbe angeführt werden können, sorgfältigst zu untersuchen und gegen einander abzuwägen und so das darinliegende Wahrscheinlichste aufzufinden ¹ .
4. Man hat zu zeigen versucht, daß die einzelnen Abhandlungen der sechs Paradoxe in einem gewissen inneren Zusammenhange ständen ² . Allein diese Versuche verrathen allerdings Scharfsinn, führen aber keineswegs zu einem befriedigenden Ergebnisse.
5. Was die Zeit der Abfassung der Paradoxe betrifft, so läßt sie sich nicht mit Sicherheit bestimmen; aber die richtigste Ansicht scheint die zu sein, daß sie kurz nach Herausgabe des Brutus oder der Schrift von den berühmten Rednern anzunehmen sei. Der Brutus ist im J. R. 707 oder 47 v. Chr. in dem einundsechzigsten Lebensjahre Cicero's, als Cäsar nach Afrika gegen Scipio und den König Juba gegangen war und kurz zuvor den Marcus Brutus zum Befehlshaber von dem Cisalpinischen Gallien gemacht hatte, verfaßt worden. Zu Anfang des Monats April wurden Scipio und Juba von Cäsar besiegt, und wenige Tage darauf nahm sich Cato zu Utika das Leben. Cicero redet aber von Cato als von einem Lebenden ³ . Demnach muß man schließen, daß Cicero diese Schrift in der Zeit abgefaßt habe, die zwischen der Herausgabe des Brutus und der Ankunft der Nachricht von Cato's Tode liegt. Die Ansicht von Schütz aber, die einen Zwischenraum von etwa zehn Jahren zwischen dem Anfange und dem Ende der Schrift annimmt, so daß im J. R. 697 (= 57 v. Chr.) das zweite, vierte und sechste Paradoxon, das sechste wenigstens nicht nach 698, das Vorwort aber mit den drei übrigen 707 geschrieben sei, ist von Gernhard ⁴ gründlich widerlegt worden.
I). Beispiele guter, d. h. tugendhafter Männer (II.). Besondere Erwähnung der Sinnenlust (III.).
(Ueber dieses Paradoxon vgl. Cicer. de Fin. III. 7, 26. 8, 27–29. und was dagegen gesagt wird IV. 15, 40 ff. 17, 46 ff. 18 48 ff.)
Zweites Paradoxon. Die Tugend genügt sich selbst zur Glückseligkeit. Wem Alles vom Schicksale abhängig ist, für den kann es nichts Gewisses geben; wer aber ganz von sich selbst abhängt, den kann äußeres Unglück nicht unglücklich machen, der ist vollkommen glückselig.
(Ueber dieses Paradoxon vgl. Cicer. de Fin. III.