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McSex: Die Pornofizierung unserer Gesellschaft
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McSex: Die Pornofizierung unserer Gesellschaft

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Generation Porno - schöne neue Sexwelt?

Findet Ihre 14-jährige Tochter es auch normal, sich in Internetforen als »kleines Flittchen«
darzustellen?
Die sexuelle Revolution war gestern, heute gehören Pornos zur Freizeitgestaltung, in Musikvideoclips wird die Zuhälter-und-Huren-Kultur gepflegt, und von Plakatwänden lächeln »perfekte« Frauen in Push-up-BHs und Stringtangas. Mit ihrem ersten Buch hat die Journalistin Myrthe Hilkens in den Niederlanden - und auch in Interviews mit deutschsprachigen Radio- und TV-Sendern - bereits viel Aufsehen erregt. Konsequent
prangert sie darin die zunehmende Sexualisierung unserer Gesellschaft an, in der Sex zum medial inszenierten Konsumartikel geworden ist.
Myrthe Hilkens gehört selbst einer sexuell befreiten Generation an und hat kein Interesse daran, in prüde, sexfeindliche Zeiten zurückzukehren, doch irgendwann merkte sie, wie die Sex- und Schönheitsindustrie besonders junge Frauen in ein neues Korsett zwingt. Mit sexueller Befreiung hat das nichts mehr zu tun.
Für ihr Buch hat die Autorin mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gesprochen und Medienberichte und wissenschaftliche Untersuchungen unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: »Sexuelles Fastfood« hat einen nachhaltigen Einfluss auf die junge Generation - auf ihr Selbstverständnis, ihr Körperbewusstsein, ihre Bilder von Männern und
Frauen, ihre Einstellung zu Liebe und Beziehungen. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Medien. Myrthe Hilkens fordert dazu auf, bewusster und vor allem kritischer mit ihnen umzugehen.
LanguageDeutsch
Release dateJan 16, 2014
ISBN9783944666051
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    Book preview

    McSex - Myrthe Hilkens

    Quellenverzeichnis

    Vorwort

    Vor kurzem wurde ich von dem alternativen Porno Festival »rated x« in Amsterdam eingeladen, an einem Panel zum Thema »sexual politics for dummies« teilzunehmen. Als ich die Return-Taste an meinem Computer drückte, um meine Zusage loszuschicken, fiel mir auf, dass ich noch nie in meinem Leben einen Porno geguckt und auch nur eine sehr rudimentäre Vorstellung davon hatte, wie ich das nachholen sollte. Obwohl ich nur wenige Jahre älter bin als Myrthe Hilkens, gehöre ich zu der Generation, bei der der Geschlechterunterschied sich noch ziemlich erfolgreich daran festmachen ließ, dass die einen Umgang mit Pornos hatten und die anderen eben nicht.

    Seitdem hat sich die Welt verändert.

    Um Pornos zu sehen, muss man es nicht mehr schaffen, die Tür zu einem Sexshop und damit zu einer Parallelwelt aufzustemmen, man braucht einfach nur »Sex« in die Suchmaschine seiner Wahl eingeben und kann – mal abgesehen von dem Wikipediaeintrag und dem Artikel über die geheimnisvollen Rädertierchen, die nie Sex haben – immer noch zwischen 500 Millionen Treffern auswählen. Doch auch außerhalb des WWW, des weltweiten Netzes, werden wir mit sexualisierten Bildern überschüttet. So wirbt eine bekannte Hustenbonbonfirma mit einer nackten Frau und dem Slogan »Jetzt wird’s feucht im Mund«, das Deutsch Magazine macht mit einer Kampagne auf sich aufmerksam, bei der eine blonde Frau mit einem Schäferhund ein ... Schäferstündchen hat, und ... nun, es ist wohl klar, worauf ich hinaus möchte.

    Zwar sind das keine völlig neuen Phänomene. »Sex sells« wurde in den 1950er Jahren vom Playboy als Werbeslogan geprägt und war eine schicke Alliteration für das, was schon immer praktiziert wurde. Allerdings ist die schiere Masse von Bildern neu: ein bisher unbekanntes Ausmaß an Abbildungen von nackten Leibern, die förmlich nach einem adäquaten Umgang schreien. Sex ist allgegenwärtig.

    Gleichzeitig ist Sex jedoch ganz und gar nicht enttabuisiert. Als mein sechsjähriger Sohn gerade das wunderbare Kinderbuch Mutter sag, wer macht die Kinder von Janosch gelesen hatte und sich erkundigte, ob er auch mal echte – sprich fotografierte – Bilder von Menschen sehen dürfte, die Liebe machen, hatte ich zunächst keine angemessene Antwort parat. Denn ich fand das eine gerechtfertigte Frage, hatte aber gleichzeitig Angst, dass, sobald er das in der Schule erzählen würde, das Jugendamt bei mir auf der Matte stehen würde. Und so schlug ich ihm die Bitte ab, wohl wissend, dass er solche Abbildungen früher oder später – und der medialen Entwicklung nach zu urteilen, eher früher – sowieso bei seinen Freunden sehen wird. Dann allerdings in einem wahrscheinlich deutlich weniger geschützten und respektvollen Rahmen.

    Und genau bei diesem Missverhältnis setzt Myrthe Hilkens an. Im gesamten westeuropäischen Raum gibt es keine Autorin, die derartig umfassendes Studienmaterial zu der, wie sie es nennt, gesellschaftlichen Pornofizierung zusammenstellt. Mit Pornofizierung meint Myrthe Hilkens das Phänomen, dass wir mit immer mehr und immer expliziteren Bildern und Inhalten konfrontiert werden – egal ob wir das Radio anschalten und einen Hiphop-Song hören oder uns Casting-Shows anschauen, in denen jungen Frauen gegeneinander konkurrieren, um einen Modelvertrag zu bekommen. Dabei erhalten wir jedoch keine Botschaften über die lebensbejahende, kreative Kraft von Sexualität, sondern werden mit Normen und Beurteilungen überschüttet, die uns mehr und mehr von unseren realen Körpern entfernen, anstatt ein Gefühl von Stolz und ... ja, Lust zu erzeugen.

    Wie Michel Foucault bereits in den 1970er Jahren treffend analysierte, sind wir keineswegs die sexuell unterdrückten Viktorianer, als die wir uns gerne sehen, die sich durch das Sprechen über Sexualität befreien müssen, sondern in einem System gefangen, in dem pausenlos über Sex geredet und gerade dadurch häufig eine sexuelle und anderweitige Befreiung verhindert wird. Mit der Expansion des Internets, dem Ausbau von Fernseh- und Radiosendern und den Entwicklungen auf dem Musikmarkt hat sich dieser Prozess so sehr beschleunigt, dass er uns überholt hat. Nun bin ich heute in der beneidenswerten Lage, dass ich mir aus der Flut der Informationen diejenigen auswählen kann, die meiner Sicht der Welt am ehesten entsprechen. Doch was hätte ich während meiner Schulzeit für eine sexuelle Aufklärung gegeben, die darüber hinausgeht, was die männliche und weibliche DNA so miteinander treiben. Und damit meine ich nicht Stellungen und Praktiken, sondern schlicht Informationen darüber, wie Mädchen und Jungen miteinander wie Menschen umgehen. Es ist ja nicht so, dass die Botschaften, die ich als Kind und Jugendliche über Sexualität bekam, wertschätzender gewesen wären als die, die meine Kinder heute bekommen, sie waren nur vager. So beschimpften wir uns auf dem Schulhof nicht als »Bitches«, sondern als Flittchen, und betrachteten die Vertreter des anderen Geschlechts als eine andere Spezies, mit der man zwar kopulieren, aber nicht kommunizieren konnte.

    Weil dieses Alter eine Zeit ist, in der wir auf allen möglichen Gebieten verzweifelt nach Bildern und Rollenmodellen suchen, vor allem aber in Bezug auf Sexualität, und dabei experimentierfreudiger, offener und verletzlicher sind als wahrscheinlich jemals zuvor und danach, legt Hilkens einen Schwerpunkt auf die Situation von Jugendlichen heute. Hilkens’ Buch ist deswegen umso prägnanter, als sie selbst aus der Urban Szene kommt – so war für sie Hiphop immer gleichbedeutend mit Revolution und eben nicht mit Sexismus – was sie in die Position versetzt, Jugendkultur von innen zu kritisieren.

    Denn das Problem ist ja nicht, dass Sex in den Medien gezeigt wird, sondern wie Sex gezeigt wird. Wenn ich eine Frau unterwerfen will, kann ich das auch voll angezogen tun, wie unzählige Werbespots aus den 1950er Jahren beweisen. Deshalb ist mein persönliches Zauberwort Wertschätzung. Mit Wertschätzung ist es egal, ob ich jemanden im Skianzug oder nackt abbilde – oder mit einem Kleid aus Alufolie, wenn die Person das so wollen sollte. Denn Wertschätzung setzt stets voraus, dass ich mein Gegenüber als Person wahrnehme. In der mittelalterlichen Philosophie war die Definition einer Person jemand, der oder die eine »unsterbliche Seele« besitzt. Oder simpler: Als ich ein Kind war, dachte ich immer, dass Liebe die Lösung für alles sei. Je älter ich werde, desto überzeugter bin ich davon, dass Liebe tatsächlich die Lösung ist – oder zumindest ein guter Teil davon – und damit meine ich nicht die romantische Liebe zu dem Typen auf dem Pferd, sondern die Liebe von Eltern zu Kindern, von Freundinnen und Freunden, von Menschen zu ihren Partnern jeglichen Geschlechts. Deshalb fordert die afroamerikanische Philosophin Bell Hooks Forschung, Information und Erziehung zur Liebe, die sie als den Wunsch definiert, zusammen mit den Menschen, die wir lieben, zu wachsen. Und deshalb fordere ich zusammen mit Myrthe Hilkens einen solcherart liebevollen Umgang mit Sexualität in Medien, Kunst und Erziehung.

    Mithu M. Sanyal

    Mithu M. Sanyal ist Autorin und Journalistin. 2009 veröffentlichte sie ihre Kulturgeschichte des weiblichen Genitals »Vulva. Die Enthüllung des unsichtbaren Geschlechts« im Wagenbach Verlag, die als Pionierarbeit auf diesem Gebiet begrüßt wurde. Sie ist Doktora der Kulturwissenschaften und schreibt Features und Hörspiele, hauptsächlich für den Westdeutschen Rundfunk.

    Prolog

    Can you control your hoe?

    (You got a bitch that won’t do what you say)

    You can’t control your hoe?

    (She hardheaded, she just won’t obey)

    Can you control your hoe?

    (You’ve got to know what to do, and what to say)

    Listen, you got to put that bitch in her place

    Even if it’s slapping her in her face

    You got to control your hoe

    Can you control your hoe?

    Snoop Dogg, »Can You Control Yo Hoe«,

    R&G (Rhythm & Gangsta): The Masterpiece

    Will deine Hure nicht hören? Zeigt sie keinen Respekt vor dir, ihrem Pimp Daddy? Say what!? Das kann ja wohl nicht wahr sein. Der Rapper Snoop Dogg empfiehlt: Zur Not schlägst du sie ins Gesicht, aber sorge dafür, dass sie auf dich hört. Ein richtiger Zuhälter lässt nicht zu, dass er gefickt wird.

    Da sitze ich dann, mit einem Kopfhörer auf den Ohren und einem Schreibblock vor der Nase. Musikjournalistin bei OOR (einer niederländischen Musikzeitschrift), ein Jugendtraum, der wahr wird. Schon seit meiner frühen Pubertät hält mich Hiphop in seinem Bann. Eine kreative Subkultur, in der die Jugend weltweit dieselbe Sprache spricht. Ein Genre, das sich schon jahrzehntelang zu erneuern weiß und das Rebellion als ein hohes Gut ansieht. Eine Musikrichtung, die für mehr steht als pumpende Beats. Hiphop symbolisiert für mich, gegen den Strom zu denken, politischen Protest, Widerstand und eine Anti-Establishment-Haltung. Jede Generation kennt ein Protestgenre, meine Eltern hatten Bob Dylan und Tom Lehrer, und ich habe The Coup und KRS One.

    Zwölf Jahre nachdem ich meine ersten Songanalysen machte, schreibe ich als freie Journalistin Kritiken für eine der bedeutendsten Musikzeitschriften der Niederlande. 2005 ist Snoop Dogg an der Reihe. Ich höre dem Text andächtig zu, der in meine Ohren hereinströmt.

    »This is what you made me do/ I really didn’t want to put hands on you/ But bitch you playin’ with fire/ I’m so sick and tired/ Of loud mouth bitches like you.«

    Bereits seit einiger Zeit dominieren in der Mainstream-Hiphopkultur Texte und Bilder, in denen Rapper, Zuhälter oder Pimps die Chefs sind und Frauen, Huren oder Hoes vor allem als unterwürfige, wesenlose Objekte dienen, deren höchstes Ziel ist, den mit Gold behangenen Herren mit ihren sexy Körpern gefällig zu sein. Dieses äußerst konservative Männer-/Frauenbild findet ziemlich kritiklos eine Bühne und ein dazugehöriges (junges) Publikum. Musiksender wie MTV, VIVA oder der niederländische Sender TMF zeigen sich mehr als bereit, ihre Abendprogrammgestaltung mit Videoclips von Regisseuren vollzustopfen, die fast alle auf dasselbe Konzept zurückgreifen. Knapp bekleidete Damen, eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an umoperierten Brüsten, fliegende Dollarscheine, Schmuck und starke Männer. Als ob die Videoproduzenten uns erzählen wollten, dass Ruhm, Geld und Bewunderung diejenigen erwartet, die schön, sexy und willig sind. In manchen Videos liegen Frauen in Stringtangas auf ihrem Bauch und wackeln mit dem Hintern. Dann ist da die kräftige Männerhand, die auf kecke Pobacken klatscht, um dem Lustobjekt anschließend im Tausch für erbrachte Dienste Geld zuzuwerfen.

    Ist dies, genau wie der Stangentanz, die große Anzahl Brustvergrößerungen und kosmetischer Schamlippenkorrekturen, das Besuchen von Stripclubs und halb betrunken deine Brüste im Fernsehen zu zeigen, das Ergebnis hart erkämpfter sexueller Freiheit? Oder gerade eine Rückkehr zu überholten Ansichten und Machtverhältnissen? Jedenfalls scheint es eine kommerzielle Hitformel zu sein, denn auch »Kreative« außerhalb der Hiphopkultur machen begierig von der Huren- und-Zuhälter-Bling-Bling-Formel Gebrauch. »Pimp« ist das neue Modewort. Autos, Studentenzimmer, Stadtbezirke, Kloschüsseln, Internetprofile und Landstreicher, alles kann und muss gepimpt werden. Dass die beliebte Kultur Tentakel hat, die bis zu scheinbar unmöglichen Stellen vordringen, zeigt sich, als selbst der niederländische Sender Evangelische Omroep versucht, das Wort »Pimp« in sein Programm zu packen. Letztendlich schiebt MTV dem jedoch einen Riegel vor, der Musiksender gibt das erfolgreiche Pimprezept nicht einfach so aus den Händen.

    Snoop Dogg, die fleischgewordene Ikone des Neunzigerjahre-Gangsta-Raps, trompetet seine dubiosen Ratschläge immer noch in mein Ohr. In meiner Kritik über sein Album erwähne ich schließlich nicht den soundsovielten Fall von Frauenfeindlichkeit. Aber am liebsten würde ich das Geschwätz über verwandte Samples, Einflüsse aus dem Funk oder gelungene Produktionen überspringen und in zweihundertfünfzig Wörtern erklären, warum ich die Nase voll habe von Snoop und Snoop-artigen. Von den Texten, aus denen die Frau als Untermensch hervorpurzelt. Auch von den Texten und Bildern, die den Mann als einen Affenartigen darstellen, einen hirnlosen Herrscher, eine cartooneske Figur, nur interessiert an Beinen, Pobacken und Brüsten. Und von dem kompletten Mangel an Kreativität und Erneuerungsdrang unter den Videoclipproduzenten und Programmgestaltern. Ich bin ganz offiziell Pimp-und-Hoe-müde.

    Aber gerade ich, eine der relativ wenigen niederländischen Frauen, die über Hiphop schreiben, sollte lieber meinen Mund halten. Mit moralistischem Gemecker über einen amerikanischen Superstar, der darüber rappt, dass man unwillige Huren schlagen muss, machst du dir keine Freunde. Popmusik ist Kunst, und im Rahmen des Künstlerischen gibt es kein gut oder schlecht. Nur Geschmack. Außerdem: Viele Künstler gingen Snoop Dogg voraus, warum sollte man jetzt plötzlich rummeckern? Also schreibe ich über starke Produktionen, das hohe Maß an Hitverdächtigkeit einiger Tracks auf dem Album und die tiefen Bässe. Blabla.

    Fast forward ins Jahr 2008. Die Debatte über die Sexualisierung unserer Gesellschaft – an der Videoclips einen großen Anteil haben – ist mittlerweile vollends ausgebrochen und wird in den Niederlanden an verschiedenen Stellen geführt. An Schulen, Universitäten, in Frauenhäusern, im politischen Den Haag und in den Medien taucht das Thema ständig auf, und ich nehme häufig an der Debatte teil. Dabei wird durchweg von »Sexualisierung« gesprochen, aber ich nenne es im Kontext der heutigen Diskussion lieber »Pornofizierung«. Sexualisierung problematisiert das Phänomen »Sex« und an Sex für sich genommen ist nichts verkehrt. »Pornofizierung« bezeichnet meines Erachtens besser, was wir hier meinen.Nämlich wie eine einst obskure und nun kommerzielle, lukrative Milliardenindustrie unser Alltagsleben beeinflusst. Die Werbebranche, die Musikindustrie, die Frauen- und Männerzeitschriften und andere Mainstream-Medien. Das Denken über Sex. Die Erhaltung oder gerade Wiedergeburt stereotyper Beziehungen zwischen den Geschlechtern. Eine neue Generation Jugendlicher und ihre digitalisierte Lebenswelt. Das Bild, das dieselben Jugendlichen, insbesondere Mädchen, sich über ihren eigenen Körper bilden und wie der aussehen sollte. Und wir sprechen über Sex als Konsumartikel. Sex als Essen zum Mitnehmen. Als einen pappigen Happen aus Restaurants, die alle gleich aussehen und Leute engagieren, die mit Einrichtungstricks dafür sorgen müssen, dass Besucher auch so schnell wie möglich wieder weggehen. Der Begriff »McSex« wurde 1994 in einem Interview für das Magazin Mademoiselle eingeführt, in dem ein Mann Sex folgendermaßen charakterisierte: »Sex is like going to McDonald’s. Most of the people are looking for a good, fast meal at a good price. It’s satisfying, it’s fattening and after, you get out of there quickly.«

    Milla Podworny, 95 Jahre, Amsterdam

    1

    »Zu meiner Zeit wurdest du nicht aufgeklärt. Wir sprachen zu Hause nicht über Sex, in der Schule übrigens auch nicht. Überhaupt nicht. Ich wuchs in einem kleinen Dorf in Deutschland auf. Ich hatte ältere Schwestern und durch sie schnappte ich schon mal etwas auf, über das Menstruieren und dergleichen. Einen Monat vor meinem siebzehnten Geburtstag bekam ich zum ersten Mal meine Regel. Mir war nicht bewusst, dass ich ab dem Moment auch fruchtbar war. Ich denke, dass mir das Wort ›fruchtbar‹ überhaupt nichts sagte. Ich bekam nur zu hören, dass ich mich vor einem dicken Bauch in Acht nehmen sollte. Aber warum? Ich wurde daraus nicht schlau. Ich würde doch nicht ganz plötzlich sehr viel Essen oder so? Was meinten sie nur? Nein, uns wurde nichts erzählt oder erklärt.

    Meine eigenen Töchter habe ich wohl aufgeklärt. Das ist schon sehr schön an der heutigen Zeit, dass man über mehr Dinge sprechen kann. Ich meine: Als ich als Kind bei einer Freundin zu Hause ein Buch fand über Geburten, war das schockierend. Ihre Eltern waren weg und so konnten wir mal heimlich einen Blick hineinwerfen. Wir sechs Mädchen haben die Zeichnungen nur so angestarrt. Na so was! Bis zu dem Moment hatten wir keinerlei Vorstellung gehabt. Obwohl es eigentlich ein ganz normales Buch war, über ein ganz normales Thema. Heutzutage dürfen Kinder bei der Entbindung ihrer Mutter dabei sein. Verstehst du? Und das ist viel besser.

    Aber ich

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